Einstellungsmessung

Einstellungsmessung

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Als Einstellung wird umgangssprachlich die persönliche Meinung eines Menschen bezeichnet. Die Sozialwissenschaft definiert sie jedoch häufig als einen weniger veränderlichen, tiefer liegenden Zustand der Person.

Für die Psychologie ist Einstellung die Bewertung einer Person, eines Objektes, einer Situation oder einer Idee, wobei mit der Bewertung tiefer liegende Strukturen (längerfristige Muster) vorausgesetzt werden, auf die die Bewertung zurückgeht.

Die Einstellungsforschung klärt die Zusammenhänge von Einstellungen, Verhalten und Handeln; sie fragt vor allem nach den Bedingungen des Zustandekommens von Einstellungsmustern, ihrer Stabilität und ihres Wandels.

Inhaltsverzeichnis

Definitionen

Es gibt grundsätzlich zwei Definitionsansätze: Eine Einstellung, verstanden als eine Reaktionskonsistenz auf bestimmte Reize, d. h. eine Reaktion auf einen bestimmten Stimulus. Die Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen, die man beispielsweise zu einer Partei hat, sind dann Einstellung dazu. (Die Variante legt einen behavioristischen Einstellungsbegriff zugrunde.) Der zweite Ansatz unterscheidet Reaktion und Einstellung und sieht letztere zwischen einem Reiz (Partei) und der Reaktion (als hypothetische Konstrukte der Forscher, d. h., da wir Einstellungen selbst nicht direkt beobachten können, sondern wir müssen über verschiedene Indikatoren schließen (z. B. darüber, was jemand über einen Sachverhalt denkt oder wie er sich ihm gegenüber verhält). Einstellungen wären so nicht die Gedanken, Gefühle oder Verhaltensweisen zu einem Reiz, sondern diese drei Komponenten weisen nur auf eine bestimmte Einstellung hin. Diese Variante ist die in der Einstellungsforschung verbreitetere.

Eine Einstellung wird nach Allport definiert als „seelischer und nervlicher Bereitschaftszustand, der durch die Erfahrung organisiert einen richtenden oder dynamischen Einfluss auf die Reaktionen des Individuums gegenüber allen Situationen und Objekten ausübt, mit denen es verbunden ist.“ Einfacher ausgedrückt handelt es sich also bei einer Einstellung um eine auf Erfahrungen beruhende psychische (Reaktions-)Tendenz, die dadurch zum Ausdruck kommt, dass man einen Einstellungsgegenstand mit Zuneigung oder Ablehnung bewertet.

Einstellungsstärke

Die Einstellungsstärke wird u. a. anhand der Geschwindigkeit, mit der eine Einstellung zu einem Objekt salient (d. h. hier – bewusst zugänglich) wird, gemessen. Wenn ich beispielsweise ein Foto eines Bären vorgelegt bekomme, wird ermittelt, wie schnell ich die Einstellung zu diesem Bären äußern kann (z. B. Angst, Niedlichkeit o. ä.). Das Maß der Stärke ist hier die Zugänglichkeit einer Einstellung.

In dem Punkt ist sich die Wissenschaft jedoch uneins. Andere Bestimmungen der Einstellungsstärke beruhen darauf, wie extrem eine Einstellung ist, wie hoch der Grad der Konsistenz der Einstellungskomponenten ist (Konsistenz der Gefühle, Kognitionen und des Verhaltens) oder darauf, wie konsistent die Kognitionen einer Einstellung zueinander sind (d. h. wie eindeutig das Übergewicht positiv oder negativ bewerteter Kognitionen zu einer Einstellung ist).

Starke Einstellungen sind im Allgemeinen zeitlich stabiler, schwerer zu verändern und konsistenter mit dem Verhalten als schwache Einstellungen.

Einstellungskomponenten

Man unterscheidet in drei Einstellungsbereiche, das "ABC der Einstellungen":

  • A (affective) - Die affektive Komponente bezieht sich auf die emotionale Einstellung gegenüber dem Einstellungsobjekt bzw. die gefühlsmäßige Bewertung dessen. So mögen wir gegenüber einer Person ein `misstrauisches Gefühl´ haben, ohne dieses wirklich begründen zu können – unsere Einstellung beruht hier nicht auf kognitiven Inhalten, sondern einer rein affektiven Haltung. Primäre Aufgabe dieser Komponente: Erhaltung unseres Wertesystems.
  • B (behavioral) - Die konative oder behaviorale Komponente bezieht sich auf unser Verhalten gegenüber dem Einstellungsobjekt. Aufgabe: Unsicherheitsreduktion ("Wenn ich das schon immer so gemacht habe, wird es richtig sein")
  • C (cognitive) - Die kognitive Komponente umfasst Meinungen, Informationen, Argumente über ein Einstellungsobjekt. Es handelt sich um bewusste, im Gedächtnis gespeicherte Inhalte. Aufgabe: Objektbewertung

