Gerhard P.J. Thiele

Gerhard P.J. Thiele
Gerhard Thiele
Gerhard Thiele


Land (Behörde): Deutschland (DLR/ESA)
Datum der Auswahl: 3. August 1987
Anzahl der Raumflüge: 1
Start erster Raumflug: 11. Februar 2000
Landung letzter Raumflug: 22. Februar 2000
Gesamtdauer: 11d 5h 39min
Ausgeschieden: Oktober 2005
Raumflüge

Gerhard Paul Julius Thiele (* 2. September 1953 in Heidenheim an der Brenz) ist ein deutscher Physiker und ehemaliger Wissenschaftsastronaut.

Inhaltsverzeichnis

Schule und akademische Ausbildung

Nach Schulbesuchen in Aalen und Lahr ging Thiele ab 1967 auf das Friedrich-Schiller-Gymnasium in Ludwigsburg, wo er besonders gute Leistungen in den Fächern Mathematik, Physik und Chemie hatte. Aber auch sportlich gehörte er zu den Herausragenden am Gymnasium und war Sportreferent für Handball.

Im Anschluss an die erfolgreiche Abiturprüfung 1972 meldete sich Thiele als Zeitsoldat. Vier Jahre lang versah er seinen Dienst bei der Bundesmarine, fuhr auf dem Segelschulschiff Gorch Fock und war ab 1974 Waffenoffizier auf einem Schnellboot in der Flensburger Förde. Seit 1983 ist er ein anerkannter Kriegsdienstverweigerer.

Danach nahm Thiele sein Physikstudium auf. Zunächst lernte er ab 1976 an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München und legte nach zwei Jahren sein Vordiplom ab. Einer seiner Professoren an der LMU riet ihm zu einem Uni-Wechsel, um flexibel zu sein. So entschied sich Thiele, nach Heidelberg in Baden-Württemberg zu gehen. Dort konnte er neben Physik auch Astronomie studieren.

Thiele schrieb sich an der Ruprecht-Karls-Universität ein und setzte am Institut für Umweltphysik sein Studium fort. Gleichzeitig besuchte er das Max-Planck-Institut für Astronomie, wo er 1980 ein Diplom erhielt. Danach ließ er sein Studium für zwei Semester ruhen und reiste 1981 durch Panama, Kolumbien und Ecuador. Zurück in Deutschland bestand er im Januar 1982 die Hauptprüfung zum Diplomphysiker. Anschließend war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Umweltphysik. Dort befasste er sich vor allem mit den Umwelteinflüssen auf die Weltmeere und erforschte die großräumige Zirkulation der Wasseratmosphäre. Über dieses Thema schrieb er auch seine Doktorarbeit, für die er im Juli 1985 seine Promotion erhielt.

Ab Januar 1986 arbeitete Thiele als Gastwissenschaftler an der Princeton University in New Jersey, wo er am Program in Atmospheric and Ocean Sciences im Bereich Klimaforschung tätig war.

Raumfahrertätigkeit

Im August 1986 hatte die damalige Deutsche Forschungs- und Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt (DFVLR) – Vorgängerin des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt – im Auftrag des Bundesforschungsministeriums in allen großen Tageszeitungen nach Wissenschaftsastronauten für den zweiten deutschen Spacelab-Flug (D-2) gesucht. Gefordert wurde ein abgeschlossenes Hochschulstudium in Physik, Chemie, Biologie, Medizin, oder Ingenieurwissenschaften sowie eine mehrjährige Forschungstätigkeit. Darüber hinaus war ein Doktorgrad in den genannten Bereichen von Vorteil. Ein guter psychischer und physischer Allgemeinzustand sowie ausgezeichnete Englischkenntnisse verbunden mit einer Altershöchstgrenze von 35 Jahren wurden vorausgesetzt.

