Friedrich Max-Müller

Friedrich Max-Müller
Max Müller als junger Mann

Friedrich Max Müller (in England als Max Müller und in Indien als Max Mueller bekannt; * 6. Dezember 1823 in Dessau; † 28. Oktober 1900 in Oxford) war ein deutscher Sprachforscher und einer der Begründer der Sanskrit-Forschung. Unter seiner Leitung erschienen die Sacred Books of the East, eine 50-bändige Reihe von englischen Übersetzungen asiatischer heiliger Bücher.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Werk

Müller war ein Sohn des Dichters Wilhelm Müller, dessen Texte unter anderem von Franz Schubert in den Liederzyklen Die schöne Müllerin und Winterreise vertont wurden. Er besuchte die Nikolaischule in Leipzig und anschließend die dortige Universität Leipzig, wo er Philologie und Philosophie studierte, sich daneben aber auch mit Arabisch und Sanskrit beschäftigte. Hier veröffentlichte er bereits eine Übersetzung des Hitopadeca (Leipzig 1844). Anschließend ging er nach Berlin. Im Wintersemester 1844/45 studierte er in Berlin zusammen mit Paul de Lagarde bei Rückert Persisch. 1845 zog es Müller nach Paris sowie im Jahr darauf nach England.

Hier veröffentlichte er im Auftrag der Englischen Ostindien-Kompanie den Rigveda mit einem ausführlichen Kommentar des Sāyaṇa (6 Bde., London 1849–1874). Daneben gab er auch eine Ausgabe ohne Kommentar heraus (London, 1877) sowie den ersten Band einer Übersetzung Rig-Veda'-Sanhità, the sacred hymns of the Brahmans (London 1869). Er überzeugte die Ostindien-Kompanie mit dem Argument, dass man zunächst die ältesten Sanskrit-Texte (eben die Rig-Veda) untersuchen müsse, um einen Einblick in die Entwicklung der indischen Religionsgeschichte erhalten zu können.

Seit 1850 arbeitete Müller in Oxford, wo er den Auftrag erhielt, an der Universität Vorlesungen über Literaturgeschichte und Vergleichende Grammatik zu halten. 1851 wurde er Ehrenmitglied der Universität und des Christ Church College. 1854 erhielt er eine ordentliche Professur für neue Sprachen und Literaturen. 1856 trat er in das Kuratorium der Bodleian Library ein, wo er zwischen 1865 und 1867 auch als Bibliothekar der orientalistischen Abteilung arbeitete. 1858 wurde er zum Fellow des All-Souls-College gewählt. 1868 gründete die Universität Oxford eine Professur für vergleichende Religionswissenschaft und ernannte Müller zum ersten Professor dieses Lehrstuhls. Dies erzeugte viel Unruhe in der Kirchenhierarchie, die das Fach als potentielle Gefahr für den Anspruch des Christentums auf Universalität ansah.

Müller analysierte Mythologien und Mythen als Bewusstwerdung natürlicher Phänomene, eine Art primitive Vorwissenschaft innerhalb der kulturellen Entwicklung der Menschheit. Auch vertrat er eine darwinistische Auffassung von der Entwicklung der Kulturen. Nach der Auffassung Müllers begannen die „Götter“ zunächst als abstrakte Begriffe zu wirken, mit denen man Ideen austauschte oder ausdrückte. Erst später wurden sie personifiziert. So entstanden für den indogermanischen „Vatergott“ viele verschiedene Namen: Zeus, Jupiter, Dyaus Pita. Doch kann man alle diese Formen auf das Wort dyaus zurückführen, das er als „Erscheinung“ oder „Strahlung“ auffasste. Dieses Wort führt auf deva, deus und theos als Begriffe für Gott und zu den Eigennamen Zeus und Jupiter (als deus-pater). Diese Vorstellung hat später auch Friedrich Nietzsche beeinflusst.

Im Sommer 1872 hielt er Vorlesungen in Straßburg. 1875 legte er seine Professur nieder, blieb aber an der Universität, um eine Reihe von Übersetzungen der heiligen Bücher des Orients herauszugeben. Bis 1896 kamen 41 Bände heraus. Im Mai 1896 wurde Müller zum Mitglied des Privy Councils ernannt. Friedrich Max Müller starb am 28. Oktober 1900 in Oxford.

