Emissionsberechtigung

Emissionsberechtigung

Der Emissionsrechtehandel oder auch Handel mit Emissionszertifikaten ist ein Instrument der Umweltpolitik mit dem Ziel, Schadstoffemissionen mit möglichst geringen volkswirtschaftlichen Kosten zu verringern. In der Europäischen Union wurde der EU-Emissionshandel für Kohlendioxidemission 2005 gesetzlich eingeführt, wobei die Vorstellung des Emissionshandels bereits 1968 von John Harkness Dales entwickelt worden ist.

Braunkohlekraftwerk bei Niederaußem

Inhaltsverzeichnis

Theoretische Grundlagen

Grundidee

Die Grundidee für den Emissionsrechtehandel wurde 1968 von dem kanadischen Ökonomen J. H. Dales in seinem Buch Pollution, Property and Prices dargestellt und ist eine Weiterentwicklung des Coase-Theorems. Dales schlug vor, einen Markt für Verschmutzungsrechte einzurichten, um Gewässerverschmutzung durch Industrieabwässer zu begrenzen. Das revolutionär Neue an dieser Idee war, dass die Politik eine konkrete Obergrenze der Gesamtemission als Umweltziel direkt vorgeben kann.

Dafür muss zuerst eine Obergrenze für bestimmte Emissionen (z. B. Kohlendioxid, Schwefeldioxid, Stickoxid) innerhalb eines konkreten Gebiets (regional, national, international) und eines konkreten Zeitraums (z. B. Kalenderjahr) politisch festgelegt werden. Dann werden, entsprechend dieser Obergrenze, sogenannte Umweltzertifikate ausgegeben, die zur Emission einer bestimmten Menge berechtigen. Wird z. B. für eine bestimmte Region eine Obergrenze von 100 Millionen Tonnen Kohlendioxid innerhalb eines Jahres festgelegt, so werden Zertifikate, die insgesamt zur Emission von 100 Millionen Tonnen Kohlendioxid berechtigen, ausgegeben. Diese Obergrenze kann in den folgenden Jahren schrittweise gesenkt werden. Da diese Zertifikate frei handelbar sind, wird der Preis für diese Zertifikate durch die Nachfrage bestimmt. Emissionen, die ohne Emissionsrecht erfolgen, werden mit einer Strafe belegt. Im englischen Sprachgebrauch spricht man auch von cap and trade.

Einordnung des Emissionsrechtehandels in das umweltpolitische Instrumentarium

Der Emissionsrechtehandel wird zu den marktwirtschaftlichen Instrumenten der Umweltpolitik gezählt.

Marktwirtschaftliche Instrumente können in Preis- und Mengenlösungen unterschieden werden. Zu den Preislösungen werden z. B. die Pigou-Steuer oder die Ökosteuer gezählt. Sie sind für die Marktteilnehmer im Idealfall langfristig vorhersehbar. Grundproblem bei diesen Instrumenten ist, dass die Lenkungswirkung im Hinblick auf das Umweltziel schwer vorauszusagen ist. Eine zu niedrige Steuer verpasst das Umweltziel, eine zu hohe erzwingt nicht notwendige Umstellungen.

Der Emissionsrechtehandel wird zu den Mengenlösungen gezählt, weil die Politik hier eine konkrete Menge für eine bestimmte Emission vorgibt. Somit entfällt die problematische Festlegung der Höhe des Steuersatzes und die Politik kann das Umweltziel direkt beeinflussen. Man spricht daher auch von einer hohen ökologischen Treffsicherheit des Emissionsrechtehandel. Jedoch ist die Preisentwicklung und damit die Belastung von Unternehmen und Verbrauchern schwierig zu prognostizieren.

Ausgabe der Zertifikate

Die Ausgabe der Zertifikate kann grundsätzlich in zwei Formen unterschieden werden:

  • Zuteilung durch die Politik sowie
  • Versteigerung.

Bei der Zuteilung durch die Politik wird politisch festgelegt wer wie viele Zertifikate erhält. Diese Ausgabeform ist nur sinnvoll, wenn es objektive Kriterien für die Zuteilung gibt, da sonst die Gefahr besteht, dass politisch einflussreiche Interessengruppen begünstigt werden. So können zum Beispiel im Rahmen eines internationalen Emissionsrechtehandels, bei dem es darum geht, Schadstoffemissionen mit globalen Auswirkungen (zum Beispiel Treibhausgase) auf die teilnehmenden Staaten zu verteilen, die Zertifikate entsprechend der Einwohnerzahl zugeteilt werden. Staaten mit einem hohen Verbrauch an fossiler Energie müssten dann Zertifikate bei Staaten mit geringem Energieverbrauch nachkaufen. Wirtschaftlich schwach entwickelte Staaten, die in der Regel einen verhältnismäßig geringen Energieverbrauch haben, könnten die Einnahmen durch den Emissionsrechtehandel in moderne emissionsarme Technologien investieren. Diese Ausgabeform ist aufkommensneutral.

