Zum 40. Jahrestag der Beendigung des Krieges in Europa und der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft

Zum 40. Jahrestag der Beendigung des Krieges in Europa und der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft
Der Redner zum 8. Mai 1985: Richard von Weizsäcker

Zum 40. Jahrestag der Beendigung des Krieges in Europa und der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft ist der Titel einer vielbeachteten Rede, die der damalige Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland Richard von Weizsäcker am 8. Mai 1985 in der Gedenkstunde im Plenarsaal des Deutschen Bundestages gehalten hat.

Mit der in ihr enthaltenen Aussage von der Befreiung vom Nationalsozialismus prägte die Rede eine Kernaussage der nationalen Erinnerungskultur in der Bundesrepublik Deutschland.

Inhaltsverzeichnis

Entstehung

Weizsäcker führte während der vier Monate währenden Vorbereitungszeit der Rede Gespräche mit Parteienvertretern, sowie Vertretern von Kirchen und Vertriebenen- wie NS-Opferverbänden. Sein damaliger Pressesprecher Friedbert Pflüger schilderte wiederholt, dass Weizsäcker geplant hatte, in der Rede eine Begnadigung für Rudolf Heß zu fordern. Mit Hinweis auf die gerade aufgeflammte Bitburg-Kontroverse habe Pflüger den Bundespräsidenten dazu gebracht, die Forderung nach einer Freilassung des Hitler-Stellvertreters zu streichen.

Form, Inhalt

Die Rede ist in neun Abschnitte gegliedert, in denen sich Weizsäcker aus unterschiedlichen Blickwinkeln dem 40. Jahrestag der bis dahin meist sogenannten deutschen Kapitulation nähert. Weizsäcker verdeutlicht, dass der Tag des Kriegsendes in Europa, der von jedem Volk unterschiedlich wahrgenommen werde, für die Deutschen jedoch kein Tag der Niederlage, sondern ein „Tag der Befreiung vom menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft“ gewesen sei. Des Weiteren führt er den 8. Mai und seine Folgen untrennbar auf den Beginn der nationalsozialistischen Diktatur in Deutschland 1933 zurück.

Die Schonungslosigkeit und Offenheit, mit der Weizsäcker in der Rede Ursachen, die zum Krieg, zum Holocaust, zur Vertreibung von Völkerstämmen und zum geteilten Europa führten, analysierte und Konsequenzen für die Gegenwart daraus zog, war bis dahin für eine öffentliche Rede eines bundesdeutschen Staatsoberhauptes ohne Beispiel.

Weizsäcker schloss die Ansprache mit den Worten

Hitler hat stets damit gearbeitet, Vorurteile, Feindschaften und Haß zu schüren.
Die Bitte an die jungen Menschen lautet:
Lassen Sie sich nicht hineintreiben in Feindschaft und Haß
gegen andere Menschen,
gegen Russen oder Amerikaner,
gegen Juden oder Türken,
gegen Alternative oder Konservative,
gegen Schwarz oder Weiß.
Lernen Sie, miteinander zu leben, nicht gegeneinander.
Lassen Sie auch uns als demokratisch gewählte Politiker dies immer wieder beherzigen und ein Beispiel geben.
Ehren wir die Freiheit.
Arbeiten wir für den Frieden.
Halten wir uns an das Recht.
Dienen wir unseren inneren Maßstäben der Gerechtigkeit.
Schauen wir am heutigen 8. Mai, so gut wir können, der Wahrheit ins Auge.

Wirkung

Die Rede fand ein außergewöhnliches Echo im In- und Ausland.[1] Insbesondere in Israel sorgte sie für Furore. Aus der israelischen Botschaft in Bonn hieß es, bei der Rede habe es sich um eine „Sternstunde der deutschen Nachkriegsgeschichte“ gehandelt[2] und ebnete somit den Weg für den Staatsbesuch Richard von Weizsäckers in Israel im Oktober 1985, dem ersten Staatsbesuch eines deutschen Bundespräsidenten in diesem Land.[3] Reinhard Appel äußerte innerhalb der ZDF-Sendung Bürger fragen... am 23. Mai, ihm sei durch die Rede „ein eigenes weltbürgerliches Vaterlandsempfinden“ möglich geworden. Die Rede, die im Fernsehen zu sehen war, wurde in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt und in einer Auflage von über zwei Millionen Exemplaren an die Bürger verteilt und erschien zudem auf Tonträgern. Mehr als 60.000 Bürger wandten sich schriftlich an den Bundespräsidenten.[4] Bis heute wird die Rede als eine der bedeutendsten Leistungen Weizsäckers während seiner Amtszeit als Bundespräsident hervorgehoben.

Die Umwertung der deutschen Kapitulation zur Befreiung vom Nationalsozialismus ist heute Bestandteil der „nationalen Erinnerungskultur“ in Deutschland.

Weblink

Einzelnachweise

  1. „Der Tag der Befreiung“ - Weizsäckers berühmteste Rede, DER SPIEGEL, 8. Mai 2005
  2. Sternstunde der Nachkriegsgeschichte - Die Weizsäcker-Rede von 1985, Frankfurter Rundschau, 7. Mai 2005
  3. Tobias Kriener, Christlich-jüdischer Dialog und deutsch-israelische Beziehungen, Kapitel 10
  4. Sternstunde der Nachkriegsgeschichte - Die Weizsäcker-Rede von 1985, Frankfurter Rundschau, 7. Mai 2005

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