Des Esels Schatten

Des Esels Schatten
Skulptur (nach WielandsDer Prozess um des Esels Schatten“) auf dem Marktplatz von Biberach

Des Esels Schatten ist eine Geschichte um einen absurden Gerichtsprozess in Abdera, dem „antiken Schilda“. Die älteste Version der Geschichte stammt aus der Antike und wird Demosthenes zugesprochen.

Inhaltsverzeichnis

Demosthenes

Der antike Redner Demosthenes sprach vor den Athenern und wurde daran gehindert, seine Rede zu beenden. Da fing er an von einem Athener zu erzählen, der sich einen Esel gemietet hatte und sich in der Mittagshitze im Schatten des Esels ausruhen wollte. Der Eselstreiber jedoch hinderte ihn daran, weil er ihm zwar den Esel vermietet habe, aber nicht dessen Schatten. Der Athener jedoch behauptete, auch den Schatten gemietet zu haben. Danach hörte Demosthenes auf zu reden. Als ihn die Athener aufforderten, seine Rede zu beenden, sagte er ihnen:

Demnach wollt ihr zwar über den Schatten eines Esels hören, aber über ernsthafte Dinge wollt ihr mich nicht reden hören![1]

Textquelle: Der Text stammt aus dem 3./4. Jahrh. n. Chr., der Autor ist unbekannt. Er befindet sich in den vitae decem oratorum = Leben der zehn Redner, die einst Plutarch zugesprochen und in seinen Moralia mitüberliefert wurden, deshalb auch Pseudo-Plutarch genannt. Die Textquelle also: Plutarch (Pseudo-Plutarch), Moralia 848A/B (= vitae decem oratorum, Kapitel 8, Demosthenes).

Originaltext, Plutarch, Moralia, 848A/B: λέγειν δέ ποτε κωλυόμενος ὑπὸ Ἀθηναίων ἐν ἐκκλεσίᾳ, βραχὺ ἒφη βούλεσθαι πρὸς αὐτοὺσ εἰπεῖν. τῶν δὲ σιωπησάντων, νεανίας, εἶπε, θέρους ὥρᾳ ἐμισθώσατο ἐξ ἄστεος ὂνον Μεγάραδε· μεσούσης δὲ τῆς ήμέρας καὶ σφοδρῶς φλέγοντος τοῦ ἡλίου ἑκάτερος αὐτῶν ἐβούλετο ὑποδύεσθαι ὑπὸ τὴν σκιάν· εἷργον δὲ ἀλλήλους, ὁ μὲν μεμισθωκέναι τὸν ὄνον οὐ τἠν σκιἀν λέγων, ὁ δἐ μεμισθωμένος τὴν πᾶσαν ἒχειν ἐξουσίαν. καὶ ταῦτα εἰπών ἀπῄει. τῶν δὲ Ἀθηναίων ἐπισχόντων καὶ δεομένων πέρας ἐπιθεῖναι τῷ λόγῳ, εἶθ' ὑπὲρ μὲν ὂνου σκιᾶς, ἒφη, βούλεσθε ἀκούειν, λέγοντος δὲ ὑπὲρ μὲν σπουδαίων οὐ βούλεσθε.

Übersetzung, Plutarch, Moralia, 848A/B: Einmal aber gehindert zu sprechen vor den Athenern in der Volksversammlung, sagte er (Demosthenes), er wolle ihnen etwas Kurzes erzählen. Als sie nun schwiegen, erzählte er: "Ein junger Mann mietete in der Zeit des Sommers einen Esel aus der Stadt (Athen) nach Megara. Aber zur Mitte des Tages und als heftig die Sonne brannte, wollte sich jeder von den beiden in den Schatten (des Esels) setzen. Sie bedrängten einander, der eine aber sagte, er habe den Esel vermietet, nicht den Schatten, der andere aber, dass er das Recht gemietet habe, alles zu haben." Und nachdem er (Demosthenes) das erzählt hatte, ging er weg. Als aber die Athener ihn aufhielten und begehrten das Ende der Geschichte hinzuzusetzen, sagte er: "Oh, über den Schatten des Esels wollt ihr etwas hören, wenn ich aber über wichtige Staatsangelegenheiten spreche, wollt ihr nicht (zuhören)."

Wieland

Die gleiche Geschichte wird von Christoph Martin Wieland in seinen Abderiten erzählt. Ein Pillendoktor mietet für eine Reise einen Esel für einen Tag. Als er sich zur Rast in den Schatten des Esels legt, fordert der Besitzer, der ihn begleitet, für den Schatten eine weitere Miete. Über den folgenden Rechtsstreit freuen sich die Advokaten:

«Nu, Herr, was macht Ihr da», sagte der Eseltreiber, «was soll das?» - «Ich setze mich ein wenig in den Schatten», versetzte Struthion, «denn die Sonne prallt mir ganz unleidlich auf den Schädel.» - «Nä, mein guter Herr» erwiderte der andre, «so haben wir nicht gehandelt! Ich vermietete Euch den Esel, aber des Schatten wurde mit keinem Worte dabei gedacht.» [2]

Dazu gibt es ein Singspiel von Richard Strauss.

Dürrenmatt

Friedrich Dürrenmatt schrieb das Hörspiel Der Prozeß um des Esels Schatten, mit dem er 1951 beim Schweizer Rundfunk als Hörspielautor debütierte. Aus dem Streit wird bei Dürrenmatt ein Prozess, aus dem Prozess ein Politikum und aus dem Politikum ein Bürgerkrieg, der die Stadt Abdera verwüstet. Dürrenmatt will damit demonstrieren, welche absurden Folgen die „Bereicherungs-Gier“ haben kann.

Siehe auch

Weblinks

Quellennachweise

  1. http://www.gottwein.de/grueb/gr034_ueb2.htm
  2. http://gutenberg.spiegel.de/?id=5&xid=3091&kapitel=1#gb_found

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