- Der Große Adler
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Schiffsdaten Name: Adler von Lübeck Schiffstyp: Galeone Kiellegung: 1565 Stapellauf: März 1566 Fertigstellung: 1567 Bauwerft: Wallhalbinsel in Lübeck Besatzung: 350 Mann Marinesoldaten: 650 Mann Technische Eckdaten Wasserverdrängung: ca. 2000 t Länge über alles: 78,30 m Breite über alles: 14,50 m Höhe über alles: 62,15 m
108,0 Ellen [A. 1]Mittlerer Tiefgang: 5,30 m Anzahl der Masten: 4 Segelfläche: 1795 m² Geschütze: 138 Technische Daten im einzelnen Kapazitäten [1] Ladefähigkeit 1.250 t
625 LastenTragfähigkeit 1.530 t
800 LastenGesamtgewicht ca. 2.000 t Längen [1] Länge der Galion 10,45 m
18,0 EllenLänge der Kuhl (zwischen den Kastellen) 15,30 m Länge des Kiels 36,00 m
62,0 EllenLänge von Steven zu Steven 49,00 m
85,0 EllenLänge vom Galion bis zur Galerie 64,00 m
111,0 EllenLänge über alles: 78,30 m Breiten [1] Lichte Breite binnenbords 13,84 m
24,0 EllenBreite über alles: 14,50 m Höhen [1] Hol 5,00 m Höhe des Achterstevens 11,55 m
20,0 EllenHöhe des Vorderstevens 14,13 m
24,5 EllenHintere Höhe von Kiel bis Heckbord 21,50 m
37,5 EllenMasten, Stengen, Ruten [1] Länge des Flaggenstocks 6,95 m
4,0 FadenBreite der Grossrah 34,00 m
57,0 EllenGroßmast aus 3 Hölzern - darunter Untermast 33,00 m
19,0 Faden- darunter Marsstenge 17,40 m
10,0 Faden- darunter Bramstenge 12,20 m
7,0 FadenHöhe über alles: 62,15 m
108,0 Ellen [A. 1]Segelflächen [2] [A. 2] Blinde 125 m² Fock 151 m² - dazu mittleres Bonnet 55 m² - dazu unteres Bonnet 47 m² Fockmars-Segel 140 m² - dazu unteres Bonnet 53 m² Fockbram-Segel 75 m² Gross-Segel 244 m² - dazu mittleres Bonnet 93 m² - dazu unteres Bonnet 95 m² Grossmars-Segel 189 m² - dazu unteres Bonnet 79 m² Grossbram-Segel 110 m² Besan-Segel 167 m² - dazu unteres Bonnet 55 m² Bonaventur-Segel 117 m² Gesamtsegelfläche 1795 m² Marsen (Mastkörbe) Am Fockmast 2 Am Großmast 2 Am Besanmast 2 Am Bonaventuramast 1 Insgesamt 7 Bewaffnung [3] Bronzegeschütze 48 Pfünder
(ganze Kartaunen):8 24 Pfünder
(halbe Kartaunen):6 10 Pfünder
(Feldschlangen):26 5 Pfünder
(halbe Feldschlangen):4 3 Pfünder
(Quarterschlangen):8 Eisengeschütze 6 Pfünder
(Dreiviertelschlangen):10 1½ Pfünder
(Barsen):40 Steinbüchsen verschiedenen Kalibers: 36 Insgesamt 138 Die Adler von Lübeck, auch Der Große Adler oder Lübscher Adler genannt, war ein Kriegsschiff der Hansestadt Lübeck im 16. Jahrhundert. Sie war mit einer Länge über alles von ca. 78,30 m und einer Wasserverdrängung von etwa 2000 t das größte Schiff ihrer Zeit.
Die Adler wurde 1567 als Führungsschiff der Lübecker im Nordischen Krieg gegen Schweden in den Dienst gestellt, gelangte aber nicht mehr zum geplanten Kampfeinsatz. Mit knapp 150 Artillerierohren auf drei Geschützdecks kam das Kriegsschiff, das als ein Mischtyp aus Galeone und Karacke anzusehen ist, der Feuerkraft der späteren Dreidecker bereits recht nahe. Auch die viermastige Takelage bis zu rund 62 m Höhe nahm die Dimensionen der nachfolgenden Ära der Linienschiffe weitgehend vorweg. Nach Ende des Krieges 1570 wurde die Adler zum Frachtsegler umgebaut und u.a. für den Salzhandel mit der Iberischen Halbinsel eingesetzt, wo das für den Frachtbetrieb eigentlich ungeeignete Schiff schließlich 1581 leck schlug und abgewrackt wurde.
