Dieburg, die Schulstadt

Dieburg, die Schulstadt

Die frühesten Aufzeichnungen über Dieburg als Schulstadt gehen bis ins 15./16. Jahrhundert zurück. Die entsprechenden Quellen sprechen von insgesamt drei Volksschullehrern, die Knaben überwiegend im Fach Religion unterwiesen. Laut Quellen wurde es anfangs des 17. Jahrhunderts erforderlich, einen zweiten ehrer einzustellen. Nach einem Auf und Ab über Anzahl der Lehrer und Schüler wird erst wieder das Jahr 1715 interessant. Es wird erwähnt, dass in der heutigen Pfarrgasse Nr. 2 ein zweiklassiges Schulgebäude errichtet wurde. Ein Klassenraum für die sogenannte „Unterklasse“ - darin befanden sich die jüngeren Jahrgänge - und einen für die älteren Jahrgänge, die sogenannte „Oberklasse“. Nach wohl schlechten Erfahrungen mit dem gemeinsamen Unterricht für Knaben und Mädchen wurden die Klassen nach Geschlechtern getrennt.

Als die Räume der Pfarrgasse Nr. 2 für den wachsenden Schulbedarf nicht mehr ausreichten, zog man 1816 in die umgebaute Kirche des Heiligen-Geist-Hospitals, heute Ecke Altstadt/Spitalstraße. Im Parterre befanden sich die Klassenräume, im Obergeschoß die Wohnungen der Lehrer. Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts lag die Schulaufsicht bei den Religionsgemeinschaften. Da Dieburgs Bevölkerung überwiegend katholisch war, gab es in Dieburg eine katholische Konfessionschule. Die Vermögenden evangelischen Familien unterhielten Hauslehrer. Die unbemittelten Eltern schickten ihre Kinder in die katholische Schule.

Knabenschulhaus (Marienschule) in der Marienstraße

Von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1910 gab es eine öffentliche evangelische Schule in den Räumen der Marienschule. Im Jahre 1832 wurde die Schulen unter die Dienstaufsicht des Staates gestellt, was bedeutete, dass der Landrat der Dienstherr wurde. Ein kurzes Gastspiel hatten die „Englischen Fraulein“ in Dieburg. Sie wurden beauftragt, die weiblichen Jugendlichen zu unterrichten. In der Zeit des so genannten „Kulturkampfes“ wurde den Ordensfrauen diese Tätigkeit untersagt. Der Unterricht wurde von weltlichen Lehrerinnen übernommen. Ein weiterer wichtiger Schritt zur Entwicklung Dieburgs als Schulstadt war folgender: Die Bevölkerung der Stadt wuchs und somit wuchs im entsprechenden Verhältnis die Zahl der Schüler. So wurde es notwendig, im Verhältnis entsprechend auch die Zahl der Schüler. So wurde es notwendig, ein neues Schulgebäude zu errichten. Im Jahre 1902 wurde die „Knabenschule“ in der Marienstraße bezogen.

Da nach dem 2. Weltkrieg die Schulraumnot enorm groß war, errichtete die Stadt Dieburg 1965 die Gutenbergschule auf der Leer. Dazu ist anzumerken, dass bis in die 1970er Jahre die Städte für den Bau und die Ausstattung der Volksschulen verantwortlich waren, die Dienstaufsicht der Lehrer aber auf höherer Ebene angesiedelt war. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die hessische Schulform Ende der 1960er Jahre - ähnlich wie bei Reformen anderer Bundesländer - auch die Volksschulen veränderte. Die Neugliederung bestand darin, dass nach der nun vierjährigen Grundschule die Einstufung in Haupt- und Realschule sowie Gymnasium - zum Teil nach einer zweijährigen Förderstufe - erfolgte. Mit diesem Schritt war die achtjährige Volksschule abgeschafft.

Die Entwicklung der Höheren Schule

Bedarf für eine sogenannte Höhere Schule gab es bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts in Dieburg nicht. Für die landwirtschaftliche und Handwerkliche Struktur der Dieburger Bevölkerung war die Volksschule ausreichend. Wer studieren wollte, musste eine Privatschule aufsuchen, welche es in Dieburg nicht gab.

Diese Situation änderte sich als der Mainzer Bischof Wilhelm Emmanuel von Ketteler im Jahre 1869 eine Lehranstalt für Jungen, das Knabenkonvikt, eröffnete. (Kurzzeitig nach dem Dreißigjährigen Krieg unterhielten die Kapuziner eine Lateinschule, auf die hier nicht näher eingegangen wird.) Dieburg hatte nun eine Privatschule. Hier musste Schulgeld bezahlt werden. Die Standortwahl fiel unter anderem auf Dieburg, weil das Adelsgeschlecht der Groschlages dem Bischof das Grundstück „preisgünstig“ überlassen hatte. Der Stadtvorstand Dieburg unterstützte dieses Vorhaben. Aus einem sozialen Gedenken heraus wollte der Bischof Jungen, die Lust an einem Studium und vielleicht auch an einem geistlichen Beruf hatten, es ermöglichen, ein im ländlichen Bereich gelegenes Gymnasium zu besuchen. Es wurden auch Schüler aufgenommen, die nicht im Internat wohnten. Die Eröffnung einer solchen Lehranstalt war für Dieburg eine enorme Bereicherung der Schullandschaft. Diese Schule fiel dem sogenannten Kulturkampf zum Opfer und musste 1876 geschlossen werden.

