Deutsche Himalaja-Stiftung

Deutsche Himalaja-Stiftung

Die Deutsche Himalaya-Stiftung (DHS) war eine 1936 gegründete Vereinigung. Ziele waren die Beschaffung von Geldmitteln, der Aufbau von Wissen sowie die Sammlung alpinistischer Energien zur Erforschung des Himalaya, insbesondere der Erstbesteigung des „Schicksalsberges der Deutschen“, des Nanga Parbat.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Politisches Engagement

Erster Leiter der Stiftung war Fritz Bechtold, im Hintergrund leitete jedoch ihr Gründer Paul Bauer die Agenden. Politisch durch die NSDAP unterstützt sollte die Organisation das Monopol über das deutsche Expeditionswesen erlangen – Paul Bauer war im Jahr 1934 zum Leiter des „Fachamtes für Bergsteigen und Wandern im Deutschen Reichsbund für Leibesübungen“ ernannt worden. Die Deutsche Himalaya-Stiftung war somit ein Propagandainstrument, das nicht nur für spektakuläre Schlagzeilen über Expeditionen zuständig war, sondern auch für die Popularisierung sportlicher Ertüchtigung für den bevorstehenden Krieg. Ein weiterer ideologischer Aspekt der nationalsozialistischen Machthaber waren die angeblich „germanischen Wurzeln“ des Bergvolks der Hunzukuc im Himalaya.

Trotz seiner nationalsozialistischen Gesinnung hatte Bauer eine konsequente Haltung bei der Auswahl seiner Expeditionsmannschaften. Maßgeblich waren in erster Linie als standhafte und langzeiterprobte Freund- und Partnerschaften. Alpine Exzentriker wurden von ihm ebenso abgewiesen, wie Protektionskinder von bedeutenden Persönlichkeiten des Nationalsozialismus. Karl Wien, der von ihm hoch geschätzt wurde, war beispielsweise weder Mitglied der NSDAP noch einer ihrer Unterorganisationen.

Rivalitäten unter Bergkameraden

Die in der Expeditionsliteratur der 1930er- und 1940er-Jahre gerne über Zwieträchtigkeiten und Missgunst gebreitete Fahne der „unerschütterlichen und heroischen Bergkameradschaft“ erwies sich in der Realität allerdings als lückenhafter Fetzen, wie am Beispiel des Nanga Parbat ersichtlich. Egoismus, Rivalitäten, Eitelkeiten und Intrigen machten aus der Deutschen Himalaya-Stiftung einen hermetischen Zirkel, der aus den Angehörigen des Akademischen Alpenvereins München rekrutierte. Außenstehende, wie etwa die „Sportskanone“ Willo Welzenbach oder später der „Bergvagabund“ Hans Ertl wurden höchst reserviert und distanziert betrachtet.

Besonders war diese Rivalität im Nachspiel der Deutschen Nanga-Parbat-Expedition 1934 ersichtlich. Gegen die beiden einzigen Überlebenden dieses Dramas, Peter Aschenbrenner und Erwin Schneider, wurde ein alpinistisches Ehrengericht einberufen. Ziel dieses Verfahrens war die Klärung der Frage, ob sich die beiden Bergsteiger der Verletzung der Beistandspflicht schuldig gemacht hatten, indem sie die übrigen Expeditionsteilnehmer ihrem Schicksal überließen. Dieser Prozess war Folge von Animositäten zwischen einer dem Alpenverein nahestehenden Gruppe und der Himalaya-Stiftung.

Aufgrund der politischen Bedeutung Bauers gewann die Himalaya-Stiftung bald die Oberhand und bestimmte sodann, welche Expeditionen Zugang zum Himalaya bekamen.

Expeditionen

1937 startete die Deutsche Nanga-Parbat-Expedition 1937 unter der Leitung von Karl Wien. Zu der Mannschaft zählten weiters Günter Hepp, Adolf Göttner, Martin Pfeffer, Hans Hartmann, Pert Fankhauser, Uli Luft sowie Peter Müllritter, der bereits an der Deutschen Nanga-Parbat-Expedition 1934 teilgenommen hatte.[1] In der Nacht auf den 15. Juni wurden sieben Bergsteiger sowie neun Hochträger von einer Eislawine im Lager IV an der Rakhiotflanke verschüttet und kamen dabei ums Leben, einziger Überlebender dieses Bergdramas war Uli Luft, der sich zu dieser Zeit nicht im Lager befand.[2] Die deutsche Propaganda und die Rivalitäten unter den Bergsteigern steigerten den Erfolgsdruck und führten zu übersteigertem Heroismus und Waghalsigkeit. Sofort organisierte Paul Bauer eine Bergungsexpedition, die bereits nach drei Wochen am Nanga Parbat ankam.[3] Die Befürchtungen, dass niemand dieses Drama überlebt hat, wurden bestätigt. In der deutschen Presse wurden daraufhin mehrere ganzseitige Todesanzeigen, verfasst von Peter Aufschnaiter, veröffentlicht.[4]

Im Jahr 1938 startete der zweite Versuch in Folge. Mit Hilfe einer Junkers 52 sollte die nach dem letzten Stand der Technik organisierte Expedition, die sogar über Sprechfunk verfügte, den Transport der Lasten zu den Hochlagern bewältigen. Die Route führte erneut durch die Rakhiotflanke. Den Bergsteigern gelang der Aufstieg bis zum Mohrenkopf, wo sie die Leichen von Willy Merkl und dem Sherpa Gyali vorfanden, die bei der Expedition im Jahr 1934 tödlich verunglückt waren.[5] Ein weiterer Vorstoß war jedoch aufgrund der widrigen Wetterverhältnisse unmöglich und erlaubte lediglich das Erreichen einer Höhe von 7300 m.[1]

