Der stille Don

Der stille Don

Der stille Don (russisch Тихий Дон) ist das Hauptwerk des Schriftstellers Michail Scholochow und einer der bedeutendsten Romane der sowjet-russischen Literatur. Scholochow erhielt für das Werk 1965 den Nobelpreis für Literatur.

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Der Erste Weltkrieg, die Oktoberrevolution sowie der darauffolgende Aufstand der Weißen gegen die Rote Armee bilden den geschichtlichen Hintergrund des Romans.

Vor diesem entfaltet sich die Lebensgeschichte des Donkosaken Grigori Melechow. In seiner Jugend verliebt sich Melechow in Aksinja, die Frau seines Nachbarn. Nachdem er mit Natalja verheiratet wurde, flüchtet er mit Aksinja, kehrt aber, nachdem diese ihn betrog, zu Natalja zurück und zeugt mit ihr zwei Kinder. Zu dieser Zeit kämpft er bereits als Soldat im Ersten Weltkrieg, den er trotz mehrfacher Verwundung überlebt. Später schließt er sich den Bolschewiki an, die er jedoch nach kurzer Zeit wieder verlässt. Melechow sehnt sich nach einem friedlichen Kosakenleben, wird jedoch bald wieder vom Krieg eingeholt und kämpft auf Seite der Weißen gegen die Rote Armee. Aufgrund seines Mutes und seiner Kampferfahrung erreicht er den Offiziersrang. Melechow kann sich jedoch nicht mit den politischen Zielen der Weißen identifizieren. Doch auch den Roten fühlt er sich nicht zugehörig. Er sitzt "zwischen zwei Stühlen". Nachdem die Weißen vernichtet wurden, bleibt ihm aber nichts anderes übrig, als den Roten zu dienen. Er kämpft kurz an der polnischen Front.

Zu dieser Zeit hat er, nachdem er sein Verhältnis zu Aksinja erneuerte, seine Frau Natalja bereits durch misslungene Abtreibung verloren. Auch sein Vater, die Schwägerin, sein Bruder Petro und zahlreiche Verwandte und Freunde sind bereits gestorben.Von Aksinja wird er immer wieder getrennt und als er schließlich, nach Ausschluss aus der Roten Armee zu ihr zurückkehrt, muss er erfahren, dass auch seine Mutter verstorben ist und seine Schwester Dunja sich mit seinem ehemaligen Freund und überzeugtem Bolschewik Michail verheiratet hat. Michail, voller Hass auf die Weißen, zwingt den ehemaligen Oberleutnant Melechow sich vor den Bolschewiki für seine Tätigkeiten in der Weißen Armee zu verantworten.

Melechow ahnt, dass dies seinen Tod bedeuten könnte und verlässt seinen Heimatort. Er schließt sich schweren Herzens einer Räuberbande an, die schon bald von Schwadronen der Roten Armee zerschlagen wird, Nachdem er sich auf einer Insel versteckt hielt, wagt er eine kurze Heimkehr um Aksinja zu holen und mit ihr zu flüchten. Auf dieser Flucht wird Aksinja jedoch erschossen und Grigori Melechow, von der Sehnsucht nach seinen Kindern geplagt, legt alle Waffen ab und kehrt zurück in den heimatlichen Chutor.

Das Ende des Romans bleibt weitgehend offen. Melechow findet seinen Sohn, der ihm erzählt, dass die Tochter verstorben und der gefährliche Schwager Michail an der Front ist. Vater und Sohn nehmen sich in den Arm.

Plagiatsvorwurf

Lange Zeit war die Autorenschaft des Romans „Der stille Don“ umstritten; es wurde vielfach davon ausgegangen, dass Scholochow den Text plagiiert habe. Verstärkt wurde der Eindruck dadurch, dass Scholochow nichts oder nur wenig tat, um den Vorwürfen zu entgegnen und Fragen zu klären. Als Indizien wurden angeführt: starke weltanschauliche Differenzen zwischen dem streng linientreuen Kommunisten Scholochow und seinem Text, die relative Belanglosigkeit seiner anderen, stilistisch stark abweichenden Werke, das Fehlen von Manuskripten des Romans, die Weigerung Scholochows, Quellen für seine außergewöhnlich präzisen historischen Angaben vorzulegen und die Existenz eines Amateurfilms aus dem Jahr 1975, auf dem festgehalten ist, wie Scholochow, direkt mit den Plagiatsvorwürfen konfrontiert, zusammenbricht und äußert „Sagen Sie bitte Ataman Glaskow, wie sehr ich mich schäme. Ich bitte die Kosaken, mir zu verzeihen.“[1].

Bereits 1928, bei der Veröffentlichung des ersten Teils des „Stillen Don“, begannen Gerüchte zu zirkulieren, dass es sich bei dem Werk um ein Plagiat handle. Wie es scheint, waren diese Vorwürfe auf militärische Funktionäre zurückzuführen, die so der im Roman enthaltenen Darstellung der brutalen Unterdrückung der Kosaken durch die Rote Armee entgegenzutreten versuchten. 1929 unterbrach die Redaktion des „Oktober“, in dem „Der stille Don“ seit einigen Jahren erschien, die Veröffentlichung bis zur Klärung der Vorwürfe. Die erfolgte noch im selben Jahr und die Prawda nannte die Gerüchte „bösartige Verleumdungen, verbreitet durch Feinde der Diktatur des Proletariats“[2].