Gibt es keine objektiven Kriterien für eine Zuteilung durch die Politik, ist es sinnvoll, die Zertifikate zu versteigern. So kann zum Beispiel das Recht, fossile Energieträger innerhalb eines Staates oder eines Staatenbundes auf den Markt zu bringen, an den Kauf von Zertifikaten gekoppelt werden, der dem Kohlenstoffgehalt des Energieträgers entspricht. Von der Abwicklung ist dies ähnlich wie die Erhebung einer Steuer. Anders als bei einer Steuer wird der Preis allerdings nicht von der Politik festgelegt, sondern bildet sich durch den Marktmechanismus.

Sowohl für die „Versteigerung“ als auch für den Handel bietet sich zur Etablierung der Marktmechanismus an, das über eine Börse zu organisieren. Damit einher geht, dass damit auch spekulative Geschäfte möglich werden.

Emissionsrechtehandel bei Treibhausgasen

Momentan gibt es zwei Handelssysteme für Treibhausgase: Den im Kyoto-Protokoll vereinbarten bilateralen Handel zwischen Annex-I Staaten und innerhalb Europas den EU-Emissionshandel für Unternehmen.

Ausgangspunkt ist die Erkenntnis, dass viele Schadstoffe nicht nur lokal wirken, sondern großräumig, so dass die Minderung von Emissionen nur über große geographische Räume betrachtet und bewertet werden kann.

Die vom Menschen verursachten Emissionen von Treibhausgasen, also Gasen, die zu einer weiteren Erwärmung der Erdatmosphäre beitragen, sollen weltweit reduziert werden. Damit soll die drohende Klimaveränderung abgewendet bzw. deren Fortschreiten abgebremst werden.

Der „prominenteste“ Vertreter der Treibhausgase mit der mengenmäßig größten Emission ist Kohlendioxid (CO2). Aber auch weitere Gase sind trotz geringer Emissionsmengen für den Treibhauseffekt von Bedeutung. Die Bemessung dieses Anteils geschieht mit Hilfe des so genannten GWP-Wertes (GWP = Global Warming Potential). Dieser Wert gibt an, wie groß der jeweilige Beitrag eines Gases zum Treibhauseffekt im Verhältnis zu dem von CO2, für das das der GWP-Wert 1 festgelegt wurde, ist. Meist wird der GWP-Wert auf 1 kg Gas und einen Betrachtungszeitraum von 100 Jahren bezogen. In dieser Skala ist der GWP-Wert für Methan 25, der für Distickstoffoxid 298 und der für SF6 sogar 22.800[1].

Klimarelevante Gase Summenformel Anteil am vom Menschen
verursachten Treibhauseffekt
Kohlenstoffdioxid CO2
64 %
Methan CH4
20 %
Distickstoffoxid N2O
6 %
Schwefelhexafluorid
Fluorchlorkohlenwasserstoffe
Perfluorierte Kohlenwasserstoffe
u. a.
SF6

diverse

10 %

Deswegen ist im Kyoto-Protokoll, das die Bestimmungen der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen konkretisiert, vereinbart worden, wie viele dieser klimawirksamen Gase einzelne Länder bzw. Ländergruppen emittieren dürfen und zu welchen Minderungsschritten innerhalb eines bestimmten Zeitplanes sie sich verpflichten.

Mit dem herkömmlichen Instrumentarium (in Deutschland das Bundes-Immissionsschutzgesetz) wären solche mengenmäßigen Ziele kaum oder nur unter großen Schwierigkeiten zu erreichen. Theoretisch könnten die Verwaltungsbehörden jedem Unternehmen auf Antrag eine Erlaubnis für die Emission bestimmter Mengen klimawirksamer Gase erteilen.

Neben rechtlichen Problemen, die eine solche Vorgehensweise hätte, spricht vor allem die Überlegung dagegen, dass die Minderung von Emissionen klimawirksamer Gase je nach Branche bzw. je nach industrieller Technik sehr unterschiedliche Kosten verursacht. Wer zu welchen Kosten wie viel Emissionen vermeiden kann, wissen jedoch die Unternehmen selbst sehr viel besser, weil sie ihre eigene Technik, ihre eigenen Prozesse und deren Weiterentwicklungsmöglichkeiten kennen.

