Erbzinsrecht

Erbzinsrecht

Kolonat (abgeleitet von lat.: colonus = Bauer, Pächter) „Bebauungsrecht“, auch als Kolonatrecht, Erbpachtrecht, Erbleihe, Leihe, Erbbestandrecht, Erbfestenrecht, Meierrecht, Erbzinsrecht bezeichnet, ist die allgemeine Bezeichnung für die (meist erblichen) Besitz- und Nutzungsrechte an Bauerngütern, die mit bestimmten Pflichten und eingeschränkter Freizügigkeit verbunden waren.

Als Kolone wird der Inhaber derartiger bäuerlicher Gutsrechte bezeichnet.

Das Kolonat bezeichnete im römischen Kaiserreich ursprünglich den Stand der Kleinpächter auf Großgrundbesitz, insbesondere jenen auf kaiserlichen Domänen, sowie das adäquate agrarwirtschaftliche System, welches sich nach dem hellenistischen Vorbild in Kleinasien bzw. Ägypten und dem sich abzeichnenden Sklavenmangel entwickelte.

Das anfangs freie Pachtverhältnis wandelte sich durch Ertragsabgaben, Leistung von Hand- und Spanndiensten vielfach sukzessive in eine Abhängigkeit vom Grundherrn und damit an die Bindung an Grund und Boden. Ob es eine direkte Entwicklung vom Kolonat zur mittelalterlichen Grundherrschaft gab, ist in der Forschung aber umstritten.

Inhaltsverzeichnis

Ursprünge in der Spätantike

Tendenzen zur Bindung an den Boden deuteten sich bereits im 1. Jahrhundert unter Vespasian an. Dies geschah zu diesem Zeitpunkt noch nicht durch gesetzliche Regelungen, sondern durch die Gewährung von Privilegien. Im 3. und 4. Jahrhundert, als auf der einen Seite die erfolgreichen Feldzüge und damit auch die großen Sklavenimporte ausblieben und auf der anderen Seite die Wirtschaftsverhältnisse immer mehr Kolonen erforderten, wurde das Kolonat die vorherrschende Form der Bodenbewirtschaft im spätrömischen und frühbyzantinischen Reich. Hinzu kam das von Diokletian eingeführte neue System der Grundsteuer. Bei den nun folgenden Ausführungen ist allerdings zu beachten, dass es "das Kolonat" (trotz vereinzelter Erwähnungen eines ius colonatus in den Quellen) nicht gab. Innerhalb der Gruppe der abhängigen Bauern gab es ganz erhebliche Unterschiede, und auch die Rechtslage war - zumindest in der Spätantike - verschieden und widersprüchlich. Zudem sind parallel dazu auch weiterhin freie Bauern bezeugt, und einige Forscher zweifeln daran, dass das Kolonat die Landwirtschaft dominierte.

Die Kolonen galten anfangs in der Regel als persönlich frei. Später aber, insbesondere nach der Christianisierung des Römischen Reiches, wurde ihr rechtlicher und sozialer Status teilweise immer mehr dem von Sklaven angenähert, auch wenn noch Kaiser Justinian I. im 6. Jahrhundert betonte, ein Kolone sei an und für sich kein Sklave; auch Kaiser Anastasius hatte um 500 zwischen freien und unfreien Kolonen unterschieden. Auch ein Gesetz des ersten christlichen Kaisers Konstantin I. aus dem Jahre 332 unterschied noch zwischen Sklaven und Kolonen, doch war in diesem bereits festgelegt, dass flüchtige Kolonen zu fesseln seien und Kolonen, die die Flucht planten, in Eisen zu legen und wie Sklaven zur Arbeit zu zwingen seien. Mit diesem Gesetz hatten Kolonen - theoretisch - das Recht auf freien Ortswechsel verloren. Kolonen durften das Land, das sie zur Bearbeitung übernommen hatten, nicht mehr verlassen. Sie durften als Flüchtige mit aller Gewalt zurückgeholt werden - allerdings nur, wenn ihre Flucht nicht mehr als 30 Jahre zurücklag (Cod. Theod. 5,18,1) . Der Boden konnte mitsamt dem Kolonen und seiner Familie verkauft und verpachtet werden. Damit war er zwar nicht Sklave seines Herren, aber in gewissem Sinne Sklave des Bodens, auf dem er geboren war, geworden (Cod. Iust. 11,52). Neben dem Versuch, die Steuereinnahmen zu garantieren, stand hinter diesen Gesetzen wohl die allgemeine Tendenz der spätantiken Gesetzgebung, Menschen an einen bestimmten Beruf und einen bestimmten Stand zu binden. Die Quellen zeigen, dass dies auch im Falle der Kolonen eher selten gelang.

