Dialekte in Hessen

Dialekte in Hessen
Walter Renneisen bei einer Hessisch-Veranstaltung (2007)

Hessisch ist eine deutsche Mundart, die durch den Anteil an der hochdeutschen Lautverschiebung als mitteldeutsche Mundart gekennzeichnet ist.

Hessisch bildet gemeinsam mit dem Pfälzischen einerseits und einem Mischgebiet zwischen Hessisch, Pfälzisch, Alemannisch und Ostfränkisch im Rhein-Main-Neckar-Raum andererseits das Rheinfränkische. Auch Lothringisch wird teilweise zum Rheinfränkischen gezählt.

Das Fehlen des Übergangs von p > (p)f (Appel statt Apfel) kennzeichnet das Rheinfränkische gemeinsam mit dem Moselfränkischen und dem Ripuarischen als westmitteldeutsche Mundart.

Inhaltsverzeichnis

Geografische Verbreitung

Das Verbreitungsgebiet der hessischen Mundart ist geografisch angenähert durch Diemel, Werra, Main, Taunus, Westerwald und Rothaargebirge begrenzt und nimmt damit den flächenmäßig größten Teil des Bundeslandes Hessen und einen Teil von Rheinland-Pfalz (Westerwald, Rheinhessen), Nordrhein-Westfalen (Wittgenstein) und Bayern (Unterfranken westlich des Spessarts) ein.

Sprachliche Beschreibung

Als sprachliche Grenze gelten die Isoglossen ich (hessisch) / ik (niederdeutsch) sowie machen (hessisch) / maken (niederdeutsch) nach Norden zum Niedersächsischen und Westfälischen, Pund (hessisch) / Fund (thüringisch) nach Osten zum Thüringischen, Pund (hessisch) / Pfund (ostfränkisch) sowie Appel (hessisch) / Apfel (ostfränkisch) nach Osten zum Ostfränkischen, was (hessisch) / wat (ripuarisch/moselfränkisch) nach Westen zum Moselfränkischen und fest (hessisch) / fescht (alemannisch) zum rheinfränkisch/alemannisch/pfälzischen/ostfränkischen Mischgebiet nach Süden.

Wie man an den begrenzenden Isoglossen erkennt, unterliegt das hessische der hochdeutschen Lautverschiebung bezüglich t > s und k > ch/h , den Übergang p > f zeigt es jedoch anders als das Ostmitteldeutsche nicht.

Die Grenze zum Niederdeutschen ist durch ein hier räumlich sehr engbegrenztes Isoglossenbündel gekennzeichnet – die Benrather Linie, die hier anders als westlich und östlich kaum aufgefächert ist. Diese Sprachgrenze zwischen Niederdeutsch und Hessisch ist damit die vermutlich am schärfsten ausgebildete Sprachgrenze im innerdeutschen Mundartraum.

Im Gegensatz dazu ist die Grenze nach Süden durch besonders weit gefächerte Isoglossen gekennzeichnet und entsprechend unscharf. Der Übergang zum Pfälzischen, zum Alemannischen, zum Ostfränkischen und zum Thüringischen ist fließend.

Das Hessische ist einerseits gekennzeichnet durch Restvorkommen besonders altertümlicher Worte, deren Wortstämme in anderen Mundarten oder Sprachen kaum noch vorkommen wie idrecken/itarucken für wiederkäuen, densen/dinsen für mit aller Gewalt an etwas ziehen und ehren für ackern/pflügen.

Andererseits hat man in hessisch-sprachigen Gebieten schon sehr früh begonnen, die Kinder nur in hochdeutscher Aussprache zu erziehen, um es den Kindern leichter in der Schule zu machen. Maßgeblich war hier die ausschließliche Verwendung des Hochdeutschen in der Schule bereits im 19. Jahrhundert (insbesondere in den nach 1866 von Preußen annektierten Gebieten). In den städtischen Ballungsräumen ist die Sprecherbasis, die wirklich hessische Mundart und nicht nur eine hessisch gefärbte Umgangssprache spricht, heute weitgehend erloschen.

