Diskrete von-Neumann-Algebra

Diskrete von-Neumann-Algebra

Die hier vorgestellte Typklassifikation teilt die in der Mathematik untersuchten von-Neumann-Algebren in Klassen ein, die man Typ nennt. Diese auf Francis J. Murray und John von Neumann zurückgehende Klassifizierung beruht auf einer Analyse der Struktur der in einer von-Neumann-Algebra enthaltenen Orthogonalprojektionen. Während beliebige von-Neumann-Algebren Bestandteile unterschiedlicher Typen haben können, ist ein Faktor immer von genau einem Typ. Daher spielen diese Begriffsbildungen bei der Untersuchung der Faktoren eine wichtige Rolle.

Inhaltsverzeichnis

Motivation

Die Grundidee besteht darin, Projektionen einer von-Neumann-Algebra A\subset L(H) auf einem Hilbertraum H der Größe nach zu vergleichen. Ist e\in A eine solche Projektion (mit Projektion ist hier immer eine Orthogonalprojektion gemeint), so gehört dazu der projizierte Raum e(H) und umgekehrt gibt es zu jedem abgeschlossenen Unterraum in H genau eine Projektion auf diesen Unterraum. Es liegt daher nahe, die Mengen e(H) zum Größenvergleich heranzuziehen. Gilt e(H)\subset f(H) für zwei Projektionen e und f, so wird man f als die größere bezeichnen wollen. Wie bei allgemeinen Mengen kann es vorkommen, dass zwei Projektionen auf diese Weise nicht direkt miteinander vergleichbar sind, da zwischen den projizierten Räumen keine Inklusionsbeziehung besteht. Bei zwei Mengen kann man Vergleichbarkeit dadurch herstellen, dass man eine der Mengen bijektiv auf eine Teilmenge der anderen abbildet. Verfolgt man diese Analogie zwischen Mengen und Projektionen weiter, und diese Sichtweise erweist sich als sehr fruchtbar, so kommt man zwanglos zur folgenden Begriffsbildung:

Definition: Zwei Projektionen e,f\in A heißen äquivalent, in Zeichen e \,\sim\, f, wenn es ein u\in A mit e = u * u und f = uu * gibt, ein solches u ist dann eine partielle Isometrie. Man sagt, e sei schwächer als f, in Zeichen e \preceq f, falls es eine Projektion e_0\in A gibt mit e\,\sim\, e_0 und e_0(H)\subset f(H).

Äquivalenz und Vergleichbarkeit hängen von der von-Neumann-Algeba A ab, denn es wird verlangt, dass die partielle Isometrie obiger Definition ebenfalls in A liegt. In einer kommutativen von-Neumann-Algebra A\subset L(H) sind äquivalente Projektionen gleich (denn aus e = u * u und f = uu * folgt wegen der Kommutativität e = f), in der größeren von-Neumann-Algebra L(H) ist das nicht der Fall.

Man kann zeigen, dass \sim eine Äquivalenzrelation ist und \preceq eine partielle Ordnung auf der Menge der Äquivalenzklassen induziert. Insbesondere gilt also e \,\sim\, f, falls e \preceq f und f \preceq e, was der schwierigere Teil des Beweises ist.

Projektionen in von-Neumann-Algebren

Projektionen in einer von-Neumann-Algebra können eine Reihe von Eigenschaften haben:

  • Eine Projektion heißt zentral, wenn sie im Zentrum A\cap A' von A liegt. Hier bezeichnet A' die Kommutante von A.
  • Eine von 0 verschiedene Projektion e\in A heißt minimal, wenn für jede Projektion f\in A mit f(H) \subset e(H) entweder f = 0 oder f = e gilt.
  • Eine Projektion e\in A heißt endlich, wenn für jede Projektion f\in A mit e\,\sim\,f und f(H)\subset e(H) bereits e\,=\,f folgt. Man beachte die Analogie zur Mengenlehre: Eine Menge ist genau dann endlich, wenn sie nicht zu einer echten Teilmenge gleichmächtig ist. Minimale Projektionen sind endlich und diese entsprechen in der Analogie zur Mengenlehre den einelementigen Mengen.
  • Nicht-endliche Projektionen heißen unendlich. Eine Projektion e\in A heißt echt unendlich, wenn für jede zentrale Projektion c\in A entweder ce = 0 oder ce unendlich ist.
  • Eine Projektion e\in A heißt rein unendlich, wenn für jede endliche Projektion f\in A mit f(H)\subset e(H) bereits f = 0 folgt. Rein unendliche Projektionen sind echt unendlich.
  • Eine Projektion e\in A heißt abelsch, falls eAe eine abelsche von-Neumann-Algebra auf e(H) ist. Dazu beachte man, dass mit eAe üblicher Weise die Algebra aller Operatoren ea|_{e(H)}:e(H)\rightarrow e(H), a\in A, bezeichnet wird, was stets wieder eine von-Neumann-Algebra ist. Abelsche Projektionen sind endlich.
  • Zu jeder Projektion e\in A gibt es eine kleinste zentrale Projektion p\in A mit e = ep, das heißt für jede andere zentrale Projektion q\in A mit e = eq gilt p(H)\subset q(H). Diese Projektion p heißt zentraler Träger von e und wird mit Ce bezeichnet.

