Geschichte des Islam in Deutschland

Geschichte des Islam in Deutschland

Die Geschichte des Islams in Deutschland beginnt im frühen 18. Jahrhundert. Mit einzelnen islamischen Ländern, beginnend mit dem Osmanischen Reich, entwickelte Deutschland engere diplomatische Beziehungen, doch erst 1914 wurde die erste funktionierende Moschee auf deutschem Boden errichtet.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

Nach der Abwehr der ersten Belagerung im Jahre 1529 erlebte die Stadt Wien 1683 die zweite Belagerung durch die Osmanen. Die mit „Türkennot“ bezeichnete Angst vor der Türkengefahr prägte das Lebensgefühl ganz Europas. Auch Fürsten aus Deutschland beteiligten sich an der Verteidigung Wiens. Muslimische Kriegsgefangene mögen sich an den verschiedenen Höfen zu einigen hunderten befunden haben. Die Mehrheit wurde getauft oder kehrte in ihre Heimat zurück. Die Hinterlassenschaft dieser Muslime in Deutschland bestand im besten Fall in einer Grabstätte. Die ältesten bekannten und erhaltenen Grabstätten sind die des sechsjährigen Mustaf in Brake von 1689 sowie von Hammet und Hassan in Hannover von 1691.

18. und 19. Jahrhundert

1701 kam der erste offizielle osmanische Diplomat, Mektupçu Azmi Said Efendi, in das damalige Heilige Römische Reich. Anlass für diesen Besuch war die Krönung Friedrichs I. am 18. Januar 1701 im Königsberger Schloss zum König in Preußen.[1] Dessen Sohn, König Friedrich Wilhelm I., erhielt vom Herzog von Kurland zwanzig großgewachsene türkische Gardesoldaten als Geschenk für sein Garderegiment der Langen Kerls. Nach Muhammad Salim Abdullah ließ Friedrich Wilhelm I. mit dem Dekret zu Potsdam 1731 für diese Muslime am Langen Stall in Potsdam einen Saal als „erste Moschee“ errichten, zudem sei spätestens im Jahr 1739 die erste islamische Gemeindegründung auf deutschem Boden erfolgt. Der katholische Theologe Thomas Lemmen widerspricht dieser These: aus einer zeitgenössischen Quelle gehe hervor, die besagten Muslime hätten sich nur vorübergehend dort aufgehalten. In den Collectaneen (Sammlungen) des Samuel Gerlach (1711-1786), die 1883 in den Mittheilungen des Vereins für die Geschichte Potsdams abgedruckt wurden, heißt es:

Den 22 großen Türken, welche dem in der Folge unglücklichen Herzog von Curland, in dem Kriege, welchen Rußland mit den Türken führte, in die Hände gerathen waren und die dieser Herzog A. 1739 unserm Könige zum Präsent machte, ward, ihren Muhamedanischen Gottesdienst abzuwarten im Königlichen Waysenhause auch ein eigenes Zimmer angewiesen, und wer weiß, was der König mehr gethan hätte, wenn er sie hätte behalten wollen, sie wurden aber aus Königlicher Großmuth allesammt wieder auf freyem Fuß gestellet und mit Geschenken wieder in ihr Vaterland zurück geschickt.“

Der Nachfolger Friedrich Wilhelms I., Friedrich der Große, bekannte sich in seiner Antwort auf eine Anfrage der Stadt Frankfurt am Main aus dem Jahre 1740, ob ein Katholik das Bürgerrecht in einer evangelischen Stadt erwerben dürfe, umfassend zur Religionsfreiheit:

„Alle Religionen seindt gleich und guht, wan nuhr die Leute, so sie profesieren (= ausüben), erliche Leute seindt, und wen Türken und Heiden kähmen und wolten das Land pöbplieren (= bevölkern), so wollen wier sie Mosqueen und Kirchen bauen“.

In der zaristischen Armee Russlands ging 1760 das Gerücht um, der türkische Sultankalif plane aus Freundschaft zu Preußen den „Heiligen Krieg“ gegen Russland auszurufen. Dies führte dazu, dass die zahlreich in der russischen Armee dienenden muslimischen Soldaten zu den Preußen überliefen. Aus ihnen wurde im Jahr 1762 ein selbstständiges „Bosniakenkorps“ mit ca. 1000 Mann gebildet. Die Verbindungen intensivierten sich weiter, beruhten aber lange nicht auf Gegenseitigkeit. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts war ein Aufschwung der deutschen militärischen und diplomatischen Tätigkeiten in der Türkei zu verzeichnen. Seit 1763 gab es in Berlin eine ständige osmanische Gesandtschaft, doch erst 1877 wurde die Deutsche Botschaft Konstantinopel eröffnet, und auch die Deutsche Militärmission im Osmanischen Reich entwickelte ihre beraterische Tätigkeit im Dienste der Osmanischen Armee hauptsächlich in der Bismarck-Ära.