Unterteilung

wird weiter unterteilt in:
Nordhessisch (Eder, Fulda ab Hersfeld nordwärts)
Osthessisch (südliche Fulda, von der Rhön bis zur Schwalm)
  • Oberhessisch (an der Lahn, Vogelsberg, Wetterau bis zum Spessart)
  • Westhessisch (Herborn/Limburg)

Früher reichte das Oberhessische bis südlich des Mains (im Rodgau). Weiter südlich begann das Pfälzische, wo man bereits das alemannische fescht statt fest sprach. Heute hat sich im Rhein/Main/Neckar-Raum eine Ausgleichsmundart zwischen hessisch, pfälzisch, alemannisch und ostfränkisch gebildet, die, soweit das Gebiet politisch zum Bundesland Hessen gehört, hier ebenfalls unter der Bezeichnung Südhessisch eingereiht wird.

Geschichte

Das Verbreitungsgebiet der hessischen Mundart ist nach der archäologischen Fundlage mindestens bis 200 v. C. dem keltischen Kulturkreis zuzuordnen. Zur Römerzeit wird im Bereich der zwei Siedlungsschwerpunkte von Fulda, Eder und Diemel im Norden und an der Lahn im Süden der germanische Stamm der Chatten beschrieben, dessen Bezeichnung durch die hochdeutsche Lautverschiebung zu Hessen wurde. Über Veränderungen der hessischen Mundart in Lautstand, Wortschatz und geographischer Verbreitung kann wegen fehlender mundartlicher Aufzeichnungen vor der Neuzeit wenig gesagt werden. Politische Veränderungen sprechen für einen Verlust des Sprachgebietes im Norden an das Niedersächsische und eine Ausweitung auf Gebiete südlich von Vogelsberg und des Lahngebiets zur fränkischen Zeit im frühen Mittelalter. Siehe dazu Hessengau.

Hessische Umgangssprache

In der Umgangssprache hat sich nicht nur in den städtischen Ballungsgebieten eine mundartliche Verfärbung des Hochdeutschen herausgebildet (ein sog. Missingsch), die umgangssprachlich ebenfalls als Hessisch bezeichnet wird, auch wenn sie (je nach Sprecher) der hochdeutschen Schriftsprache näher steht als der hessischen Mundart. Die Bezeichnung Hessisch wird umgangssprachlich für die mundartlich verfärbte Umgangssprache im ganzen politischen Bundesland Hessen benutzt, auch für den hessischen Anteil am Rhein-Main-Neckar-Gebiet, das mundartlich einem hessisch/pfälzisch/alemannisch/ostfränkischen Mischgebiet zuzuordnen ist.

Überregionale Bekanntheit hat die hessisch eingefärbte Umgangssprache des Rhein-Main-Gebietes durch Hörfunk und Fernsehen erlangt, besonders durch den in Frankfurt ansässigen Hessischen Rundfunk. Das, was außerhalb Hessens zur Zeit oftmals als „typische hessische Mundart“ angesehen wird, ist nur der Regiolekt des südhessischen Rhein-Main-Gebiets, auch „Fernsehhessisch“ genannt, der sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts herausgebildet hat.

Hessische Mundart in Medien und Kultur

Einfluss der Medien

In Hörfunk und Fernsehen wird das Südhessische so dargestellt, als würde in ganz Hessen so gesprochen. Dabei wird die Volkssprache noch stilisiert. Dialektologen und Sprachwissenschaftler diskutieren dies bereits als Neuhessisch, während einige derjenigen Bewohner Hessens, die sich durch die Bezeichnung des Südhessischen als hessischem Dialekt nicht repräsentiert sehen, dies abwertend als „Fernsehhessisch“ bezeichnen.

Besonders stark zu der verbreiteten Annahme, die Dialekte Südhessens seien „das Hessische“ schlechthin, hat wohl u. a. die ausgeprägte humoristische Tradition Südhessens in den Medien (s. u.) beigetragen. Zur besseren Identifikation des „Südhessischen“ wird daher mehr und mehr der Ausdruck „Äbbelwoihessisch“ (Apfelweinhessisch) benutzt. In der Vergangenheit entwickelte sich – ungeachtet der Darmstädter Lokalposse Datterich von Ernst Elias Niebergall (siehe Link unten „Hessische Spielgemeinschaft“) im 19. Jahrhundert oder des Mainzer Mundartstücks „Der fröhliche Weinberg“ von Carl Zuckmayer – diese an Fastnacht, im Volkstheater (z. B. im Frankfurter Volkstheater von Liesel Christ und Lia Wöhr) und in der Dialektliteratur (z.B. Friedrich und Adolf Stoltze).

