Delbrêl

Delbrêl

Madeleine Delbrêl (* 24. Oktober 1904; † 13. Oktober 1964) war eine französische Schriftstellerin und katholische Mystikerin.

Inhaltsverzeichnis

Kindheit und Jugend

Kindheit

Am 24. Oktober 1904 wird Madeleine Delbrêl in der südfranzösischen Stadt Mussidan geboren. Ihr Vater war ein Eisenbahnbeamter, der jedoch künstlerisch-schriftstellerisch begabt war und lieber Journalist geworden wäre. Sein exzentrischer Charakter belastete das Familienleben der Delbrêls. Zudem beeinflussten seine antiklerikal liberale Lebenseinstellung sowie seine atheistischen Denkweisen seiner Freunde Madeleines Kindheit und Jugend. Ihre Mutter, Tochter eines Fabrikbesitzers, kam aus der bürgerlichen Schicht und verkörperte auch deren Werte. Bis zu ihrem 9. Lebensjahr wechselte Madeleine, bedingt durch den Beruf ihres Vaters, neun mal den Wohnsitz. Es war schwer für das Mädchen, sich nirgends heimisch zu fühlen und keine festen Freundschaften aufbauen zu können. Da so ein regelmäßiger Schulbesuch unmöglich war, erhielt sie Privatunterricht und entwickelte Begabungen im schriftstellerischen, musikalischen und künstlerischen Bereich.

Erster Weltkrieg und seine Folgen

Als Madeleine 10 Jahre alt war, brach der erste Weltkrieg aus. Dieser erschütterte sie enorm. In Angesicht der schrecklichen Geschehnisse, und beeinflusst von den atheistischen Freunden des Vaters, bekannte sie sich mit 16 überzeugt zum Atheismus. Zu dieser Zeit studiert sie bereits an der Sorbonne in Paris Kunst und Philosophie. Sie genießt die Welt in allen Zügen mit Feiern, Freunden, ...

Jean Maydieu

In Paris lernt sie Jean Maydieu kennen und die beiden verlieben sich ineinander. An ihrem 19. Geburtstag wird die Verlobung bekannt gegeben. In der Zeit mit ihm kommt sie mit dem christlichen Glauben in Kontakt und setzt sich mit ihm auseinander. Doch Jean Maydieu, der schon früher seine Berufung gespürt hatte, verlässt sie, und tritt in das Noviziat der Dominikaner ein. Zudem verliert ihr Vater das Augenlicht, worunter die ganze Familie leidet. Daraufhin gerät sie in eine Krise und wird schwer krank.

Kontakt mit dem Christentum

Bekehrung

In der Verarbeitung dieses Schmerzes sucht sie nach der tiefsten Quelle der Liebe, die sie in der Beziehung erlebt hat. Zudem imponiert ihr die innere Sicherheit und das Vertrauen, aus dem Jean und seine Kameraden leben. Mit ihrem untrüglichem Realitätssinn sucht sie weiter die Wahrheit und kommt zu dem Schluss, dass die Existenz Gottes logischerweise genauso wahrscheinlich ist, wie seine Nicht-Existenz. In dieser Situation entschließt sie sich zu beten, und erlebt in diesen Begegnungen mit Gott ihre Bekehrung. Nach ihrer Bekehrung denkt sie darüber nach, in den Karmel einzutreten, um ihren Glauben in Meditation zu leben. Schließlich lässt sie aber, da sie zu Hause bei ihrem blinden Vater gebraucht wird, davon ab und widmet sich nun ihrer religiösen Bildung und künstlerischen Tätigkeiten.

Engagement in der Gemeinde

Sie nimmt auch Kontakt zu der christlichen Gemeinde in ihrer Umgebung auf und lernt Abbé Lorenzo kennen, der sie auf ihrem Weg unterstützt und ihr vorschlägt, sich in der Pfarrei zu engagieren. Sie wird Gruppenführerin der Pfadfinder, wo bald neben Spaß und Besinnung, karitativer Einsatz als Teil des Lebens nach dem Evangelium Thema wird. Mehr und mehr erkennt sie, dass ihr Leben mit Gott bei den Menschen und ohne Trennwände sein soll. So beginnt sie im Oktober 1931 eine Ausbildung als Sozialarbeiterin an der Ecole Montparnasse, da sie in diesem Beruf eine Möglichkeit sieht, ihren Glauben nicht abgesondert von der Welt, sondern mitten in der Welt zu leben.

