- Ganzheitliche Begriffssysteme
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Unter der Bezeichnung Begriffssystem (engl. Concept Scheme) lassen sich verschiedene Arten von Systemen aus Begriffen und ihren Bezeichnungen zusammenfassen, die durch Relationen, Definitionen, die Genetik oder Abstammung der Begriffssobjekte oder andere systematische Beziehungen miteinander verbunden sind. Wichtig ist, dass die einzelnen Begriffe (auch Konzepte, Klassen, Objekte, Entitäten, Elemente..) klar voneinander abgrenzbar sind. Weil Begriffe die iterative Eigenschaft besitzen, die darin besteht, Begriffe von Begriffen bilden zu können, so sind Begriffssysteme selbst auch als Begriffe zu bezeichnen.
Inhaltsverzeichnis
Beispiele für Begriffssystembildungen
- Der Begriff Familie ist selbst ein Begriffssystem, das aus den Relationen der Verwandtschaftsbeziehungen besteht.
- Alle Axiomensysteme der Mathematik, sind Begriffssysteme, deren Begriffe mit Ausnahme der axiomatischen Begriffe selbst durch Definitionen miteinander verbunden sind. z. B. die geometrischen Begriffe der euklidischen Geometrie wie Winkel, Dreieck, Quadrat, Rechteck, Trapez, usw.
- Die Begriffe Haut, Kopf, Gehirn, Leber, Magen, Niere, Blut, usw. sind genetisch miteinander verbunden, weil sie auf Objekte anwendbar sind, die als Organe eines Organismus aus einer befruchteten Eizelle hervorgegangen sind.
- Die Begriffe der biologischen Evolution zum Beschreiben der Arten, die evolutionär auseinander hervorgegangen sind, bilden ein Begriffssystem, deren Begriffe durch die gemeinsame Abstammung der mit den Begriffen bestimmten Arten miteinander verbunden sind.
Die Klassifikation von Begriffssystemen aufgrund ihrer Struktur
Hierarchische Begriffssysteme
Zirkelfreie definitorische Begriffssysteme heißen hierarchiste Begriffssysteme. Ihre semantische Abhängigkeitsstruktur der Begriffe untereinander zeigt die einer einseitigen Abhängigkeit von Begriffshierarchien, weil das Definiendum (das Zudefinierende) vom Definiens (das Definierende) abhängt und nicht umgekehrt. In hierarchischen Begriffssystemen gibt es stets undefinierte Grundbegriffe, so wie dies bei allen Axiomensystemen der Fall ist. Die aus den Axiomen abgeleiteten Begriffe bilden hierarchische Begriffssysteme aus. Aber auch alle Begriffssysteme, mit denen eindeutige Abstammungsverhältnisse beschrieben werden, besitzen die Struktur hierarchischer Begriffssysteme. Dies gilt auch für die Erkenntnisse, die im Zeitverlauf im Rahmen von sogenannten Normalwissenschaften gewonnen werden[1].[2]
Ganzheitliche Begriffssysteme
Begriffssysteme, deren Begriffe untereinander in einer gegenseitigen Bedeutungsabhängigkeit stehen, heißen ganzheitliche Begriffsysteme. Versucht man, eine definitorische Beziehung zwischen den Begriffen ganzheitlicher Begriffsysteme aufzustellen, so endet dies stets in Zirkeldefinitionen. Daß in den mathematischen Axiomensystemen derartige definitorische Zirkel auftreten, wenn man versucht, die undefinierten axiomatischen Grundbegriffe nach den Lösungsverfahren von Gleichungssystemen zu bestimmen, hat zuerst Gottlob Frege, herausgefunden.[3] Demnach bilden die undefinierten axiomatischen Grundbegriffe eines Axiomensystems ganzheitliche Begriffssysteme aus.[4]
Begriffspaare
Die einfachsten ganzheitlichen Begriffssysteme sind Begriffspaare (wahr - falsch, groß-klein, digital-analog, links - rechts, männlich - weiblich, Form - Inhalt, Allgemeines - Einzelnes, hierarchisch - ganzheitlich, usw.), bei denen zwei Begriffe durch eine Bedeutungsbeziehung wie etwa in einer Antonymbeziehung oder auch in einer Komplementsbeziehungen miteinander verbunden sind.
Begriffstripel
Begriffstripel sind ganzheitliche Begriffssysteme mit drei Begriffen, wie z. B. vergangen - gegenwärtig - zukünftig, plus - neutral - minus, Äußeres - Grenze - Inneres, Ursache - Wirkung - verbindende Regel (Gesetz), Mögliches, Wirkliches, Verwirklichendes. Auch die Axiomensysteme mit drei undefinierten Grundbegriffen bilden ein Begriffstripel aus.
Begriffs-n-tupel
Alle ganzheitlichen Begriffssysteme, die weder Paare noch Tripel sind, werden zusammenfassend als Begriffs-n-tupel bezeichnet, wobei n für die Anzahl der Begriffe steht, aus denen sich das ganzheitliche Begriffssystem zusammensetzt. So sind etwa die ganzheitlichen Begriffssysteme, die aus den Begriffen bestehen, durch die die Organe eines Organismus oder die Teile eines Regelsystems gegeben sind, Begriffs-n-tupel, wobei es bei den Organismen kaum möglich ist, die Anzahl n exakt zu bestimmen.
Vielfalt und Verwendung von Begriffssystemen
Die Vielfalt verschiedener Begriffssysteme reicht von einfachen Nachschlagewerken, Lexika und Glossaren über Terminologien, Klassifikationen und Thesauren bis hin zu formalen Schemata, die von einfachen Attributlisten bis zu komplexen Ontologien reichen können.
In der Praxis werden Begriffssysteme oft zur Wissensorganisation und Wissensrepräsentation eingesetzt. Mit wachsendem Einsatz verschiedener Begriffssysteme spielt die Kompatibilität zwischen ihnen eine entscheidende Rolle. Begriffe aus verschiedenen Systemen können aufeinander abgebildet und verbunden werden (→ semantisches Web).
Quellen
- ↑ Vgl. Thomas S. Kuhn, Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen, Original: The Structure of Scientific Revolutions, übers. von Hermann Vetter, Suhrkamp Verlag, Frankfurt/Main 1976, ISBN 3-518-27625-5.
- ↑ Zum Begriff hierchisches Begriffssystem vgl. W. Deppert, Hierarchische und ganzheitliche Begriffssysteme, in: G. Meggle (Hg.), Analyomen 2 - Perspektiven der analytischen Philosophie, Perspectives in Analytical Philosophy, Bd. 1. Logic, Epistemology, Philosophy of Science, De Gruyter, Berlin 1997, ISBN 3-11-015253-3, S. 214-225.
- ↑ Vgl. Über die Grundlagen der Geometrie, Jahresbericht der Deutschen Mathematiker-Vereinigung, 12. Band, 1903, S. 319-324, S. 368-375, abgedruckt in: Gottlob Frege, Kleine Schriften, Hrsg. von Ignacio Angelelli, Hildesheim 1967.
- ↑ Beim genauen Studium von Kants Kritik der reinen Vernunft fällt auf, daß er die Unterscheidung von ganzheitlichen und hierarchischen Begriffssystemen bereits macht, nur daß er sie nicht so nennt. Vgl. dazu etwa §11 B112f.
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