- Fatras
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Der Fatras (frz. fatras „Plunder, Durcheinander“, auch Fatrasie) ist eine seit dem Mittelalter gebräuchliche Gattung der französischen Lyrik.
Die Fatras bestanden ursprünglich aus elfzeiligen, gereimten Strophen nach dem Schema aab aab babab. Die ersten Beispiele enthielten die Fatras d’Arras, eine anonyme Sammlung des 13. Jahrhunderts, die möglicherweise Werke von Watriquet Brassenel de Couvin enthielt. Die Gedichte reihen paradoxe, zusammenhanglose Einfälle oder Vorgänge aneinander. Gedichte dieser Art verfasste auch Philippe de Beaumanoir. Seit dem 14. Jahrhunderts stand den Strophen ein Distichon voran, dessen beide Zeilen innerhalb des Fatras als Anfangs- und Schlussvers wiederholt wurden (AB Aab aab babaB); Reim- und Versform wurden durch das Distichon bestimmt.
Im 15. Jahrhundert entwickelte Baudet Herenc das Genre mehrfach weiter. Zum einen unterschied er zwischen dem bisherigen paradoxen, sinnlosen Fatras (Fatras impossible) und einer neueren Form mit sinnvollem Inhalt und bisweilen politisch-satirischem Ton (Fatras possible); zum anderen erweiterte er im Doctrinal de la seconde rhétorique (1432) die Form, indem er zweistrophige Fatras verfasste, zwischen deren Strophen das einleitende Distichon in umgekehrter Zeilenfolge wiederkehrte (Fatras simple und Fatras double).[1] Die doppelstrophigen Fatras wurden vor allen in den Puys vorgetragen und bis ins 17. Jahrhundert hinein gepflegt. Einige überlieferte Beispiele sind parodistisch in fremde Texte eingearbeitet. In der Dichtung des 20. Jahrhunderts griff Jacques Prévert (Fatras, 1966) die Gattung erneut auf.
Literatur
- Lambert C. Porter: La fatrasie et le fatras. Genf 1960
- Sylvie Mougin/Marie-Geneviève Grossel (Hrsgg.): Poésie et rhétorique du non-sens. Littérature médiévale, littérature orale. Reims 2004. ISBN 2-915271-03-8
Einzelnachweise
- ↑ Gisela Febel: Poesia ambigua oder vom Alphabet zum Gedicht. Aspekte der Entwicklung der modernen französischen Lyrik bei den grands rhétoriqueurs. Habilitationsschrift. Frankfurt 2001. ISBN 3-465-03065-6. S. 320 f.
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