Erste Türkenbelagerung

Erste Türkenbelagerung
Erste Türkenbelagerung von Wien
Teil von: 1. Österreichischer Türkenkrieg (1526-1555)
Das durch die Osmanen belagerte Wien im Herbst 1529 n. Chr.
Das durch die Osmanen belagerte Wien im Herbst 1529 n. Chr.
Datum 27. September14. Oktober 1529
Ort Österreich, Wien
Ausgang Aufgrund des frühen Wintereinbruchs brachen die Osmanen die Belagerung ab
Konfliktparteien
Heiliges Römisches Reich
Osmanisches Reich
Fürstentum Moldau
Befehlshaber
Wilhelm von Rogendorff, Niklas Graf Salm Süleyman I. der Prächtige
Truppenstärke
etwa 24.000 etwa 86.000
(mit Tross etwa 250.000)
Verluste
unbekannt fast 20.000

Die erste Belagerung von Wien durch die Osmanen fand vom 27. September bis zum 14. Oktober 1529 unter dem Sultan Suleiman statt, wobei sich die Wiener zusammen mit den hinzugezogenen Truppen des Heiligen Römischen Reiches und seinen Verbündeten gegen die osmanischen Belagerer behaupten konnten. Die osmanische Expansion wurde zunächst gestoppt.

Inhaltsverzeichnis

Hintergrund

Nachdem die türkstämmigen Osmanen 1354 mit Gallipoli ihren ersten Stützpunkt auf europäischem Boden erobert hatten, dehnten sie bis zum Ende des 15. Jahrhunderts das Osmanische Reich auf große Teile Südosteuropas aus. Nach dem Fall Konstantinopels, der Hauptstadt des oströmischen Reiches, im Jahre 1453, wurde der Expansionsdrang der Osmanen immer mehr zu einer Gefahr für Europas Staatenbund, das Heilige Römische Reich deutscher Nation. Die Osmanen unterwarfen das Byzantinische Reich und einen Großteil des heutigen Griechenlands, darüber hinaus Makedonien, Bulgarien, Serbien und die Herzegowina. Das Heilige Römische Reich hatte nun – sieht man vom Pufferstaat Ungarn ab – in Europa eine gemeinsame Grenze mit den Osmanen. Auch große Teile Kleinasiens wurden dem Osmanischen Reich angegliedert. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts folgte eine weitere, massive Ausdehnung durch die osmanische Eroberung von arabischen und persischen Gebieten.

Unter dem seit 1520 herrschenden Sultan Süleyman I. dem Prächtigen wurde das Königreich Ungarn zum Ziel der osmanischen Expansionspolitik. 1521 gelang Süleyman die Eroberung der damals zu Ungarn gehörenden Stadt Belgrad. 1526 folgte die entscheidende Schlacht von Mohács. Der ungarische König Ludwig II. fiel in der Schlacht, so dass aufgrund eines 1515 mit den Habsburgern geschlossenen Erbvertrages Erzherzog Ferdinand von Österreich der spätere Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, zum neuen Regenten von Böhmen und Ungarn gewählt wurde. Ein Teil des ungarischen Adels opponierte gegen diese Entscheidung und erhob den Fürsten von Siebenbürgen, Johann Zápolya, zum Gegenkönig. Zápolya stellte sich unter den Schutz des ihm wohlgesinnten Osmanischen Reiches. Es kam zum Konflikt zwischen Ferdinand I. und seinem Gegenspieler Zápolya, was von Süleyman I. zu einem Feldzug gegen die österreichischen Erblande der Habsburger genutzt wurde. Die militärischen Kräfte der Habsburger waren zu dieser Zeit zu einem erheblichen Teil in Italien gebunden, wo sie gegen die Franzosen kämpften (Italienische Kriege). Diese Situation stellte für Süleyman eine geeignete Gelegenheit dar, die Habsburger und damit das gesamte Heilige Römische Reich herauszufordern.

Verlauf

Der Beginn

Das Heilige Römische Reich Gegner der Osmanen um 1512

Süleyman I. mobilisierte eine große Streitmacht, die am 10. April 1529 von Konstantinopel aus in Richtung Wien, damals eine der größten Städte im Heiligen Römischen Reich, aufbrach. Auf dem Weg durch Südosteuropa wuchs das osmanische Heer durch den Anschluss zahlreicher Garnisonen immer stärker an. Nicht nur osmanische, sondern auch ungarische Kämpfer schlossen sich ihm an. Der osmanische Vormarsch durch Ungarn wurde stark verlangsamt, da ein ungarisches Straßennetz praktisch nicht existent war und schwere Regenfälle den Boden aufgeweicht hatten. Deshalb trafen die ersten osmanischen Einheiten erst fünf Monate nach dem Aufbruch in Konstantinopel in der Umgebung Wiens ein, eine Truppe von etwa 20.000 Akıncı (Reitern). Solche Truppen gingen üblicherweise plündernd der regulären osmanischen Armee voraus und hatten in der osmanischen Militärstrategie die Funktion, den Widerstandswillen der Bevölkerung zu lähmen.