Derzeit plant die Deutsche Museumswerft einen originalgetreuen Nachbau der Adler von Lübeck im Maßstab 1:1 anzufertigen. Ziel der Rekonstruktion ist es, traditionelle Schiffbautechniken wiederzubeleben und an die Nachwelt weiterzureichen.
Inhaltsverzeichnis
Quellenlage
Insgesamt konnten bislang eher wenige Unterlagen über die Adler von Lübeck ausfindig gemacht werden, obwohl in Stadt- und Museumsarchiven sich noch etliches unbekanntes Material über das Schiff befinden dürfte. Immerhin liegt das Artilleriebuch der Adler von Lübeck vor[3] sowie einige - freilich unterschiedliche - Angaben über die Ausmaße des Schiffs. Diese sind in mehreren Quellen aus dem 16. und 17. Jahrhundert enthalten, namentlich in den Chroniken der Lübecker Stadtschreiber von Hoeveln (um 1565), Heinrich Rehbein (1568-1619/29) und Detlef Dreyer (um 1600). Auch der Chronist Johann Peter Willbrand äußerte sich Mitte des 18. Jahrhunderts über das Schiff. Eine wichtige Quelle stellt die Schiffahrtsgeschichte von Peter van der Horst dar,[1] die neben dem Geschützbuch als Grundlage für die nebenstehenden Tabellenangaben dient (siehe dortige Fußnoten für genaue Quellennachweise).
Genaue Bauzeichnungen sind bisher nicht aufgetaucht, so dass nur die allgemein bekannten Merkmale der Schiffstypen der Karacke und der Galeone als Orientierungshilfe dienen können. Entsprechend stark weichen die bestehenden Modellnachbauten voneinander ab. Es ist auch fraglich, ob damals überhaupt Bauzeichnungen angefertigt wurden, da Schiffsbaumeister im 16. Jahrhundert sich in erster Linie auf ihre praktische Erfahrung und handwerklichen Fähigkeiten verließen.[A. 3] Einzig aus der Bauzerter (Baukontrakt) lassen sich grobe Richtwerte für die Schiffsabmessungen gewinnen. Hierbei darf aber nicht vergessen werden, dass alte Maße wie Elle oder Fuß sich von Ort zu Ort unterscheiden konnten.[A. 4]
Geschichte
Die Adler von Lübeck wurde 1565 von Schiffbaumeister Sylvester Franke (auch: Francke) auf einem Bauplatz an der Trave auf Kiel gelegt.[A. 5] Auftraggeber war die Hansestadt Lübeck, die sich im Nordischen Krieg mit Schweden befand, und nach dem Verlust ihres bisherigen Flaggschiffs Engel[A. 6] ein neues Führungsschiff benötigte.[4] Hauptaufgabe der Adler sollte es sein, Handelsschiffen der Hanse auf der Ost- und Nordsee Geleitschutz zu bieten.[A. 7] Bereits im März 1566 konnte das Schiff vom Stapel gelassen werden und nach Fertigstellung im folgenden Jahr in Dienst gestellt werden. Den Oberbefehl über die "Adler" als neues Flaggschiff übernahm bis 1569 der spätere Bürgermeister von Lübeck Johann Brockes (auch: Brokes) und ab 1570 der Ratsherr Johann von Wickede.[5]
In der Zwischenzeit hatte die Lübecker Admiralität jedoch große Verluste zu beklagen. So sanken im Juli 1566 nach einem Gefecht mit den Schweden die Morian samt Bürgermeisteradmiral Bartholomeus Tinnappel sowie zwölf weitere dänische und Lübecker Schiffen vor Gotland in einem Sturm, bei dem die Anker nicht gehalten hatten. Nach diesem Unglück war die Flotte der Hansestadt nur noch bedingt einsatzfähig.