Zum besseren Verständnis hier einige Anmerkungen zum „Kulturkampf“: Der Sehnsucht der Deutschen folgend, gelang es Otto von Bismarck 1871 ein einheitliches Deutsches Reich zu gründen. Der preußische König Wilhelm I. wurde Deutscher Kaiser und Bismarck Reichskanzler. In seinem von ihm mitbegründetem Reich sah Bismarck alsbald zwei innenpolitische Reichsfeinde, nämlich die kommunistische Arbeiterbewegung und die katholische Kirche. Was die katholische Kirche anbelangte, waren es insbesondere zwei Dinge, die ihn zu dieser Auffassung kommen ließen. Der oben erwähnte Bischof von Ketteler war 1873 Mitbegründer des „Zentrums“, einer konservativen Partei, die den politischen Katholizismus vertrat und Papst Pius IX verkündete 1870 im Rahmen des Ersten Vatikanischen Konzils das Unfehlbarkeitsdogma. Zum einen sah Bismarck die hinter ihm versammelten Konservativen in zwei Lager zerfallen, zum Anderen befürchtete er, dass durch das Dogma das Papsttum einen erheblichen Einfluss im Reich gewinnen würde. Um dies zu verhindern, erließ er eine Anzahl von Gesetzen, die zusammenfassend mit dem Begriff Kulturkampf bezeichnet werden. Eines der sieben Gesetze stellte die gesamte Schulaufsicht unter das Reich. Dies bedeutete das Aus für eine kirchliche Schule.

Die Stadt Dieburg war nach Beendigung des „Kulturkampfes“ bestrebt, wieder eine Höhere Schule zu eröffnen. So entschied man im Jahre 1889 in den Parterreräumen des Knabenkonvikts dies zu tun. Es wurde hier die „erweiterte Volksschule“ errichtet, und im Jahre 1895 erhielt sie den Namen „Höhere Bürgerschule Dieburg“. Auch eine Höhere Mädchenschule hat Dieburg einst besessen. Es war eine Privatschule und bestand von 1900 bis 1917. Die Schule im Konvikt entwickelte sich so gut, dass die Stadt sich entschloss, ein angemessenes Schulhaus zu bauen. Es wurde in unmittelbarer Nähe des Konvikts in der Goethestraße erstellt und im Jahre 1908 eingeweiht. Im Jahre 1914 wurde diese Schule den anderen siebenklassigen hessischen Schulen gleichgestellt und vom Staat übernommen. Sie erhielt den Namen „Großherzogliche Realschule und Progymnasium“. Das Abitur konnte man in dieser Schule nicht ablegen. In diesem Zusammenhang sei auf den Begriff „Realschule“ hingewiesen, der dann später für den sogenannten mittleren Bildungsabschluss Verwendung fand. Der Begriff „Real“ verweist auf die Unterrichtsgegenstände, die sich eher an der Realität eines späteren praktischen Berufsstandes orientierte. Der Begriff „Gymnasium“ war für die Schule zur Vorbereitung eines Studiums gedacht.

1924 wurde diese Schule zu einer neunklassigen Vollschule ausgebaut. Sie erhielt den Namen „Hessische Oberschule und Gymnasium“. 1926 wurde das erste Abitur abgenommen. 1937 wurde der Name erneut geändert und zwar in „Deutsche Oberschule für Jungen“. Nach dem Krieg ging man an einen zügigen Aufbau und nannte diese Schule „Realgymnasium und Gymnasium“, bis man im Jahre 1955/56 den Namen „Goetheschule, Gymnasium und altsprachliches Gymnasium für den Landkreis Dieburg“ gab. Es ist interessant, dass bereits zu der Zeit der Schulname auf das Fächerangebot und auf den Träger der Schule hinwies.

Als in den sechziger Jahren der sogenannte „Bildungsnotstand“ erkannt wurde, sahen sich die Politiker gezwungen, eine Schulreform durchzuführen. Animiert von Soziologen, Pädagogen, anderen Wissenschaftlern und den Schulformen des europäischen Auslands, wurde das traditionelle neunklassige Gymnasium aufgeteilt.

In diesem Zusammenhang wurde zu Beginn der siebziger Jahre auf der Leer die „Gymnasiale Oberstufen Schule Dieburg“, die sogenannte GOS, erbaut. Diese wurde später in „Alfred-Delp-Schule“ umbenannt. In dieser Schule werden die Schüler der Klassen 11 bis 13 unterrichtet und somit auf das Abitur vorbereitet. ...


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