Dermatansulfat

Dermatansulfat
Strukturformel
Allgemeines
Freiname Chondroitinsulfat B
Andere Namen

IUPAC: Poly[(N-acetyl-D-galactosamin- -4-O-hydrogensulfat)-(L-iduronsäure)]

Summenformel C14H21NO15S
CAS-Nummer 24967-94-0
ATC-Code

M01AX25

Arzneistoffangaben
Wirkstoffklasse

Antiarthrotikum

Fertigpräparate

Mistral® (I)

Verschreibungspflichtig: Ja
Eigenschaften
Molare Masse 475,38 g·mol−1
Sicherheitshinweise
Gefahrstoffkennzeichnung

unbekannt
R- und S-Sätze R: ?
S: ?
Bitte beachten Sie die eingeschränkte Gültigkeit der Gefahrstoffkennzeichnung bei Arzneimitteln
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Chondroitinsulfat (auch Chondritinsulfat) ist ein sulfatiertes Glycosaminoglycan (GAG) oder Mucopolysaccharid, welches aus einer Kette sich abwechselnder Zuckerderivate (N-Acetyl-Galactosamin und Glucuronsäure) besteht. Gewöhnlich liegt es an Proteine gebunden, als Teil eines Proteoglycans vor. Eine Chondroitin-Kette kann aus über 100 Zuckereinheiten bestehen, welche unterschiedlich stark und an verschiedenen Positionen sulfatiert sein können. Das Verständnis der auffälligen Diversität des Chondroitinsulfats und des verwandten Glycosaminoglycans ist eines der Ziele der Glycobiologie. Chondroitinsulfat ist ein wichtiger Bestandteil des Knorpelgewebes und trägt zu dessen Widerstand gegen Kompression bei [1].


Inhaltsverzeichnis

Terminologie

Chondroitinsulfat wurde erstmals isoliert, noch bevor die Struktur bekannt war. Das führte mit der Zeit zu Veränderungen in der Terminologie.[2] Anfänglich versahen Forscher verschiedene Typen der Substanz mit verschiedenen Buchstaben:

  • Chondroitinsulfat A hat Sulfatgruppen vorwiegend am Kohlenstoffatom 4 der N-Acetyl-Galactosamine (GalNAc) und ist auch bekannt als Chondroitin-4-sulfat. Es findet sich häufig in den Syncytiotrophoblasten, einem Bestandteil der Plazenta. Dies ist auch die Ursache der Anfälligkeit von erstmals schwangeren Frauen gegenüber einem Stamm des Parasiten Plasmodium falciparum, welcher Malaria hervorruft.
  • Chondroitinsulfat B wird heutzutage als Dermatansulfat bezeichnet.
  • Chondroitinsulfat C hat Sulfatgruppen vorwiegend am Kohlenstoffatom 6 des GalNAc (Chondroitin-6-sulfat).
  • Chondroitinsulfat D hat Sulfatgruppen vorwiegend am Kohlenstoffatom 2 der Glucuronsäure und am Kohlenstoffatom 6 des GalNAc (Chondroitin-2,6-sulfat).
  • Chondroitinsulfat E hat Sulfatgruppen vorwiegend am Kohlenstoffatom 4 und 6 des GalNAc (Chondroitin-4,6-sulfat).
  • Chondroitin, ohne „Sulfat“, wurde benutzt um eine Kette ohne oder mit sehr wenigen Sulfatgruppen zu beschreiben.[3] Diese Unterscheidung wird allerdings nicht mehr benutzt.

Obwohl der Name darauf hindeutet, dass Chondroitinsulfat ein Salz mit einem Sulfat-Anion sei, ist das Sulfat kovalent an den Zucker gebunden. Da das Molekül bei physiologischem pH mehrere negative Ladungen aufweist, liegt es in den Salzen des Chondroitinsulfats als Anion vor. Das handelsübliche Produkt des Chondroitinsulfats ist gewöhnlich dessen Natriumsalz. Barnhill et al. haben vorgeschlagen, dass alle Chondroitinsulfat-Produkte als „Natriumchondroitin“ bezeichnet werden sollten, ohne Rücksicht auf deren Sulfat-Bindungen.[4]

Struktur

Chondroitinsulfatketten sind unverzweigte Polysaccharide mit variabler Länge. Sie bestehen immer aus zwei sich abwechselnden Einfachzuckern: D-Glucuronsäure (GlcA) und N-Acetyl-Galactosamin (GalNAc). Wenn die Glucuronsäurereste zu Iduronsäure (IdoA) epimerisiert sind, spricht man von Dermatansulfat.