Da die Kriegsparteien sich mittlerweile am Verhandlungstisch eingefunden hatten, kam die Adler nicht mehr zum vorgesehenen Einsatz. Ohne Kampfhandlungen gesehen zu haben, wurde das Schiff, dessen Kriegsausstattung nach dem Frieden von Stettin im November 1570 endgültig überflüssig wurde, zum Frachtsegler umgebaut und für Fahrten zur Iberischen Halbinsel eingesetzt.[A. 8] Nicht zuletzt durch die Wegnahme etlicher Geschütze konnte dabei die Ladekapazität der Adler von 1250 t (625 Lasten) auf etwa 1600 t (800 Lasten) erhöht werden.[A. 9] Trotzdem gelang es nicht, die Adler von Lübeck zu einem wirklichen Handelssegler umzufunktionieren, da sie für den Frachtbetrieb zu aufwendig gebaut war und sich für die damals übliche Salzbefrachtung als ungeeignet erwies. Zudem nahm das Schiff viel Wasser, was vermutlich damit zusammenhing, dass der Kielbalken sich mittschiffs nach oben durchbog und die gegebene Spantenkonstruktion für ein derart großes kraweel gebautes Schiff nicht geeignet war.[6]
1581 schlug die Adler von Lübeck auf einer Rückfahrt von Lissabon etwa 200 Kilometer vor der Tejo-Mündung leck und musste zur portugiesischen Hauptstadt gebracht werden. Das Schiff wurde nach Begutachtung des Schadens für rund 2000 Dukaten verkauft und ihre Hölzer einer anderen Nutzung zugeführt.[A. 10]
Schiffstyp
Die Adler von Lübeck wurde in den (wenigen bisher gefundenen) Quellen unterschiedlich klassifiziert, darunter als Kogge, Holk, Karacke oder Galeone. Wie fast alle Schiffe jener Zeit war die Adler jedoch nicht genau einem bestimmten Schiffstyp zuzuordnen, da Schiffsbaumeister häufig gut befundene Elemente von anderen Bauarten übernahmen und so Mischformen entstanden. Zudem weisen eine Reihe von Konstruktionsmerkmalen die Adler als ein Schiff des Überganges aus. So rührte etwa die Klinkerung am oberen Achterschiff noch aus der nordeuropäischen Bautradition des 15. Jahrhunderts her, wohingegen das Spiegelheck, das hinter den Vordersteven zurückgezogene vordere Kastell, der niedrigere achterliche Aufbau und der unterteilte Fock- und Großmast schon Entwicklungen des ausgehenden 16. und kommenden 17. Jahrhunderts vorwegnahmen.
Insgesamt aber lässt die Adler von Lübeck sich am ehesten dem Typus einer frühen nordeuropäischen Galeone zurechnen, obwohl noch einige Baulichkeiten auf eine späte Karacke hinweisen.
Baumerkmale im Überblick
Die Adler von Lübeck hatte eine Länge über alles von 78,30 m, eine Breite von 14,50 m und eine Wasserverdrängung von ca. 2000 t.[1] [A. 11] [A. 12] Andere Quellen nennen sogar 3000 t.[4] [7] Damit war die Adler zu ihrer Zeit nicht nur das größte Schiff Lübecks, sondern sogar der ganzen Welt.[A. 13] Einige Autoren sprechen vom ersten Linienschiff der Geschichte, da ihre Größe ungefähr einem mittleren Linienschiff der späteren Nelson-Ära entsprach,[7] und ihre drei Geschützdecks den späteren Dreideckern bereits nahe kamen. Der Stadtschreiber Detlef Dreyer äußerte sich um 1600 über die Adler von Lübeck und die gleichzeitig auf der Lastadie gebaute und für dänische Rechnung fertiggestellte Fortuna, dass er noch nie zwei so „wohlgestophierte Schiffe“ gesehen hätte.[2] [A. 14] Trotz fehlender konkreter Belege ist anzunehmen, dass die Adler in der damals üblichen Skelettbauweise hergestellt wurde, bei der die Spanten nicht in einem Stück gefertigt und montiert werden, sondern mit der Beplankung des Rumpfes mitwachsen.[6]
Neu an diesem Schiff war die Unterteilung der Masten. Zusammengesetzt aus Untermast, Marsstenge, Bramstenge und Flaggenstock besaß der Großmast eine Gesamtlänge von 62,15 m (108 Ellen) über dem Kiel. Die große Rah war mit 34,0 m (57 Ellen) um einiges breiter als das Schiff selbst. Der ebenfalls zusammengesetzte Fockmast und der Großmast waren rahgetakelt, während die aus einem Stück gefertigten achterlichen Besan- und Bonaventuramasten ein Lateinersegel an einer langen, schrägen Rute führten.
Für den Seekrieg verfügte die Große Adler über eine Mannschaft von 350 Mann und über 138 Geschütze verschiedenen Kalibers für das immer wichtiger werdende Artilleriegefecht auf Entfernung. Für den Nah- und Enterkampf konnten zusätzlich 650 Marinesoldaten an Bord genommen werden.[A. 15]
Baumerkmale im einzelnen
Rumpf und Aufbauten
Die Adler von Lübeck hatte von der Galion bis zur hinteren Galerie eine Länge von rund 64 m, wobei allein die Länge der Kuhl, des mittleren Bereichs des Oberdeckes, etwa 15 m betrug, was für damalige Verhältnisse ein ungewöhnlich großes Schiff ergab. Der Rumpf war vom Kiel bis zur Höhe der Kuhl komplett karweel beplankt. Nur im Achterschiff schloss sich darüber an beiden Schiffsseiten ein nach alter Machart hergestellter geklinkerter Bereich an, der sich im fünften Deck (Popp) aber wiederum als karweele Beplankung fortsetzte. Die Anzahl der geklinkert hergestellten Planken ist nicht genau verbürgt.