Funktionen von Einstellungen

  • Wissensfunktion: Einstellungen helfen dem Individuum, sich zu orientieren. Es muss nicht ständig neue Informationen aufnehmen und neu einordnen, sondern kann Informationsverarbeitungsprozesse mithilfe seiner Einstellungen vereinfachen. Wenn wir eine negative Einstellung gegenüber George W. Bush haben, die beispielsweise das Resultat vergangener Erfahrungen mit ihm ist, dann müssen wir seinen Reden nicht ins Detail folgen, sondern folgern aus unserer Einstellung, dass wir auch dem Inhalt dieser Rede nicht zustimmen werden. (Hier wird natürlich auch die Kehrseite – die Möglichkeit des Fehlurteils – deutlich, wenn er plötzlich eine Verzehnfachung des Etats für Entwicklungshilfe verkünden würde.) Analog müssten wir auch Milchnudeln nicht stets neu probieren, sondern können sie ablehnen, wenn wir wissen, dass sie uns nicht schmecken. Umwelteindrücke und Erfahrungen werden auf diese Weise also organisiert und strukturiert und erleichtern damit den Umgang mit zukünftigen Informationen und Erfahrungen. Diese Funktion von Einstellungen wird als Wissens- oder als Ökonomiefunktion bezeichnet.
  • Ich-Verteidigung oder Funktion der Aufrechterhaltung des Selbstwertgefühls: Eine weitere Funktion ist die der Ich-Verteidigung. Indem wir negative Einstellungen auf das Einstellungsobjekt projizieren, können wir uns selbst entlasten. Indem man anderen Gruppen beispielsweise Attribute zuschreibt, die man selbst als nicht wünschenswert erachtet, kann man sich vor negativen Gefühlen sich selbst gegenüber schützen („Nicht ich bin faul, die Ausländer sind faul“). Da hierdurch das eigene Selbstwertgefühl aufrechterhalten oder gestärkt werden soll, wird diese Funktion auch als Funktion der Aufrechterhaltung des Selbstwertgefühls bezeichnet.
  • Instrumentelle Funktion: Von der instrumentellen Funktion von Einstellungen wird dann gesprochen, wenn Einstellungen dazu dienen, wünschenswerte Ziele (Belohnungen) zu erreichen und unangenehme Ereignisse zu vermeiden (Bestrafungen). So kann ich positive Einstellungen zur Umweltschutzbewegung haben, weil eine Freundin sich hier engagiert und ich für diese Einstellung von ihr mit Zuneigung belohnt werde. Man kann hier auch von einer Anpassungsfunktion sprechen, da die Einstellung der Situation so angepasst wird, dass eine maximale Belohnung erfolgt. Nicht die Einstellung selbst steht hier also im Vordergrund, sondern der Effekt, den eine Einstellung auf das eigene Wohlbefinden/für die Zielerreichung hat.
  • Wertausdrucksfunktion oder Funktion der sozialen Identität: Schließlich wird eine Wertausdrucksfunktion unterschieden. Einstellungen können dazu dienen, einem Bedürfnis nach Selbstkategorisierung nachzukommen. Indem ich eine positive Einstellung zum Pazifismus äußere, ordne ich mich selbst als Teil der Gruppe der Pazifisten ein, bestätige damit mein Selbstkonzept und gewinne hierdurch also eine Teilidentität. Da Einstellungen hier der Bestimmung der eigenen sozialen Identität dienen, wird diese Funktion auch als Funktion für die soziale Identität bezeichnet.

Struktur der Beziehungen zwischen Einstellungen und Einstellungskomponenten

Grundannahme: Menschen empfinden es als angenehm, wenn sich ihre Einstellungen sowie die Komponenten einer Einstellung in einem harmonischen, spannungsfreien Zustand zueinander befinden und streben daher einen solchen Zustand an. Theorien, die mit dieser Grundannahme arbeiten, werden als Konsistenztheorien bezeichnet.

Balance-Theorie

Die Balance-Theorie von Heider beschäftigt sich mit triadischen Beziehungen, d. h. mit den Beziehungen der Einstellungen zwischen zwei Personen und einem Objekt. Es spielen also drei Einstellungen eine Rolle: die Einstellung von Person A zu Person B und die jeweiligen Beziehungen der Personen zu einem Objekt (Gegenstand, Idee, Ereignis usw.). Die jeweilige Beziehung kann positiv (+) oder negativ (-) sein. Diese Triade befindet sich in einem Balance-Zustand, wenn das Ergebnis der Multiplikation der Vorzeichen positiv ist. Angenommen ich liebe Tusnelda (+) und ich liebe Eishockey (+). Wenn nun Tusnelda ebenfalls Eishockey liebt, dann liegt ein Balance-Zustand vor (+ * + * + = +). Wenn sie Eishockey nicht mag, haben wir ein Problem (+ * + * – = -). Wenn ich Tusnelda nicht mag, wir aber beide Eishockey mögen, habe ich auch ein Problem, ebenso wenn wir uns nicht mögen und Eishockey auch nicht, so dass auch hier kein angenehmer Zustand vorliegt. Als besonders angenehm werden Beziehungen empfunden, in denen sich die beiden Personen mögen und in der Bewertung des Objekts übereinstimmen. Diese Theorie ist u. a. dazu verwendet worden, den Zusammenhang zwischen interpersonaler Zuneigung und Einstellungsähnlichkeit zu erklären.

Theorie der Kognitiven Dissonanz

Eine andere Theorie ist die Theorie der Kognitiven Dissonanz von Leon Festinger. Hier werden vor allem die Beziehungen der Einstellungskomponenten zueinander in den Blick genommen. Einstellungskomponenten können in Festingers Begrifflichkeit konsonant, dissonant oder irrelevant sein. Auch hier wird davon ausgegangen, dass Individuen bestrebt sind, dissonante Kognitionen zu vermeiden. Ein Beispiel für eine Beziehungsstruktur, die kognitive Dissonanz auslösen kann, ist eine Pubertierende, die unsterblich in einen Jungen verliebt ist (affektive Komponente), obwohl sie weiß, dass dieser Junge sie schlecht behandelt und nebenher noch mehrere Freundinnen hat (kognitive Komponente). Ein anderes Beispiel wäre die Einstellung, dass man im Straßenverkehr Rücksicht aufeinander nehmen sollte (kognitiv), jedoch anderen häufig die Vorfahrt nimmt (Verhaltenskomponente).

Dissonanzstärke

Die Dissonanzstärke und die Motivation, Konsonanz herzustellen, hängt

1. von dem Anteil der dissonanten Kognitionen an der Gesamtheit der Kognitionen ab und

2. von der relativen Wichtigkeit der relevanten Kognitionen.

Wenn ich mich ansonsten für einen guten Autofahrer halte, nicht zu schnell fahre, Ampeln beachte und kein schlechtes Gefühl beim Vorfahrtnehmen habe, dann ist die Dissonanz möglicherweise gering. Ebenso kann die Dissonanz gering sein, wenn mir Autofahren nicht wichtig ist oder Rücksicht in meiner Prioritätenliste nicht besonders weit oben steht.

Dissonanzreduktion

Dissonanz lässt sich sowohl auf direkten als auch auf indirektem Wege reduzieren, dies lässt sich z.B. am Kauf einer viel zu teuren Jacke erklären.

Direkte Dissonanzreduktionsmechanismen:

  • Änderung des Verhaltens (Verhalten rückgängig machen, Jacke zurückgeben.)
  • Änderung der Einstellung zum Verhalten ("Die Jacke ist gar nicht so teuer.")
  • Hinzufügen einer konsonanten (angenehmen) Attribution ("Die jacke ist teuer, aber sie hat eine gute Qualität.")
  • Meiden von dissonanten Attributionen ("Die Jacke ist teurer, aber da kümmere ich mich nicht drum.")