Später griff Theodosius I. auf Konstantins Regelungen zurück und nannte die Kolonen zwar noch „Freigeborene“, aber auch schon „Sklaven des Landes, für das sie geboren sind.“ Unter Theodosius' Söhnen, den Kaisern Arcadius und Honorius, wurde die bis dahin geltende volle Prozessfähigkeit des Kolonen, auch dem eigenen Herrn gegenüber, durch ein Gesetz aus dem Jahr 336 auf einen einzigen Anklagepunkt reduziert: Dies war die Klage wegen zu hoher Zinsforderungen.

Im Jahre 530 dehnte Kaiser Justinian I. die Erblichkeit des Kolonats auf die Kinder eines Freien und einer Frau aus dem Kolonenstand aus und band also auch diese Kinder an den Boden. Schließlich wurde diese Regelung auch auf die Kinder eines "beigeschriebenen Kolonen" (einer Untergruppe der Kolonen, die wohl ursprünglich jene bezeichnete, die als Steuerzahler in die staatlichen Listen eingetragen waren) und einer freien Frau ausgedehnt. Dazu sagte die kaiserliche Kanzlei:

Welcher Unterschied ist also noch zwischen Sklaven und beigeschriebenen Kolonen zu erkennen, da beide der Gewalt ihres Herren unterstehen und dieser den Sklaven mit seiner Habe freilassen, aber auch den Kolonen mit seinem Stück Land aus seinem Herrschaftbereich ausweisen kann?

Ein colonus censitus, der nicht der condicio adscripticia unterlag, war aber auch unter Justinian nach wie vor frei (A. Sirks). Viele einst freien Bauern gerieten aber wohl häufig durch hohe Zinsforderungen in Schulden und damit in Abhängigkeit von ihren Grundherren und wurden zu Kolonen. Vermutlich hat bereits im späten 4. Jahrhundert die Zahl der Kolonen die der freien Bauern zumindest in einigen Regionen übertroffen, doch ist dies, wie gesagt, nicht sicher. Dabei kosteten die Kolonen die Grundbesitzer weniger als Sklaven, die sie voll verpflegen, unterbringen und kleiden mussten.

Zur Integration bzw. Assimilierung von fremden Siedlern im Zuge von Befriedungen wendete die provinzialrömische Verwaltung dieses System ebenfalls erfolgreich an, welches dann auch die Germanenreiche während der Völkerwanderungszeit überlebte.

Frühes Mittelalter

Folgt man den spärlichen Quellen, so bestand das (ein?) Kolonat im Fränkischen Reich bis ins 9. Jahrhundert und wurde vermutlich zusammen mit dem so genannten Patrozinium des Grundherrn und der dinglichen Unfreiheit der Kolonen eine der wesentlichsten Stützen der mittelalterlichen Gesellschaftsordnung, wobei die Frage der direkten Kontinuität dieser Formen in der neuesten Forschung, wie erwähnt, umstritten ist.

Entwicklung bis zur Neuzeit

Während heutzutage die Bauerngüter in der Regel im vollen Eigentum des Besitzers stehen, war dies im Mittelalter und bis ins 19. Jahrhundert nicht der Fall (s. Erbpacht). Die Güter waren vielfach den Bauern von den Gutsherren unter Anwendung lehnsrechtlicher Grundsätze verliehen und die Rechte der Besitzer daher nach Lehnsrecht zu beurteilen; hier und da hatte auch das römisch-rechtliche Institut der Emphyteuse (s. d.), besonders bei Kirchengütern, Anwendung gefunden.