Entsprechend heißt eine von-Neumann-Algebra endlich, unendlich, echt unendlich, bzw. rein unendlich, wenn diese Eigenschaften auf das Einselement 1 = \mbox{id}_H \in A zutreffen. Dieselbe Beziehung gilt offenbar für die Eigenschaft abelsch, das heißt eine von-Neumann-Algebra ist genau dann abelsch (das heißt kommutativ), wenn 1\in A eine abelsche Projektion ist.

Vergleichbarkeitssatz

Zwei beliebige Projektionen müssen nicht vergleichbar sein. Man kann die von-Neumann-Algebra aber in eine direkte Summe von drei von-Neumann-Algebren zerlegen, so dass in jedem Summanden Vergleichbarkeit vorliegt. Es gilt der folgende Satz:

Vergleichbarkeitssatz: Es seien e,f\in A Projektionen in der von-Neumann-Algebra A. Dann gibt es eindeutig bestimmte, paarweise orthogonale, zentrale Projektionen p_0, p_1, p_2\in A mit p0 + p1 + p2 = 1, so dass folgendes gilt:

  • p_0 e \,\sim\, p_0 f.
  • Ist r\in A eine zentrale Projektion mit \{0\} \not= r(H) \subset p_1(H), so gilt re \prec rf.
  • Ist r\in A eine zentrale Projektion mit \{0\} \not= r(H) \subset p_2(H), so gilt rf \prec re.

Dabei steht \prec abkürzend für "\preceq, und \not\sim" und zwei Projektionen heißen orthogonal (zueinander), wenn ihr Produkt 0 ist.

Typ I, Typ II, Typ III

  • Eine von-Neumann-Algebra A heißt vom Typ I (lies: Typ eins), wenn es eine abelsche Projektion e \in A mit Ce = 1 gibt.
  • A heißt genauer vom Typ In, wobei n\in \N \cup \{\infty\}, falls A vom Typ I ist und 1\in A die Summe von n paarweise äquivalenten abelschen Projektionen ist.
  • Eine von-Neumann-Algebra A\not=\{0\} heißt vom Typ II, wenn sie keine von 0 verschiedenen abelschen Projektionen besitzt, aber eine endliche Projektion e \in A mit Ce = 1.
  • Eine von Neumann-Algebra A vom Typ II heißt vom Typ II1, wenn 1 \in A eine endliche Projektion ist.
  • Eine von-Neumann-Algebra A vom Typ II heißt vom Typ II, wenn 1 \in A eine echt unendliche Projektion ist.
  • Eine von-Neumann-Algebra A\not=\{0\} heißt vom Typ III, wenn sie keine von 0 verschiedenen endlichen Projektionen besitzt.

Die Bedingungen für obige Typ-Einteilung sind so angelegt, dass eine von-Neumann-Algebra höchstens von einem Typ sein kann, es gibt aber von-Neumann-Algebren, die von keinem Typ im obigen Sinne sind. Der folgende Satz zeigt, dass man jede von-Neumann-Algebra eindeutig in eine direkte Summe zerlegen kann, so dass alle Summanden einen Typ haben:

Satz von der Typzerlegung: Sei A eine von-Neumann-Algebra. Dann gibt es eindeutig bestimmte, paarweise orthogonale, zentrale Projektionen p_n, n\in \N\cup\{\infty\}, p_{c_1}, p_{c_\infty} und q_\infty mit Summe 1, so dass gilt:

  • Ap_n \,=\, p_nAp_n ist vom Typ In oder 0.
  • Ap_{c_1} = p_{c_1}Ap_{c_1} ist vom Typ II1 oder 0.
  • Ap_{c_\infty} = p_{c_\infty}Ap_{c_\infty} ist vom Typ II oder 0.
  • Aq_\infty = q_\infty Aq_\infty ist vom Typ III oder 0.