Proteinbindung

Chondroitinsulfatketten sind an die Hydroxylgruppen der Serin-Reste bestimmter Proteine gebunden. Wie genau die Proteine für die Bindung mit Glycosaminoglycanen ausgewählt werden ist noch nicht verstanden. Es wurde gefunden, dass glycosylierten Serinresten häufig Glycinreste folgen und benachbarte saure Aminosäurereste haben, dieses Motiv führt jedoch nicht immer zur Glycosilierung des Serinrests.

Als Bindeglied der GAG-Kette dient stets dieselbe Zuckerkette aus drei Zuckereinheiten:

 |
Ser–O–XylGal−Gal−GlcA-...
 |

Jeder Zucker wird von einem spezifischen Enzym angebunden, wodurch eine vielschichtige Kontrolle über die GAG-Synthese erlaubt wird. Xylose wird im endoplasmatischen Reticulum an die Proteine gebunden, während der Rest der Zucker im Golgi-Apparat angebunden wird.[5]

Sulfatierung

Jeder Einfachzucker kann entweder ohne, mit einer oder mit zwei Sulfatgruppen vorliegen. Am häufigsten sind die Hydroxylgruppen der Kohlenstoffatome 4 und 6 des N-Acetyl-Galactosamin mit einer Sulfatgruppe versehen. Die Sulfatierung wird von verschiedenen Sulfotransferasen katalysiert.

Funktion

Die Funktion des Chondroitin hängt stark von den Eigenschaften des gesamten Proteoglycans ab, zu dem es gehört. Diese Funktionen können allgemein in zum Einen strukturelle und zum Anderen regulierende Aufgaben aufgeteilt werden. Dieses Prinzip ist nicht allgemeingültig, da einige Proteoglycane sowohl strukturelle als auch regulierende Aufgaben besitzen (z. B. Versican).

Strukturell

Chondroitinsulfat ist ein Hauptbestandteil der extrazellulären Matrix und ist wichtig, um die strukturelle Integrität des Gewebes zu bewahren. Diese Funktion ist typisch für aggregierende Proteoglycane: Aggrecan, Versican, Brevican und Neurocan.

Als Bestandteil von Aggrecan bildet Chondroitinsulfat einen Großteil der Knorpelmasse. Die eng gepackten, stark geladenen Sulfatgruppen führen zu elektrostatischer Abstoßung der einzelnen Ketten (siehe Coulombsches Gesetz), welche einen Großteil des Widerstands der Knorpel gegen Kompression bedingt. Verlust des Chondroitinsulfat aus den Knorpeln ist eine der häufigsten Ursachen für Arthrose.

Regulatorisch

Ebenfalls bedingt durch die negativen Ladungen wechselwirkt Chondroitinsulfat leicht mit anderen Proteinen der extrazellulären Matrix. Diese Interaktionen sind bedeutend bei der Regulation einer Vielzahl zellulärer Vorgänge. Im Vergleich zu Heparansulfat, einem anderen Proteoglycan der extrazellulären Matrix ist noch wenig über die Rolle von Chondroitinsulfat-Proteoglycanen bekannt, doch es werden ständig neue Funktionen entdeckt. Bekannt ist, dass Chondroitinsulfat Wachstum und Entwicklung des Nervensystems ebenso wie dessen Reaktion auf Verletzung reguliert.

Medizinischer Nutzen

Chondroitin wird oft als Nahrungsergänzungsmittel und in der Alternativmedizin eingesetzt um Arthrose zu behandeln. Häufig wird es zusammen mit Glucosamin angeboten.

Pharmakologie

Die in klinischen Testreihen am Menschen eingesetzte Dosis liegt bei 800–1.200 mg Chondroitin oral pro Tag. Der Großteil des Chondroitins scheint aus Knorpelgewebe von Kühen und Schweinen gewonnen worden zu sein, allerdings wurden auch Hai-, Fisch- und Vogelknorpel als Quellen genommen. Da Chondroitin keine einheitliche Substanz ist und es in der Natur in einer großen Vielfalt von Formen vorliegt, variiert die Zusammensetzung jedes Produkts. Während Chondroitin in 22 Ländern ein verschreibungs- oder apothekenpflichtiges Medikament ist, ist es in den USA durch die Food and Drug Administration als Nahrungsmittel eingestuft. Daher gibt es keine verbindlichen Standards für die Zusammensetzung und keine Garantie, dass das Produkt korrekt bezeichnet ist. Adebowale et al. gaben im Jahr 2000 bekannt, dass von 32 getesteten chondroitinhaltigen Nahrungsergänzungsmitteln nur fünf korrekt bezeichnet waren und dass die Hälfte weniger als 40 % der ausgezeichneten Menge an Chondroitin enthielten.[6]

Klinische Studien haben keine signifikanten Nebenwirkungen oder Überdosierungen mit Chondroitinsulfat feststellen können.

