Fürstbistum Osnabrück

Fürstbistum Osnabrück
Die ehemalige Fürstbischöfliche Kanzlei, jetzt Bischöfliche Kanzlei, in Osnabrück

Das Hochstift Osnabrück (auch als Fürstbistum Osnabrück bezeichnet) war ein reichsunmittelbares Territorium des Alten Reiches und gehörte zum Niederrheinisch-Westfälischen Reichskreis.

Landesherr des Hochstiftes war der Bischof von Osnabrück. Die Landesherrschaft entwickelte sich im Wesentlichen im 13. und 14. Jahrhundert durch den Erwerb der Gerichtsbarkeit (Gogerichte) 1225, den Erwerb der Osnabrücker Hochvogtei 1236 von den Grafen von Tecklenburg und den Bau von Landesburgen zur Grenzsicherung. Am Ende des 14. Jahrhunderts war die Landesherrschaft des Bischofs völlig ausgeformt. Das Hochstift war verwaltungstechnisch in die Ämter Fürstenau, Iburg, Grönenberg, Vörden, Wittlage, Hunteburg, Reckenberg und die quasi autonome Landstadt Osnabrück unterteilt.

Ab 1543 wurde unter dem zeitweilig lutherischen Bischof Franz von Waldeck (1532–1553) durch Hermann Bonnus die erste evangelische Kirchenordnung für die Stadt Osnabrück verfasst und damit die Reformation eingeleitet. In der Folgezeit konnte sich weder die lutherische noch die katholische Lehre im Hochstift durchsetzen. Den folgenden Bischöfen, die teils katholischer und teils lutherischer Konfession waren, gelang es nicht, den im Augsburger Religionsfrieden festgelegeten Grundsatz „Cuius regio, eius religio“ im Hochstift durchzusetzen. Eine effektive Kirchenleitung gab es weitgehend nicht mehr; die Pfarrer in den einzelnen Kirchspielen waren weitgehend sich selbst überlassen. Die kirchliche Glaubensausübung war eine Mischung aus altgläubigen, katholischen und reformorientierten, lutherischen Elementen. So teilten z. B. katholisch ordinierte Priester in der Messe die Kommunion in beiderlei Gestalt aus oder ließen die durch Luther ins Deutsche übersetzten Psalmen singen. Dies änderte sich erst 1623, als Eitel Friedrich Kardinal von Hohenzollern-Sigmaringen nach seiner Wahl zum Bischof die Gegenreformation begann.

Im Dreißigjährigen Krieg war das Hochstift zeitweilig von Truppen der Liga, der Union, dänischen und schwedischen Truppen besetzt.

Gemäß den Bestimmungen nach Artikel XIII des Westfälischen Friedensvertrags und den Beschlüssen auf dem Reichstag zu Nürnberg von 1650 wurde in einer „Immerwährenden Kapitulation“ (Capitulatio perpetua osnabrugensis) die Landesherrschaft abwechselnd von einem katholischen, vom Domkapitel gewählten Bischof und einem lutherischen Bischof aus dem herzoglichen Hause Braunschweig-Lüneburg ausgeübt. Während der Regentschaft eines lutherischen Bischofs lagen die kirchlichen Leitungsfunktionen über die katholische Geistlichkeit und die katholischen Einwohner des Hochstifts beim Erzbischof von Köln. Die in der „Immerwährenden Kapitulation“ festgelegten Regelungen zur freien Religionsausübung der beiden Konfessionen behielten ihre Gültigkeit bis 1802. Das Hochstift Osnabrück war somit eines der wenigen Territorien des Alten Reiches ohne konfessionale Festlegung. Die Zuordnung der Konfession der Pfarrer war kirchspielweise festgelegt, doch gab es auch Kirchspiele, in denen beide Konfessionen über jeweils eine eigene Kirche mit eigenem Pfarrer verfügten. In einigen Kirchspielen wurde die einzige vorhandene Kirche simultan von beiden Konfessionen (katholisch und lutherisch) genutzt. Seit 1785 hatte die Verwaltung des Fürstbistums ihren Sitz in der Fürstbischöflichen Kanzlei.

