Wilhelm Emmanuel von Ketteler

Wilhelm Emmanuel von Ketteler
Wilhelm Emmanuel von Ketteler, als Konzilsteilnehmer (Foto, 1870)
Wilhelm Emmanuel von Ketteler, Lithografie (1865)
Wappen als Fensterbild im Mainzer Dom
Rheinland-pfälzische Briefmarke (1948)
Briefmarke von 1977 zum 100. Todestag

Wilhelm Emmanuel Freiherr von Ketteler (* 25. Dezember 1811 in Münster (Westfalen); † 13. Juli 1877 in Kloster Burghausen, Landkreis Altötting) war katholischer Bischof von Mainz und deutscher Politiker (Deutsche Zentrumspartei). Er wurde der Arbeiterbischof genannt. Ketteler ist der Gründer der KAB (Katholische Arbeitnehmer-Bewegung). Er war ein Großonkel von Clemens August Graf von Galen.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Ketteler wurde als jüngster von drei Söhnen des Landrates Maximilian Freiherr von Ketteler (1779–1832) und seiner Gattin Clementine geb. von der Wenge (1778–1844) geboren. Seine beiden älteren Brüder waren August Joseph (1808–1853) und der Politiker Wilderich Freiherr von Ketteler (1809–1873). Er entstammte einem westfälischen Uradelsgeschlecht von Hüsten, das sich später von Ketteler nannte. 1828 schloss er das Abitur im Jesuiteninternat des Kollegium Spiritus Sanctus in Brig / Wallis (Schweiz) ab, danach studierte er Rechtswissenschaften und Staatswissenschaft in Göttingen, wo er sich dem Corps Guestphalia anschloss. Bei einem Duell verlor er hier seine Nasenspitze. Seine Studien setzte er dann ab 1831 in Berlin fort. Dort hörte er unter anderem Karl Friedrich von Savigny. Anschließend schlug Ketteler zunächst eine juristische Laufbahn ein, quittierte jedoch den Staatsdienst aus Glaubens- und Gewissensgründen, unter anderem wegen der Verhaftung und Inhaftierung des Kölner Erzbischofs Clemens August Droste zu Vischering.[1] Anschließend studierte er von 1841 bis 1843 Theologie in München, wo er dem Kreis um Joseph Görres angehörte. Am 1. Juli 1844 wurde Ketteler in Münster zum Priester geweiht. Bereits als Kaplan an St. Stephanus in Beckum wurde sein Interesse an der „Sozialen Frage“ deutlich. Auf seine Anregung entstand dort ein Krankenhaus für die unteren Schichten. Im November 1846 übernahm er die verwahrloste Gemeinde Hopsten. Die Jahre bis 1848 als „Bauernpastor“ haben Ketteler entscheidend geprägt. Sein unermüdlicher Einsatz galt der Linderung des durch Armut, Krankheit und mangelnde Ausbildung hervorgerufenen Elends.

In den Jahren 1848/49 war er Mitglied der Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche. Nach Niederlegung des Mandats wurde er zum Fürstbischöflichen Delegaten für Brandenburg und Pommern ernannt, jedoch nur für kurze Dauer.[2] Denn schon am 15. März 1850 wurde Ketteler zum Bischof von Mainz ernannt und am 27. Juli durch den Freiburger Erzbischof Hermann von Vicari zum Bischof geweiht.

In den Jahren 1871/72 war er Mitglied des deutschen Reichstags. Gemeinsam mit Ludwig Windthorst gründete er die Zentrumspartei als Gegengewicht zu den protestantischen Parteien und insbesondere Otto von Bismarck.

Als Mainzer Bischof war Wilhelm Emmanuel von Ketteler qua Verfassung von 1851 bis 1877 Mitglied der ersten Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen.

Kirchenpolitisch setzte er sich für die Autonomie und Macht der katholischen Kirche ein und war erklärter Gegner der Trennung von Staat und Kirche, was ihn zum Widersacher Bismarcks im Kulturkampf machte, der durch die Veröffentlichung des Syllabus Errorum, eines Verzeichnisses moderner theologischer und gesellschaftlicher Anschauungen und Lehren durch Papst Pius IX. im Jahre 1864, die von der Kirche abzulehnen seien, ausbrach. Die katholische Kirche, und damit auch von Ketteler, wollte sowohl die Ächtung philosophischer Vorstellungen, wie die des Naturalismus, Pantheismus und Rationalismus, als auch die Ablehnung von Sozialismus, Kommunismus, Nationalismus und Liberalismus propagieren.

Unter dem Einfluss von Adolph Kolping erkannte er die Bedeutung der Sozialen Frage in der neu entstehenden Industriegesellschaft und bereitete die Hinwendung der katholischen Kirche zur Sozialtätigkeit zum Wohle der Arbeiterschaft vor, die schließlich von Papst Leo XIII. vollzogen wurde. Er gilt damit als Mitbegründer der Katholischen Soziallehre und erhielt den Beinamen „Arbeiterbischof“.

Obwohl Bischof Ketteler ein Gegner der auf dem 1. Vatikanischen Konzil beschlossenen Unfehlbarkeitserklärung des Papstes war, unterwarf er sich dem Konzilsbeschluss.

Ketteler wurde am 18. Juli 1877 in der Marienkapelle des Mainzer Doms beigesetzt.

