Erster Stand

Erster Stand

Der Klerus (altertüml. auch Klerisei, Clerisei) ist die Gesamtheit der geweihten, christlichen Amtsträger (Kleriker). Das Wort stammt aus dem Griechischen (κλερός = Los, Anteil, Erbteil) und wurde Lateinisch zu clerus; es entspricht dem mlat. clericia und dem mhd. pfafheit. Das entsprechende Adjektiv ist klerikal.

Der Ausdruck bezieht sich vornehmlich auf das christliche Priestertum, wird manchmal aber auch auf Verhältnisse außerhalb des Christentums übertragen und etwa für Kultdiener oder Geistliche anderer Religionen verwandt. Prinzipiell lässt sich von Klerus jedoch eigentlich nur dann reden, wenn es innerhalb einer religiösen Gemeinschaft eine Gruppe deutlich von den übrigen Gläubigen abgehobener Amtsträger mit priesterlichen oder zumindest vergleichbaren Funktionen gibt, was beispielsweise im sunnitischen Islam, aber auch in den meisten protestantischen christlichen Kirchen nicht oder nur eingeschränkt der Fall ist.

Im allgemeinen Sinn spricht man auch von den Angehörigen des geistlichen Standes oder der Geistlichkeit.

Inhaltsverzeichnis

Geweihte Kleriker

Ein Kleriker („der zum Klerus Gehörige“) ist in der orthodoxen, katholischen, anglikanischen und altkatholischen Kirche ein geweihter Amtsträger. Das Kirchenamt bedeutet in diesem speziellen Sinne, dass eine Person (orth. u. kath.: ein Mann) eine der drei Stufen des Weihesakraments empfangen hat. Den Klerus dieser Kirchen kann man daher auch als Weihestand bezeichnen.

Kleriker sind damit Diakone, Priester und Bischöfe. Im Unterschied zu den Klerikern bezeichnet man die anderen Gläubigen als Laien.

Nach früherem katholischen Kirchenrecht (bis 1972) erfolgte die Aufnahme in den Klerus bereits durch die Tonsur (die vor dem Empfang irgendeiner Weihe empfangen werden konnte, etwa von Seminaristen). Als Vorstufen zur Diakonenweihe waren bis dahin auch verschiedene niederen Weihen zu durchlaufen, die es in den Ostkirchen zum Teil noch heute gibt. Historisch gehörten die (auch als Minoristen bezeichneten) Inhaber der niederen Weihen zwar bereits zum Klerus (unterstanden also bspw. der geistlichen Gerichtsbarkeit), waren aber bestimmten Rechten und Pflichten nicht oder nicht in dem Maße unterworfen wie Majoristen. Heute in Ausnahmefällen – etwa in mit Rom unierten Kirchen mit abweichendem Ritus – noch gespendete niedere Weihen führen nach katholischem Kirchenrecht nicht mehr dazu, dass die Betreffenden als Kleriker gelten.

Für die Anerkennung der Weiheämter in und zwischen den verschiedenen Kirchen ist der Gedanke der apostolischen Sukzession von Bedeutung, d. h. die ununterbrochene Weitergabe des Bischofsamtes und damit des Priestertums ausgehend von den nach kirchlicher Ansicht von Christus in dieses Amt eingesetzten Aposteln.

Als äußere Zeichen der Zugehörigkeit zum Klerus waren und sind auch heute noch bestimmte Formen der Kleidung (Priesterkragen oder Beffchen, Talar oder Soutane, Birett, Pileolus, Kamilavka) und der Haartracht (Tonsur, Bart, Zopf) üblich, die je nach Konfession oder Tradition variieren. Bei der Feier von Gottesdiensten tragen Kleriker meist liturgische Gewänder.

