Falsche Freunde

Falsche Freunde

Falsche Freunde gehören zu den Übersetzungsschwierigkeiten und Interferenzfehlern. Im Englischen werden sie als „false friends" bezeichnet, im Französischen sind sie unter dem Namen „faux-amis“ bekannt.

Inhaltsverzeichnis

Etymologie

Es handelt sich hierbei um Paare von Wörtern oder Ausdrücken aus zwei Sprachen, die orthografisch oder phonetisch ähnlich sind, jedoch unterschiedliche Bedeutungen haben. Auch Scheinentsprechungen zwischen zwei Dialekten derselben Sprache bzw. zwischen einem Dialekt und der Standardsprache gelten als Falsche Freunde. Dabei können die Wörter entweder ursprungsverwandt sein, sich aber verschieden entwickelt haben, oder eine rein zufällige Ähnlichkeit aufweisen. Bei anscheinend verwandten Sprachen (z. B. Hochdeutsch und Niederländisch) oder solchen, die lange in relativ engem Kontakt miteinander waren (z. B. Deutsch und Französisch), sowie in Fällen, in denen Dialekte eine Rolle spielen, sind falsche Freunde wesentlich häufiger als bei nicht verwandten Sprachen (z. B. Deutsch und Japanisch). Bei letzteren nimmt man auch bei ähnlichen Wörtern meist automatisch an, dass es sich um einen Zufall handelt, sodass das Problem gar nicht erst entsteht.

Außerdem werden häufig Wörter als „falsche Freunde“ bezeichnet, die wie gewöhnliche Fremd- oder Lehnwörter anmuten, aber in ihrer vermeintlichen Ursprungssprache keine oder eine andere Bedeutung besitzen (Beispiele: Handy bedeutet im Englischen nicht Mobiltelefon, sondern handlich; Parterre bedeutet im Französischen nicht Erdgeschoss, sondern zu Boden).

Neben den soeben beschriebenen interlingualen (in Bezug auf zwei Sprachen) falschen Freunden existieren noch die intralingualen (innersprachlichen). Intralinguale falsche Freunde oder Paronyme sind z. B.: antiseptiqueaseptique, amoralimmoral.

Bekannte Beispiele

Ein bekanntes Beispiel ist das englische Wort become, das im Deutschen nicht „bekommen“ bedeutet, sondern „werden“ oder „(jemandem) gut zu Gesicht stehen“ (zusammengesetzt aus be „sein“ und come „kommen“).

Falsche Freunde können auch zur Bedeutungsverschiebung von Wörtern führen. Diesen Mechanismus erklärt die Semasiologie. So wird gelegentlich das englische Wort Website (Webauftritt) im Deutschen nicht mit seiner wörtlichen Übersetzung (die wäre „Netz-Ort“), sondern mit seiner Falscher-Freund-Übersetzung als „Webseite“ eingedeutscht. Korrekt ist die unveränderte Verwendung als Fremdwort sowie „Webpräsenz“. Das englische site (von lateinisch: situs) ähnelt wegen der Auslautverhärtung im Deutschen phonetisch und von der Schreibweise dem englischen side. Diese Verschiebung wurde allerdings dadurch begünstigt, dass „Seite“ auch in der Übersetzung der englischen Begriffe Webpage oder Homepage („Heim-Seite“) vorkommt. Letzterer wird oft irrtümlich für synonym oder homoionym zu Website gehalten, da bei den meisten Webpräsenzen bei Eingabe der Website-Adresse (URL) ohne nähere Seitenangabe automatisch auf die Startseite des Auftritts umgeleitet wird.

Ein besonders prominentes Beispiel ist die offizielle Übersetzung von Crime against Humanity, die im Deutschen „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ lautet. Da humanity sowohl „Menschheit“ als auch „Menschlichkeit, Freundlichkeit“ bedeutet, ist die dort eingetretene Bedeutungsverschiebung so fein, dass heute – nach Jahrzehnten – nur wenigen klar ist, dass es um „Verbrechen gegen die Menschheit“ geht. Allerdings ist der Fall inzwischen ein wenig komplexer, da es sich bei „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ seit 2002 um eine feststehende Benennung für einen Rechtsbegriff handelt (deutsches Völkerstrafgesetzbuch VStGB § 7). Daher wäre jede andere Übersetzung – so plausibel sie auch sein mag – inhaltlich nicht mehr korrekt. Diese Fehlübersetzung ist auch im Niederländischen üblich, während im Französischen und vielen weiteren Sprachen die Zweideutigkeit des Englischen gewahrt ist. In anderen Sprachen ist eindeutig die richtige Übersetzungsalternative gewählt (vgl. z. B. russisch prestuplenije protiw tschelowetschestwa, nicht tschelowetschnosti).