Indirekte Dissonanzreduktionsmechanismen:

  • Methode der self-affirmation, also dem Hinzufügen einer konsonanten Attribution, die nichts mit dem eigentlichen Fall zu tun hat. ("Die Jacke ist zwar sehr teuer, aber sonst bin ich ja ein hilfsbereiter Mensch, das kann ich mir mal erlauben.")
  • Änderung der Wahrnehmung des Entscheidungsspielraums ("Die Verkäuferin hat mir die Jacke aufgeschwatzt.")

Entstehung und Wandel von Einstellungen

Einstellungsbasis und Einstellungserwerb

Diese Frage betrifft zwei Aspekte: Die Basierung von Einstellungen und den Erwerb von Einstellungen.

Einstellungsbasis

Zum einen basieren Einstellungen oft auf einer der erwähnten Komponenten von Einstellungen, werden also von einer Komponente hauptsächlich bestimmt und dementsprechend auch kognitiv, affektiv oder verhaltensbasierte Einstellungen genannt. So wird die Einstellung zu einem Staubsauger hauptsächlich von der kognitiven Komponente bestimmt sein, d. h. die Bewertung des Staubsaugers hängt nicht so sehr von seinem Design ab, sondern von technischen Eigenschaften, die er aufweist – also: wie gut er saugt. Die Einstellung gegenüber einem Parfüm hingegen wird eher von dem Gefühl bestimmt sein, das sein Duft in uns erzeugt. Es ist auch möglich, dass die Einstellung zu einem Objekt davon bestimmt wird, wie wir uns ihm gegenüber verhalten. So kann ich aus der Tatsache, dass ich popele, folgern, dass ich gerne popele und dementsprechend eine positive Einstellung gegenüber dem Popeln entwickeln.

Einstellungserwerb

Welche Möglichkeiten zum Erwerb von Einstellungen gibt es? Es werden hier hauptsächlich vier Wege unterschieden:

  • Klassische Konditionierung

Bei der klassischen Konditionierung wird ein neutraler Reiz mit einem anderen Reiz zeitgleich dargeboten, der bereits eine bestimmte Reaktion auslöst, bis der neutrale Reiz die Reaktion des anderen Reizes auslöst. Wenn ein Kind die Sommerferien stets bei der Großmutter verbringt, dort umhegt wird und es dort leicht nach Mottenkugeln riecht, so wird der Geruch von Mottenkugeln (unkonditionierter Reiz) später u. U. mit dem angenehmen Gefühl der Geborgenheit verknüpft werden und schon von selbst angenehme Gefühle auslösen.

  • Operante Konditionierung

Im Falle operanter Konditionierung wird ein freiwillig ausgeführtes Verhalten durch Belohnung verstärkt oder durch Bestrafung verringert. So kann die Anerkennung meiner Freunde für das S-Bahnsurfen dazu führen, dass ich dies öfter tue und eine positive Einstellung gegenüber dem S-Bahnsurfen entwickle bzw. dass diese verstärkt wird.

  • Modell-Lernen

Wenn Einstellungen von Personen übernommen werden, an denen man sich orientiert, so spricht man vom Modell-Lernen. Wenn mein favorisierter Popsänger sich Spaghetti in die Haare flechtet, dann ist es möglich, dass auch ich eine positive Einstellung gegenüber dieser neuen Modefrisur entwickle. Die Identifikation mit einem Idol führt hier zu dem Wunsch, ihm möglichst ähnlich zu sein und damit zur Übernahme seiner Verhaltensweisen und Einstellungen.

  • Kommunikative Persuasion

Die vierte Möglichkeit zum Erwerb von Einstellungen ist die der kommunikativen Persuasion. Hierbei werden Einstellungen durch die Aufnahme und Akzeptanz von Informationen (z. B. Argumenten) erworben oder verändert. (s. Abschnitt „Einstellungsänderung“)

Einstellungsänderung

Meist werden drei Möglichkeiten der Einstellungsänderung genannt:

1. Direkter Kontakt mit dem Einstellungsobjekt (z. B. Integrationskindergärten),

2. Setzen pos./neg. Anreize (z. B. 1000 € für den Einbau eines Katalysators ins Auto) und

3. die Kommunikative Persuasion.

Kommunikative Persuasion

Zu den am intensivsten beforschten Themengebieten in Bezug auf Einstellungen gehört die kommunikative Persuasion. Vor allem das Elaboration-Likelihood-Modell (Petty & Cacioppo, 1986) und das Heuristisch-Systematische Modell wurden in diesem Zusammenhang entwickelt. Hier geht es darum, welche Art von Informationen uns unter welchen Bedingungen zu einer Änderung unserer Einstellungen bewegen kann.

Den beiden Modellen zufolge gibt es zwei Wege, auf denen wir Informationen verarbeiten: Einen zentralen Weg, bei dem wir uns mit Argumenten reflexiv und kritisch auseinandersetzen, und einen peripheren Weg, bei dem wir heuristische Hinweisreize (d. h. einfache Faustregeln, mit denen wir gute Erfahrungen gemacht haben, wie: „was schön ist, ist gut“) zur Beurteilung eines Objekts verwenden. Welcher Verarbeitungsweg eingeschlagen wird, hängt davon ab, ob wir über genügend Motivation und die Fähigkeit verfügen, den Argumenten bzw. Informationen Aufmerksamkeit zu schenken und sie zu verarbeiten. Ist das der Fall, so setzen wir uns also mit den Informationen auseinander, lassen uns gegebenenfalls von den Argumenten überzeugen und ändern unsere Einstellung dauerhaft. Ist dies nicht der Fall, etwa weil wir abgelenkt sind oder uns das Thema nicht besonders interessiert, dann bewerten wir die Aussagen des Sprechers nach anderen Kriterien, den peripheren Hinweisreizen: Ist der Sprecher attraktiv oder glaubwürdig? Gefällt mir das Autodesign (beim Verkaufsgespräch)? Ändern wir auf diesem Wege unsere Einstellung, so ist diese Änderung weniger stabil als eine auf dem zentralen Wege erreichte. Insgesamt sind Einstellungsänderungen, die auf dem zentralen Weg erreicht wurden, zeitlich stabiler, schwieriger wieder zu verändern und eher konsistent mit dem Verhalten (vgl. auch Abschnitt „Einstellung und Verhalten“).

Emotionen und kommunikative Persuasion

Menschen in guter Stimmung lassen sich eher von peripheren Hinweisreizen beeinflussen, vor allem bei Themen, die ihnen bei kritischer Auseinandersetzung die Laune verderben könnten. Menschen in schlechter oder trauriger Stimmung sind dagegen skeptischer und lassen sich nur schwer und hauptsächlich auf dem zentralen Weg der Informationsverarbeitung überzeugen.