Am 3. Juni 1802 wurde das Hochstift Osnabrück von den Franzosen dem Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg („Kurhannover“) als erbliches Fürstentum zugesprochen und durch Beschluss der Reichsdeputation am 8. September 1803 bestätigt:

§ 4. Dem Könige von England, Kurfürsten von Braunschweig-Lüneburg, für seine Ansprüche auf die Grafschaft Sayn-Altenkirchen, Hildesheim, Corvey und Höxter, und für seine Rechte und Zuständigkeiten in den Städten Hamburg und Bremen, und in derselben Gebieten, namentlich dem Gebiete der letzteren, so wie dasselbe unten bestimmt werden wird, wie auch für die Abtretung des Amtes Wildeshausen: das Bisthum Osnabrück.[1]

Der letzte Fürstbischof von Osnabrück, Friedrich, Herzog von Braunschweig-Lüneburg, Prinz von Großbritannien und Irland, der zweite Sohn Georgs III. von England, legte daraufhin am 29. Oktober 1802 die Herrschaft über das Hochstift nieder. Sechs Tage später nahm sein Vater, Georg III., das neue Fürstentum Osnabrück offiziell in Besitz. Damit endete die Geschichte des unabhängigen geistlichen Fürstentums.

Das Fürstentum Osnabrück wurde ab 1802 in Personalunion von den Kurfürsten von Braunschweig-Lüneburg regiert. 1806 kam es zum Königreich Preußen, 1807 zum Königreich Westphalen, 1811 fiel es an das Kaiserreich Frankreich, und 1815 wurde es auf dem Wiener Kongress dem neu entstandenen Königreich Hannover zugeschlagen. Allerdings wurde das Amt Reckenberg (heute Kreis Gütersloh) als Exklave abgetreten und der preußischen Provinz Westfalen zugeschlagen. Teile des Amtes Vörden, die Kirchspiele Vörden und Neuenkirchen und das Kirchspiel Damme, für das ein Kondominium mit dem Niederstift Münster bestand, wurden abgetrennt und dem Großherzogtum Oldenburg zugeordnet. Heute gehören diese Gebiete zum Landkreis Vechta.

Das Fürstentum Osnabrück war im Königreich Hannover weiter eine eigene Verwaltungseinheit (Landdrostei) und fiel mit ihm 1866 an Preußen. Die Landdrostei wurde im Zuge der preußischen Kommunalreform 1885 aufgelöst und daraus die Landkreise Osnabrück, Bersenbrück, Iburg, Wittlage und Melle und die Stadt Osnabrück gebildet.

1972 wurde aus den Landkreisen Osnabrück, Melle, Wittlage und Bersenbrück der (neue) Landkreis Osnabrück gebildet, dessen Grenzen weitgehend denen des alten Hochstiftes entsprechen.

Anmerkungen

  1. vgl. Reichsdeputationshauptschluss

Literaturhinweise

  • Michael F. Feldkamp: Die Ernennung der Osnabrücker Weihbischöfe und Generalvikare in der Zeit der „successio alternativa“ nach römischen Quellen. In: Römische Quartalschrift, Bd. 81, Heft 3–4, S. 229–247, Herder-Verlag, 1986.
  • Michael F. Feldkamp: Zur Bedeutung der „successio alternativa“ im Hochstift Osnabrück während des 17. und 18. Jahrhunderts. In: Blätter für deutsche Landesgeschichte, Bd. 130 (1994), S. 75–110; (Online-Version beim Münchener Digitalisierungszentrum: [1]).
  • Wolf-Dieter Mohrmann, Wilfried Papst: Einführung in die politische Geschichte des Osnabrücker Landes, 2. Aufl., Osnabrück 1992.
  • Johann Carl Bertram Stüve: Geschichte des Hochstifts Osnabrück. Mit Register von Julius Jäger. Neudruck der Ausgabe Jena, Band I (1853), Band II (1872), Band III (1882); Osnabrück 1980; ISBN 978-3-87898-218-0

Siehe auch


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