Daneben aber kamen zahlreiche Nutzungsrechte an Bauerngütern vor, welche nach Landrecht zu beurteilen waren, und welche man eben unter der Gesamtbezeichnung Kolonat zusammenfasst.

Die genauen rechtlichen Bestimmungen und Bezeichnungen waren regional sehr verschieden: die erblichen Laten- oder Hobgüter am Niederrhein und in Westfalen, die ebenfalls erblichen Meiergüter in Niedersachsen und in Westfalen, die Schillingsgüter im Lüneburgischen und in der Grafschaft Hoya, die Erbpachtgüter in Sachsen, Thüringen und Österreich, die Festegüter in Schleswig-Holstein, die nicht erblichen Fallgüter oder Schupflehen in Schwaben, die Todbestände in Baden, die Leibrechtsgüter in Bayern und Österreich (die beiden letztern ebenfalls nicht erblich), die Landfiedelleihen in Oberhessen (nicht erblich im Solmsischen), die Lassgüter in der Mittelmark (nicht erblich in Sachsen) und die sogen. Herrengunst in Bayern; letzteres die Bezeichnung für Güter, die auf freien Widerruf des Gutsherrn verliehen waren.

Das Rechtsverhältnis zwischen Gutsherren und Kolonen bestimmte sich bei allen diesen Gütern im Einzelnen nach den bei der Verleihung etwa aufgenommenen Urkunden (Leihbrief, Meierbrief) sowie ab dem 18. Jahrhundert hierüber ergangenen Ordnungen (Meier-, Erbpachtsordnungen), außerdem nach lokalem und partikulärem Gewohnheitsrecht. Die Grundzüge des Rechtsinstituts sind im großen und ganzen überall dieselben: ein sogen. Obereigentum (Dominium directum) des Gutsherrn, ein nutzbares Eigentum des Kolonen (Dominium utile); der Kolone hatte die auf dem Gut ruhenden Lasten zu tragen; Veräußerungen ohne Zustimmung des Gutsherrn waren nichtig; das Gut haftete nicht ohne weiteres für die Schulden des Kolonen; dieser war zu sorgfältiger Bewirtschaftung des Gutes verpflichtet und konnte im entgegengesetzten Fall "abgemeiert" werden (s. Abmeierung). Gewöhnlich hatte der Kolone beim Antritt der Erbleihe eine Abgabe (Handlohn, Laudemium, Weinkauf, Ehrschatz) an die Gutsherrschaft zu entrichten; zuweilen war auch eine sogen. Baulebung üblich; ebenso war hier die sogen. Interimswirtschaft gebräuchlich. Die moderne Gesetzgebung hat jedoch mit der ehemaligen Rechtsanschauung vom sogen. geteilten Eigentum gebrochen und an die Stelle der bäuerlichen Nutzungsrechte das volle Eigentumsrecht des Besitzers gesetzt (s. Ablösung, Bauernbefreiung).

Weiteres Beispiel

Ein ähnliches und gleichnamiges System verwendete die portugiesische Regierung nach 1945 in Angola, um die Einwanderung von Weißen in neu angelegte "Musterdörfer" zu fördern.

Siehe auch: Inquilinus

Literatur

  • R. Clausing: The Roman Colonate. The Theories of Its Origins, New York 1925.
  • U. Kahrstedt: Kulturgeschichte der römischen Kaiserzeit, 2. Aufl., Bern 1958.
  • M. Rostovtzeff: Studien zur Geschichte des römischen Kolonates, Leipzig 1910. (Veraltet, aber lesenswert.)
  • A. Sirks: "The Colonate in Justinian's reign", The Journal of Roman Studies 98, 2008, S. 120ff.
  • C. Whittaker: "Colonate", in: P. Brown u.a. (eds.), Late Antiquity. A guide to the postclassical world, Cambridge/Mass. 1999, S. 385f.

Weblinks


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