Emotionen können auf diese Weise auch als Heuristik verwandt werden: Ich fühle mich wohl, also kann das Objekt nicht schlecht sein. So wird auf Werbeveranstaltungen für z. B. Linoleum ein umfangreiches Rahmenprogramm mit Buffet und Musik dargeboten, um die Einstellung gegenüber diesem ansonsten eher nüchternen Produkt zu verbessern.

Man kann aber auch Emotionen erzeugen, um eine höhere Aufmerksamkeit zu erreichen. So zeigt man Rauchern am besten Fotos zersetzter schwarzer Lungen, um ihre Aufmerksamkeit zu maximieren (das gleiche Prinzip gilt für den Ausspruch: „Only bad news are good news.“) Um nun aber eine dauerhafte Einstellungs- und vor allem Verhaltensänderung zu erreichen, muss dem Verängstigten nun Informationsmaterial zur Verfügung gestellt werden, wie er diese Angst vermeiden kann – wie er nämlich aufhören kann zu rauchen.

Grundsätzlich gilt für den Versuch, Einstellungen zu ändern zudem, dass hier die besten Chancen bestehen, wenn man die Art der Basis einer Einstellung berücksichtigt. Affektiv basierte Einstellungen verändert man also am besten, indem man versucht, bestimmte Emotionen zu einem Einstellungsobjekt zu erzeugen. Kognitiv basierte Einstellungen werden demgegenüber eher durch starke Argumente und verhaltensbasierte Einstellungen eher durch Verhaltensmaßnahmen verändert.

Persönlichkeitseigenschaften

Menschen mit hohem oder niedrigem Selbstwertgefühl sind resistenter gegen Beeinflussungsversuche als Menschen mit durchschnittlichem Selbstwertgefühl. Eventuell interpretieren sie Beeinflussung als Gefahr für ihr Selbstbild (jeweils Schutz der niedrigen oder hohen Selbstwert-Werte) .

Theorien systematischer Informationsverarbeitung

Es gibt zur kommunikativen Persuasion einige kognitive Theorien, die beschreiben wie Einstellung erworben und verändert werden kann und mit welchen man die Auswirkung persuasiver Kommunikation auf Einstellung erklären kann. Dabei gibt es Theorien, die sich nur auf die systematische Verarbeitung konzentrieren und andere die auch beachten, dass bei persuasiver Kommunikation noch andere Faktoren (wie oben genannte Emotionen und Persönlichkeitseigenschaften) an der Meinungsänderung beteiligt sein könnten.

Das Informationsparadigma von McGuire

Dieses Modell geht davon aus, dass bei der Verarbeitung persuasiver Kommunikation mindestens 5 Faktoren beteiligt sind.

• Aufmerksamkeit • Verstehen • Akzeptieren der Argumente und Einstellungsänderung • Beibehalten der geänderten Einstellung • Verhalten gemäß der neuen Einstellung

Das Modell macht deutlich wie schwierig es ist durch persuasive Kommunikation eine Einstellungsänderung zu bewirken. Denn schon wenn der Zuhörer einen dieser Faktoren nicht durchläuft bzw. nicht durchlaufen kann, ist die Kommunikation nicht erfolgreich und führt somit auch nicht zur Einstellungsänderung. Bei den meisten sozialpsychologischen Experimenten wird die Wirkung der Kommunikation direkt nach der Darbietung gemessen. Dadurch lässt sich Mc Guires Modell auf die ersten drei Faktoren beschränken. Weiterhin werden die ersten beiden Faktoren Aufmerksamkeit und Verstehen unter dem Begriff Rezeption zusammengefasst. Diese vereinfachte Version von McGuires Modell nennt man das Zwei-Faktoren-Modell der Überredung. Die zentrale Annahme beider Versionen ist, dass die Rezeption einer Botschaft die Einstellungsänderung bestimmt. Jedoch gibt es nur begrenzt empirische Belege für diese Annahme.

Das Modell kognitiver Reaktionen

Greenwald entwickelte dieses Modell, das im Gegensatz zu McGuire die Rolle der kognitiven Reaktionen also der individuellen Gedanken hervorhebt, welche beim Empfang persuasiver Botschaften entstehen. Diesem Modell zufolge kann man das Zuhören bei einer Kommunikation mit einer privaten Diskussion vergleichen, bei der der Zuhörer das Für und Wider der Argumente abwägt. Das Modell nimmt an, dass Botschaften in dem Maße persuasiv sind, wie sie positive Gedanken auslösen, andererseits jedoch nicht persuasiv wie sie negative Gedanken erzeugen. Bei diesem Modell kommt es also darauf an, wie die Botschaften verarbeitet werden. Es gibt daher eine Vielzahl an Experimenten, die Variablen untersuchen, welche das Ausmaß der Botschaftsverarbeitung beeinflussen, wie zum Beispiel: Ablenkung, Botschaftswiederholung, und Involviertheit in das Thema. So fanden die Forscher z. B. bei diesen Untersuchungen heraus, dass schwache Argumentation viel positiver bewertet wurde je größer die Ablenkung war. Im Gegensatz dazu nahm die Zustimmung und damit auch die Überredungswirksamkeit bei guter Argumentation mit zunehmender Ablenkung leicht ab.

Die Modelle von McGuire und das Modell von Greenwald unterscheiden sich darin, welche Bedeutung sie der Rezeption der Argumente beimessen. Jedoch gehen diese Modelle von einer gemeinsamen Grundannahme aus die besagt, dass Einstellungsänderung nur durch die systematische Verarbeitung der Argumente einer Kommunikation möglich ist.

Zwei-Prozess-Modelle der Überredung

Es gibt jedoch auch andere Modelle die davon ausgehen, dass es zwei Möglichkeiten der Informationsverarbeitung gibt, welche auch beide zu einer Einstellungsänderung führen können. Man nennt diese Modelle Zwei-Prozess-Modelle. Sie nehmen zusätzlich zu der systematischen bzw. dem zentralen Weg der Informationsverarbeitung wie sie vom Modell der kognitiven Reaktionen beschrieben wird an, dass es noch den peripheren Weg gibt, bei dem eine Vielzahl an Mechanismen eine Einstellungsänderung bewirken, auch ohne die systematische Verarbeitung der Argumente.