Die Adler von Lübeck hatte insgesamt sechs Decks, wobei die obersten, offenen Decks des Vorder- und des Achterkastells als fünftes und sechstes Deck fungierten. Im Achterschiff befanden sich aller Wahrscheinlichkeit nach zwei Gemächer. Eine Eigenart der Adler von Lübeck bestand in der Form ihrer achterlichen Reling, deren Oberkante sich im Achterkastell von der fünften bis zur obersten offenen Decksebene in einem leichten Bogen nach hinten und gleichzeitig nach oben zog, wodurch es an der Vorderkante des sechsten Decks an seitlichem Schutz fehlte.
Eigentümlicherweise besaß der Lübsche Adler nach bisheriger Erkenntnis keinen eigenen Deckaufbau, aus dem heraus der Steuermann das Schiff vor der Unbill des Wetters geschützt hätte lenken können. Allerdings ist aus 16. Jahrhundert auch eine Positionierung bekannt, bei der der Mann am Kolderstock unterhalb des Deckes stand und durch eine Gräting nach oben sah, um sich am Stand der Segel zu orientieren oder ggf. auf Zuruf von oben zu navigieren.
Über die genauen Abmessungen des Schiffs geben die bisher bekannten Quellen unterschiedliche Auskunft. Während der Chronist Peter van der Horst, der den Bauvertrag einsehen konnte, für die Adler von Lübeck eine Länge über alles von 78,30 m angibt (weitere Werte siehe rechte Tabelle), lassen sich einem extra eingelegten Blatt im Artilleriebuch des damaligen Artilleriemeisters Hans Frese teilweise abweichende Werte entnehmen:[3]
- Länge über alles: 64,43 m (112,0 Ellen)
- Kiellänge: 35,86 m (62 ⅓ Ellen)
- Breite: 14,38 m (25,0 Ellen)
- Ganze Höhe hinten: 20,71 m (36,0 Ellen)
- Tiefgang: 5,18 m (9,0 Ellen)
Obwohl die Autoren sich auf die gleiche Quelle berufen, weichen ihre Werte trotzdem voneinander ab. Warum ihre Angaben so unterschiedlich sind und welche letztlich zutreffen, konnte bisher nicht geklärt werden.[A. 16]
Masten, Spieren, Stengen und Takelung
Die Adler von Lübeck war ein Viermaster. Die beiden vorderen Masten wiesen eine Volltakelung mit drei Rahsegeln auf, wohingegen die beiden hinteren Lateinersegel trugen.
Die Breite der Großrah, die Höhe des aus Untermast, Mars- und Bramstenge zusammengesetzten Großmastes und die Länge des Flaggenstocks wurden von Peter van der Horst festgehalten (siehe rechte Tabelle Masten, Stengen, Ruten).[1]
Das Artilleriebuch nennt dagegen folgende Abmessungen der Takelage:[3]
- Großmast: 34,80 m (60,0 Ellen)
- Stenge: 17,40 m (30,0 Ellen)
- Breite der Großrah: 34,20 m (59,0 Ellen)
Die Wanten führten als Tauwerk von der Stenge über Jungfern zu den Rüsten; die Kraft wurde dann über die Rüsteisen zur Bordwand geleitet. Anders als bei vielen modernen Schiffsmodellen dargestellt, besaß die Adler in Wirklichkeit noch dreieckige, birnenförmige Jungfern und keine runden, die erst ab ca. 1620 aufkamen.[6]
Die Bugsprietzurrings bestanden aus zwei separaten Zurrings, die wiederum jeweils immer diagonal geführt waren.
Ungewöhnlich für die Zeit des 16. Jahrhunderts waren die gleich sieben Mastkörbe der Adler von Lübeck, die beim Enterkampf mit Schützen besetzt wurden.
Segel
Die Adler von Lübeck besaß mit rund 1800 m² eine für damalige Verhältnisse äußerst große Segelfläche. Die Segelgrößen in der rechten Tabelle fußen auf Hochrechnungen der Dimensionen des Schiffmodells von Karl Heinz Marquardt.[2] Karl Reinhardt weist der Segelfläche in seiner umfassenden Untersuchung 1938 sogar eine Fläche von 2.020 m2 zu.
