Ganterbrücke

Ganterbrücke
Die Ganterbrücke, zum Grössenvergleich: Auf der Brückenmitte befindet sich ein LKW

Die Ganterbrücke (Walliserdeutsch "Ganterbrigga") ist Bestandteil der Simplonpassstrasse der Nationalstrasse N9 und seit 1980 die Brücke mit der grössten Spannweite in der Schweiz.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Mitte des 20. Jahrhunderts wurde die Simplonpassstrasse als wintersichere Verbindung zwischen Norditalien und dem Tessin mit dem Wallis in das Nationalstrassennetz der Schweiz aufgenommen. Der Abschnitt zwischen Brig und Gondo wurde in den 1960er und 1970er Jahren zweistreifig als Nationalstrasse 3. Klasse ausgebaut und bereichsweise neu angelegt. Ungefähr auf halber Distanz zwischen Brig und der Passhöhe, 10 km südlich von Brig, führt die Strasse durch das steile, tief eingeschnittene Gantertal. Der Ganterbach wurde ursprünglich am Talhang auf einer kleinen Brücke überquert, gefolgt auf der rechten Talflanke von einem 1,5 km langen felssturzgefährdeten Strassenabschnitt. Die neue Streckentrassierung quert vor dem geologisch problematischen Abschnitt mit der neuen Grossbrücke das Gantertal, wodurch sich die Strassenlänge um 1,7 km verkürzte.

Der Bau der Schrägkabelbrücke nach einem Entwurf von Christian Menn erstreckte sich von Spätsommer 1976 bis Dezember 1980. Aufgrund der klimatischen Bedingungen konnte nur acht Monate im Jahr an der Brücke gebaut werden. Die Baukosten betrugen 23,5 Millionen SFr.

Konstruktion

Im Brückenbereich besteht die S-förmige Strassentrasse am nördlichen Widerlager aus einer Rechtskurve von 200 m Radius, gefolgt von einem 225 m langen, geraden Mittelabschnitt und übergehend in eine Linkskurve mit ebenfalls 200 m Radius. Die Längssteigung der Fahrbahn, die 1'450 m ü. M. liegt, beträgt Richtung Süden grösstenteils rund 5 %. Überführt werden zwei 3,75 m breite Fahrstreifen mit beidseitigen 0,75 m breiten Randstreifen und 0,5 m breiten Schrammborden.

Gründung und Unterbau

Der schwierige Baugrund beeinflusste massgeblich die Brückenkonstruktion und bedingte möglichst wenige Fundamente und folglich grosse Spannweiten. Der nördliche Talhang aus Fels ist mit einer mittlerern Neigung von etwa 45° sehr steil und weist an der Oberfläche starke Verwitterungserscheinungen auf. Daraus folgte als Standort des höchsten Pfeilers S3 der Hangfuss am Ganterbach und die Überbrückung des steilen Hanges mit einer grossen Spannweite von 127 m. Der südliche Talhang ist etwa 25° geneigt und besteht ab rund 40 m Tiefe aus zersetztem und verwittertem, wenig tragfähigem Schieferfels, über dem eine Lockergesteinsdecke liegt, die sich pro Jahr zwischen 6 und 10 mm Richtung Tal bewegt.

Die beiden auf der nördlichen Talseite stehenden Pfeiler S2 und S3 sind in im Fels gegründeten Fundamenten eingespannt. Der zwischen Fundamentoberkante und Fahrbahnniveau 124,5 m hohe Pfeiler S3 besitzt am Fuss Aussenabmessungen von 12,0 × 10,0 m. Die drei im südlichen Talhang angeordneten Pfeiler S4 bis S6 haben als Gründung schwimmende Schächte. Die Abmessungen der Schächte ergaben sich aus einem Lastausgleich, d.h. das Gewicht des ausgehobenen Baugrundes war etwa gleich gross wie die Pfeilerlast aus dem Eigengewicht der Brücke. Beim schwersten Pfeiler S4 folgte daraus eine Fundationstiefe von fast 40 m bei einem Schachtdurchmesser von 12,4 m. Die Pfeiler sind auf den Schachtkopfplatten mit je zwei Neotopf-Gleitlagern verschieblich gelagert. Bei den Pfeilern S4 und S5 sind die Lager aber planmässig blockiert. Zum Ausgleich der Hangbewegungen können die Pfeiler in die ursprüngliche Lage mittels Pressen zurückgeschoben werden. Die Lager des Pfeilers S4 sind für einen Verschiebungsweg von 50 cm ausgelegt und besitzen einen Durchmesser von 2,7 m sowie eine Tragkraft von 10500 t.

Zur Minimierung der Kriechbewegungen des Hanges wurde zusätzlich eine umfangreiche Oberflächen- und Tiefenentwässerung eingebaut.

Überbau

Das Bauwerk ist 678 m lang und hat acht Felder mit Stützweiten (von Süd nach Nord) von 35 m, 50 m, 80 m, 127 m, 174 m, 127 m, 50 m und 35 m. Bis auf den Randpfeiler S1 sind alle Pfeiler monolithisch (biegesteif) mit dem Überbau verbunden, wodurch als Bauwerkssystem in Längsrichtung ein fugenloses, durchlaufendes, im Grundriss gekrümmtes Rahmensystem vorhanden ist.

