- Paradoxon des Epimenides
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Das Paradoxon des Epimenides ist die erste bekannte Vorform des Lügner-Paradoxons und lautet in der populären Version: „Epimenides der Kreter sagte: Alle Kreter sind Lügner.“
Inhaltsverzeichnis
Historischer Hintergrund
Die Quelle für das Paradoxon stammt aus dem Neuen Testament; Paulus schreibt dort über die Kreter und zitiert und kommentiert dabei einen Vers eines ungenannten kretischen Propheten in Titus 1,12f: Einer von ihnen hat gesagt, ihr eigener Prophet: Kreter sind immer Lügner, böse Tiere und faule Bäuche. Dieses Zeugnis ist wahr. Der zitierte Vers „Kreter sind immer Lügner, böse Tiere und faule Bäuche“ ist ein griechischer Hexameter aus einer nicht überlieferten Dichtung.[1] Er wurde von Clemens von Alexandria (150-215 n. Chr.) dem Epimenides von Kreta (5., 6. oder 7. Jh. v. Chr.) zugeschrieben.[2]
Das Kreter-Paradoxon wurde 1908 von Bertrand Russell an erster Stelle in die Reihe der mathematisch-logischen Paradoxien eingereiht und ist seither Gegenstand der modernen philosophischen und mathematischen Logik. Er brachte es in die oben zitierte populäre Kurzform.[3] Diese Fassung verschärfte er nochmals zur Aussage „Ein Mann sagt: Ich lüge gerade“, die dem Lügner des Eubulides entspricht.[4]
Problematik und Lösungen
Beim Epimenides-Ausspruch handelt sich nicht um eine Paradoxie im Sinn einer Antinomie, denn es lässt sich kein logischer Widerspruch ableiten. Es gibt vielmehr verschiedene Lösungen, je nachdem, wie man den Begriff „Lügner“ präzisiert:
- Erste Lesart von „Lügner“ im üblichen Sprachgebrauch: Ein Lügner ist jemand, der manchmal lügt. Hier ergibt sich kein Widerspruch, gleichgültig ob die Aussage des Epimenides wahr oder falsch ist:
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- Erste Lösung (Sicht des Paulus): Die Aussage des Epidemides ist wahr, weil alle Kreter manchmal lügen, auch Epimenides, der in diesem Fall aber nicht gelogen hat.
- Zweite Lösung: Die Aussage des Epimenides ist falsch, weil es andere Kreter gibt, die nie lügen.
- Zweite Lesart von „Lügner“ im weniger üblichen Sprachgebrauch als notorischer Lügner: Ein Lügner ist jemand, der immer lügt und nur falsche Aussagen macht. Hier scheidet die Annahme aus, dass die Aussage des Epimenides wahr ist, denn dann lügen alle Kreter immer und auch Epimenides im Widerspruch zur Annahme. Der andere Fall dagegen ist sinnvoll:
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- Dritte Lösung: Die Aussage des Epimenides ist falsch, weil es Kreter gibt, die nicht immer lügen. Ob Epimenides zu ihnen gehört oder zu den notorischen Lügnern, ist offen.
Der Epimenides-Ausspruch ergibt aber in der Abwandlung Russells „Ein Mann sagt: Ich lüge gerade“, die den Lügner-Begriff eliminiert und sich auf das momentane Lügen bezieht, die Antinomie des Eubulides, die größere logische Bedeutung hat. Der Kreter-Lügner motiviert in der mathematisch-logischen Diskussion immer dieses verschärfte, eigentliche Lügner-Paradoxon.
Variante
Im Alten Testament findet sich bereits in Psalm 116,11 eine allgemeinere Form: Ich sprach in meiner Bestürzung: Alle Menschen sind Lügner!
Weblinks
- Russell: Mathematical logic as based on the theory of types, in: American Journal of Mathematics 30 (1908)
- William C. Kneale. Russell's Paradox and Some Others, in: The British Journal for the Philosophy of Science, Vol. 22, No. 4 (Nov., 1971), S. 321-338 auf JSTOR
- Christoph Zimmer: Die Lügner-Antinomie in Titus 1, 12. 2. Ed. 2006.
Einzelnachweise
- ↑ Er stammt nicht aus einem Vierzeiler des Gedichts „Cretica“, denn dieser ist eine moderne Konstruktion, die nachlesbar ist in: James Rendel Harris: The Cretans always liars, in: The Expositor, Volume II, 1906, S.305-317. Harris: A further note on Cretans, in: The Expositor, Volume III 1907, S. 332-337; dort S. 336 der konstruierte Vierzeiler vom Autor selbst bewertet mit „Perhaps that will do for a first attempt to restore the lost passage of Epimenides“.
- ↑ Diels-Kranz: Die Fragmente der Vorsokratiker, Auflage 2005, I 3B1
- ↑ Bertrand Russell: Mathematical logic as based on the theory of types, in: American Journal of Mathematics 30 (1908), Seite 222.
- ↑ Russell/Whitehead: Principia Mathematica, Band I (1910), Seite 63 (1)
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