Nach einer anderen Quelle soll allein die Breite des Großsegels 31,3 m (54,0 Ellen) betragen haben, was eine noch größere Segelfläche bedeuten würde.[8]
Der Chronist Dreyer äußerte sich über die Segel bezüglich der Anzahl von Kleden (1 Kled = Segelbahn in einer Breite von 80–90 cm; meist aber schmaler):
- Großsegel: 36 Kleden (= 28,8 m bis 32,4 m Segelbreite)
- Fock: 26 Kleden (= 20,8 m bis 23,4 m Segelbreite)
- Blinde: 17 Kleden (= 13,6 m bis 15,3 m Segelbreite)
Bei den Segeln ist ebenfalls zu erkennen, dass ‚alte’ Elemente vorhanden sind, denn das Schiff verfügte bei mehreren Segeln noch über unten befindliche Bonnets (siehe rechte Tabell Segelfläche). Diese Bonnets dienten dem einfachen Verkleinern der Segelfläche.[A. 17] Auch das Großegel ist noch sehr breit und überproportional groß.
Am Bugspriet der Adler von Lübeck befand sich nur die Blinde an einer Rah und noch keine Oberblinde, während sich am Besanmast höchstwahrscheinlich nur ein einziges Lateinersegel befand, obwohl es auch Darstellungen gibt, die oben ein zweites Lateinersegel zeigen.[9]
Zur Besegelung jener Zeit muss hinzugefügt werden, dass die Schiffe auch mit den Segeln gesteuert wurden, indem die Wirkung des sehr schmalen Ruderblattes durch entsprechende Stellung der Segeln gerade an den achterlichen Masten unterstützt wurde.
Schiffsbemalung und -dekoration
Schiffe des 16. Jahrhundert waren nur verhalten bemalt, da dauerhafte Farben damals teuer waren und die Zweckbestimmung der Schiffe im Vordergrund stand. Der Große Adler besaß im Vorderteil und im geklinkerten Heckbereich einen waagerecht wechselnden Anstrich in rot und weiß, den Stadtfarben Lübecks.[A. 18] Die oberen Seiten der Back und des Achterschiffes zierten Wappenschilder, die im Wechsel rot-weiß gehalten waren oder einen schwarzen, doppelköpfigen Adler auf goldenem Grund zeigten. Auch an den Mastkörben befanden sich diese Wappen, wo sie wechselweise nach hinten zeigten. Das Vorderteil der Galion wurde durch ein von zwei goldenen Engeln eingefaßtes Adlerwappen geschmückt. Die weitere Bemalung des Schiffs ist derzeit noch unklar.
Einige Abbildungen der Adler von Lübeck zeigen an beiden Seiten der Kuhl ein weißes Tuch, auf dem die beiden Wappen abwechselnd abgebildet waren, und das als Sichtschutz oder als Kugelfang für leichte Geschosse gedient haben soll.[A. 19] Als einigermaßen gesichert kann gelten, dass die Innenseiten der Brüstungen und der Geschützpforten wie in jener Zeit üblich in rot gehalten waren. Weiter kann davon ausgegangen werden, dass die Adler über ein großes Repertoire an Flaggen, Wimpeln und Flammen verfügte.[10] [11] Die Farbe der Segel war vermutlich in einem hellen Braunton gehalten, der durch die damals gebräuchliche Imprägnierung mit Teerölen o.ä. entstand. Das ebenfalls geteerte Unterwasserschiff besaß ein dunkelbraunes bis fast schwarzes Äußeres. Darstellungen der Adler und anderer damaliger Schiffe mit einem weißen Unterwasserschiff dürfen als falsch angesehen werden.[A. 20]
Sonstige Baulichkeiten
Über die sonstigen Baulichkeiten der Adler von Lübeck liegen bisher nur lückenhafte Informationen vor, so dass man sich zur Vervollständigung des Bildes an der Konstruktionsweise anderer Schiffe jener Zeit orientieren muss. Von folgenden Baulichkeiten wird trotz Mangel an konkreten Belegen angenommen, dass sie auf der Adler existierten: Spill, Reservespieren und -rahen, Speigatten, Latrinen, Viehställe, eine Laterne und ein unter Deck befindliches Glockengestell. Ein Kompaß befand sich vermutlich unter Deck vor dem Steuermann. Auch Klampen zur Fixierung von Tauen und Belegnägel für das laufende Gut waren auf dem Schiff sicherlich zahlreich vorhanden.