Klinische Testreihen

Wegen der Popularität der Glucosamin-Chondroitin-Ergänzungen und der kleinen Menge von verlässlichen Informationen über ihre Fähigkeit, Arthritis zu behandeln,[7] finanzierte das National Institute of Health eine Studie über die Effekte von Chondroitin und Glucosamin auf Arthritis des Knies. Diese multizentrale, placebokontrollierte, sechs Monate dauernde Blindstudie kam zu dem Ergebnis, dass die Einnahme von Glucosamin und Chondroitin keinen statistisch signifikanten Effekt auf die Symptome der Arthritis hat.[8] Die Kontrollgruppe, welche Celecoxib (ein vielgenutztes Medikament gegen Arthritis) nahm, zeigte eine statistisch signifikante Besserung der Symptome. Dieses Ergebnis weist darauf hin, dass oral eingenommenes Glucosamin und Chondroitin durch Arthritis verursachte Schmerzen nicht effektiv bekämpfen können. Obwohl die Studie keinen Effekt des Präparats nachweisen konnte, ergab sich bei einer Untergruppe der Probanden, dass eine Kombination der Präparate bei Patienten mit starker Arthritis hilfreich war. Eine am 17. April 2007 in den »Annals of Internal Medicine« publizierte Metastudie der Universität Bern[9] ergab, dass auch bei der Schmerzbehandlung von Arthrose gegenüber Placebo keine signifikante Wirkung von Chondroitin festgestellt werden konnte. Je sorgfältiger eine Studie durchgeführt worden sei, desto weniger habe ein Effekt nachgewiesen werden können.

Quellen

  1. Baeurle SA, Kiselev MG, Makarova ES and Nogovitsin EA: Effect of the counterion behavior on the frictional-compressive properties of chondroitin sulfate solutions. In: Polymer. 50, 2009, S. 1805–1813 HTML
  2. P. A. Levene and F. B. La Forge: On Chondroitin Sulphuric Acid. In: J. Biol. Chem.. 15, 1913, S. 69–79 PDF
  3. Davidson EA, Meyer K: Chondroitin, a new mucopolysaccharide. In: J Biol Chem. 211, Nr. 2, 1954, S. 605–11. PMID 13221568 PDF
  4. Barnhill JG, Fye CL, Williams DW, Reda DJ, Harris CL, Clegg DO: Chondroitin product selection for the glucosamine/chondroitin arthritis intervention trial. In: J Am Pharm Assoc (Wash DC). 46, Nr. 1, 2006, S. 14–24. PMID 16529337
  5. Silbert JE, Sugumaran G: Biosynthesis of chondroitin/dermatan sulfate. In: IUBMB Life. 54, Nr. 4, 2002, S. 177–86. PMID 12512856
  6. Adebowale AO Cox DS, Liang Z, Eddington ND: Analysis of glucosamine and chondroitin sulfate content in marketed products and the Caco-2 permeability of chondroitin sulfate raw materials. In: J Am Nutr Assoc. 3, 2000, S. 37–44
  7. McAlindon TE, LaValley MP, Gulin JP, Felson DT: Glucosamine and Chondroitin for Treatment of Osteoarthritis: A Systematic Quality Assessment and Meta-analysis. In: JAMA. 283, 2000, S. 1469–1475. PMID 10732937
  8. Clegg DO, Reda DJ, Harris CL, Klein MA, O'Dell JR, Hooper MM, Bradley JD, Bingham CO 3rd, Weisman MH, Jackson CG, Lane NE, Cush JJ, Moreland LW, Schumacher HR Jr, Oddis CV, Wolfe F, Molitor JA, Yocum DE, Schnitzer TJ, Furst DE, Sawitzke AD, Shi H, Brandt KD, Moskowitz RW, Williams HJ: Glucosamine, chondroitin sulfate, and the two in combination for painful knee osteoarthritis. In: New Engl J Med. 354, Nr. 8, 2006, S. 795–808. PMID 16495392
  9. S. Reichenbach et al.: Meta-analysis: Chondroitin for Osteoarthritis of the Knee or Hip. Annals of Internal Medicine, 146(8), 580–590

Weblinks

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