Dialektforschung

Dialektforschung

Die Dialektologie ist ein Teilgebiet der Sprachwissenschaft, die sich mit der Erforschung von Dialekten beschäftigt. Oft wird die Dialektologie zur Soziolinguistik gerechnet.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Mundartforschung im deutschen Sprachraum setzte im 18. Jahrhundert ein. Sie untersuchte vor allem ländliche, als autochthon geltende Dialektgebiete. Im 19. Jahrhundert waren in Deutschland die Brüder Grimm bedeutende Sprachforscher, die im Deutschen Wörterbuch auch auf mundartliche Varianten von Wörtern eingingen. Im 19. Jahrhundert erschienen auch zahlreiche Dialekt-Wörterbücher.

Georg Wenker erfasste ab 1875 als Erster systematisch mit Hilfe von Fragebögen alle Dialekte innerhalb des deutschen Sprachgebietes. Von 1926 bis 1956 entstand daraus der Deutsche Sprachatlas (DSA) auf der Basis von über 52.000 Fragebögen; der Deutsche Wortatlas (DWA) ist das Ergebnis von Forschungen des Wissenschaftlers Walther Mitzka.[1]

Die Mundarten bewahren ältere Sprachformen in einem größeren Maß als die Hochsprache, die einer stärkeren Normierung unterworfen ist. Daher zielte die Dialektologie und die damit verbundene Analyse der Dialekte auf die Rekonstruktion von früheren Sprachforme.

Seit der Mitte des 20. Jahrhunderts wendet sich die Dialektologie - unter dem Einfluss der amerikanischen und englischen Ausrichtung der Disziplin - verstärkt mit modernen linguistischen Methoden der Erforschung der Dialekte in ihrem sozialen und pragmatischen Kontext zu sowie der Beschreibung von sprachlich komplexen Zuständen in städtischen Zentren und Agglomerationen.

Methoden

Die Grundlage jeder dialektologischen Betätigung ist das Sammeln von Material und dessen Publikation in Wörterbüchern, Grammatiken und Monographien von Regionen und Orten und Tonträgern, sowie die Darstellung und Veranschaulichung der Erkenntnisse in Sprachatlanten.

Bedeutung

Die Dialektologie geniesst insbesondere in den Regionen einen Status als populäre Wissenschaft, wo Dialekte und Mundarten im gesellschaftlichen Ansehen einigermaßen hoch stehen. Namentlich in der deutschen Schweiz leistet die Dialektologie einen ansehnlichen Beitrag zur Sprachpolitik und zum intranationalen Dialog mit den anderen Sprachgruppen. In diesen Gebieten ist auch das Interesse an und der Beitrag zu dieser Wissenschaftsdisziplin, der von Laien geleistet wird, entsprechend hoch. Demgegenüber ist die Rolle der Dialektologie in Gebieten, wo die Dialekte ausgestorben sind oder in niedrigem gesellschaftlichen Ansehen stehen, auf Dokumentation und Beschreibung beschränkt.
Die Dialektologie kann auch spracherhaltende oder gar normative Funktion haben wie im Falle der Untersuchung der bünderromanischen Idiome, aus der die Standardsprache Rumantsch Grischun hervorgegangen ist.

Kritik

Die Dialektologie ist genau zu der Zeit entstanden als sich die einheitliche neuhochdeutsche Schriftsprache durchzusetzen begann, jedoch keinesfalls als Opposition dagegen. Diese Zeit am Anfang des 19. Jahrhunderts war von einem romantischen Nationalismus, ausgelöst durch die Ideen der Französischen Revolution, geprägt, der eine Vereinigung der vielen deutschen Staaten zu einem Nationalstaat zum Ziel hatte. Dies sollte durch philologische Forschung auch sprachwissenschaftlich untermauert werden. [1] Das Ziel der Germanisten und Sprachforscher dieser Zeit, wie den Gebrüdern Grimm, war es, den geschichtlichen Ursprung der deutschen Sprache zu erforschen um dieser dadurch auch eine größere Legitimität zu verschaffen. Die Dialekte wurden als historische Stilblüten angesehen, die man vor ihrem baldigen Aussterben zu mindest für das Archiv sammeln sollte. [2]