Die offene Reling der Adler von Lübeck zur Kuhl hin bestand noch aus einfach strukturierten viereckigen Hölzern und nicht aus runden, wie es zu der Zeit schon im Mittelmeerraum üblich war. Das Schiff besaß an den seitlichen Bordwänden auch noch keine Treppenstufen, die erst im folgenden Jahrhundert bei den Dreideckern aufkamen. Achtern befand sich nur eine Galerie und noch keine Seitentaschen wie bei späteren Großschiffen. Das Achterschiff hatte einen Spiegel, dessen unterer Teil auf Darstellungen mal mit waagerechten Plankengängen, mal mit diagonaler Beplankung abgebildet ist.
Was die Ausstattung mit Beibooten betrifft, so zeigen zahlreiche Darstellungen der Adler zwar ein größeres Beiboot auf oder an der Gräting in der Kuhl, aber eine derartige Platzierung eines solchen Bootes dürfte der Phantasie des Zeichners entsprungen sein, da so die Bedienung des Spills unmöglich gewesen wäre. Dort befand sich nur die kleinere Gig. Einige Abbildungen zeigen hinter dem Heck des Schiffs ein Segelboot, bei dem es sich der Größe nach zu urteilen um das große Beiboot, die Pinasse, handeln könnte, welches damals unterwegs üblicherweise hinter dem Schiff hergezogen wurde. [10] [11]
Obwohl auf einigen Abbildungen ein Wehrgang in der Kuhl an Back- und Steuerbord zu finden ist, besaß die Adler von Lübeck wahrscheinlich gar keine Wehrgänge. Ein Sprietbaumwiderlager besaß das Schiff wohl noch nicht; Fender, mit denen man auch senkrechte Balken an den Außenplanken zwischen den Berkhölzern bezeichnete, waren vermutlich nicht mehr vorhanden.
Bewaffnung
Geschütztypen
Die Adler von Lübeck war eines der am stärksten bewaffneten Schiffe ihrer Zeit. Eine genaue Auflistung der Geschütze und sonstiger Waffen findet sich im Artilleriebuch des damaligen Artilleriemeisters Hans Frese (siehe rechte Tabelle).[3] Demnach verfügte das Kriegsschiff über insgesamt 138 Geschütze.
Ein moderner Autor, der sich auf eine nicht genannte Artillerieliste beruft, listet 148 Bordgeschütze auf:[12]
Hauptbewaffnung:
- 8 Kartaunen (Bronze) für 40pfündige Eisenkugeln
- 6 Halbkartaunen (Bronze) für 20pfündige Eisenkugeln
- 26 Feldschlangen (Bronze) für 8-10pfündige Eisenkugeln
Des Weiteren zählten zur Schiffsartillerie 28 offenbar alte Steinbüchsen samt dazugehörigen Kammern, die Steinkugeln zwischen zehn und dreißig Pfund Gewicht verschießen konnten.
Zusätzliche Bewaffnung:
- 20 kleine Steinbüchsen für dreipfündige Steinkugeln
- 20 Quartierschlangen für fünfpfündige Steinkugeln
- 40 Quartierschlangen für einhalbpfündige Steinkugeln
Diese Geschütze waren Hinterlader mit den dazugehörigen Kammern.
Eine weitere moderne Quelle gibt sogar 180 Artillerierohre verschiedenen Kalibers an.[13]
In der Praxis griff man allerdings aus Kostengründen anfangs oft auf die Geschütze zurück, die gerade zur Verfügung standen, so dass sich an Bord die verschiedensten Kaliber zwischen 4 und 55 befinden konnten.
Geschützaufstellung
Die Adler von Lübeck wird als 2½-Decker klassifiziert, womit die Decks gemeint sind, die mit (großen) Geschützen bestückt waren und sich nicht unter freiem Himmel befanden. Das Schiff hatte zwei Decks mit Geschützen über die gesamte Schiffslänge, über denen sich im Vorder- und Hinterkastell weitere Geschütze unter Deck befanden, während die in der Kuhl ungedeckt waren. Bordwände und Aufbauten der Adler waren für die Schiffsgeschütze mit Stückpforten durchsetzt, die auf den beiden unteren Decks verschließbar waren. Die Kartaunen ruhten auf hölzernen Lafetten, wobei unklar ist, ob diese bereits mit Rädern ausgestattet waren, um den Rückstoß beim Feuern abzufangen.
Im Spiegel des Schiffs befanden sich außerdem vier Heckgeschütze, die ein 'Entfilieren' verhindern sollten, also den äußerst gefährlichen Beschuss durch Verfolger. Im Vorderkastell besaß die Adler von Lübeck wiederum für diesen Zweck zwei nach vorne gerichtete Jagdgeschütze.