Die Idee

In der Pfadfindergruppe äußern mehrere Mitglieder den Wunsch eine Caritasgruppe zu gründen und dort als Laien eine Art christliches Familienleben nach den Evangelischen Räten zu leben. Diese Idee scheint in der von festen Vorschriften bestimmten Kirche schwierig, doch nachdem sie sich bei mehreren kirchlichen Stellen Rat geholt hatten und bestärkt wurden, lassen sich schließlich nur noch Madeleine und zwei Kameradinnen auf das Abenteuer ein. Am 15. Oktober 1933 kommen die drei nach Ivry um dort ihr neues Leben zu beginnen, und die dortige Sozialstation zu übernehmen.

Ivry

Situation in Ivry

Aufgrund des guten Standorts nahe Paris und der vorzüglichen Infrastruktur durch Eisenbahnanschluss und der Lage an der Seine, erlebt die Industrialisierung in der Stadt einen großen Aufschwung. Es entstehen zahlreiche Fabriken, viele Menschen kommen nach Ivry, um dort zu arbeiten. Die Lebenssituationen sind schrecklich. In dieser Situation hat die kommunistische Partei politisch großen Erfolg, da sie verspricht, sich der Probleme anzunehmen. Ivry ist schließlich die erste französische Stadt, die kommunistisch regiert wird. Christliche Kreise reagieren darauf schockiert, und schotten sich zunächst ab. Trotz der Spannungen gibt es aber Annäherungsversuche und die Kirche schafft soziale Einrichtungen.

Arbeit in Ivry

Madeleine und ihre Kameradinnen Suzanne und Helene übernehmen dort die Sozialstation, ohne über den Kommunismus und die Situation der Arbeiter Bescheid zu wissen. Sie arbeiten zunächst fast ausschließlich im Auftrag der Pfarrei, doch fördert ihre Arbeit auch nach und nach die Kontakte mit Arbeitern und Kommunisten, deren Ideen und Nöten und sie schließen Freundschaften.

Kontakt mit dem Kommunismus

Je mehr sie damit in Kontakt kommen, umso weniger können sie die Gleichgültigkeit der Gläubigen, vor allem der christlichen Arbeitgeber gegenüber der Ungerechtigkeit verstehen. Die einzigen, die sich der Not der Arbeiter annahmen, war die kommunistische Partei. So arbeiteten sie auch mit diesen zusammen. In der Aktion „die ausgestreckte Hand“ schlossen sich 1936 die Kommunisten und Christen gegen die Faschisten zusammen. Neben praktischen sozialen Aktionen ermöglichte dies auch die konkrete Begegnung der Kirche mit den Ungläubigen der Stadt. Insgesamt stellte der Kommunismus für Madeleine in dieser Zeit eine große Versuchung dar. Aufgrund der sozialen Aktionen überlegt sie sich, ihm anzuschließen. Als sie jedoch durch das Studium des Evangeliums und der Schriften Lenins feststellt, dass der Marxismus zutiefst atheistisch geprägt ist, distanziert sie sich von ihm.

Lebensstil der Gruppe

Ihre Berufung hat zwei Pole, Gott und die Straße. Ihre wichtigste Aufgabe sehen sie in der Erfüllung des Doppelgebotes der Liebe. Sie leben in einer Frauengemeinschaft, die auf jede Art der Spezialisierung in Form von Regeln, Gelübden und Klausur verzichtet. Sie wollen ein kontemplatives Leben inmitten der lauten Arbeiterstadt führen und ihre Aufgaben als Christen im alltäglichen Leben ernst nehmen. Sie setzen sich zusammen mit den Kommunisten für soziale Gerechtigkeit ein, wollen aber auch gerade in diese atheistische Umgebung die Botschaft des Evangeliums bringen, indem sie danach leben.

Zweiter Weltkrieg

Schon vor Kriegsbeginn erlebt Madeleine auf einer Reise nach Deutschland den Wahnsinn des Nationalsozialismus und ahnt den Krieg, und ist bereit, in ihrem Rahmen als Fürsorgerin in Ivry gegen das Regime zu kämpfen. Nun wird ihr während des Krieges die Leitung der Sozialdienste der ganzen Region anvertraut, die sie nachher unter den Kommunisten fortführt. Diese Jahre sind geprägt von viel Arbeit, von Evakuierungsaktionen, Hilfe für von Verhaftungen Bedrohten, Familienzusammenführungen, Schaffung von Einrichtungen, Ausbildungskursen für die benötigten Fürsorgerinnen, Berichten in denen sie Probleme anprangert, gegen Schäden der Bombardierungen vorzugehen, ...