Ebenso hat die falsche Übersetzung von self-consciousness zu einer irrtümlichen Gleichsetzung von Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen im alltäglichen Sprachgebrauch geführt; self-consciousness bedeutet eigentlich soviel wie „seiner selbst als Person voll und ständig bewusst sein“, kurzum: „Befangenheit“.

Bei häufiger und dauerhaft falscher Verwendung kann ein Wort aber auch die ursprüngliche Bedeutung aus der anderen Sprache übernehmen, und die Falsche-Freund-Übersetzung wird so zum Standard: Zum Beispiel wird „realisieren“, was im Deutschen eigentlich die Bedeutung „verwirklichen, umsetzen“ hat, heute mindestens ebenso häufig im Sinne von „wahrnehmen, bemerken, erkennen“ (engl. to realise) verwendet. Das korrekte deutsche „Sinn ergeben“ (auch Sinn haben oder sinnvoll sein) ist inzwischen bereits seltener geworden als die falsche Übernahme „Sinn machen“ des englischen to make sense.

Falsche Freunde sind auch die kyrillischen Buchstaben В, Н, Р, С und Х mit den Lautwerten W, N, R, S und Ch.

Keine falschen Freunde mehr

In einigen Fällen wird durch eine administrative Festlegung die Bedeutung in der anderen Sprache übernommen, wie bei „Marmelade“. Durch eine EU-Richtlinie wurde die englische Bedeutung übernommen und eine Begriffsverengung auf Zitrusfrüchte durchgeführt. Nur in Ausnahmefällen darf die ursprüngliche Bedeutung beibehalten werden (z. B. im österreichischen Markt). Damit sind das englische und das deutsche Wort keine „falschen Freunde“ mehr – außer in der Alltagssprache.

Weitere Beispiele aus dem Englischen

Die Liste falscher Freunde enthält umfänglich Beispiele falscher Freunde des Englischen und anderer Sprachen. Nachstehend einige Beispiele aus der englischen Sprache, die verbreitet falsch übersetzt werden.

englisches Wort ähnelt bedeutet aber
actual aktuell tatsächlich
become bekommen unter anderem „werden“
genie Genie Dschinn, Flaschengeist, daher auch im Englischen das Wortspiel mit der Bezaubernden Jeannie, das in der deutschen Übersetzung verloren ging (das englische Wort für Genie heißt genius)
gift Gift Geschenk (Merkspruch für Englischlernende: Man verschenkt kein Gift!)
gymnasium Gymnasium Sporthalle
pathetic pathetisch erbärmlich, armselig, mitleiderregend
physician Physiker Arzt (das englische Wort für Physiker ist physicist)
sensible sensibel vernünftig, sinnvoll, spürbar (das englische Wort für sensibel heißt sensitive)
silicon Silikon Silizium. Beispiele: Im James-Bond-Film Im Angesicht des Todes wird von Computerchips aus Silikon gesprochen. Klaus Lage singt in Monopoli: „Deinen Job macht jetzt ein Stück Silikon“. (Das englische Wort für Silikon ist silicone.)
sin Sinn Sünde
slip Slip Unterkleid, Unterrock; oder auch: Formular, Papier, gleiten, schlüpfen und vieles mehr
still still immer noch, dennoch, nach wie vor (kann aber durchaus auch 'still' bedeuten, siehe LEO)
undertaker Unternehmer Bestatter (beachte aber: undertaking = Unternehmen)
warehouse Warenhaus Lager(halle), Großmarkt
(I) will (ich) will (ich) werde (Hilfsverb) (im alten (Kirchen-)Englisch wird „I will“ allerdings wie im Deutschen verwendet)

Oft gibt es in den Bedeutungen noch Berührungspunkte, so dass es Einzelfälle geben kann, in denen sich der Irrtum nicht ernsthaft auswirkt.

englisches Wort ähnelt bedeutet aber
apart apart getrennt, abseits, abgesondert (das deutsche „apart“, bedeutet „auf besondere, außergewöhnliche Weise ansprechend, geschmackvoll“ oder „reizvoll“ bzw. im Buchwesen „einzeln zu liefern“)
brave brav mutig, tapfer, rechtschaffen
eventually eventuell schließlich, letztendlich, gelegentlich (im Deutschen bedeutet eventuell ’möglicherweise, gegebenenfalls')
sympathetic sympathisch mitfühlend, verständnisvoll, verbindlich, freundlich
tip Tipp Trinkgeld, Spitze, kippen, kann auch „Tipp“ bedeuten