Die Zugehörigkeit zum Klerus ist mit verschiedenen Pflichten und Rechten verbunden, dazu gehören im Wesentlichen:

  • Gehorsamspflicht gegenüber den kirchlichen Vorgesetzten (in der Regel dem Bischof): Der Gehorsam bezieht sich auf die Amtspflichten; das Privatleben ist nur betroffen, soweit es um „standesgemäßes“ Verhalten geht. Das Rechtsverhältnis des Klerikers zu der ihm übergeordneten kirchlichen Organisationseinheit (Diözese etc.) bezeichnet man in den westlichen Kirchen als Inkardination (Eingliederung, Einbindung), in den östlichen Kirchen als Askription (Zugehörigkeit, Anmeldung).
  • Geistlicher Dienst: Hauptaufgaben der Kleriker sind die Wortverkündigung und das Spenden der Sakramente. Dabei sind dem Kleriker bzw. Priester bestimmte Ämter vorbehalten, zu deren Ausübung Weihegewalt (durch das Weihesakrament übertragen) und/oder kirchliche Leitungsgewalt (durch besondere „Sendung“ oder Beauftragung übertragen) erforderlich ist (dabei ist die Weihe in den meisten Fällen Gültigkeitsvoraussetzung, die Beauftragung Zulässigkeitsvoraussetzung für die Vornahme der Amtshandlungen). Für bestimmte Ämter (z. B. Diözesanbischof oder Pfarrer) besteht in der Regel eine Residenzpflicht (Anwesenheitspflicht). Neben der Seelsorge und dem Gottesdienst können Kleriker auch administrative, wissenschaftliche, schulische, soziale, kulturelle oder sonstige kirchliche Aufgaben wahrnehmen.
  • Zölibat: In der westlichen katholischen Kirche sind Diakone (soweit nicht bereits vor der Weihe verheiratet), Priester und Bischöfe zum Zölibat verpflichtet. Vom Zölibat entbinden (Dispens) kann nur der Papst (etwa im Zuge der Laisierung oder auch bei protestantischen Geistlichen, die zur katholischen Kirche übertreten). In den meisten mit Rom unierten Kirchen mit östlichem oder orientalischen Ritus gilt der Zölibat ebenso wie in fast allen orthodoxen Kirchen nur für Bischöfe und unverheiratet geweihte Kleriker (hauptsächlich Mönche, die aufgrund ihres Keuschheitsgelübdes ohnehin unverheiratet leben). In der anglikanischen und der altkatholischen Kirche gibt es keinen Pflichtzölibat für Kleriker.
  • Lebenswandel und Persönlichkeit: Von einem Kleriker werden im Allgemeinen Frömmigkeit und ein einfacher Lebensstil gefordert, er soll ein vorbildhaftes christliches Leben führen. Es gibt auch bestimmte Gottesdienst- und Gebetsverpflichtungen für Kleriker (etwa im katholischen Bereich das Stundengebet). Im Übrigen hängen die jeweiligen Anforderungen stark von den konkreten Aufgaben und Einsatzgebieten des Geistlichen und den Traditionen seiner Gemeinschaft ab.
  • Recht auf Unterhalt und Versorgung: Heutige Kleriker werden meist von ihrem Dienstherrn bezahlt. In Deutschland tragen die Kirchenmitglieder über die Kirchensteuer zum Auskommen der kirchlichen Amtsträger bei. Historisch spielte die Versorgung des Klerus als gesellschaftspolitisches Problem eine große Rolle. In zahlreichen Epochen der Geschichte gab es viele beschäftigungs- und mittellose Kleriker. In der Regel mussten die Gemeinden für ihre Geistlichen aufkommen, etwa durch Entrichtung des Zehnten. Ein anderes Modell stellte die geistliche Pfründe dar. Lange Zeit bildete der meist durch Schenkung erworbene Grundbesitz der Kirchen die wichtigste Grundlage für die Bezahlung der Kleriker. Nach der Enteignung der Kirchen im Zuge der Säkularisation verpflichteten sich zunächst die Fürsten zur Besoldung kirchlicher Amtsträger. Im Rahmen der Trennung von Kirche und Staat wurde die Eigenfinanzierung der Kirche durch die Gläubigen aber größtenteils wieder eingeführt. Seit 1919 garantiert in Deutschland die Verfassung das Besteuerungsrecht der Religionsgemeinschaften.
  • Gesellschaftliche Privilegien: In Deutschland sind Kleriker vom Wehrdienst und vom Schöffenamt befreit. Historisch hatte der Klerus auch noch deutlich weiter gehende Vorrechte. Eine gegen die gesellschaftliche Sonderstellung des Klerus und der Kirche überhaupt gerichtete Strömung heißt antiklerikal.