Zu den Vorwürfen wurde nicht weiter publiziert, bis der russische Historiker Roi Medwedew sie unter Zuhilfenahme neuer Fakten 1966 erneuerte[3] und die Theorie einer „doppelten Autorenschaft“ entwarf. Scholochow sei nur für fünfzehn bis zwanzig Prozent des Textes verantwortlich, basierend vor allem darauf, dass Scholochow als 23-jähriger „zu jung war, als dass er ein so reifes Werk hätte verfassen können“. Gestärkt wurden diese Vorwürfe durch ein anonymes Pamphlet, das 1974 in Paris mit einem Vorwort von Alexander Solschenizyn erschien. Nach seiner Darstellung war der Autor des „Stillen Don“ Fjodor Krjukow, ein 1920 verstorbener weißgardistischer Offizier. Da dieser politisch „persona non grata“ war, sei das Manuskript, das auf ungeklärten Wegen zum Schriftstellerverband der Sowjetunion gelangt war, bis zu Scholochow als politisch opportunem Autor durchgereicht worden, der dann als Strohmann diente, um das außergewöhnliche Werk in der Sowjetunion zugänglich zu machen.

1982 erschien eine computergestützte Textanalyse von German Jermolajew, die jedoch zum entgegengesetzten Ergebnis kam und konstatierte, dass Scholochow als der einzige Autor des „Stillen Don“ anzusehen sei[4]; diese Ergebnisse wurden in einer ähnlichen Analyse 1984 von Geir Kjetsaa bestätigt, der zu dem Schluss kam, dass „mathematische Statistiken es uns erlauben, die Möglichkeit auszuschließen, dass Krjukow den Roman geschrieben hat, Scholochow hingegen als Autor nicht ausgeschlossen werden kann.“[5] Medwedew wurde 2005 nach einer statistischen Analyse des Textes durch Anatolij Fomenko dagegen bestätigt.[6].

Der Fund von über zweitausend Manuskriptseiten des „Stillen Don“ 1987 hat die Wende bestärkt; von einer Fremdautorenschaft oder auch nur einer doppelten Autorenschaft wurde danach kaum noch ausgegangen[7]. Der Israeli Zeev Bar-Sela meinte, er habe dennoch jemand anderen als Autoren identifizieren können.

2006 wurde der Betrugsverdacht von Felix Philipp Ingold erneut erhoben [8]. Er gelangte zu dem Schluss, mittlerweile herrsche „so gut wie Gewissheit“, dass es sich um „ein zusammengestohlenes Kompilat“ handele. Offenkundig sei Scholochow, „seiner öffentlichen Glorifizierung als ‚proletarischer Tolstoi‘ zum Trotz, ein nur schwach belesener, literarisch völlig unbedarfter Autor“ gewesen, der früh vom sowjetischen Geheimdienst GRU angeworben und auf die Rolle eines Großschriftstellers und Parteiliteraten vorbereitet worden sei. Der Name Scholochow stehe mithin „nicht für einen realen Autor“, sondern für ein „Machwerk anonymer Ghostwriter“.

Ausgaben

  • Der stille Don, dtv Verlag 2000, ISBN 978-3423127288
  • Der stille Don, dtv Verlag 1985,
    • Band 1: 1. und 2. Buch übersetzt von Olga Halpern, 661 Seiten, ISBN 3423013133
    • Band 2: 3. und 3. Buch übersetzt von E. Margolis und R. Czora, 850 Seiten, ISBN 3423013141

Verfilmungen

  • Der stille Don (1930), sowjetischer Film von Olga Preobraschenskaja und Iwan Konstantinowitsch Prawow (Regie) mit Andrei Abrikosow (Grigori) und Emma Cesarskaja (Aksinja).
  • Der stille Don (1958), dreiteilige Verfilmung von Sergei Gerassimow. In den Hauptrollen: Pjotr Glebow (Grigori), Elina Bystrizkaja (Aksinja) und Sinaida Kirienko (Natalja).
  • Der stille Don (1992), eine siebenteilige Fernsehproduktion (RUS/GB/I) von Sergei Bondartschuk (Regie) mit Rupert Everett (Grigori), Delphine Forest (Aksinja) und Jelena Bondartschuk (Natalja) in den Hauptrollen.

Einzelnachweise

  1. Zitiert nach Ota Filip: Sein Szepter reichte vom Don bis zum East River. In: Die Weltwoche, November 1986.
  2. Prawda vom 29. März 1929, S. 4.
  3. Roy Medwedew: Problems in the Literary Biography of Mikhail Sholokhov. Cambridge, 1966.
  4. Herman Ermolaev: Mikhail Sholokhov and his Art. Princeton, 1982.
  5. Geir Kjetsaa et al: The Authorship of „The Quiet Don“. Oslo, 1984.
  6. Anatoly Timofeevich, V.P. and T.G. Fomenko: History - Fiction or Science? (2005), p.425–444, Kapitel: The authorial invariant in Russian literary texts. Its application: Who was the real author of the "Quiet Don"?
  7. Siehe Ulrich M. Schmid, Lautes Getöse um den "Stillen Don". in: Neue Zürcher Zeitung, 23. April 2005. [1]
  8. Geklonter Nobelpreisträger. Ein epochaler Betrug - neue Debatten um Michail Scholochow. in: Neue Zürcher Zeitung, 23. August 2006. [2]

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