Das Modell der Elaborationswahrscheinlichkeit

Dieses Modell beschreibt die Wahrscheinlichkeit mit der eine Person den zentralen Weg der Informationsverarbeitung wählt. Dies hängt dem Modell zufolge von Faktoren wie Motivation und Fähigkeit einer Person ab, den Argumenten einer Kommunikation folgen zu wollen bzw. sie verstehen zu können. Wenn dies nicht der Fall ist, hat die Logik der Argumente wenig Einfluss auf den Zuhörer, da dieser dem Kommunizierenden nicht aufmerksam genug zuhört. Stattdessen lässt sich der Zuhörer eher von den oberflächlichen Charakteristiken der Botschaft, wie zum Beispiel der Länge der Rede, dass der Redner ein Experte ist oder dass er besonders attraktiv ist überzeugen, wenn diese den Anschein erwecken, dass die Kommunikation sinnvoll ist.

Das Modell der heuristisch-systematischen Informationsverarbeitung

Dieses Modell befasst sich mit den Strategien, die ein Individuum anwendet, wenn es unfähig oder unmotiviert ist, den Argumenten einer Kommunikation zu folgen. Wenn das der Fall ist, so entscheiden diese Personen aufgrund peripherer Hinweisreize wie zum Beispiel Aussehen oder Glaubwürdigkeit einer Person, ob sie die Botschaft akzeptieren oder nicht. Das heuristisch systematische Modell geht nun davon aus, dass Menschen oft einfache Entscheidungsregeln, sogenannte kognitive Heuristiken, anwenden, um die Validität einer Botschaft zu prüfen, bevor sie sie akzeptieren. Solche Heuristiken sind oft einfache Faustregeln wie z. B. „Experten haben immer recht“, „Leute, die mir sympathisch sind, haben für gewöhnlich bei Sachthemen zutreffende Meinungen“ oder: „Eine lange Botschaft ist ein Hinweis auf gute Argumente“.

Diese kognitiven Heuristiken sind jedoch nach dem Modell der Elaborationswahrscheinlichkeiten nur einige wenige von vielen verschiedenen Strategien der peripheren Informationsverarbeitung.

Motivation und ihre Auswirkung auf Einstellungsänderung

Motivation ist den Zwei-Prozess-Modellen zufolge ein wichtiger Faktor der darüber entscheiden kann ob Informationsverarbeitung auf dem zentralen oder peripheren Weg abläuft. Wichtigster Bestandteil dabei ist die persönliche Relevanz eines Themas für eine Person. Forscher fanden dabei heraus, dass je weniger einer Person das Thema persönlich relevant erscheint sie sich desto weniger von starker Argumentation überzeugen lässt. Genau umgekehrt war es bei schwacher Argumentation. Je weniger das Thema relevant war desto mehr wurden die Argumente akzeptiert. Jedoch liegt die allgemeine Akzeptanz hier deutlich niedriger als bei guter Argumentation. Daraus folgerten die Forscher, dass je relevanter ein Thema ist, die Zuhörer auch umso mehr Willens sind den Argumenten volle Aufmerksamkeit zu zollen und daher wird es auch wesentlich wahrscheinlicher, dass der zentrale Weg der Informationsverarbeitung gewählt wird.

Die Zwei-Prozess-Theorien schließen jedoch nicht aus, dass der zentrale Weg und der periphere Weg der Informationsverarbeitung auch gleichzeitig ablaufen können. Dies kann zum Beispiele der Fall sein, wenn eine Person auch nach sorgfältiger Analyse der Argumente zu keinem eindeutigen Schluss kommt und dann Heuristiken anwendet um sich letztendlich doch entscheiden zu können, ob sie die Botschaft akzeptiert oder nicht.

Zum Abschluss dieses Abschnitts muss man noch sagen, dass all diese Modelle davon ausgehen, dass jede Person danach strebt eine korrekte Einstellung zu haben. Diese Motivation zur Richtigkeit bestimmt das Ziel der Verarbeitung, nämlich die Validität von persuasiven Botschaften zu überprüfen.

Einstellungsänderung bei voreingenommenen Einstellungen

Was ist nun, wenn eine Person nicht motiviert ist, eine korrekte Einstellung zu besitzen, sondern eine voreingenommene Ansicht zu einem Thema hat? Dazu haben Wissenschaftler das systematisch-heuristische Modell der Informationsverarbeitung erweitert und zusätzlich zur Richtigkeitsmotivation zwei weitere Motive der Informationsverarbeitung beachtet.

Verteidigungsmotivation

Das Verarbeitungsziel dieser Motivation ist die Beibehaltung und Bestätigung der bestehenden Einstellung. Hierbei beachtet die Person nur die Argumente genauer, die ihre Einstellung unterstützen oder die entgegengesetzte ablehnen.

Eindrucksmotivation

Dieses Motiv bezieht sich auf das persönliche Bedürfnis einer Person, Einstellungen zu besitzen, die sozial annehmbar sind. Das Ziel dabei ist das Einnehmen einer Einstellungsposition, die potentiellen Beurteilern gefallen oder sie günstig stimmen.

Diese beiden Motivationsformen der Informationsverarbeitung können wie auch die richtigkeitsmotivierte Verarbeitung auf dem zentralen sowie auf dem peripheren Weg ablaufen.

Beständigkeit der Einstellungen

Einstellungsveränderungen, die durch den zentralen Weg bzw. durch systematische Verarbeitung der Argumente herbeigeführt wurden sind nachhaltiger, als Einstellungen die aufgrund peripherer Verarbeitung erworben wurden. Zusätzlich dazu haben Forscher herausgefunden, dass je stärker eine Einstellung ist sie umso stärker Resistenz gegen Veränderungen zeigt. Die Einstellungsstärke hängt dabei von der Einstellungszugänglichkeit ab, also davon, wie schnell einem seine Einstellung zu einem bestimmten Einstellungsobjekt in den Sinn kommt.