Den Klerikerstand kann man auch wieder verlieren. Zwar kann das Weihesakrament durch die so genannte Laisierung nicht rückgängig gemacht werden, der Betreffende wird aber von den Rechten und Pflichten eines Klerikers befreit.

Formen des gottgeweihten Lebens

Eine gewisse Sonderstellung nehmen die so genannten Religiosen, also die Angehörigen christlicher Ordensgemeinschaften (Mönche, Nonnen usw.) ein. Sie gelten (soweit nicht zu Priestern geweiht) in den katholischen Ostkirchen und in der Orthodoxie als eigener geistlicher Stand (zusammen mit Eremiten, gottgeweihten Jungfrauen und Witwen), der weder dem Klerus noch den Laien zuzurechnen ist. In der übrigen römisch-katholischen Kirche war das bis zur Reform des Kirchenrechts durch den 1983 promulgierten Codex Iuris Canonici ähnlich (jedenfalls legt LG 31[1] das nahe) bzw. nicht genau definiert. Gleichzeitig gab es innerhalb der meisten katholischen Männerordensgemeinschaften, besonders in den so genannten Priesterorden, bis zum II. Vatikanischen Konzil eine strikte Trennung zwischen den Laienbrüdern und den Klerikern, die die Weihen empfangen hatten und in vieler Hinsicht (eigene Gebetszeiten, Arbeitsorganisation, Zugang zu Büchern etc.) privilegiert waren. Heute gelten Ordensleute in der lateinischen Kirche entweder als Laien oder als Kleriker[2], je nachdem, ob sie die Diakon- oder Priesterweihe empfangen haben oder nicht (Ordensfrauen sind demzufolge immer Laiinnen). Gleichzeitig ist die unterschiedliche Behandlung von Laien und Priestern innerhalb der Orden weitgehend abgeschafft, wenngleich je nach der kirchenrechtlichen Verfassung des Institutes (klerikal oder laikal) immer noch einige Leitungsämter den Geweihten vorbehalten bleiben.

Die in der römisch-katholischen Kirche seit einigen Jahrzehnten verbreitete Bezeichnung der Ordens- und Säkularinstitute als Institute des geweihten Lebens bringt eine besondere, „geweihte“ Stellung der Ordensleute bzw. der anderen Formen des geweihten Lebens zum Ausdruck, die sie in die Nähe zum Klerus zu rücken scheint. Allerdings ist mit der öffentlichen Annahme feierlicher Gelübde und der besonderen Lebensform nach den evangelischen Räten keine sakramentale Weihe verbunden, sondern ein Akt der Selbsthingabe als freiwillige Antwort auf den als Geschenk aufgefassten Ruf Gottes.

  1. Lumen Gentium: „31. Unter der Bezeichnung Laien sind hier alle Christgläubigen verstanden mit Ausnahme der Glieder des Weihestandes und des in der Kirche anerkannten Ordensstandes ...“
  2. Can. 207 CIC: „Kraft göttlicher Weisung gibt es in der Kirche unter den Gläubigen geistliche Amtsträger, die im Recht auch Kleriker genannt werden, die übrigen dagegen heißen auch Laien.“ Bruno Primetshofer (Ordensrecht. Rombach, Freiburg i. B., 4. Auflage 2003, S. 28) stellt im Anschluss an das oben stehende Zitat aus dem Kodex noch einmal ausdrücklich klar: „Christen, die sich zu einem Leben nach den Evangelischen Räten verpflichtet haben, stellen nach dem CIC keinen zusätzlichen Stand in der Kirche dar, sondern sind entweder Kleriker oder Laien.“

Protestantismus

Im protestantischen Bereich wird der Begriff nur als umgangssprachliche Bezeichnung für ordinierte Gemeindeglieder genutzt.