Der damalige Forschungsminister Riesenhuber stellte die fünf Finalisten, die aus 1799 Bewerbungen hervorgegangen waren, im August 1987 der Öffentlichkeit vor. Neben Thiele verstärkten die Lehrerin und Meteorologin Renate Brümmer, die Ärztin Heike Walpot sowie die Physiker Ulrich Walter und Hans Schlegel das deutsche Astronautenkorps.

Die fünf Raumfluganwärter begannen im März 1988 am Sitz der DFVLR in Köln mit dem eigentlichen Astronautentraining (erste Schnupperkurse gab es bereits vorher, so unternahm die Gruppe Ende 1987 in den USA ihre ersten Parabelflüge). 1990 kamen mit Ausnahme von Walpot alle als Nutzlastspezialisten für den zweiten deutschen Spacelab-Flug (D-2) in die engere Wahl. Seitdem trainierten die vier Deutschen abwechselnd in Köln sowie in Huntsville am Marshall-Raumflugzentrum und dem Johnson Space Center in Houston. Ein Jahr vor dem Flug fiel die endgültige Wahl auf Walter und Schlegel.

Während Schlegel und Walter im Frühjahr 1993 an Bord der Raumfähre Columbia die Spacelab-Mission D-2 durchführten, waren Thiele, Brümmer und Walpot im DLR-Zentrum in Oberpfaffenhofen (Bayern) für den Funkverkehr mit den zwei Wissenschaftlern zuständig.

Bevor Thiele ab Herbst 1995 für ein Jahr das Trainingszentrum des deutschen Astronautenkorps in Köln leitete, gehörte er der Strategiegruppe des DLR-Programmdirektors Raumfahrt an. Anschließend sandten ihn die DARA und das DLR nach Houston zum Johnson Space Center. Zusammen mit der 17. Astronautengruppe der NASA absolvierte er die zweijährige Ausbildung zum Missionsspezialisten.

Thiele, der seit dessen Gründung 1998 dem europäischen Astronautenkorps der ESA angehörte, wurde kurz nachdem er das Zertifikat als Missionsspezialist ausgehändigt bekam, in die Mannschaft des Space-Shuttle-Fluges STS-99 berufen.

Thiele fotografiert die Erde

STS-99, die sogenannte Shuttle Radar Topography Mission, kartografierte im Februar 2000 achtzig Prozent der Landmasse der Erde. Zwei Radarsysteme (eines in der Nutzlastbucht des Shuttles, das andere an einem sechzig Meter langen Mast montiert) tasteten die Erdoberfläche ab. Das Resultat war ein digitales dreidimensionales Modell der Erde von bisher nicht gekannter Genauigkeit. Um ein Arbeiten rund um die Uhr zu ermöglichen, war die sechsköpfige Besatzung in zwei Teams aufgeteilt, die im 12-Stunden-Betrieb arbeiteten. Thiele bildete mit Kommandant Kregel und Missionsspezialistin Kavandi das Rote Team.

Thiele blieb nach dem Flug in den USA und arbeitete als CapCom für die NASA. Er war der erste ESA-Raumfahrer, dem diese Aufgabe übertragen wurde. Im August 2001 kehrte er nach Deutschland zurück und übernahm die Leitung des Astronautenzentrums (EAC) der ESA in Köln.

Nachdem Thiele im Januar 2003 als Ersatzmann für seinen niederländischen Kollegen André Kuipers für einen Besuch auf der Internationalen Raumstation (ISS) aufgestellt wurde, reiste er im Mai nach Moskau zum Juri-Gagarin-Kosmonautentrainingszentrum. Als Kuipers im April 2004 für zehn Tage zur ISS flog, betreute Thiele die Mission vom Boden aus. Anschließend verabschiedete er sich vom aktiven Dienst, kehrte zum EAC zurück und leitet seitdem die Ausbildung der europäischen Raumfahrer.

Sonstiges

Thiele ist Träger des Bundesverdienstkreuzes Erster Klasse und der Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg. Er ist verheiratet und hat vier Kinder.

Siehe auch

Weblinks und Belege


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