- Fiktive Figur
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Eine Kunstfigur ist eine fiktive Figur oder Person, die nahezu alle Attribute einer lebenden Person besitzen kann. Oft zeichnet sich die Kunstfigur dadurch aus, dass sie von ihrem Umfeld für eine reale Person gehalten wird.
Inhaltsverzeichnis
Kunstfiguren
Kabarettistische
Im Gegensatz zum Schauspieler im Theater kann die Kunstfigur nicht nur auf der Bühne, sondern in allen Aspekten des Lebens agieren. Sie besitzt also einen eigen Namen, ein Alter, eine Biografie usw. Es gehört zum Standardprogramm vieler Kabarettisten, unterschiedliche Figuren darzustellen, die meist Vertreter einer bestimmten Personengruppe überzeichnen und klischeehaft karikieren. Wenn diese Figuren nicht nur Teil des Kabarettprogramms sind, sondern auch öffentlich agieren, wie im Fall von Atze Schröder oder Horst Schlämmer, kann man von einer Kunstfigur sprechen.
Wenn diese Kunstfiguren im Fernsehen auftreten, besteht der Unterhaltungswert oft darin, dass die Fernsehzuschauer um den künstlichen Charakter der Figur wissen, während das gefilmte Publikum zum Narren gehalten wird. Gleichzeitig kann die Kunstfigur gezielt Sozialverhalten und Vorurteile des Publikums demaskieren, wie dies Sacha Baron Cohen mit seinen Kunstfiguren, wie dem antisemitischen Kasachen Borat oder dem schwulen Österreicher Bruno immer wieder demonstriert.
Folkloristische
Viele Kunstfiguren haben ihren Ursprung in der Folklore, wie etwa der Weihnachtsmann oder der Osterhase. Genau wie bei den kabarettistischen Kunstfiguren liegt der Unterhaltungswert im Wissensvorsprung - hier von Erwachsenen gegenüber ihren Kindern. Anders verhält es sich bei religiösen Kunstfiguren wie den Musen, Göttern und Heiligen. Dies sind meist die Personifikation abstrakter Ideen, die durch Ausstattung mit konkreten Attributen und Charaktereigenschaften zu Kunstfiguren werden. Anderseits kann der Glaube an die reale Existenz einiger dieser Figuren auch zentraler Bestandteil einer Religion sein, so dass die Frage, ob es sich dabei um reale oder fiktive Wesen handelt zur Glaubensprüfung wird. Aber auch Schauergestalten wie Teufel Geister und Dämonen sind beliebte Kunstfiguren. In der Kinderfolklore sind auch Kinderschreckfiguren verbreitet.
Mediale
Auch Comicfiguren, Superhelden und Figuren aus Computerspielen wie Lara Croft werden zu Kunstfiguren, wenn sie über ihr ursprüngliches Medium hinauswachsen. Diese Kunstfiguren bleiben zwar virtuell, können aber durch mediale Präsenz denselben Grad an Glaubwürdigkeit und Bekanntheit erreichen, wie andere Figuren der Popkultur, besonders dann, wenn diese Art der Kultur über Sekundärerfahrung vermittelt wird. Beispiele sind computeraimierte Popstars wie Kyoto Date und T-Babe, aber auch Comicfiguren wie die Band Gorillaz. Sie haben eigene Fanclubs, geben Interviews, und haben Biografien, genau wie reale Figuren der Popmusik.
Verwendung in Firmen
Firmen nutzen Kunstfiguren häufig als Werbefigur. Sie treten sowohl in zeitlich begrenzten Kampagnen auf (z.B. Robert T-Online 2000-03 für die Deutsche Telekom), als auch sehr langfristig, wie etwa seit 1972 Herr (Günter) Kaiser für die Hamburg-Mannheimer, der nach jahrzehntelangem Einsatz Teil der Corporate Identity geworden ist. Außerdem werden sie verwendet, um anonyme Firmenprozesse zu personalisieren. Beispielsweise wird in der Massenkorrespondenz an Kunden von manchen Firmen die lieblose Schlussformel "Dieses Schreiben wurde maschinell erstellt und ist auch ohne Unterschrift gültig" vermieden durch die Unterschrift einer fiktiven Mitarbeiterin (z.B. Susanne Goldmann beim Pay-TV-Sender Premiere).
Selbstinszenierung
Viele Popstars inszenieren sich als eine Kunstfigur, die sie im Privatleben völlig ablegen. So bedienen deutsche Rapper wie Sido und Bushido, gerne den aus amerikanischen Rap-Szene bekannten Gangster-Mythos, führen privat aber ein bürgerliches Leben als Familienväter. Auch Internet-Stars wie lonelygirl15 [1] oder Alemuel outeten sich als Kunstfigur nachdem sie bereits große Bekanntheit erlangt hatten und ihre Authenzität in Frage gestellt wurde. Ursache für die Verwandlung in eine Kunstfigur können Marketing-Gründe sein, aber auch das Bedürfnis des Künstlers nach Privatsphäre.
Rechtliches
Urheberrecht
Da eine Kunstfigur eine ausgedachte Person ist, genießt sie nicht denselben Rechtsschutz wie gewöhnliche Menschen. Allerdings unterliegt sie als kreative Schöpfung dem Urheberrecht. [2] Dies kann zu Problemen führen, wenn eine Kunstfigur mehrere geistige Eltern besitzt, wie etwa im Fall von Pumuckl, wo ein intensiver Rechtsstreit zwischen seiner graphischen und seiner literarischen Mutter darum entbrannte, ob Pumuckl ein sexuelles Wesen sei, und ob er eine Freundin haben dürfe. Im Urteil wurde der Meinungsfreiheit der Grafikerin Barbara von Johnson Vorrang vor das Urheberrecht der Autorin Ellis Kaut eingeräumt.[3]
Fan-Art
Im Spannungsfeld zwischen Urheberrecht und Meinungsfreiheit spielt sich auch Fanfiction ab, die sich meist um mediale Kunstfiguren dreht. Auch bei Kostümen, die Fans bestimmter Kunstfiguren auf einer Convention tragen, kann ein Verstoss gegen das Urheberrecht oder das Markenrecht vorliegen, auch wenn dieser in der Regel nicht geahndet wird. Die Verwendung von Kunstfiguren auf Websites, etwa von Pumuckl auf einer inoffiziellen Fanpage [4] hatte bereits teure Abmahnungen zur Folge.
Persönlichkeitsrechte
Die Persönlichkeitsrechte des Darstellers einer Kunstfigur können das Recht auf Anonymität miteinschliessen. So verklagte der Darsteller der Kunstfigur Atze Schröder den Weser Kurier wegen Nennung seines bürgerlichen Namens, und bekam Recht.[5] Eine entsprechende Klage gegen Wikipedia wo sein bürgerlicher Name ebenfalls zeitweise auftauchte zog er jedoch zurück.[6]
Siehe auch
Referenzen
- ↑ Good bye, lonelygirl15
- ↑ Vgl. http://www.eurolawyer.at/pdf/kunstfiguren_urheberrecht.pdf
- ↑ „Pumuckl’s Freundin“: Autorin unterliegt auch im Hauptsacheverfahren
- ↑ Abgemahnte Pumuckl Fanpage
- ↑ Landgericht: Zeitungsverlag darf über den Comedian „Atze Schröder“ nur unter seinem Pseudonym berichten
- ↑ Atze Schröder gegen Wikipedia
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