Die Hauptöffnung mit 174 m Stützweite wurde so gewählt, dass sie genau in der Mitte des geraden Strassenabschnittes liegt. Die 127 m langen Seitenöffnungen sind in den Kurven angeordnet. Der Überbau ist ein Hohlkasten, in Längs- und Querrichtung vorgespannt, mit 10 m Breite und einer Höhe zwischen 2,5 m und 5,0 m. Der Brückenbalken wird in den drei Hauptfeldern mit flachen Schrägabspannungen verstärkt, die aufgrund der im Grundriss gekrümmten Seitenfelder als Zugscheiben ausgebildet sind. Die Zugscheiben bestehen aus Spanngliedern, die in nachträglich hergestellten dünnwandigen Betonscheiben eingebettet und an den 15 m hohen Pfeilerköpfen verankert sind.

Als Mischung einer vorgespannten Balkenbrücke und einer Schrägkabelbrücke kann die Bauwerkkonstruktion heutzutage auch als Extradosed-Brücke bezeichnet werden. Die Hauptpfeiler des fugenlosen achtfeldrigen Rahmens sind maximal 150 m hoch.

Der Überbau der Hauptspannweiten wurde im Freivorbau errichtet. Dabei waren die im Endzustand gelenkig gelagerten Pfeiler S4 bis S6 mit einer provisorischen Fusseinspannung versehen.

Instandsetzung 2006 bis 2008

Seitenriss der Ganterbrücke

In den Jahren 2006 bis 2008 wurde die Brücke für insgesamt 10 Mio. SFR. saniert. Dabei wurden zum einen die Fahrbahn erneuert sowie die unzureichende Überdeckung der Bewehrung ersetzt. Gleichzeitig wurden die auf der Südseite stehenden Brückenpfeiler um bis zu 105 mm südwärts verschoben. Die nächste Nachstellung der Brückenpfeiler ist für das Jahr 2050 geplant. Zusätzlich kam es zur Montage von Webnet-Seil-Netzen als Barriere für Suizidgefährdete.

Trivia

Das Lied "Ganterbrigg - Ändschtatzion " der Walliser Sängerin Sina und auch das Lied "Dr Bus" der Walliser HipHop-Combo Jess-g-Gott beschäftigt sich mit der von Selbstmördern oft benutzten Brücke.

Literatur

  • Christian Menn, Hans Rigendinger:Ganterbrücke. Schweizer Ingenieur und Architekt, Vol.97 (1979), S.733–739
  • Thomas Vogel, Peter Marti, Orlando Monsch und Philipp Schelbert; Gesellschaft für Ingenieurbaukunst (Hrsg.): Christian Menn – Brückenbauer. 2. Auflage. vdf, Hochschulverlag AG an der ETH Zürich, Zürich 2009, ISBN 978-3-7281-3137-9.

Weblinks

 Commons: Ganterbrücke – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
46.2963888888898.0508333333333

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужен реферат?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Christian Menn — Die Sunnibergbrücke von Nordwesten Christian Menn (* 3. März 1927 in Meiringen) ist ein Schweizer Bauingenieur, emeritierter Professor an der ETH Zürich und Brückenbauer. Er ist ein weltweit anerkannter Fachmann für ästhetisch …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Autostraßen in der Schweiz — Die Liste der Autostrassen in der Schweiz führt alle nationale und kantonale Autostrassen auf. Auf nationalen Autostrassen besteht generell Vignettenpflicht, während kantonale davon befreit sind. Die Autostrassen Nummern sind dieselben, wie bei… …   Deutsch Wikipedia

  • Napoleonsstrasse — Simplonpass Kanton/Land: Wallis/Schweiz von nach: Brig (Schweiz) – Domodossola (Italien) Passhöhe …   Deutsch Wikipedia

  • Ried bei Brig — Ried Brig Basisdaten Kanton: Wallis Bezirk: Brig …   Deutsch Wikipedia

  • Sempione — Simplonpass Kanton/Land: Wallis/Schweiz von nach: Brig (Schweiz) – Domodossola (Italien) Passhöhe …   Deutsch Wikipedia

  • Simplon-Pass — Simplonpass Kanton/Land: Wallis/Schweiz von nach: Brig (Schweiz) – Domodossola (Italien) Passhöhe …   Deutsch Wikipedia

  • Steven Mack — (* 9. März 1986 in Volketswil) ist ein ehemaliger Schweizer Extremsportler. Mit 20 Jahren überlebte er bei einem verunglückten Pendelsprung einen Sturz aus 150 Metern Höhe von der Walliser Ganterbrücke. Nach seinem Unfall wurde er als blinder… …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Autostrassen in der Schweiz — Die Liste der Autostrassen in der Schweiz führt alle nationale und kantonale Autostrassen auf. Auf nationalen Autostrassen besteht generell Vignettenpflicht, während kantonale davon befreit sind. Die Autostrassen Nummern sind dieselben, wie bei… …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der höchsten Bauwerke in der Schweiz — Liste der höchsten Bauwerke in der Schweiz. Aufgeführt sind alle Bauwerkstypen. Bauwerk Baujahr Bauwerkstyp Ort Höhe in Meter Koordinaten Bemerkung Grande Dixence 1965 Staumauer Hérémence 285 !546.0805255507.4036475 …   Deutsch Wikipedia

  • Ried-Brig — Basisdaten Staat: Schweiz Kanton …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”