Die Architektur im Deutschland des 18. Jahrhunderts machte einige Anleihen in der orientalischen Bauweise. Im sogenannten „Türkischen Garten“ des pfälzischen Kurfürsten Carl-Theodor entstand im Schlosspark von Schwetzingen als Mittelpunkt ein „Moschee“ genanntes Gebäude, welches aber nicht als Gebetsstätte konzipiert war und (nach Lange/1994) wie andere orientalisierende Bauwerke auch nicht so genutzt wurde. Laut Muhammad Salim Abdullah wurde sie hingegen ab 1870/71 von kriegsgefangenen Zuaven und Turkos als Gebetsstätte verwendet.

Am 29. Oktober 1798 verstarb der dritte osmanische Gesandte, Ali Aziz Efendi. Der preussische König stellte zu seiner Bestattung ein Gelände zur Verfügung. Es folgte noch ein Tausch des Geländes. Dieses neue Gelände bildete den Grundstein des bis heute benutzten türkischen Friedhofs am Columbiadamm.

Preußisch-deutsche Muslime kämpften in den Feldzügen Friedrich des Großen und in der Schlacht bei Preußisch Eylau am 7. und 8. Februar 1807 gegen Napoleons Armee.

20. Jahrhundert bis 1945

Postkarte von der Holzmoschee des Halbmondlagers

Der Stifter des Internationalen Sufi-Ordens, Hazrat Inayat Khan, machte 1910 auf einer Reise in die USA auch in Deutschland Station.

Auf Betreiben der Nachrichtenstelle für den Orient wurde seit Beginn des Ersten Weltkrieges das Halbmondlager in Wünsdorf bei Zossen in der Nähe von Berlin errichtet, in dem bis zu 30'000 meist muslimische Kriegsgefangene interniert waren. Mit geringem Erfolg wurde versucht, die Gefangenen zum Überlaufen auf die deutsche Seite zu bewegen. Dies geschah vor allem dadurch, dass den Gefangenen die Befolgung des Fastenmonats Ramadan ermöglicht wurde und 1914/1915 im Halbmondlager die erste funktionierende Moschee auf deutschem Boden gebaut wurde. Nach dem Ersten Weltkrieg blieb eine Reihe muslimischer Exilanten und Flüchtlinge vornehmlich in Berlin. Wegen Einsturzgefahr wurde die aus Holz gebaute Moschee 1924 geschlossen und 1925/26 abgerissen. Allein die „Moscheestraße“ und einige Soldatengräber erinnern noch an sie.

In der Folgezeit wurden einige Vereine gegründet, die das muslimische Leben in Deutschland befördern sollten. Im Jahre 1918 wurde der Verein zur Unterstützung russisch-mohammedanischer Studenten e.V. und der Hilfsverein in Deutschland lebender Mohammedaner e.V. gegründet. Im Jahr 1922 schlossen sich die in Berlin lebenden Angehörigen des Islam aus 41 Nationen, vornehmlich Ahmadiyya-Anhänger zur Islamischen Gemeinde Berlin e.V. zusammen. Als ihr Gründer gilt der indische Imam Maulana Sadr ud-Din, welcher 1939 die erste deutsche Koranübersetzung aus muslimischer Hand anfertigte. 1924 folgte die Gründung der Gesellschaft für islamische Gottesverehrung e.V.

Vornehmlich aus den Ländern Ost- und Südosteuropas zogen islamische Studenten, Akademiker und Intellektuelle nach Deutschland. Es entwickelte sich in der Folge ein reges islamisches Gemeindeleben, dem sich auch deutsche Konvertiten anschlossen. Noch heute zeugt die 1924 grundgelegte Wilmersdorfer Moschee davon, die damals „Berliner Moschee“ hieß. Diese Ahmadiyya-Gemeinde publizierte im Zeitraum von 1924-1940 die Zeitschrift Moslemische Revue.

1927 gründete sich das als „fromme Stiftung" nach islamischem Recht konzipierte Islam-Institut zu Berlin. Auf die Tradition des Instituts beriefen sich zwei später formierte Vereine, das „Islam Institut zu Berlin e.V.“ und das „Islamische Zentral-Institut zu Berlin“, worin sich eine Uneinigkeit innerhalb der muslimischen Gemeinschaft jener Tage widerspiegelt.

