Exportproduktionszonen

Exportproduktionszonen

Exportproduktionszonen, kurz: EPZ (engl: export processing zone oder free trade zone) sind Bereiche, in denen die sozialen und arbeitsrechtlichen Regelungen der (in der Regel armen) Länder, in denen sie sich befinden, keine Anwendung finden. Dieser Zustand wird von staatlichen Stellen meist mit der Begründung toleriert und gefördert, die EPZ brächten Arbeitsplätze und Devisen. Sogenannte "Sweatshops" - in Mittelamerika werden diese Betriebe Maquiladoras genannt - befinden sich häufig in Exportproduktionszonen.

Der Begriff Exportproduktionszone (EPZ) bezeichnet einen oder mehrere Bereiche in einem Land, in dem die regulären Zoll- und Steuerbestimmungen außer Kraft gesetzt sind. Die dadurch entstehenden günstigen Konditionen sollen ausländische Unternehmen dazu bringen, ihre Produktion in die EPZs zu verlagern. EPZs befinden sich somit meist in so genannten Entwicklungsländern. Der dem Konzept zugrunde liegende entwicklungspolitische Gedanke ist, dass Investor_innen, nachdem sie zuerst durch die günstigen Produktionsbedingungen angelockt wurden, ihre Produktion dauerhaft in die Zielländer verlegen und damit die Wirtschaft des Landes stärken. Traurige Berühmtheit haben die EPZs jedoch u.a. durch extrem niedrige Löhne, schlechte Arbeitsbedingungen, mangelndem Arbeitsschutz und Unterdrückung von Gewerkschaften erlangt. In EPZs werden vor allem junge Frauen beschäftigt. Das wohl bekannteste Beispiel sind die ab den 1970ern eingerichteten Maquiladoras (oder Maquilas), Exportproduktionsfabriken an der mexikanisch/us-amerikanischen Grenze.

Entstanden ist das Konzept der EPZs schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts, an Bedeutung gewann es aber vor allem seit den 1960ern als immer mehr Produktion aus den Industrieländern in die so genannten Entwicklungsländer verlagert wurde. So verabschiedete 1964 der Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen eine Resolution, in dem EPZs als Mittel zur Förderung des Handels mit so genannten Entwicklungsländern befürwortet wurden. Erste EPZs entstanden zu der Zeit in Südkorea, Taiwan, Hongkong und Singapur. Vor allem aber ab den 1980er setzte ein enormer Anstieg der Produktion in EPZs ein. Hierbei spielten auch die Strukturanpassungsprogramme der Weltbank eine wesentliche Rolle. Die EPZs sollten demnach die Position der so genannten Entwicklungsländer verbessern, da durch sie Arbeitsplätze geschaffen würden und das BIP steige. Sie sollten außerdem dazu beitragen, dass die so genannten Entwicklungsländer ihre Schulden bei den Industrieländern abtragen können.

Diese Entwicklung ist im Kontext der sich in den letzten Dekaden des 20. Jahrhunderts abzeichnenden Globalisierung zu betrachten, in der der Nationalstaat einen Bedeutungswandel erfährt. Interessant ist hierbei die hervorgehobene Bedeutung von internationalen Organisationen wie der Weltbank oder dem IMF. Auch andere supranationale Entitäten wie die EU, die NAFTA, die ASEAN, Mercosur u.a. sind zu zentralen politischen Akteur_innen geworden. Bezeichnenderweise fördert die NAFTA seit ihrer Entstehung 1994 den Ausbau von Maquiladoras in Mexico. Aber auch die Rolle von wirtschaftlichen Akteur_innen darf nicht unterschätzt werden. Transnationale Unternehmen treten inzwischen machtvoller in Erscheinung als Nationalstaaten, die ihnen lediglich die benötigten Rahmenbedingungen (Vertragssicherheit, Eigentumsrechte etc) garantieren sollen (s. Davos Man).

Kritisiert wird an dem Konzept der EPZs, dass diese das vorfindliche „Nord-Süd-Gefälle“ verstärkten, anstatt es auszugleichen. Die Produktionsauslagerung führe zu keiner Verlagerung von gleichwertigen Arbeitsplätzen, hingegen finde eine Veränderung der Arbeitsplätze statt. Diese seien nun durch billigere Löhne und schlechtere Arbeitsbedingungen geprägt. Aus feministischer Perspektive sind die Hauptkritikpunkte an den EPZs die dort herrschenden ausbeuterischen Verhältnisse; niedrige Löhne, gesundheitsschädliche Arbeitsbedingungen, Unterbindung von Gewerkschaftsbildung etc. Dies betreffe vor allem junge Frauen, da sie den Großteil der in den EPZs Beschäftigten stellten. Eine Doppeldiskriminierung stelle sich ein, da Frauen generell für dieselbe Arbeit in den EPZs schlechter bezahlt würden als Männer. Ein Argument von Befürworter_innen der EPZs ist hingegen, dass sich die Situation von Frauen durch die EPZs verbessert habe, da diese nun überhaupt die Möglichkeit hätten, einer bezahlten Erwerbstätigkeit nachzugehen. Durch das selbst verdiente Geld würden Abhängigkeiten verringert und überhaupt erst Handlungsspielräume gegeben, patriachale Strukturen in Frage zu stellen. Dies muss jedoch differenzierter betrachtet werden. Es ist durchaus richtig, dass es positive Seiteneffekte gibt. Eigenes Einkommen muss jedoch nicht zwangsläufig dazu führen, dass sich die Stellung der Frau und ihre Entscheidungsmacht innerhalb der Familie als auch in der Gesellschaft verändern. Eine Veränderung der Arbeitsverhältnisse als auch gesellschaftlicher Strukturen könnte aber durchaus die Möglichkeit auf Organisation der Arbeiter_innen innerhalb der EPZs herbei führen. Dies ist z.B. in Nicaragua geschehen, wo sich Frauen das Recht erkämpft haben, Gewerkschaften innerhalb der EPZs zu bilden. Ähnliches lässt sich auch in China beobachten; dort organisieren sich z.B. die dagongmei, junge Wanderarbeiterinnen aus ländlichen Gebieten, die in städtischen Exportproduktionsfabriken ausgebeutet werden, gegen die dortigen Verhältnisse. Dies sind sicherlich positive Effekte, die hoffen lassen, dass globale soziale Kämpfe erstarken. Trotz allem darf jedoch nicht über die hierarchischen, patriachalen und ausbeuterischen Strukturen hinweggesehen werden, die dem Konzept der EPZs zugrunde liegen.


Siehe auch


Quellen

  • Avin, Rose-Marie (1999): International Economics. In: Peterson, Janice/Lewis, Margaret (Hrsg.): The Elgar Companion to Feminist Economics. Cheltenham, Northampton: Edward Elgar, 489-499
  • Benería, Lourdes (2007): Gender and the social construction of markets. In: Staveren, Irene van/Elson, Diane/Grown, Caren/Cagatay, Nilüfer (Hrsg.): The Feminist Economic of Trade. London, New York: Routledge, S. 13-32
  • Naomi Klein: No Logo! Goldmann Verlag, 6. Auflage 2002, ISBN 3442153123
  • Handbuch der Globalisierung

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