Anfang 1939 wurde ein Expeditionsteam zusammengestellt, das die Rupalflanke des Nanga Parbat durchsteigen sollte. Die Mannschaft bildeten Heinrich Harrer, Peter Aufschnaiter, Hans Lobenhoffer und Lutz Chicken. Als die Mannschaft nach Karachi zurückreisen wollte brach der Zweite Weltkrieg aus. Alle Teilnehmer wurden daraufhin am 3. September 1939 von britischen Behörden gefangen genommen und in das indische Internierungslager Dehradun überstellt. Aufschnaiter und Harrer gelang die Flucht, die sie an den Hof des Dalai Lama nach Lhasa führte. Harrer schrieb seine Erlebnisse später in seinem Buch „Sieben Jahre in Tibet“ nieder.

Siehe auch

Literatur

  • Deutsche Himalaya-Stiftung: Nanga Parbat – Berg der Kameraden. Bericht der deutschen Himalaya-Expedition 1938. Deutsche Himalaya-Stiftung, München 1943
  • Helmuth Zebhauser: Alpinismus im Hitlerstaat. Bergverlag Rother, Ottobrunn 1998, ISBN 978-3-7633-8102-9
  • Peter Mierau: Die Deutsche Himalaja-Stiftung. Ihre Geschichte und ihre Expeditionen. Bergverlag Rother, Ottobrunn 1999, ISBN 978-3-7633-8108-1
  • Peter Mierau: Nationalsozialistische Expeditionspolitik. Herbert Utz Verlag, München 2006, ISBN 978-3-8316-0409-8

Weblinks

Fußnoten

  1. a b Vgl. „50 Jahre Nanga Parbat“ (PDF) Österreichische Alpenzeitung des Österreichischen Alpenklubs (Ausgabe Juli/August 2003)
  2. Vgl. Besteigungsgeschichte des Nanga Parbat auf der Website von Markus Kronthaler
  3. Vgl. Besteigungsgeschichte der Rakhiot-Flanke auf der Website der American Foundation For International Mountaineering, Exploration & Research (AFFIMER) (engl.)
  4. Vgl. „Nationalsozialistische Expeditionspolitik“ (PDF) Leseprobe zum Buch
  5. Vgl. Geschichte des Nanga Parbat auf Himalaya-Info.org

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем сделать НИР

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Deutsche Himalaya-Stiftung — Die Deutsche Himalaya Stiftung (DHS) war eine 1936 gegründete Vereinigung. Ziele waren die Beschaffung von Geldmitteln, der Aufbau von Wissen sowie die Sammlung alpinistischer Energien zur Erforschung des Himalaya, insbesondere der Erstbesteigung …   Deutsch Wikipedia

  • Deutsche Nanga-Parbat-Expedition 1937 — Die Deutsche Nanga Parbat Expedition 1937 war die dritte Expedition einer Mannschaft des Deutschen Reiches zum „Schicksalsberg der Deutschen“, dem Nanga Parbat (8125 m). Ziel war die Besteigung des Berges, nachdem die Deutsch Amerikanische… …   Deutsch Wikipedia

  • Deutsche Nanga-Parbat-Expedition 1934 — Der Nanga Parbat von der „Märchenwiese“ aus Die Deutsche Nanga Parbat Expedition 1934, oder auch Deutsche Himalaya Expedition 1934 (DHE) genannt, war nach der im Jahr 1932 erfolglos beendeten Deutsch Amerikanischen Himalaya Expedition (DAHE) der… …   Deutsch Wikipedia

  • Karl Wien — Karl („Carlo“) Wien (* 10. September 1906 in Würzburg; † vermutlich 14. Juni 1937 am Nanga Parbat) war ein deutscher Bergsteiger. Leben Karl Wien, Sohn des Universitätsprofessors und Physikers Wilhelm Wien, welcher im Jahr 1911 den Nobelpreis für …   Deutsch Wikipedia

  • Peter Aufschnaiter — (* 2. November 1899 in Kitzbühel; † 12. Oktober 1973 in Innsbruck) war ein österreichischer Bergsteiger, Agrarwissenschaftler, Entwicklungshelfer und Kartograf. Inhaltsve …   Deutsch Wikipedia

  • Heinrich Harrer — en octobre 1997 à la foire du livre de Francfort signant son livre Retour au Tibet …   Wikipédia en Français

  • Asien — (hierzu zwei Karten: »Asien, Fluß und Gebirgssysteme« und »Politische Übersicht«), der größte, höchste und nach seiner geschichtlichen Entwickelung älteste Erdteil. Der Name stammt von dem assyrischen »Aszu« = Aufgang (der Sonne), im Gegensatze… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Liste geflügelter Worte/W — Geflügelte Worte   A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W Y Z Inhaltsverzeichnis …   Deutsch Wikipedia

  • Hergé — Georges Prosper Remi (* 22. Mai 1907 in Etterbeek bei Brüssel; † 3. März 1983 in Woluwe Saint Lambert bei Brüssel), bekannter unter dem Namen Hergé, war ein belgischer Comic Autor und Zeichner. Sein Pseudonym ergibt sich aus seinen französisch… …   Deutsch Wikipedia

  • Ina Rösing — (* 4. Februar 1942 in Breslau) ist eine deutsche Kulturanthropologin, Ethnologin, Psychologin, Soziologin und Thanatologin. Sie ist Professorin und war Direktorin des Instituts für Kulturanthropologie des Universitätsklinikums Ulm. Sie ist… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”