Am 30. Mai 1930 erfolgte, von Muhammad Nafi Tschelebi angeregt, die Gründung der Deutschen Moslemgemeinde, die später als Deutsch-Muslimische Gesellschaft e.V. firmiert. Dabei handelte sich im Grunde nur um eine Umbenennung der bestehenden Gemeinde in der Brienner Straße, die heute noch unter dem Namen „Islamische Gemeinde Berlin“ besteht. Dadurch sollte zum einen Offenheit für Konvertiten, zum anderen die Loyalität zu Deutschland bekundet werden. Muhammad Nafi Tschelebi, ein syrischer Student an der technischen Universität Charlottenburg, war eine der herausragendsten Persönlichkeiten der Muslime dieser Zeit in Deutschland. Unter ungeklärten Umständen kam er zu Tode. Seine Leiche wurde im Sommer 1933[2] am Ufer eines Sees im Grunewald gefunden. Seinerzeit lebten in Deutschland etwa tausend Muslime, darunter 300 deutsche Konvertiten. Am 31. Oktober 1932 gründete sich der Verein Islamischer Weltkongress/Zweigstelle Berlin, der am 31. Mai 1933 in das Vereinsregister beim Amtsgericht Berlin-Lichterfelde eingetragen wurde. Dieser Verein schuf mit einem „Islam-Kolloquium“ die erste moslemische Bildungseinrichtung auf deutschem Boden, welches heute zum Zentralinstitut Islam-Archiv Deutschland gehört. Der 1986 gegründete Islamrat sieht sich als Rechtsnachfolger des Vereins Islamischer Weltkongreß/Zweigestelle Berlin. Zu den Gründungsmitgliedern des Islamrates gehören der VIKZ, die sufische Gemeinschaft „Les amis de l’Islam e.V.“, die „Jama’at un-Nur Köln e.V.“, und der Islamische Weltkongreß / Deutsche Sektion e.V., der sich 1997 mit dem „Islamischen Weltkongreß Deutschland“ (altpreußischer Tradition) e.V. zusammenschloss.

1939 wird das Islam Institut (Ma’ahad-ul-Islam) zu Berlin e.V. gegründet. Am 21. September 1941 gründete der ägyptische Journalist Kamal Eldin Galal im Restaurant „Berliner Kindl“ am Kurfürstendamm das „Islamische Zentral-Institut zu Berlin e.V.“, das spätere Zentralinstitut Islam-Archiv-Deutschland e.V., das seit 1981 seinen Sitz in Soest hat. Galal arbeitete unter dem Decknamen Baschir Sufian wie die meisten Mitarbeiter des neugegründeten Instituts auch als Journalist für das Auswärtige Amt. 1942 erhielt das Archiv den Rechtsstatus eines eingetragenen Vereins.

Im Juni 1941 schlugen die Engländer einen Putsch im Irak unter Führung von Ministerpräsident Raschid Ali al-Gailani nieder. Ein Anführer, Mohammed Amin al-Husseini floh über Teheran und Italien nach Berlin, wo er am 6. November 1941 eintraf. Dort nannte er sich fortan „Großmufti von Palästina“, auf sein Verlangen wurde ihm „eine größere Judenwohnung“ zur Verfügung gestellt. Hitler empfing ihn persönlich. Bei der Einweihung des Instituts im Prinz-Albrecht-Palais wurde el-Husseini als „Führer der arabischen Welt“ von der Islamischen Gemeinde begeistert empfangen. Dabei erklärte er, die Juden seien die „erbittertsten Feinde“ der Muslime, seit jeher ein „zersetzendes Element“ und „das Weltjudentum“ hätte den Zweiten Weltkrieg entfesselt. Von Berlin aus intervenierte el-Husseini bei verschiedenen Behörden, um die Auswanderung der Juden nach Palästina zu verhindern. Als Adolf Eichmann im Mai 1943 den Engländern vorschlug, 5.000 jüdische Kinder aus Bulgarien nach Palästina emigrieren zu lassen, protestierte el-Husseini mit Erfolg dagegen. Stattdessen wurden die Kinder nach Polen in den sicheren Tod deportiert. Amin el-Husseini gab zu Protokoll, dass er die Juden „am liebsten alle umgebracht“ sähe.[3] Im Jahr 1944 reiste Amin el-Husseini mehrfach nach Bosnien, wo er im Auftrag der SS muslimische Regimenter rekrutierte, u.a. die bosniakische Waffen-Gebirgs-Division-SS Handschar. SS-Führer Heinrich Himmler schwärmte von einer „weltanschaulichen Verbundenheit" zwischen Nationalsozialismus und Islam. Bei Kriegsende floh Amin el-Husseini im Mai 1945 für einige Tage in die Schweiz und gelangte von Frankreich aus nach Kairo und dann in den Libanon. Er hatte die Unterstützung der Arabischen Liga und finanzierte mit dem von den Nazis erhaltenen Geld die Arab Liberation Army.[4]

Geschichte seit 1945

Siehe auch

Anmerkungen

  1. Petra Kappert, Ruth Haerkötter, Ingeborg Böer : Türken in Berlin 1871 - 1945, de Gruyter Verlag Berlin 2002, ISBN 3-11-017465-0
  2. Gerhard Höpp: Muslime unterm Hakenkreuz
  3. Bezugsangabe
  4. Bezugsangabe

Weblinks


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