Im 20. Jahrhundert gerieten viele prominente Dialektologen ins ideologische Fahrwasser des Nationalsozialismus und betrieben die Dialektologie hauptsächlich um irredentistischen Forderungen Nachdruck zu verleihen. So wurden vor allem die Dialekte der Volksdeutschen untersucht, also jener deutschsprachigen Bevölkerungsgruppen, die außerhalb des Deutschen Reiches lebten, hier vor allem die Mundarten in Schlesien, im Sudetenland, im Elsass, in Siebenbürgen oder die südbairischen Sprachinseln in Norditalien und dem heutigen Slowenien, aber sogar die Amish People in den USA wurden über die Dialektologie zu Deutschen erklärt. Die Dialekte innerhalb Deutschlands und Österreichs wurden hingegen vernachlässigt, wenn nicht sogar negiert. [3]

Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts begannen junge Linguisten die Dialektologie neu zu beleben und sie aus dieser ideologischen Umklammerung heraus zu führen. Viele der alten Dialektologen saßen aber bis in die 1980er Jahre auf den wichtigsten Lehrstühlen und in den jeweiligen Instituten. Dies ist auch einer der Gründe warum die meisten Publikationen zum Thema Dialekt im deutschsprachigen Raum in dieser Zeit von interessierten Laien stammen und weniger von akademischen Sprachwissenschaftlern. Ausnahme hierfür ist natürlich die Schweiz.

Siehe auch

Quellen

  1. Zur Dialektologie

Literatur

Allgemein

  • Werner Besch u. a. (Hrsg.): Dialektologie. Ein Handbuch zur deutschen und allgemeinen Dialektforschung. 2 Halbbände. Walter de Gruyter, Berlin und New York 1982-1983
  • Heiner Löffler: Dialektologie. Eine Einführung. Narr, Tübingen 2003

Germanisches Sprachgebiet

  • Csaba Földes: Die deutsche Sprache und ihre Architektur. Aspekte von Vielfalt, Variabilität und Regionalität. Variationstheoretische Überlegungen. In: Studia Linguistica XXIV (Acta Universitatis Wratislaviensis; 2743), Wroclaw 2005. S. 37-59 (DOC-Datei)
  • Ferdinand Mentz: Bibliographie der deutschen Mundartenforschung für die Zeit vom Beginn des 18. Jahrhunderts bis zum Ende des Jahres 1889. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1892 (Digitalisat bei Google Booksearch, nur mit US-Proxy vollständig einsehbar)
  • Sprachatlas der deutschen Schweiz: begr. von Heinrich Baumgartner und Rudolf Hotzenköcherle. In Zusammenarbeit mit Konrad Lobeck und unter Mitw. von Paul Zinsli. Hrsg. von Rudolf Hotzenköcherle. Fortgef. und abgeschlossen von Robert Schläpfer. Tübingen, Basel: Francke, 1962-1997. 8 Bände.
  • Viktor Maksimovič Žirmunskij: Deutsche Mundartkunde. Vergleichende Laut- und Formenlehre der deutschen Mundarten. Akademie-Verlag, Berlin 1962
  • Schweizerisches Idiotikon. Wörterbuch der schweizerdeutschen Sprache (ab 1881).

Romanisches Sprachgebiet

  • Glossaire des patois de la Suisse romande (ab 1924)
  • Dicziunari Rumantsch Grischun (ab 1939)
  • Vocabolario dei dialetti della Svizzera italiana (ab 1952).
  • Karl Jaberg, Jakob Jud: Sprach- und Sachatlas Italiens und der Südschweiz. 1928-1940, 8 Bände.

Kritik


Weblinks


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