Ganz anders heute die modernen südhessischen Mundartautoren Kurt Sigel, Ernst Schildger oder Fritz Ullrich (Frankfurter Rundschau), nicht zuletzt die Autoren Rudolf Krämer-Badoni (Deutschland – Deine Hessen) und Herbert Heckmann. In den 1960er und 1970er Jahren kommen volkstümlichen Fernsehsendungen und – aus lokaler Kleinkunst entstandenes Entertainment – hinzu, wie Heinz Schenks Zum Blauen Bock oder die legendären Hesselbachs mit Wolf Schmidt und Liesel Christ. Der aus Darmstadt stammende Schauspieler Günter Strack war immer wieder in südhessischen Dialektrollen zu sehen, besonders hervorzuheben ist die Filmreihe Hessische Geschichten, in der Strack verschiedene volkstümliche Charaktere verkörperte.

Literarisch bedeutsam für das moderne hessische Volkstheater der Gegenwart werden jedoch der Bühnenautor, Regisseur und Schauspieler Wolfgang Deichsel mit seinen Moliere-Bearbeitungen im Frankfurter Dialekt (Barock am Main, TAT, Schauspiel Frankfurt), wie auch die Schauspieler und Kabarettisten Michael Quast, Matthias Beltz(†) und Walter Renneisen.

Die aufgrund der wirtschaftlichen Stärke der südhessischen Region das Sprach- und Kulturempfinden des Rhein-Main-Raumes stärker betonende Programmgestaltung des Hessischen Rundfunks ist wohl als mit ursächlich für die fortdauernde Popularisierung der im übrigen Deutschland verbreiteten Fehleinschätzung des Rheinfränkischen als gesamthessischen Dialekt anzuführen.

Als drastisches Beispiel hierfür wäre die mehrteilige Fernsehproduktion des Hessischen Rundfunks Der Winter, der ein Sommer war zu nennen. In dem in Kassel angesiedelten Fernsehfilm wird in einer Nebenrolle Hochdeutsch mit niederhessischem Anklang gesprochen, ansonsten bedienen sich in Dialektpassagen die Darsteller der gänzlich ortsfremden südhessischen Mundart.

Populärkultur

In jüngerer Zeit bestimmten Gruppen wie Saure Gummern (Ried-Blues), die Rockband Rodgau Monotones, die Comedy-Gruppen Badesalz und Mundstuhl, sowie die Komiker Bodo Bach und Maddin, aber auch der Kabarettist Urban Priol aus dem an der Grenze zu Südhessen liegenden, zum bayerischen Regierungsbezirk Unterfranken gehörenden Aschaffenburg sowie Rainer Bange aus Hanau die Dialektszene im südhessischen Raum. In Frankfurt gibt es seit 1995 mit REZI*BABBEL, dem Frankfurter Mundart-Rezitations-Theater, Mundartprogramme rund um Friedrich Stoltze (1816-1891) u.a. Mundartdichter des 19. Jahrhunderts.

Im weitesten Sinne kann man hier auch die Rap-Gruppe Rödelheim Hartreim Projekt einreihen (obwohl hier eher ein hessisch-hochdeutsches Missingsch verwendet wird). Die dabei vorgetragenen Dialekte sind überwiegend Frankfurterisch und auch Südhessisch, deren Mundarten im Frankfurter, Mainzer, Wiesbadener, Offenbacher, Aschaffenburger und Darmstädter Raum gesprochen werden, oder rheinfränkisch eingefärbtes Hochdeutsch.

Anders bei den neuen mittelhessischen Mundartgruppen, der Gruppe Odermennig (Hessisches Hinterland) im Landkreis Marburg-Biedenkopf und der Gruppe Fäägmeel (Landkreis Gießen). Deren Texte, Lieder und Stücke entsprechen weitestgehend noch den regionalen Basisdialekten Mittel- und Oberhessens, wenn auch diese Dialekte in einem sich entwickelnden Neuhessisch entlang der wirtschaftlichen Verkehrsbeziehungen (spöttisch „ RMV-Hessisch“) im Süden aufgehen.

Siehe auch

Literatur

  • dtv-Atlas zur deutschen Sprache, Hrsg. v. Werner König, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1978, ISBN 3-423-03025-9
  • Hans Friebertshäuser: Das hessische Dialektbuch, Verlag C.H.Beck, München 1987, ISBN 3-406-32317-0
  • Hans Friebertshäuser: Kleines hessisches Wörterbuch, Verlag C.H.Beck, München 1990, ISBN 3-406-34192-6
  • Hans Sarkowicz, Ulrich Sonnenschein (Hrsg), Die großen Hessen, Insel Verlag, Frankfurt/M-Leipzig 1996 (HR-Produktion).

Weblinks


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