Am 23. September kamen die Osmanen in die Sichtweite der Stadt, die bis zum 27. September komplett eingeschlossen wurde. Die osmanische Streitmacht umfasste möglicherweise über eine Viertelmillion Menschen, die jedoch mehrheitlich dem Tross angehörten. Der wehrhafte Teil des Heeres umfasste etwa 80.000 osmanische sowie 15.000 bis 18.000 moldauische und serbische Kämpfer. Neben zahlreichen anatolischen Reitern (Sipahis) umfasste das Heer fast 20.000 Janitscharen. Der katastrophale Zustand der ungarischen Straßen hatte verhindert, dass das osmanische Heer seine schwersten Geschütze nach Wien transportieren konnte, so dass es nur 300 leichte Kanonen aufbieten konnte. Auf dem Weg nach Wien setzten die Osmanen etwa 22.000 Kamele als Lasttiere ein.

Wien wurde von der Stadtgarnison, einer städtischen Miliz und mehreren Hundert deutschen und spanischen Söldnern verteidigt. Insgesamt konnten die Verteidiger der Stadt etwa 22.000 Fußsoldaten und 2000 Reiter aufbieten. Insbesondere die Söldnertruppen (Landsknechte) waren mit Piken und Arkebusen bestens bewaffnet und hatten sich während der Italienkriege mit fortschrittlichen Taktiken vertraut machen können. Die zahlenmäßige Überlegenheit der Belagerer war jedoch erheblich, zudem war der Schutzwert der im 13. Jahrhundert erbauten Stadtmauer Wiens mangelhaft. Erzherzog Ferdinand hatte das innerlich zerstrittene Heilige Römische Reich Deutscher Nation um personelle Unterstützung gebeten, die aber größtenteils ausblieb. Auch ein Hilfegesuch an seinen Bruder Karl V. war vergeblich, da Karl mit seinem Heer in Italien gegen französische Streitkräfte operierte.

Die Verteidigung Wiens wurde von Niklas Graf Salm und Wilhelm von Rogendorff organisiert. Graf Salm ließ die Stadtmauern mit Erdbefestigungen verstärken und überwachte die Positionierung der 72 Kanonen, die den Verteidigern der Stadt zur Verfügung standen. Sämtliche Gebäude außerhalb der Stadtmauern wurden auf Befehl des Grafen abgerissen, um ein freies Schussfeld zu ermöglichen und um den Angreifern Möglichkeiten zur Deckung zu nehmen. Außerdem ordnete er die Evakuierung mehrerer Tausend Frauen und Kinder an, die aber auf ihrem Weg in sicheres Territorium osmanischen Truppen zum Opfer fielen und versklavt oder zu Tode gefoltert wurden. Noch am 27. September schickte Süleyman I. eine Delegation in die Stadt, welche den Wienern die Kapitulation nahelegte und ihnen für diesen Fall die Verschonung von Garnison und Bevölkerung garantierte. Bei einer Weigerung zu kapitulieren, würde das osmanische Heer die Stadt erstürmen. Graf Salm schickte die Delegation in das türkische Feldlager zurück, ohne auf ihre Forderung einzugehen. Der Kampf um Wien begann.