Er war Mitglied der Accademia dei Quiriti in Rom, römischer Patrizier, päpstlicher Thronassistent und Hausprälat, Kommandeur 1. Klasse des Großherzoglich Hessischen Ludwigsordens und Ritter des preußischen Roten Adlerordens 2. Klasse.

Verehrung

Ketteler zu Ehren sollte in einem Mainzer Vorort mit überwiegender Arbeiterbevölkerung eine Kirche mit eigener Ketteler-Kapelle errichtet werden. Hierzu wurde der 1907 eingemeindete Stadtteil Mainz-Mombach bestimmt. Die dortige Herz-Jesu-Kirche wurde jedoch aufgrund des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges nie vollendet und die sterblichen Überreste des Bischofs ruhen deshalb weiterhin im Mainzer Dom. Im Rockenberger Ortsteil Oppershofen wurde von Ketteler zu Ehren eine Straße nach ihm benannt, ebenso in Einhausen, Beckum und Kleinostheim. Ebenso in Rodalben in der Pfalz.

Siehe auch

Literatur

  • Erwin Iserloh, Kirche - Ereignis und Institution. Aufsätze und Vorträge, Band I: Kirchengeschichte als Theologie, Münster 1985; darin mehrere Beiträge über Ketteler: 1. Wilhelm Emmanuel von Ketteler (259-265); 2. Die soziale Aktivität der Katholiken im Übergang von caritativer Fürsorge zu Sozialreform uind Sozialpolitik, dargestellt an den Schriften Wilhelm Emmanuel von Kettelers (266-284); 3. Wilhelm Emmanuel von Ketteler und die Freiheit der Kirche und in der Kirche (285-308); 4. Der Katholismus und das Deutsche Reich von 1871. Bischof Kettelers Bemühungen um die Integration der Katholiken in den kleindeutschen Staat (309-326); 5. Wilhelm Emmanuel von Ketteler zur Infallibilität des Papstes (327-345).
  • Fritz Vigener: Ein deutsches Bischofsleben des 19. Jahrhunderts, München, Berlin 1924
  • Elmar Fastenrath: Bischof Ketteler und die Kirche. Eine Studie zum Kirchenverständnis des politisch-sozialen Katholizismus (Beiträge zur neueren Geschichte der katholischen Theologie 13), Essen 1971
  • Karsten Petersen: "Ich höre den Ruf nach Freiheit": Wilhelm Emmanuel von Ketteler und die Freiheitsforderungen seiner Zeit. Eine Studie zum Verhältnis von konservativem Katholizismus und Moderne, Paderborn u.a. 2005
  • Otto Pfülf: Bischof von Ketteler (1811–1877). Eine geschichtliche Darstellung, 3 Bände, 418, 441 und 403 Seiten, Kirchheim Verlag, Mainz, 1899
  • Karl Brehmer: Wilhelm Emmanuel von Ketteler (1811–1877) – Arbeiterbischof und Sozialethiker. Auf den Spuren einer zeitlosen Modernität, Verlag Schnell und Steiner, Regensburg, 2009 ISBN 978-3-7954-2135-9
  • Klaus Schlupp: Schule, Kirche und Staat im 19. Jahrhundert. Die katholische Volksschule im Bistum Mainz und Großherzogtum Hessen-Darmstadt 1830–1877, Nordhausen, 2005
  • Herman Haupt (Hrsg.): Hessische Biografien. Band I, Lieferung 1. Großherzoglich hessischer Staatsverlag, Darmstadt 1912
  • O. M. Reich (Hrsg.): Predigten, Briefe, 3 Bände, Mainz 1878
  • Jochen Lengemann: MdL Hessen 1808–1996, 1996, ISBN 3-7708-1071-6, Seite 211
  • Egbert Weiß: Corpsstudenten in der Paulskirche, in: Einst und Jetzt, Sonderheft 1990, München 1990, S. 26.
  • Mainz und die soziale Frage in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Zum 100. Todestag von Oberbürgermeister Wallau und Bischof Ketteler. Katalog zur Ausstellung im Rathaus-Foyer Mainz 4. August bis 4. September 1977.
  • Volker Jakob: Ein aristokratischer Arbeiterbischof, in: Westfalenspiegel, Ausgabe 3/2011, S. 60-61.
  • Kardinal Reinhard Marx. Christ sein heißt politisch sein. Wilhelm Emmanuel von Ketteler für heute gelesen. Freiburg, Herder, 2011.

Werke

Anmerkungen

  1. Von der Arbeiterfrage zur Neuen Sozialen Frage, Zeittafel
  2. Die Fürstbischöfliche Delegatur für Brandenburg und Pommern war der katholische Jurisdiktionsbezirk des Fürstbistums Breslau aus dem am 13. August 1930 das Bistum Berlin hervorging.

Weblinks

 Commons: Baron Wilhelm Emmanuel von Ketteler – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
 Wikisource: Wilhelm Emanuel von Ketteler – Quellen und Volltexte
Vorgänger Amt Nachfolger
Georg Anton Brinkmann Fürstbischöflicher Delegat für Brandenburg und Pommern
1849–1850
Leopold Pelldram
Peter Leopold Kaiser Bischof von Mainz
1850–1877
Christoph Moufang (als Diözesanadministrator)

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