Das Gegenüber von Klerus und Laien ist in der protestantischen Kirche aufgehoben. Zum einen benötigt die Autorität der Schrift (der Bibel) nach protestantischem Verständnis keine Vermittlung durch besonders geweihte Personen, sondern kann von jedem Christen verstanden werden. In den reformatorischen (wie auch schon vielen früheren Reform-) Bewegungen war es daher stets ein wichtiges Anliegen, auch den Laien und nicht allein den Priestern und Mönchen die Schriftlektüre (in der Volkssprache) zu ermöglichen und die Predigt zu erlauben.

Zum anderen entwickelte die protestantische Tradition den Gedanken des allgemeinen Priestertums aller Getauften weiter und betont, dass die Erlösung durch das Opfer Christi einmalig und endgültig ist, sodass es keiner opferpriesterlichen Aufgaben und damit auch keines besonderen Priesterstandes mehr bedarf, dem die klassische Rolle des christlichen Priesters als Vorsteher des Abendmahles und „Verwalter“ der Sakramente vorbehalten werden müsste.

Rolle des Klerus in der Gesellschaft

In den religiös organisierten Gesellschaftsordnungen des europäischen Mittelalters, in denen Kirche und Gesellschaft als Einheit aufgefasst wurden, bildete der Klerus auch gesellschaftlich eine besondere Gruppe, einen so genannten Stand. Als Hauptaufgabe des Klerus galt nach dem Verständnis der mittelalterlichen Weltordnung die Sorge für das Seelenheil der Gläubigen, also der Allgemeinheit. Die Zugehörigkeit zum Klerus war mit bestimmten Rechten (etwa dem Zehnten) und Pflichten (etwa dem Zölibat) verbunden. Bis in die Neuzeit genoss insbesondere der höhere Klerus - ähnlich wie der Adel, dem er fast ausnahmslos entstammte - verschiedene Privilegien gegenüber den einfachen Bürgern und Bauern (Dritter Stand). Mit der Aufklärung, dem Erstarken des Bürgertums nach der französischen Revolution, der Säkularisation, den antiklerikalen und laizistischen Bewegungen und Gesellschaftsmodellen des 19. Jh., der Trennung von Staat und Kirche, der Entstehung demokratischer Gesellschaftsformen und schließlich dem nachlassenden Einfluss der Religion auf das gesellschaftliche Leben Europas überhaupt (Säkularisierung) verlor die soziologische Sonderstellung des Klerus seit dem Ausgang des 18. Jh. bis heute weitgehend ihre Bedeutung. Als eigene Gesellschaftsschicht existiert der Klerus im modernen Europa praktisch nicht mehr.

Der soziale Wandel, dem die Rolle des Klerus in der Gesellschaft in der europäischen Geschichte des vergangenen Jahrtausends unterworfen war, hat auch zu starken Veränderungen in Bezug auf die Zusammensetzung des Klerus, die soziale Herkunft seiner Mitglieder und die Motivationen geführt, die Menschen dazu bewegen, eine klerikale Laufbahn einzuschlagen. In diesem Zusammenhang ist die in westlich geprägten Gesellschaften zu verzeichnende abnehmende Attraktivität des Klerikerberufes zu sehen, die besonders in denjenigen Kirchen, die an der Zölibatsverpflichtung für Kleriker festhalten, zu mitunter krisenhaften Erscheinungen geführt hat (Priestermangel).

Literatur

Drewermann, Eugen: Kleriker: Psychogramm eines Ideals, Walter-Verlag AG, Olten, 7. Auflage 1990, 900 S. ISBN 3-530-16902-1

Siehe auch

Zum hohen Klerus:


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