Kampf im Dunkeln

Die osmanische Artillerie eröffnete das Feuer, das nahezu ohne Wirkung blieb, da es ihr an schweren Kanonen fehlte. Darauf folgten Versuche zur Unterminierung der Wiener Stadtmauern, während die Kanonen zur Ablenkung permanent weiterfeuerten. Diese Unterminierungsversuche konzentrierten sich auf das sogenannte Kärntnertor im Süden der Stadt, welches am stärksten geschützt war. Nachdem ein christlicher Überläufer den Verteidigern Wiens die Pläne der Belagerer mitteilte, ordnete Graf Salm das Ausheben von Gegenminen an, wobei man nach einiger Zeit auf die osmanischen Mineure stieß. Es entbrannten brutale unterirdische Kämpfe, bei denen keine Feuerwaffen eingesetzt werden konnten, da die Mineure zur Durchführung ihres Auftrags Schießpulverfässer mit sich führten. Bei diesen Auseinandersetzungen gewannen die besser gepanzerten Verteidiger nach einiger Zeit die Oberhand, doch konnten nicht alle osmanischen Minen entdeckt werden. So konnten die Mineure mehrere Breschen in die Wiener Stadtmauer sprengen, an denen es zu heftigen Kämpfen kam. Die Verteidiger errichteten Palisaden hinter den Breschen, hoben Gräben aus und bildeten dichte Formationen aus Pikenieren und Arkebusieren, gegen die die türkischen Janitscharen wenig auszurichten vermochten.

Siehe auch: Minenkrieg

Osmanische Sturmangriffe

Am 12. Oktober sprengten die Osmanen eine besonders große Bresche in die Wiener Stadtmauer („Sulaiman-Bresche“), worauf der bis dahin größte osmanische Angriff folgte. Auch bei diesen Gefechten konnten sich die osmanischen Truppen nicht durchsetzen und verloren allein 1200 Janitscharen. Am späten Abend desselben Tages berief Süleyman I. einen Kriegsrat in seinem Lager ein. Die Versorgungslage des osmanischen Heeres war zu diesem Zeitpunkt äußerst schlecht, da der Nachschub durch die völlig aufgeweichten Straßen aufgehalten wurde. Zudem stand der Wintereinbruch bevor, der eine längere Belagerung ausschloss. Die Janitscharen äußerten dem Sultan gegenüber ihren Unmut, woraufhin sie von Süleyman durch die Zusicherung einer großen Belohnung zu einem letzten Sturmangriff überredet werden konnten, bevor man die Belagerung aufgrund der Wetterverhältnisse abbrechen würde. Am 14. Oktober sprengten die Osmanen eine Bresche in das Kärntnertor, doch fiel der Schutt nach außen, so dass die Erstürmung äußerst gefährlich war. Wieder stellten sich die Pikeniere der Verteidiger den Janitscharen in dichter Formation entgegen, so dass sich diese erneut unter schweren Verlusten zurückziehen mussten.

Rückzug

In der Nacht auf den 15. Oktober begann der Abzug des osmanischen Heeres. Die osmanischen Truppen ließen alles zurück, was sie beim Rückzug behinderte. Als sie ihr Zeltlager abgebaut hatten und am Morgen des 15. Oktober in Richtung Belgrad abzogen, begann es zu schneien. Von Belgrad aus führten sie einen erneuten Angriff auf Ungarn; Szigetvár wurde belagert und erfolgreich eingenommen.

Ergebnis

Das osmanische Heer hatte fast 20.000 Todesopfer hinnehmen müssen, unter denen sich zahlreiche Janitscharen und Sipahis befanden. Die Verluste der Belagerten waren deutlich geringer, doch aufgrund der hohen Anzahl an Verletzten und Kranken waren die Mauern Wiens zuletzt nur noch von wenigen Tausend Soldaten bemannt worden. Wesentlich schlimmer waren die Folgen im Umland von Wien, das von den Akıncı verwüstet und weitgehend entvölkert worden war.

Die zweite Belagerung Wiens im Jahre 1683 war ein letzter großer Kraftakt der Osmanen gegen den christlichen Westen, der ebenfalls scheiterte. Die Habsburger hatten Wien nach der ersten Belagerung zu einer zeitgemäßen Artilleriefestung ausgebaut, so dass die Wiener 1683 lange genug standhalten konnten, bis ein Entsatzheer mit Truppen des Heiligen Römischen Reiches und Polens eintraf und das osmanische Heer vertrieb.

Quellen

„Belagerung von Wien“ von Peter Stern von Labach:

Literatur

  • Jan N. Lorenzen: 1529 - Die Belagerung Wiens, in: ders: Die großen Schlachten. Mythen, Menschen, Schicksale, Campus Verlag, Frankfurt 2006, Seiten 17-54, ISBN 3-593-38122-2
  • Wien 1529. Die erste Türkenbelagerung. 62. Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien, Karlsplatz 4, 4. Oktober 1979 - 10. Februar 1980. Wien Museum (1980). ISBN 3-205-07148-4
  • Zehn Berichte über die Wiener Türkenbelagerung des Jahres 1529, (Reprint d. Ausg. 1529-1532). Promedia (2005). ISBN 3-85371-245-2

Weblinks

Siehe auch


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