Handelssysteme in der Praxis

Aktuelle Handelssysteme für Treibhausgase

  • Das Kyoto-Protokoll, ein am 11. Dezember 1997 beschlossenes Zusatzprotokoll zur Ausgestaltung der Klimarahmenkonvention (UNFCCC) der Vereinten Nationen mit dem Ziel des Klimaschutzes, enthält als wesentliches "flexibles" Instrument einen Handel mit Emissionsrechten zwischen Staaten.
  • Innerhalb Europas versucht die Europäische Union mit dem EU-Emissionsrechtehandel seit 2005, das im Kyoto-Protokoll festgelegte Klimaschutzziel zu erreichen. Es ist das weltweit erste multinationale Emissionsrechtehandelssystem und fungiert als Vorreiter eines möglichen weltweiten Systems.
  • In den USA und Kanada gibt es mehrere freiwillige Handelssysteme auf Firmen- oder Anlagenbasis. Die Chicago Climate Exchange (CCX) ist ein seit 2003 funktionierendes freiwilliges Handelssystem aus den USA, bei dem sich 350 meist große Firmen, Universitäten und Verbände verpflichtet haben, ihre gemeinsamen Treibhausemissionen um 6% zu senken. Gesenkt wird oft durch große Aufforstungsprojekte in den USA und Brasilien. Ein anderes Handelssystem, der Voluntary Market, verliert mit zunehmender Entwicklung des Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung (CDM) des Kyoto-Protokolls an Bedeutung.
  • In New South Wales, einem Bundesstaat Australiens wurde 2003 das NSW Greenhouse Gas Abatement Scheme etabliert, ein verpflichtendes Handelssystem für Stromerzeuger und Industriebetriebe, dass vor allem mit Aufforstungsprojekten arbeitet.
  • Für ganz Australien wird ab 2010 das Australian Carbon Trading Scheme gelten.
  • In Neuseeland wurde im September 2008 ein Gesetz zur Einführung eines Handelssystems beschlossen, das als weltweit erstes System die Landwirtschaft mit abdeckt.[2][3]

Aktuelle Handelssysteme für andere Verschmutzungsrechte

  • In den USA wurde Mitte der 1990er Jahre unter dem Acid Rain Program ein Handelssystem für den Schwefeldioxid-(SO2)-Ausstoß eingerichtet.

Historische Handelssysteme

Als Vorbereitung auf das ETS wurden in Großbritannien und Dänemark für einige Jahre kleinere Handelssysteme etabliert.

Zukünftige Handelssysteme

Um auch die Emissionen der privaten Verbraucher zu erfassen, werden unter dem Stichwort „Personal carbon trading“ weitere Systeme diskutiert.

Bewertung

In einer Befragung amerikanischer Wirtschaftswissenschaftler, die in Unternehmen, beim Staat und in Hochschulen tätig waren, stimmten um 1990 78 % der Befragten der These zu, dass marktwirtschaftliche Instrumente wie Steuern und Emissionszertifikate einen besseren Ansatz für die Beschränkung von Emissionen bilden, als die ordnungsrechtliche Festlegung von Schadstoffobergrenzen.[4] Als positiv wurde bewertet, dass sich der Emissionsrechtehandel administrativ verhältnismäßig einfach abwickeln ließe und dennoch effizient wäre. Ein Ziel würde vorgegeben und nicht der (möglicherweise ineffiziente) Weg zum Ziel festgelegt. Auf diese Weise entstünde technischer Fortschritt hin zur besten Lösung.

Der deutsche Sachverständigenrat für Umweltfragen sieht den Emissionsrechtehandel als mögliches zentrales Element einer langfristigen Klimaschutzstrategie. Die Attraktivität dieser Idee liege in der Einfachheit des Systems. Es würde lediglich ein globales Emissionsminderungsziel festgelegt, die einzelwirtschaftliche Steuerung würde dem Marktmechanismus überlassen. Dadurch würde das von der Politik vorgegebene Umweltziel zu den gesamtwirtschaftlich minimalen Kosten erreicht (sogenannte statische Effizienz). Im Gegensatz zu einzelwirtschaftlichen Standards gäbe der Emissionsrechtehandel darüber hinaus einen ständigen Anreiz, durch Mengenanpassungen und technischen Fortschritt Emissionen zu reduzieren (sogenannte dynamische Effizienz). Der Sachverständigenrat kritisiert jedoch die konkrete gesetzliche Ausgestaltung der Emissionrechte-Allokation im Nationalen Allokationsplan I.[5]