Falsche Freunde durch Übersetzung einzelner Wortbestandteile

englisches Wort scheint zu sein bedeutet aber
antbear Ameisenbär Erdferkel (Orycteropus afer); daher werden in der Literatur oft „Ameisenbären“ für Afrika genannt, obwohl sie nur in Amerika leben (Ameisenbär = ant-eater)
first floor (USA) erster Stock Erdgeschoss; im britischen Englisch ist first floor die erste Etage, im amerikanischen Englisch ist first floor das Erdgeschoss; im britischen Englisch heißt das Erdgeschoss ground floor. (Vergleiche aber auch regionale deutsche Unterschiede wie so genannte „Badische Stockwerke“: Erdgeschoss = Erster Stock.)
high school Hochschule In der Regel eine weiterführende Schule (Sekundarstufe nach der 6. Klasse). Für diese Schulform gibt es aber keine exakte Entsprechung, daher belässt man es am besten bei der englischen Bezeichnung.
half-life halbes Leben Halbwertszeit (radioaktiver Zerfall)
overhear überhören mitbekommen, zufällig hören (überhören = fail to hear, ignore)
oversee (etwas) übersehen beaufsichtigen, betreuen, überblicken (übersehen = overlook)

Niederländische falsche Freunde

Durch die enge Verwandtschaft mit dem Deutschen hat die niederländische Sprache besonders viele und auffallende falsche Freunde.

Niederländisches Wort bedeutet auf Deutsch Deutsches Wort bedeutet auf Niederländisch
bellen klingeln, telefonieren bellen blaffen
deftig vornehm deftig stevig
doof taub doof dom
huren mieten huren hoeren
slim schlau schlimm erg
meer See (Binnengewässer) Meer zee

Literatur

  • Janos Juhasz: Probleme der Interferenz, Budapest 1970
  • Wolfgang Müller: Leicht verwechselbare Wörter, Duden-Taschenbücher, Band 17, 1973
  • Walter Fischer: Leicht verwechselbare Wörter der englischen und französischen Sprache, Keimer, 1981, ISBN 978-3-920536-48-4
  • Carlo Milan, Rudolf Sünkel, Falsche Freunde auf der Lauer. Dizionario di false analogie e ambigue affinità fra tedesco e italiano; Bologna: Zanichelli 1990 ISBN 88-08-07148-0
  • Wolfgang Müller: Das Wörterbuch der falschen Brüder, in: Wörterbücher in der Diskussion III, S. 222–232, Niemeyer (= Lexicographica Series Maior 84), Tübingen 1998, ISBN 3-484-30984-9
  • Ryszard Lipczuk, Pawel Mecner, Werner Westphal: Lexikon der modernen Linguistik. Ausgewählte Begriffe zur Kommunikation und Kognitionswissenschaft, Seite 77 f.: Falsche Freunde des Übersetzers; Seite 166: Paronyme (Falsche Brüder), Wydawnictwo Promocyjne Albatros, Stettin (Szczecin) 2. erw. A. 2000, ISBN 83-88038-13-3
  • Annette Kroschewski: „False friends“ und „true friends“. Ein Beitrag zur Klassifizierung des Phänomens der intersprachlich-heterogenen Referenz und zu deren fremdsprachendidaktischen Implikationen, Peter Lang, Frankfurt am Main 2000, ISBN 978-3-631-36453-6
  • Salifou Traoré: Interlinguale Interferenzerscheinungen. In ausgewählten Bereichen von Morphosyntax und Text bei afrikanischen frankophonen Germanistikstudierenden mit didaktischen Schlussfolgerungen, Peter Lang, Frankfurt am Main 2000, ISBN 978-3-631-36857-2
  • Richard Humphrey: False Friends, Falser Friends, Falsest Friends. A Student’s Workbook on Deceptive Resemblances. English-German/German-English, Klett, Stuttgart 2003, ISBN 978-3-12-939613-1
  • Wolfgang Träger: Englisch – Vorsicht: Fallen! Ein Spezialwörterbuch zur Vermeidung möglicher Fehldeutungen englischer Ausdrücke, R. G. Fischer, Frankfurt am Main 2005, ISBN 978-3-8301-0770-5

Siehe auch

Weblinks


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