Auf dem vierten Deck von Vorder- und Achterkastell waren jeweils zwei 'Deckfeger' aufgestellt, die auf die Kuhl gerichtet waren, um enternde Feinde wieder vom eigenen Deck vertreiben zu können. Zahlreiche schwenkbare Kleingeschütze befanden sich auch an der Schanz der Kastelle und an den Marsen. Etliche weitere kleine Geschütze waren unter Deck an verschiedenen Schießscharten positioniert.
Anders als im 17. Jahrhundert waren die grossen Geschütze der Adler vermutlich noch nicht verziert.
Zusätzlich zur Geschützbewaffnung hatte man an den Enden von Rahen und Ruten zehn sichelartige Metallteile, sogenannte "Scherhaken" montiert, mit denen die Takelage des Gegners im Vorbeifahren beschädigt werden sollte.[10] [11]
Schiffsmodelle
Eine wissenschaftliche fundierte Untersuchung der Adler von Lübeck, die als Basis für ein wirklichkeitsnahes Schiffsmodell dienen könnte, steht bislang aus. Existierende Modelle weichen nicht unerheblich voneinander ab, nicht zuletzt aufgrund der Neigung der Erbauer, sich unkritisch an älteren Modellen oder an ungesicherten Angaben in der Literatur zu orientieren.
Größere Modelle der Adler von Lübeck (grösser als 1:90) befinden sich im Deutschen Museum in München, beim Deutschen Schifffahrtsmuseum in Bremerhaven, im Lübecker Ratskeller, im Holstentor in Lübeck und im Hansa-Park in Sierksdorf. Die Modelle sind zumeist im Verhältnis von 1 zu 20 angefertigt worden.
Die Originaltreue des Schiffsmodelles der Adler von Lübeck, das von der Firma Graupner von den 1960er bis 1990er Jahren vertrieben wurde, muss auch aufgrund neuerer Recherchen der Deutschen Museumswerft bei einer Reihe von Merkmalen angezweifelt werden. Dies wirft auch Fragen auf bzgl. der Realitätsnähe einiger neuerer Gemälde und Zeichnungen, die auf der Graupner-Version basieren.
Moderner Nachbau 1:1
Der gemeinnützige Förderverein Deutsche Museumswerft e.V. plant seit 2006 den Aufbau der Deutschen Museumswerft in Lübeck, deren erstes Projekt der Nachbau der Adler von Lübeck im Verhältnis 1 zu 1 sein soll. Ziel der Rekonstruktion ist es, traditionelle Schiffsbautechniken wiederzubeleben und für die Nachwelt zu bewahren. Zudem verspricht man sich durch experimentelle Archäologie wertvolle Erkenntnisse über die Schifffahrt in der Frühneuzeit zu gewinnen. Standort für den Bau der Replik wird ein Bauplatz an der Trave gegenüber der Lübecker Altstadt sein. Arbeitseinleitend sollen zwei große Konstruktivmodelle im Maßstab von 1:10 bis 1:15 hergestellt werden. Zur Zeit führt der Schifffahrtshistoriker Hendrik Busmann erste wissenschaftliche Recherchen zu Bau und Geschichte der Großen Adler durch.
Sonstiges
Nordkorea hat 1983 eine Briefmarke der Adler von Lübeck mit der Wertangabe 50 Chon in den Verkehr gebracht,[14] während in der Republik Togo 2001 eine 1000-Franc-Silbermünze des Hanseschiffs herausgegeben wurde. Von etwa 1976 bis Mitte 2007 war auf den Packungen einer bekannten Tabakfirma aus Bünde ein Abbild eines Schiffes zu sehen, das auf der Adler von Lübeck als Vorlage beruhte – was dem Unternehmen aber nicht bewusst war.
In Lübeck befindet sich über dem Eingang zur Schiffergesellschaft ein restauriertes Wappengemälde der Großen Adler aus dem 17. Jh., während hinter dem Lübecker Rathaus ein Relief des Schiffs im Straßenpflaster eingelassen ist. Eine 1990 vom Künstler Alfred Evers hergestellte Fliese mit dem Abbild der Adler ist im Lübecker Schabbelhaus ausgestellt.
Zeitliche Einordnung
Die Tabelle veranschaulicht die Hauptzeiten der Schifftypen. Die rote, vertikale Spalte markiert die Dienstzeit der Adler (1567-81), die Elemente der Galeone und Karacke in sich vereinigt, die zu jener Zeit ihre Blütezeit hatten.