Mission de France

Neben den materiellen und sozialen Problemen ist diese Zeit auch von einer Entchristlichung der Bevölkerung und einem sich weiter ausbreitendem Atheismus geprägt. Folgen sind die Reformbewegung der katholischen Kirche in Frankreich, die Madeleine, die ja mit dem geistigen Elend vieler konfrontiert ist, begrüßt. Auf die Idee von Kardinal Suhard hin, wird eine Art neues Priesterseminar gebildet, das Priester dazu ausbildet, speziell in entchristianisierten Gebieten zu wirken und auch dort zu leben. Das Experiment nannte man Arbeiterpriester. Diese neue Bewegung, die sich Mission de France nennt und am 1. Juli 1943 gegründet wurde, findet, vor allem nach Kriegsende großen Zulauf und breitet sich rasch aus. Sie ist schließlich auch nicht mehr auf Priester begrenzt, es schließen sich ihr auch zahlreich Ordensleute und Laien an, die ihren Glauben mitten in der atheistischen Umgebung der Arbeiter leben wollen. Für die Gruppe von Madeleine stellt sich die Frage, ob sie sich formell der Mission de France angliedern sollen, doch haben sie Angst vor der Institutionalisierung und beschließen ihr zwar nahe zu bleiben, sich aber nicht formell anzuschließen.

Abschied vom Beruf und Engagement im Haus Delbrêl

Nachdem es in der Gemeinschaft verstärkt Spannungen aufgrund ihres politischen Engagements gab, kündigt Madeleine 1946 ihre Stellung im Rathaus und zieht sich aus dem öffentlichen Dienst zurück. Von nun an führt sie für die Gemeinschaft den Haushalt, und kümmert sich um die zahlreichen Gäste. Sie unterstützt Alleinerziehende Mütter mit Kindern, Arbeitslose, streikende Arbeiter, spanische Widerstandskämpfer, und setzt sich für die Freilassung politischer Gefangenen in Spanien und USA ein.

Probleme in der Mission de France

1952 verstärkt sich nach dem schon eher erlassenem Verbot der Zusammenarbeit der Arbeiterpriester und Kommunisten, die Krise der Arbeitermission. Die Arbeiterpriester, ein Experiment, das schon immer aus einer Kirche von unten kam, verliert den Rückhalt der schon immer skeptischen römisch-katholischen Kirche und wird andererseits von den politisch Linken als kommunismusfeindlich beschuldigt. Madeleine reist nach Rom, um für die Mission de France und die Arbeiterpriester zu beten. Doch die Kirche bricht 1953 das Experiment der Arbeiterpriester ab. Madeleine unternimmt eine zweite Reise nach Rom und erhält auch eine Audienz bei Papst Pius XII., der ihr dreimal das Wort „Apostolat“ ans Herz legt und bei dem sie auch den Staatssekretär kennenlernt, der 1958 bei der offiziellen Anerkennung der spezifischen Berufung Madeleines und ihrer Gemeinschaft eine große Rolle spielt. 1954 wird die „Mission de France“ wieder eingeschränkt erlaubt, jedoch 1959 erneut verboten Darüber hinaus wird Madeleine durch den Tod ihrer Eltern und anderer nahestehender Personen geschwächt und ist fast ständig krank.

Zweites Vatikanisches Konzil

1961 wird Madeleine gebeten, bei den Konzilsvorbereitungen für das von Johannes XXIII. angekündigte Zweite Vatikanische Konzil mitzuarbeiten. Nachdem sie nach einigen Reisen von Erzbischof Sartre erneut gebeten wird, schickt sie ihm Notizen über das Thema „das Verhältnis von Glauben und Geschichte, von Zeitlichkeit und Ewigkeit“ zu.

Tod

Madeleine stirbt am 13. Oktober 1964 an einem Schlaganfall.

Literatur

  • Katja Boehme: Madeleine Delbrêl. Die andere Heilige. Herder-Verlag Freiburg 2005 (2. Aufl.).
  • Annette Schleinzer: „Die Liebe ist unsere einzige Aufgabe“ – Das Lebenszeugnis von Madeleine Delbrêl. Schwabenverlag.
  • Christine de Boismarmin: Ein Leben unter Menschen, die Christus nicht kennen. Verlag Neue Stadt. München 1986.
  • Gotthard Fuchs (Hrsg.): Madeleine Delbrêl. In ihren Armen das Gewicht der Welt. Verlag Josef Knecht. Frankfurt 1995.

Weblinks


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