Demonstration von Autorität

Demonstration von Autorität

Autorität ist im weitesten Sinne eine soziale Positionierung, die einer Institution oder Person zugeschrieben wird und dazu führt, dass sich andere Menschen in ihrem Denken und Handeln nach ihr richten. Sie entsteht (durch Vereinbarungen oder Herrschaftsbeziehungen) in gesellschaftlichen Prozessen (Lehrer/Schüler, Vorgesetzter/Mitarbeiter) oder durch vorausgehende Erfahrungen (von Entschlusskraft, Kompetenz, Tradition, Charisma oder Offenbarung). Der Begriff hat seine Wurzeln im römischen Recht (auctoritas).

Inhaltsverzeichnis

Formen der Auseinandersetzung mit Autorität

Autorität ist nicht vornehmlich als Eigenschaft, sondern hauptsächlich als Beziehungsqualität zu begreifen; die Autorität bedarf der Anerkennung anderer, das Autoritätsverhältnis ist zweiseitig. Dabei kann es sich um die verschiedensten Beziehungsformen handeln, insbesondere können die Grade der Freiwilligkeit der Anerkennung viele Formen annehmen, insbesondere:

  • Freiwillige Bewunderung, Anerkennung und Respekt, bis hin zum Gegenteil Autoritätshörigkeit.
  • Faktisch akzeptierte Autorität in gesellschaftlichen Rollen (z. B. Eltern, Lehrer, Vorgesetzte, Polizisten, Richter, Trainer)
  • Vortäuschen der Akzeptanz der Autorität nach Außen hin, um Nachteile zu vermeiden, bei gleichzeitiger innerer oder gegenüber Vertrauten dokumentierter Ablehnung
  • Erzwungene Anerkennung von Autorität aufgrund körperlicher Unterlegenheit, in Situationen von Gefangenschaft oder Gefängnis- oder allgemein aufgrund von massiven Angstsituationen.
  • Auflehnung und Rebellion beispielsweise gegen die Staatsautorität.

Unterschiedliche Auffassungen und Auswirkungen von Autorität

Neue Ansätze im Lehrbereich, zum Beispiel in den konstruktivistischen Lehr- und Lerntheorien, gehen davon aus, dass die Lehrperson ihre Autorität nicht nur kraft des Gesetzes/der Position erlangt, sondern durch Zustimmung von den Belehrten. Autorität kann zudem geteilt oder delegiert werden, sofern die Autorität (als Person) gewillt ist, dies zu tun.

Prinzipiell betrachtet, entsteht durch Autorität dennoch ein (wenn auch ein zeitlich, räumlich oder fachlich beliebig eingeschränkt vorstellbares) Machtgefälle bzw. Herrschaftsverhältnis zwischen im elementaren Fall zwei Personen.

Welche Macht einem Lehrer zukommt, hat Jane Elliott durch ihr Experiment gezeigt, in dem sie Kinder durch falsche Informationen über die angebliche Bedeutung der Augenfarbe für den Charakter dazu veranlaßte, andere Kinder zu diskriminieren. Zusätzlich zu den irreführenden Informationen ging sie mit schlechtem Beispiel voran, indem sie selbst die jeweils als Sündenböcke ausgewählten diskriminierte. Später entwickelte sie daraus ein auf Bewußtseinsförderung abzielendes Anti-Rassismus-Programm. [1]

Erich Fromm bezeichnet die Autorität des Lehrers im Lehrer-Schüler-Verhältnis als Beispiel für eine rationale Autorität, gegenüber der irrationalen Autorität des Herrn in der Herr-Knecht-Beziehung (autoritärer Charakter). Die rationale Autoritätsbeziehung löst sich auf, je selbstständiger der Schüler wird, bis er schließlich der Schule entwachsen ist. Pädagogisch wird Autorität oft grundsätzlich als förderliche Autorität betrachtet, die auf Vertrauen gründet, aber auch missbraucht werden kann. Soziopsychoanalytisch kritisiert Gérard Mendel Autorität als „täuschende Maske der Gewalt“, die im Fall unzureichenden oder verweigerten Gehorsams ihr wahres strafendes Gesicht zeigt.

Der sehr schillernde Autoritätsbegriff enthält weitere Differenzierungen: charismatische Autorität, funktionale Autorität, personale Autorität, anonyme Autorität, Sachautorität, Amtsautorität, Erziehungsautorität usw.