Galerie
Modell im Deutschen Museum in München
Gemälde in der Schiffergesellschaft zu Lübeck
Anmerkungen
- ↑ a b Dieser Wert ist der, den Peter van der Horst ausdrücklich als Höhe über alles nennt. Ein anderer, leicht abweichender Wert ergibt sich aus der Höhe des Großmasts, die Peter van der Horst mit 62,51 m angibt, wobei die Addition seiner einzelnen Komponenten (Untermast, Marsstenge, Bramstenge und Flaggenstock) sogar eine Höhe des Schiffs von 68,95 m bedeuten würde.
- ↑ Alle Zahlen einschließlich der Gesamtsegelfläche gerundet.
- ↑ Wurden schriftliche Unterlagen in jener Zeit angefertigt, streuten die Meister häufig bewusst Fehler ein, um ein fremdes Nachbauen zu erschweren.
- ↑ So betrug z.B. in Hamburg ein Fuß 28,6 cm, aber laut Kirsch (1988) 29,2 cm in Lübeck.
- ↑ Am Standort dieses Werftplatzes, der sich auf der Wallhalbinsel gegenüber der Altstadt befand und zugleich auch Verladestelle war, erinnert noch heute eine Straße namens „Lastadie“.
- ↑ Die Engel hatte im Mai 1564 unter Befehlshaber Friedrich Knebel zehn Hanseschiffe an Seite der Dänen in den Kampf gegen Schweden geführt, flog aber 1565 bei der Vorbereitung zu weiteren Einsätzen aufgrund Unachtsamkeit im Umgang mit Schießpulver in die Luft.
- ↑ Derartige Kriegsschiffe wurden auch als „Fredekoggen“ bezeichnet, also als Schiffe, die den Frieden bewahren oder wieder herstellen sollten.
- ↑ Noch als Kriegsschiff hatte die Adler bereits im Jahr 1568 größere Reparaturen benötigt.
- ↑ Zudem wurde mindestens eins der Kastelle um ein Deck reduziert.
- ↑ Andere Quellen legen diesen Vorgang ins Jahr 1588. Kirsch spricht der Adler sogar „eine Lebensdauer von mehr als 60 Jahre“ zu (S.67), womit das Schiff bis ca. 1626 aktiv gewesen wäre, was aber eher unwahrscheinlich ist.
- ↑ Das Artilleriebuch gibt eine Länge über alles von 64,43 m an. Frese, Hans (16.Jh.): "Artilleriebuch der Adler von Lübeck", Archiv der Hansestadt Lübeck
- ↑ Brennecke nennt 2000 t Wasserverdrängung. Jochen Brennecke: „Geschichte der Seefahrt“, Sigloch Edition, Künzelsau, 2000 ISBN 3-89393-176-7, S.163
- ↑ Erst in den 1620er Jahre wurden Schiffe mit größeren Dimensionen gebaut.
- ↑ Die Fortuna wurde zeitgleich mit der Adler 1565-1566 auf der Wallhalbinsel gebaut und war für Dänemark bestimmt, das mit der Hanse seit 1563 gegen Schweden verbündet war. Über dieses Schiff ist jedoch bisher fast nichts bekannt.
- ↑ Nach Marquardt sollen für den Kriegsfall auf der Adler von Lübeck insgesamt 1000 Mann eingeplant gewesen sein, nach Ellacott 1050 Mann und nach Peter van der Horst sogar 1200. Herbert Kloth geht dagegen von insgesamt nur rund 650 Personen im Kriegsfalle aus.
- ↑ Kirsch (1988) nennt wiederum abweichende Werte für die Schiffsbreite (14,24 m) und Kiellänge (35,5 m).
- ↑ Segel mit Reffbändsel kamen erst später wieder auf. Die Segel in jener Zeit wurden im übrigen nicht von der Rah aus geborgen, wo die Seeleute dazu in Fußpferden standen, sondern die Rah wurde zum vollständigen Bergen aufs Deck herabgelassen.
- ↑ Die Anzahl der Streifen ist in beiden Fällen nicht gesichert und weicht in den verschiedenen Darstellungen und Modellen stark voneinander ab, wie es auch Abbildungen mit ganz anderen Bemalungen gibt.
- ↑ Andere Quellen berichten allerdings, dass während des Gefechts das Tuch komplett entfernt wurde.
- ↑ Dies gilt auch für andere Schiffe jener Zeit. Übrigens ergab auch das später verwendete Bleiweiß nie einen weißen Farbton, wie bei etlichen Schiffsmodellen zu sehen ist.
Einzelnachweise
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