Einstellung und Verhalten

Theorie des geplanten Verhaltens (bzw die Theorie des überlegten Handelns)

Kann ich das Verhalten einer Person gegenüber einem Einstellungsobjekt (Person, Sachverhalt, Idee usw.) vorhersagen, wenn ich seine Einstellung zu dem Objekt kenne? Ja, denn diese von Ajzen entworfene Theorie befasst sich mit der Vorhersage von Handlungen über deren Ausführung oder Unterlassung eine Person nachdenkt. Nach der Theorie ist die Intention zunächst die einzige Determinante des Verhaltens. Wenn man nun das Verhalten vorhersagen möchte, benötigt man die Prädiktoren, welche die Verhaltensabsicht determinieren. Diese sind die Einstellungen, als Summe aus Erwartungen und Bewertungen, gegenüber einem Verhalten, sowie die subjektiven Normen, welche den sozialen Druck bezeichnen, der von der Person nahe stehenden Menschen in Bezug auf die Aus- bzw. die Nichtausführung eines bestimmten Verhaltens wirkt. Eine Person wird nach Ajzen ein Verhalten dann ausführen, wenn sie es positiv bewertet und wenn sie glaubt, dass für sie bedeutsame Personen die Ausführung dieses Verhaltens ebenfalls positiv bewerten würden. Sollte es für die Person keine relevanten Bezugspersonen geben, so wird die Einstellungsdeterminante ein größeres Gewicht bekommen. Auf der anderen Seite ist es möglich, dass die starke Verankerung der Person in einer Gruppe bewirkt, dass der subjektiv erlebte Druck die primäre oder sogar einzige Verhaltensdeterminante darstellt und die Einstellungen zur Verhaltensvorhersage irrelevant werden. Einstellungen und subjektive Normen beeinflussen also laut dem Modell die Intention, bzw. die Absicht ein bestimmtes Verhalten zu zeigen oder nicht zu zeigen. Diese Intention wirkt schlussendlich direkt als Entscheidungskomponente auf das Verhalten. Dabei nimmt die Wahrscheinlichkeit, dass das Verhalten ausgeübt wird umso stärker zu, je stärker die Intention ist.

Bei der Theorie des geplanten Verhaltens (Abb. 1) kommt nun noch als dritte Determinante der Intention, zusätzlich zu den Einstellungen und der subjektiven Norm, die wahrgenommene Verhaltenskontrolle hinzu.

Das Modell des geplanten Verhaltens, Abb. 1

Diese bezeichnet die erwartete Mühelosigkeit bei der tatsächlichen Ausführung des beabsichtigten Verhaltens. Damit wird also die Überzeugung einer Person, wie leicht oder wie schwierig ein Verhalten für sie auszuführen ist, festgestellt. Diese Ergänzung der Theorie ist vor allem bei solchen Verhaltensweisen von Vorteil, über die eine Person nur eine geringe persönliche Kontrolle hat. Damit lässt sich also sehr gut die Wahrscheinlichkeit voraussagen, mit der eine Person ein bestimmtes Verhalten zeigen wird, über welches sie nur eine eingeschränkte persönliche Kontrolle besitzt. Je mehr Ressourcen und Verhaltensmöglichkeiten eine Person zu besitzen glaubt, desto größer wird, dem Modell zufolge, die wahrgenommene Verhaltenskontrolle über das Verhalten sein. Mann muss allerdings beachten, dass die wahrgenommene Verhaltenskontrolle nicht mit der tatsächlichen Verhaltenskontrolle, die sich nur schwer ermitteln lässt, übereinstimmen muss. Die wahrgenommene Verhaltenskontrolle kann das Verhalten zum Einen indirekt über die Intention beeinflussen, sich aber zum Anderen auch direkt darauf auswirken. Demnach sagt die Intention nur den Versuch der Verhaltensausführung vorher und nicht auch notwendigerweise dessen Ausführung. Außer dem Einfluss auf die Intention und das Verhalten, wirken die drei Prädiktoren auch noch wechselseitig aufeinander. (Siehe auch Abbildung 1)

Nach Ajzens Überlegungen kann man nun annehmen, dass die wahrgenommene Verhaltenskontrolle mit der Verhaltensausführung korreliert. Diese Korrelation wird aber nur dann hoch sein, wenn die wahrgenommene Verhaltenskontrolle mit der tatsächlichen Verhaltenskontrolle weitgehend übereinstimmt. Die Theorie des überlegten Handelns ist ein Sonderfall der Theorie des geplanten Verhaltens. Beide Theorien sind identisch, wenn die wahrgenommene Verhaltenkontrolle bzw. die Kontrolle über internale und externale Faktoren einen maximalen Wert erreicht und damit die subjektive Erfolgswahrscheinlichkeit der Handlungsausführung gegen 1.0 geht. In diesem Fall wird die Intention ein guter Prädiktor des Verhaltens sein und die Theorie des überlegten Handelns kann direkt angewandt werden.

Es bleibt jedoch zu beachten, dass es eine Menge verschiedener internaler und externaler Faktoren wie z. B. zu wenig Geld, Zeit, ungünstige Gelegenheit oder mangelnde Fähigkeit gibt, die möglicherweise verhindern, dass eine Person ein stark intendiertes Verhalten ausführt.

Hierzu ein direktes Beispiel:

Nehmen wir an, ich liebe das Bergsteigen. Kommt es zu der Verhaltensabsicht: „Ich werde den Kilimandscharo besteigen!“? Zunächst ist nicht die Frage, wie ich im allgemeinen zum Bergsteigen stehe, sondern, wie meine Einstellung zum Besteigen des Kilimandscharos ausgeprägt ist. Die zweite Variable berührt die Frage, ob die Personen in meiner Umwelt ein solches Verhalten wohl befürworten oder ablehnen würden und, ob mir deren Meinung wichtig ist (die Haltung meiner Frau kann zum Beispiel relevanter sein als die Einstellung meines Postboten). Drittens gilt es abzuwägen, ob ich das Verhalten bzw. die Konsequenzen dieses Verhaltens unter Kontrolle habe: Sind meine Kletterfertigkeiten ausreichend? Habe ich Urlaub zu dieser Zeit? Wird das Wetter gut genug sein? Wenn all diese Überlegungen zu einem positiven Ergebnis führen, dann werde ich wahrscheinlich die entsprechende Verhaltensabsicht formulieren. Sind also die Ausprägungen dieser 3 Variablen bekannt und ist eine Verhaltensabsicht formuliert, so kann das Verhalten relativ gut vorhergesagt werden. Einstellungen wirken also nur unter Vermittlung anderer Variablen auf unser Verhalten, der beste Prädiktor ist die Verhaltensabsicht.

Andere relevante Variablen

Die Vorhersagekraft für ein Verhalten hängt jedoch auch von weiteren Faktoren ab:

Spezifität

Je spezifischer eine Einstellung zu einem spezifischen Verhalten passt, desto besser sagt diese Einstellung das Verhalten voraus. Das sogenannte Korrespondenzprinzip nach Icek Ajzen & Martin Fishbein besagt, dass Einstellung und Verhalten dann am stärksten übereinstimmen, wenn der Spezifitätsgrad beider gut übereinstimmt.