Man kann nach Bocheński epistemische und deontische Autorität unterscheiden: Epistemische Autorität ist die Autorität des Wissenden, der sich in einem Fachgebiet besonders gut auskennt und auf den man deswegen bei Fragen, die dieses Fachgebiet betreffen, zu hören gewillt ist. Deontische Autorität bezeichnet die Autorität des Vorgesetzten, der von dieser seiner Position her Weisungen zum Verhalten seiner Untergebenen erteilen kann. Englischsprachige Autoren vertreten inhaltlich ähnliche Unterscheidungen: „Cognitive“ und „administrative“[2] – „Epistemic“ und „executive“[3] – „By command“ und „by expertise“ (Jean Goodwin, die als dritten Typus die Autorität „by dignity“ vorschlägt).[4]

Unter Demonstration von Autorität oder Autoritätsdemonstration wird eine Handlung verstanden, die dazu dienen soll, dass eine Autorität anerkannt und gefestigt wird.

Wird Autorität von einer Gruppe sich zusammengehörig fühlender Personen gleichzeitig demonstriert, so tragen Effekte der Gruppendynamik in der Regel zu einer Stärkung der Intensität dieser Demonstration bei.

Das Milgram-Experiment zeigt, dass eine Deckung in dem Sinne, dass z. B. Vorgesetzte Handlungen zur Demonstration von Autorität allgemein oder im Einzelfall befürworten, weiterhin zur Stärkung der Intensität der Demonstration von Autorität beiträgt. Gibt es möglichst wenig Kontakt (z. B. Gelegenheiten für Mitgefühl) zwischen Demonstrierenden und Betroffenen, so ist dies ebenfalls intensitätssteigernd.

Eine Demonstration von Autorität kann zum Beispiel durch Nachsicht und Respekt oder durch die offensichtliche Suche nach einem gerechten Konsens in Konflikten erfolgen. Dies wird gegenwärtig von vielen Menschen als positiv erachtet, da diese solche Demonstrationen von Autorität als Zeichen intellektueller Überlegenheit sehen.

Es gibt aber auch Methoden, die zur Zeit überwiegend negativ bewertet werden, so z. B. durch möglichst beeindruckendes Auftreten: Habitus, Kleidung, möglichst imposante Uniform, Talar, Abzeichen, Waffe, o. Ä., durch Sprache, etwa entschiedener Tonfall, Schreien, auch Drohungen, („Säbelrasseln“), oder Beleidigungen, sowie durch Gewalt, Androhen oder Zufügen von physischem oder psychischem Schmerz, Qual, Folter Autorität zu erzwingen. Dazu gehört auch das Verbreiten von Angst und Terror, z. B. demonstrative Verletzung oder Tötung Anderer (Exempel statuieren).

In der Studentenbewegung spielte der der Frankfurter Schule entlehnte Begriff von Autorität eine große Rolle. Die Revolte wird demnach auch als Antiautoritäre Bewegung bezeichnet.

Sozialwissenschaftler wie Theodor W. Adorno untersuchten in den 50ern die Autoritäre Persönlichkeit, die zuvor schon Erich Fromm in den 30er Jahren während seiner Zugehörigkeit zur Frankfurter Schule als sadomasochistischer Charakter erarbeitet hatte.

Siehe auch

Trivia

Der Journalist und Schauspieler Wolf Schmidt sprach in den sechziger Jahren davon, daß die Jungen Leute durchaus Autoritäten akzeptierten, aber eben solche, die sie anerkennen könnten. Er faßte diesen veränderten Autoritätsbegriff in einem Drehbuch zusammen: „Früher hatte jeder Idiot automatisch Autorität, wenn er nur irgendeine Funktion besaß. Heute muß man sich seine Autorität (als Chef) jeden Tag aufs neue verdienen.“ [5]

Literatur

  • Joseph M. Bocheński: Was ist Autorität? Einführung in die Logik der Autorität. Herder, Freiburg i. Br. 1974, ISBN 3-451-01939-6
  • Heinz Hartmann, Funktionale Autorität, Enke, Stuttgart 1964
  • Gérard Mendel: Plädoyer für die Entkolonisierung des Kindes. Sozio-Psychoanalyse der Autorität. Walter-Verlag, Olten/Freiburg i.Br. 1973, ISBN 3-530-56401-X
  • Zimbardo Gerrig: Psychologie Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1999
  • DIOTIMA: Jenseits der Gleichheit. Über Macht und die weiblichen Wurzeln der Autorität, (Hrsg. und aus dem Italienischen übersetzt von Dorothee Markert und Antje Schrupp, Ulrike-Helmer-Verlag, Königstein 1999) [6]

Quellen

  1. Zum Trainingskonzept von Jane Elliott, weitere Informationen in deutscher Sprache
  2. Patrick Wilson, Second-hand knowledge. An inquiry into Cognitive Authority, Westport 1983
  3. Richard T. De George, The Nature and Limits of Authority, Lawrence 1985
  4. Jean Goodwin, Forms of Authority and the Real Ad Verecundiam, Argumentation 12 (1998), 267-280
  5. Die Familie Hesselbach
  6. Informationen zu den Sammelbänden

Weblinks


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