EU-Beschäftigungspolitik

EU-Beschäftigungspolitik
Flagge der Europäischen Union

Rechtsgrundlage der Tätigkeit der Europäischen Union im Bereich der Beschäftigungspolitik sind die Artikel 125-130 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV). Ein hohes Beschäftigungsniveau zu fördern gehört darüber hinaus zu den in Art. 2 EGV niedergelegten Aufgaben der Gemeinschaft. Entsprechend beinhaltet der Katalog der in Art. 3 (1) EGV aufgelisteten Tätigkeiten der Gemeinschaft "die Förderung der Koordinierung der Beschäftigungspolitik der Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Verstärkung ihrer Wirksamkeit durch die Entwicklung einer koordinierten Beschäftigungsstrategie" (lit. i). Beschäftigungspolitische Ziele werden auch mit den Mitteln der EU-Strukturfonds verfolgt, v.a. mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF).

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Bereits der Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) von 1957 nannte als ausdrückliches Ziel für die Verwendung der Mittel des ESF, "die Beschäftigungsmöglichkeiten der Arbeitnehmer zu verbessern" (Art. 3 lit. i EWG-Vertrag von 1957). Der im Jahr 1960 auf der Grundlage dieses Vertrages (Art. 123 ff.) eingerichtete Fonds fungierte jedoch zunächst lediglich als eine Erstattungskasse für bereits durchgeführte Programme der Mitgliedstaaten; förderfähig waren nach der ursprünglichen ESF-Konzeption (bis 1972) Maßnahmen zur Umschulung sowie zur Umsiedlung von Arbeitskräften sowie Lohnkostenzuschüsse für Arbeitnehmer, die durch innerbetriebliche Umstrukturierungen vorübergehend von Lohneinbußen betroffen waren.

Wie auch im Bereich der Sozialpolitik besaß die Gemeinschaft jedoch keine Kompetenz zur Entwicklung einer eigenständigen Beschäftigungspolitik. Während jedoch Maßnahmen im Bereich der Sozialpolitik immerhin zur Flankierung der Marktintegration entwickelt wurden, wurden positive Beschäftigungseffekte gerade als Auswirkung der Errichtung des Europäischen Binnenmarktes erwartet.

Einen ersten Ansatz zu einer Koordinierung der Beschäftigungspolitiken der Mitgliedstaaten unter dem Dach der EG/EU unternahm die Europäische Kommission 1993 mit der Veröffentlichung ihres Weißbuches Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigung. Inhaltlich war dieses Weißbuch sehr vage gehalten, selbst wenn vielfältige Möglichkeiten zur Beschäftigungsförderung angedacht und den Mitgliedstaaten empfohlen wurden. Dabei standen jedoch angebotsorientierte Maßnahmen zur Erhöhung der Flexibilität der Arbeitnehmer oder zur Verbesserung der Berufsausbildungssysteme unverbunden neben Vorschlägen zu nachfrageseitiger Beschäftigungsförderung, beispielsweise durch umfangreiche öffentliche Investitionsprogramme. Kennzeichnend war jedoch der Grundsatz einer doppelten Subsidiarität in dem Sinne, dass privater Beschäftigung der Vorrang vor öffentlicher gegeben werden sollte und nationalen Maßnahmen der Vorrang vor europäischen. Eine Koordinierung zwischen den verschiedenen, voneinander unabhängigen Akteuren der Beschäftigungspolitik - europäische und nationale Institutionen sowie Verbände von Arbeitnehmern und Arbeitgebern - wurde für wichtiger erachtet als eine kohärente, einheitliche Gemeinschaftspolitik.

Die wichtigste Folge des Weißbuches für die EU-Beschäftigungspolitik war, dass in der Folge der Europäische Rat ein einheitliches System zur Beobachtung der Beschäftigungspolitik und -entwicklung in den Mitgliedstaaten initiierte, dessen Instrumente zur Grundlage der Koordinierung der Beschäftigungspolitik ab 1997 wurden.

1997 wurde die Beschäftigungspolitik durch den Vertrag von Amsterdam als eigenständiger Titel in den EG-Vertrag aufgenommen. Bereits vor dem Inkrafttreten dieser Vertragsänderung verabschiedete der Europäische Rat im November 1997 anlässlich einer Sondertagung über Beschäftigungsfragen die ersten gemeinschaftlichen Beschäftigungspolitischen Leitlinien.