Eine Untersuchung befragte Frauen zu ihrer Einstellung gegenüber Verhütungsmitteln. Dabei interessierte, ob diese Frauen in der nächsten Zeit tatsächlich Verhütungsmittel (die Pille) einnehmen würden – also ein sehr spezifisches Verhalten. Befragte man die Frauen sehr global „Was ist ihre Einstellung gegenüber Verhütungsmitteln?“, sagte ihre Einstellung den tatsächlichen Gebrauch schlecht vorher. Je spezifischer die abgefragte Einstellung jedoch war (je ähnlicher dem Verhalten im Spezifitätsgrad) desto besser sagte diese das Verhalten vorher: „Würden sie in der Zukunft Verhütungsmittel nehmen?“ – „Würden sie in den nächsten zwei Jahren die Pille nehmen?“ – „Würden sie vor dem nächsten Geschlechtsverkehr die Pille nehmen?“.

Salienz der Einstellung

Je salienter eine Einstellung für ein bestimmtes Verhalten ist, d. h. je besser sie dem Bewusstsein zugängig ist, desto besser stimmen beide überein. Salienz bezieht sich dabei v. a. auf die Verfügbarkeit im Gedächtnis.

Snyder und Swam führten 1976 eine Untersuchung zu diesem Thema durch: Sie befragten Studenten zu ihrer Einstellung gegenüber positiver Diskriminierung und ließen sie einen Aufsatz mit ihren Argumenten verfassen. Zwei Wochen später legte man ihnen einen Fallbericht über eine geschlechtsspezifische Diskriminierung vor und bat sie, ihre Meinung dazu abzugeben. Die Hälfte der Versuchspersonen wurde davor gebeten, sich ihre Argumente aus dem Aufsatz noch einmal im Gedächtnis zu strukturieren – die andere Hälfte erhielt keine Instruktionen. Jene Gruppe, die sich ihre Einstellung noch einmal ins Gedächtnis gerufen hatten, zeigte eine größere Übereinstimmung zwischen ihrer Einstellung im Aufsatz und ihrer Beurteilung des Fallberichts. Für sie war die eigene Einstellung offensichtlich salienter.

Persönliche Erfahrung mit dem Einstellungsobjekt

Je mehr persönliche Erfahrung mit dem Einstellungsobjekt gemacht wurden, desto mehr stimmten Einstellung und Verhalten gegenüber diesem Objekt überein. Fazio bezeichnete die Stärke der Assoziation zwischen dem Einstellungsobjekt und der Bewertung dieses im Gedächtnis als Verfügbarkeit.

In einer Untersuchung gab man Versuchspersonen fünf verschiedene Rätseltypen und bat sie, diese hinsichtlich ihres Anreizes einzuschätzen. Eine Gruppe bildete sich ihr Urteil aus persönlicher Erfahrung mit den Aufgaben – sie bearbeitete sie probeweise. Eine andere Gruppe erhielt fertige, von anderen Personen bearbeitete Rätsel und sollte daraufhin ihr Urteil bilden. Später überließ man den Versuchspersonen die freie Wahl zwischen den Aufgaben und wies sie an, diese nach Lust und Laune zu bearbeiten. Für jene Gruppe, welche vorher persönlich die Rätsel bearbeiten durfte, sagte deren daraufhin gebildetes Urteil über die Aufgabentypen das spätere Ausmaß der Bearbeitung der einzelnen Rätselaufgaben besser vorher, als für die andere Gruppe.

Sozialer Druck

Je geringer der soziale Druck auf Personen, ein bestimmtes Verhalten oder eine bestimmte Einstellung zu vertreten, desto besser stimmen Handlung und Einstellung überein. Ein Beispiel aus der Politik in den USA: Die Mehrheit der Kongressabgeordneten stimmte 2002 für die Invasion des Irak – in einer Befragung lehnten die meisten von ihnen den Irakkrieg privat jedoch ab.

Globalität

Das Aggregationsprinzip besagt, dass globale Einstellungsmaße globale Verhaltensmaße besser vorhersagen, als spezifische Handlungen.

Zusätzlich relevante Variablen sind u. a.: Gewohnheiten, moralische Verpflichtungen zu einem bestimmten Verhalten und die Relevanz eines Verhaltens für die Selbstidentität. Wenn ich gewohnt bin, dass eine Putzfrau meine Wohnung säubert, dann kommt es vielleicht trotz günstiger Ausprägung der anderen Variablen nicht zu einer Verhaltensabsicht (Gewohnheit). Selbst wenn alle anderen Variablen die Ausübung der Selbstjustiz am Mörder meiner Schwester begünstigen, so verhindert vielleicht doch mein buddhistischer Glaube das Aufkommen einer solchen Absicht (moralische Verpflichtung). Wenn mein Selbstbild als Samariter sehr wichtig ist, dann beabsichtige ich vielleicht die Teilnahme als „Arzt ohne Grenzen“ in Krisengebieten, auch wenn meine Familie dagegen und die Verhaltenskontrolle (ich könnte getötet werden) gering ist (Relevanz für Selbstidentität).

Persönlichkeitseigenschaften

Menschen mit hohem Self-Monitoring (d. h. Menschen, die ihr Handeln stark an den antizipierten Einstellungen Anderer orientieren), neigen zu einer niedrigeren Konsistenz zwischen Einstellung und Verhalten. Offenbar spielen hier Umwelteinflüsse eine starke Rolle.

Menschen mit hoher berichteter Selbstkonsistenz (d. h. Menschen, die ihr eigenes Verhalten als konsistent mit ihren Einstellungen einschätzen), verhalten sich tatsächlich eher konsistent.

Beispiel für Diskrepanz zwischen Verhalten und Einstellung

In einer Untersuchung bestätigten Batson und Kollegen ein Phänomen, welches sie als moralische Scheinheiligkeit bezeichneten: Versuchspersonen bekamen zwei Aufgaben: für die Lösung der einen konnten 30$, für die andere nichts gewonnen werden. Sie sollten nun eine der beiden Aufgaben sich selbst und die andere einer zweiten Person zuordnen. Zuerst wurden sie befragt, ob es fair wäre, sich selbst die 30$-Aufgabe und dem anderen die Aufgabe ohne Gewinn zuzuweisen. Nur ein Zwangzigstel der Versuchspersonen stimmte dieser Aussage zu – die große Mehrheit hatte die Einstellung, diese Handlung wäre nicht fair oder angemessen. Nachher ließ man die Probanden die Aufgaben tatsächlich sich und einem anderen zuordnen. Nun ordnete die Mehrheit von ihnen sich selbst die 30$-Aufgabe und der anderen Person die 0$-Aufgabe zu. Ihr Verhalten und ihre Einstellung stimmten nicht überein! Auch wenn man die Probanden anwies, in einem Raum allein ohne Beobachtung eine Münze zu werfen, um zu entscheiden, wer welche Aufgabe bekommen sollte, wies sich die Mehrheit noch die 30$-Aufgabe zu. Sie mussten beim Münzwurf gemogelt haben (vielleicht hatten sie erst nach dem Wurf entschieden, wer Kopf und wer Zahl bekommt?). Selbst wenn man die Münzseiten eindeutig markierte und die Aufgabenzuordnung somit unstrittig war, wies sich die große Mehrheit die 30$-Aufgabe zu.