Seine Werke werden noch immer von Studenten der Indologie und der Sanskrit-Forschung in aller Welt benutzt. In Indien ist Max Müller bis heute populär – darum firmieren die deutschen „Goethe-Institute“ in Indien unter dem Namen „Max Mueller Bhavan“. Für seine Offenheit spricht auch, dass er als einer der ersten Sprachwissenschaftler eine Plansprache wie Esperanto befürwortete.

Außerdem stammt aus seiner Feder der Roman (der von einigen eher als Langdichtung gesehen wird) Deutsche Liebe (kor. Dogilin-eui sarang), der bemerkenswerterweise in Korea zur meistgelesenen deutschen Literatur zählt. In Deutschland ist der Roman dagegen völlig unbekannt.

Als noch junger Sprachforscher hatte Müller das Sanskritwort „Arier“ Mitte des 19. Jahrhunderts als Bezeichnung einer Indo-Germanischen Sprachgruppe eingeführt, doch durch das Buch „Essey sur l’Inégalité des Races Humaines“ des Grafen Arthur de Gobineau (1816–1882) wurde es zum Synonym für die überlegene nordische Herrenrasse.[1]

Schliemann und Troja

Müller ging es in der wissenschaftlichen, damals nannte man es vergleichende Mythologie, nicht um einen Wirklichkeitsbezug, sondern um die immanenten Formgesetze von Mythen der verschiedenen Völker und Traditionen. Bei Homers Ilias meinte Müller als eigentliches Thema einen Kampf der Sonne mit den Wolken sehen zu können und verglich die Ilias mit dem Nibelungenlied, dem er ebenfalls einen historischen Kern absprach. Auch bei Homers Ilias liege kein historischer Kern vor, der von einem nicht-realen Stoff verbrämt worden sei. Vielmehr sei ein nicht-realer Stoff von Homer nachträglich mit einem historischen Ort in Verbindung gebracht worden.[2]

Als sich Müller und Heinrich Schliemann in London begegneten, hatte Schliemann dessen „Vorlesungen über die Wissenschaft der Sprache“ bereits gelesen. Schritt um Schritt gelang es Schliemann, Müllers Abneigung gegen die Historizität von Homers Troja abzubauen, auch wenn letzte Vorbehalte blieben. Müller machte im Gegenzug Schliemann in der wissenschaftlichen Welt Englands salonfähig.[2]

Referenzen

  1. Alexander Bein: Der moderne Antisemitismus und seine Bedeutung für die Judenfrage. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte. Heft Nr. 4/1958, S. 342
  2. a b Flügge 2001, S. 237 ff.

Werke

  • History of ancient Sanskrit literature. London (1859)
  • Dhammapada. (1881)
  • Upanishad. (1884)
  • Vedic Hymns. Part I. (1891)
  • Letter to Chevalier Bunsen on the classification of the Turanian languages. (London 1854)
  • Essay on comparative mythology. (London 1858)
  • Lectures on the science of language. (2 Serien; London 1861–1864)
  • Chips from a German workshop. 4 Bde. (London 1868–1875)
  • Selected essays. 2 Bde. (London 1881)
  • Lectures on the origin and growth of religions as illustrated by the religions of India. (London 1878)
  • India what can it teach us?. (London 1883)
  • Natural Religion (Vorlesungszyklus)
  • Physical Religion (Vorlesungszyklus)
  • Anthropological Religion (London & New York 1892, repr. London 1997 (The Early Sociology of Religion; vol. III)) (Vorlesungszyklus)
  • Theosophy, or psychological Religion (Vorlesungszyklus)
  • Contributions to the science of mythology. 2 Bde. (London 1897)
  • Science of Thought. (London 1887)
  • My autobiography. Hrsg. von seinem Sohn (London 1901)
  • The six systems of indian Philosophy (London 1899)
  • Introduction to the science of Religion: Four Lectures. (London 1873)
  • Deutsche Liebe (kor. Dogilin-eui sarang)

Literatur

  • Manfred Flügge: Heinrich Schliemanns Weg nach Troja: Die Geschichte eines Mythomanen. Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 2001, ISBN 3-423-24292-2.
  • Hans-Joachim Klimkeit: Friedrich Max Müller (1823–1900). In: Axel Michaels (Hrsg.): Klassiker der Religionswissenschaft: von Friedrich Schleiermacher bis Mircea Eliade. 2. Auflage, Beck, München 2004 (1. Aufl. 1997), S. 28–40 und 362–364, ISBN 3-406-42813-4.
  • Friedemann Schlender: Traumflieger ohne Landeplatz: Max Müller – eine deutsche Legende in Indien. VISTAS, Berlin 2000, ISBN 3-89158-284-6.

Weblinks


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