Es ist A=Ap_1\oplus \ldots \oplus Ap_\infty\oplus Ap_{c_1}\oplus Ap_{c_\infty} \oplus Aq_\infty eine direkte Summe von von-Neumann-Algebren.

Viele dieser Projektionen können natürlich 0 sein, A hat dann keinen entsprechenden Typ-Anteil. L(\ell^2) ist eine von-Neumann-Algebra vom Typ I. Von-Neumann-Algebren A vom Typ I werden manchmal diskret genannt, da sie eine direkte Summe A=Ap_1\oplus \ldots \oplus Ap_\infty sind; der Summationsindex durchläuft dabei eine diskrete Menge. Beispiele für von-Neumann-Algebren vom Typ II oder III sind aufwändiger, sie können unter anderem durch geeignete Gruppenkonstruktionen gewonnen werden.

Von-Neumann-Algebren vom Typ II heißen auch stetig. Daher wurden in obigem Satz die Bezeichnungen p_{c_1} und p_{c_\infty} gewählt (c steht für continuous). Bei manchen Autoren gelten auch Typ III Algebren als stetig. Typ III Algebren sind rein unendlich.

Eine von-Neumann-Algebra ohne Typ III Anteil (das heißt q_\infty=0 in obigem Satz) heißt semiendlich.

Faktoren, Dimensionsfunktion

Da ein Faktor außer 0 und 1 keine weiteren zentralen Projektionen enthält, hat ein Faktor immer genau einen wohlbestimmten Typ. Typ III Faktoren lassen sich weiter klassifizieren; zu jedem \lambda\in [0,1] kann man nach der auf Alain Connes zurückgehenden Connes-Klassifikation Typ IIIλ Faktoren definieren, auf die hier nicht weiter eingegangen wird. Zu jedem Typ gibt es Faktoren, sogar auf separablen Hilberträumen.

Aus dem Vergleichbarkeitssatz folgt sofort, dass in einem Faktor je zwei Projektionen bzgl. \preceq vergleichbar sind. Die minimalen Projektionen fallen mit den abelschen Projektionen zusammen. Betrachtet man nur Faktoren A auf separablen Hilberträumen und ist {\mathcal P}(A) die Menge der Projektionen in A, so kann man die Typen über die Ordnungsstruktur von {\mathcal P}(A)/\sim beschreiben. Es gilt folgender Satz:

Satz (Dimensionsfunktion): Ist A ein Faktor auf einem separablen Hilbertraum, so gibt es eine Funktion D:{\mathcal P}(A) \rightarrow [0,\infty] mit folgenden Eigenschaften:

  • Für e,f \in {\mathcal P}(A) gilt e \sim f \Leftrightarrow D(e)=D(f)
  • Für e,f \in {\mathcal P}(A) gilt e \preceq f \Leftrightarrow D(e) \le D(f)
  • Für zwei zueinander orthogonale Projektionen e,f \in {\mathcal P}(A) gilt D(e+f)\,=\,D(e)+D(f).
  • Für e \in {\mathcal P}(A) gilt: e endlich \Leftrightarrow D(e) < \infty.

Die Funktion D ist bis auf einen konstanten Faktor eindeutig bestimmt und heißt Dimensionsfunktion. Das Bild D({\mathcal P}(A)) ist bis auf einen Skalierungsfaktor eine der folgenden Mengen:

  • \{0,1,\ldots n\} für ein n\in N; A ist dann vom Typ In.
  • \{0,1, \ldots \}\cup \{\infty\}; A ist dann vom Typ I.
  • [0,\,1]; A ist dann vom Typ II1.
  • [0,\infty]; A ist dann vom Typ II.
  • \{0,\infty\}; A ist dann vom Typ III.

Für den Typ I Faktor A=L(\ell^2) erhält man bei der angegebenen Skalierung D(e)=\mbox{dim}\,e(\ell^2) für alle e\in {\mathcal P}(A). Das erklärt den Namen Dimensionsfunktion.

Man beachte, dass D eine ordnungstreue Bijektion ({\mathcal P}(A)/\sim) \rightarrow D({\mathcal P}(A)) induziert. Der Typ eines Faktors ist daher nach obigem Satz durch die Ordnungsstruktur von {\mathcal P}(A)/\sim festgelegt.

Quellen

  • R.V. Kadison, J. R. Ringrose: Fundamentals of the Theory of Operator Algebras II, Academic Press Inc. 1986
  • V. S. Sunder: An Invitation to Von Neumann Algebras (1987), ISBN 0387963561

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