Instrumente

Nach Art. 128 EGV legt der Rat auf Vorschlag der Europäischen Kommission beschäftigungspolitische Leitlinien fest, die die Mitgliedstaaten zu berücksichtigen haben. Berücksichtigt ein Mitgliedstaat die Beschäftigungsleitlinien offenkundig nicht, so kann die Nichtberücksichtigung mit den Vertragsverletzungsverfahren der Art. 226 und 227 EG Vertrag verfolgt werden. Gleichwohl ist die Beschäftigungsstrategie in erster Linie als politischer Prozess ausgelegt. Sie entspricht der Offenen Methode der Koordinierung. Diese beruht auf der gemeinschaftlichen Festsetzung politischer Ziele, deren Umsetzung in der Zuständigkeit der Nationalstaaten verbleibt. Sowohl geplante Maßnahmen als auch tatsächlich erreichte Ergebnisse werden allerdings in geregelten Verfahren evaluiert (sog. Monitoring) und untereinander verglichen (sog. Benchmarking). Dies ist verbunden mit einem systematischen und kontrollierten Ansatz des Lernens voneinander (Best practices).

Es handelt sich bei der EU-Beschäftigungspolitik mithin um eine Form politischer Koordinierung und Steuerung, die im Wesentlichen auf einer grundsätzlichen Bereitschaft zur Zusammenarbeit, zum gegenseitigen Austausch von Informationen und zum politischen Lernen beruht.

Ergebnisse

Wichtigstes Ergebnis der EU-Beschäftigungspolitik sind die jährlichen veröffentlichten Beschäftigungspolitischen Leitlinien [1] sowie die an die Mitgliedstaaten gerichteten Empfehlungen, die der Rat der Europäischen Union auf Empfehlung der Kommission mit qualifizierter Mehrheit beschließen kann. Um politischen Druck auf einzelne Mitgliedstaaten auszuüben, können diese Empfehlungen veröffentlicht werden, was auch regelmäßig geschieht.

Inhaltlich konzentriert sich die EU-Beschäftigungspolitik auf folgende Bereiche:

  • aktive und präventive Arbeitsmarktpolitik
  • Förderung von Beschäftigungsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt
  • Chancengleichheit von Männern und Frauen auf dem Arbeitsmarkt
  • Bildung und lebenslanges Lernen

Angesichts des primär politischen Charakters der Europäischen Beschäftigungsstrategie kann deren Wirkung kaum exakt bestimmt werden; mittel bis langfristig ist jedoch ein Konvergenzprozess der nationalen Beschäftigungspolitiken zu erwarten.

Literatur

  • Europäische Kommission (1993): Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigung. Herausforderungen der Gegenwart und Wege ins 21. Jahrhundert. Weißbuch, Luxemburg: Amt für amtliche Veröffentlichungen der EU (=Bulletin der Europäischen Gemeinschaften, Beilage 6/93).
  • Hemmann, Arnold (2005): "Integrierte Leitlinien verabschiedet: wichtige Ausrichtung zur Belebung und Neuordnung der Lissabon-Strategie", in: EuroAS-Informationsdienst Europäisches Arbeits- und Sozialrecht 9-10/2005, S. 157-161
  • Kaluza, Hildegard (1998): Der Europäische Sozialfonds. Seine Entwicklung und Funktion im europäischen Integrationsprozess mit einem Exkurs zu seiner Bedeutung für die bundesdeutsche Arbeitsförderung, Baden-Baden: Nomos (=Nomos Universitätsschriften: Politik, Bd. 84, zugl. Bremen: Univ., Diss., 1998).
  • Keller, Berndt (1999): Möglichkeiten und Grenzen supranationaler Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik. Das Beschäftigungskapitel des Amsterdamer Unionsvertrages, in: APuZ, Nr. 49, 3. Dezember 1999, S. 11-18.
  • Platzer, Hans-Wolfgang (Hg.) (2000): Arbeitsmarkt und Beschäftigungspolitik in der EU. Nationale und europäische Perspektiven, Baden-Baden: Nomos (=Schriftenreihe des Arbeitskreises Europäische Integration, Bd. 46).
  • Thalacker, Patrick (2006): Ein Sozialmodell für Europa? Die EU-Sozialpolitik und das Europäische Sozialmodell im Kontext der EU-Erweiterung; Berlin: Logos.

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