Methoden der Einstellungsmessung

Ziel der Methoden der Einstellungsmessung ist die empirische Überprüfung der Theorie des geplanten Verhaltens.

Eindimensionale Methoden sind die Over-all-Messung, summierte Ratingskalen (Likert-Skala) und die Skalogrammmethode nach Guttmann (Guttmann-Skala).

Mehrdimensionale Methoden sind Multiattributionsmodelle und das semantische Differenzial. Die Multiatttributionsmodelle lassen sich unterscheiden nach kompositionellen und dekompositionellen Methoden (insb. die Conjoint-Analyse bzw. ein Faktorieller Survey). Zu den Kompositionellen Methoden gehören die Ansätze von Fishbein und Rosenberg sowie die Weiterentwicklung von Trommsdorff.

Gemessen werden muss deshalb zunächst die Einstellung gegenüber einem bestimmten Sachverhalt. Dabei spielen eine Rolle:

  • die subjektiven Normen,
  • die Intention zur Durchführung des Verhaltens,
  • sowie das tatsächliche Verhalten, welches durch Beobachtung und / oder einen Verhaltensbericht der Befragten (z. B. ein Verhaltensrückblick).

Die Faktoren können z. B. direkt durch eine Befragung von Personen ermittelt werden, die über jede Frage durch ausfüllen einer Skala urteilen. Genauer gesagt sollte man also bei einem vollständigen Test des Modells folgende Variablen messen:

• Die Einstellungskomponenten: Dazu gehören die Überzeugungen in Bezug auf mögliche Verhaltenskonsequenzen, sowie deren Bewertung (indirekte Feststellung der Einstellung). Zusätzlich wird die Einstellung noch direkt gemessen, meist über ein semantisches Differenzial. Dies ist eine bekannte Form für eine Bewertungsskala. In der Orginalskala von Charles Osgood (siehe Semantisches Differenzial) stehen sich bei der Skala meist zwei Adjektive, zum Beispiel „gut“ und „schlecht“, gegenüber. Die Lage des Antwortkreuzes entscheidet über die Bewertung der Frage.

• Die Subjektiven Normen: Auch hier misst man zunächst de normativen Überzeugungen und die Motivation zur Konformität. Es erfolgt ebenfalls eine direkte Messung der subjektiven Normen, sowie eine Feststellung der Gewichtung der verschiedenen Normen für eine Person.

• Die Intention, welche direkt abgefragt wird

• Das Verhalten, welches entweder durch Beobachtung oder einen Verhaltensbericht festgestellt wird.


Dabei muss man beachten, dass die Einstellungs- und Verhaltenskomponenten, sowie die der subjektiven Norm und der Verhaltenskontrolle hinsichtlich des Handlungs-, Ziel-, Kontext- und des Zeitaspektes einen vergleichbaren Spezifikationsgrad aufweisen (Prinzip der Korrespondenz).

Der Begriff „Einstellung“ in der populären Psychologie

In den Vereinigten Staaten, wo Autoren wie Dale Carnegie bereits in den 1930er Jahren die Methode des Positiven Denkens beworben haben, ist das psychologische Konzept der Einstellung (engl. attitude) in sehr viel größerem Maße popularisiert als z. B. in Deutschland. Der Gedanke, dass das, was man im Leben erreicht (Erfolg in Schule und Beruf, harmonisches Auskommen mit dem Partner usw.), zu einem großen Teil von der Einstellung (gegenüber den eigenen Fähigkeiten, dem Partner usw.) bestimmt wird, ist im populären psychologischen Diskurs dieses Landes allgegenwärtig. Eine umfangreiche Ratgeberliteratur, die bis in die Kinderbuchsparte hinein reicht, lehrt dort den bewussten Umgang mit den eigenen Einstellungen und gibt Anleitung, wie Erwartungshaltungen, mit denen der Betreffende sich nach dem Prinzip der selbsterfüllenden Prophezeiung selbst behindert, durch günstigere ersetzt werden können.[1]

Einzelnachweise

  1. Z. B. Jeff Keller: Attitude Is Everything: Change Your Attitude...and You Change Your Life!, INTI, 2007, ISBN 1891279211; Napoleon Hill: Success Through A Positive Mental Attitude, Pocket, 2007, ISBN 1416541594; Jeffrey Gitomer: Little Gold Book of Yes! Attitude: How to Find, Build and Keep a Yes! Attitude for a Lifetime of Success, FT Press, 2006, ISBN 0131986473

Siehe auch

Quellen

  • Ajzen, I. (2002): Constructing a TpB Questionnaire: Conceptual and Methodological Considerations
  • Aronson, E (2004): Sozialpsychologie, Pearson Studium, München, (Kapitel 7. S.228-267)
  • Bohner, G., Einstellungen, in Stroebe W. (Hrsg.) (1996): Sozialpsychologie, Springer-Verlag, Berlin
  • Frey, D. , Stahlberg, D. und Gollwitzer, P. M.: Einstellungen und Verhalten: Die Theorie des überlegten Handelns und die Theorie des geplanten Verhaltens, in Frey, D. und Irle, M. (Hrsg.) (1993): Theorien der Sozialpsychologie, Bd. 1: Kognitive Theorien, Hans Huber Verlag, Bern
  • Görgen, Frank (2005): Kommunikationspsychologie in der Wirtschaftspraxis, Oldenbourg, München
  • Stroebe, Wolfgang (Hrsg.): Sozialpsychologie. Eine Einführung. Berlin u. a. 2002.
  • Stroebe, W. und Jonas, K: Grundsätze des Einstellungserwerbs und Strategien der Einstellungsänderung, in: Stroebe, W. (Hrsg.) (1996): Sozialpsychologie, Springer Verlag, Berlin, S.253-289

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