Laut dem Politologen Elmar Altvater ist der Emissionsrechtehandel eine „juristische Konstruktion“, wonach die Verschmutzung der Atmosphäre zu einem Recht erhoben wird, dessen Verzicht eine Inwertsetzung nach sich zieht. Diese juristische Form der Inwertsetzung widerspräche der klassischen politischen Theorie, derzufolge die Arbeit den Erwerb von Eigentumsrechten ermögliche.[6]

Hans-Werner Sinn vom Ifo Institut unterstützt die Forderung vieler Umweltökonomen nach einem weltweiten Handel mit Emissionszertifikaten für Kohlendioxid. Er weist jedoch darauf hin, dass die Einführung eines solchen Systems rasch und global abgestimmt erfolgen muss, und sich alle Länder daran beteiligen müssen. Eine einseitige Vorgehensweise mit der Hoffnung, alle Länder irgendwann in das System einzubinden, wie sie derzeit von der EU verfolgt wird, könne aufgrund der Reaktion der Angebotsseite mit fortschreitender Zeit einen immer stärker werdenden komparativen Preissenkungseffekt erzeugen. Dies könne sogar zu einer Beschleunigung des weltweiten Schadstoffausstoßes führen.[7].

Quellen

  1. P. Forster, P., V. Ramaswamy et al.: Changes in Atmospheric Constituents and in Radiative Forcing. In: Climate Change 2007: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fourth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change. Cambridge University Press, Cambridge und New York 2007, S. 212, (PDF)
  2. Parker, David (4. Dezember 2007). Climate change legislation introduced. New Zealand Government. Abgerufen am 10. September 2008.
  3. Parker, David (10. September 2008). Historic climate change legislation passes. New Zealand Government. Abgerufen am 10. September 2008.
  4. Richard M. Alston, J. R. Kearl, and Michael B. Vaughn, Is There Consensus among Economists in the 1990s? American Economic Review, May 1992, 203–209)
  5. Stellungnahme des Sachverständigenrat für Umweltfragen zur nationalen Umsetzung des europäischen Emissionshandels vom April 2006 (PDF)
  6. Elmar Altvater: Das Ende des Kapitalismus wie wir ihn kennen, S. 53/54
  7. Hans-Werner Sinn: Das grüne Paradoxon, Ifo Working Paper No.54 (PDF), 2007, S. 45

Literatur

Literatur, die sich überwiegend mit dem EU-Emissionshandel beschäftigt ist dort aufgelistet.

Bücher

  • Larry Lohmann (Herausgeber): Carbon Trading. A Critical Conversation on Climate Change, Privatisation and Power. Herausgegeben von der Dag Hammerskjöld Foundation, Oktober 2006, http://www.thecornerhouse.org.uk/pdf/document/carbonDDlow.pdf
  • Jens Nawrath: "Emissionszertifikate und Finanzverfassung", Duncker & Humblot, Berlin 2008, ISBN 978-3-428-12744-3
  • Matthias Corbach: Die deutsche Stromwirtschaft und der Emissionshandel. ibidem-Verlag, Stuttgart 2007, ISBN 978-3898218160
  • Wolf Fichtner: Emissionsrechte, Energie und Produktion. Verknappung der Umweltnutzung und produktionswirtschaftliche Planung. Erich Schmidt, Berlin 2004, ISBN 3-503-08385-5
  • Michael Lucht, Gorden Spangardt: Emissionshandel. Springer, Heidelberg 2004, ISBN 3-540-21005-9
  • Rolf Linkohr, Alexandra Kriegel, Beatrix Widmer: „Luftgeschäfte“ oder Wie der Handel mit Treibhausgasen die Energiepolitik verändert. etv, Essen 2002, ISBN 3-925-34939-1
  • Lutz Wicke: Beyond Kyoto – A New Global Climate Certificate System. Springer, Heidelberg 2005, ISBN 3-540-22482-3
  • Zenke/Fuhr: Handel mit CO2-Zertifikaten. C.H.Beck, München 2006, ISBN 978-3406552458

Fachartikel

  • Bernhard Kirchartz: Emissionshandel – Marktwirtschaft oder Ordnungsrecht? in: Wasser, Luft, Boden. 48.2004, 6, S. 32–35, ISSN 0938-8303

Siehe auch

Weblinks


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