Wahrnehmung berechtigter Interessen

Wahrnehmung berechtigter Interessen

Die Wahrnehmung berechtigter Interessen ist ein Rechtfertigungsgrund des deutschen Strafrechts. Gesetzlich in § 193 StGB geregelt, betrifft er den Tatbestand der Beleidigung und reglementiert, dass ein strafbare Beleidigung dann nicht vorliegt, wenn der Täter in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt hat. Das Gesetz nennt als Fallgestaltungen solcher berechtigter Interessen:

  • tadelnde Urteile über wissenschaftliche, künstlerische oder gewerbliche Leistungen
  • Äußerungen, welche zur Ausführung ider Verteidigung von Rechten oder [sonst] zur Wahrnehmung berechtigter Interessen gemacht werden
  • Vorhaltungen und Rügen der Vorgesetzten gegen ihre Untergebenen
  • dienstliche Anzeigen oder Urteile von Seiten eines Beamten sowie als Auffangtatbestand die
  • ähnlichen Fälle.

In all diesen Konstellationen soll eine Strafbarkeit wegen Beleidigung auch dann, wenn die Äußerung selbst den Tatbestand des Ausdrucks der Miß- oder Nichtachtung erfüllt, nur gegeben sein, wenn sie sich aus der Form der Äußerung oder den Umständen aus denen sie hervorgeht, ergibt.

Anwendungsbereich

Nach herrschender Auffassung gilt der Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung berechtigter Interessen für alle Beleidigungstatbestände einschließlich der tätlichen Beleidigung; hingegen ist er auf andere Straftaten gegen Individualrechtsgüter nicht anwendbar und insbesondere nicht Ausdruck einer allgemeinen Abwägungsklausel.

Fallgruppen

Im Rahmen der privaten oder politischen Meinungsbildung trägt § 193 StGB nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts den besonderen Anforderungen der Meinungsfreiheit Rechnung. Diese Auffassung geht auf die vom Bundesverfassungsgericht begründete Wechselwirkungstheorie zurück.

Ein weiteres Gebiet, in dem § 193 StGB Anwendung findet, sind Äußerungen von Rechtsanwälten im Rahmen der Ausübung eines Mandats. Auch diese sind, soweit es die Wahrnehmung des Anwaltsberufs erfordert, als Wahrnehmung berechtigter Interessen auch dann weitgehend straffrei, wenn sie eine Ehrverletzung darstellen.

Rechtshinweis Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten!

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