- Geschichte des Staates Albanien
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Inhaltsverzeichnis
Vorgeschichte
Erste Spuren von menschlicher Besiedlung auf dem Gebiet des heutigen Staates Albanien stammen aus der Altsteinzeit. Den Funden aus Xara südlich von Saranda und Gajtan bei Shkodra wird ein Alter von bis zu 100.000 Jahren zugeordnet. Für die Periode von etwa 30.000 bis 10.000 v. Chr. wurden rund ein Dutzend Siedlungsorte nachgewiesen.
Sehr zahlreich sind die Funde aus der Jungsteinzeit. Die Menschen wurden sesshaft. Im Kreis Korça wurden bei Dunavec und Maliq größere Siedlungen im Stil von Pfahlbauten gefunden. Aus dieser Zeit stammen auch zahlreiche wertvolle Keramiken. Während der Kupfersteinzeit wurde auch in Albanien Kupfererz gewonnen. Während der Bronzezeit entstanden erste Befestigungsanlagen.
Die Eisenzeit ging mit großen Umbrüchen einher, die im Zusammenhang mit den einwandernden Indogermanen zu sehen sind. Vor allem in Nordalbanien wurde Eisenerz abgebaut, was auch den überregionalen Warenaustausch förderte. Es entstanden immer größere Befestigungen sowie – als neues Bestattungsritual – zahlreiche Hügelgräber, zu deren bedeutendsten diejenigen von Pazhok (Elbasan), Barça (Korça) und Piskova (Përmet) zählen. Aus der Region des Kleinen Prespasees stammen die ältesten Höhlenmalereien Albaniens (bei Tren), die ebenfalls in dieser Zeit entstanden.
Antike
In der Antike war der westliche Balkan und damit auch das Gebiet des heutigen Albanien von illyrischen Stämmen besiedelt, die vermutlich zu den Vorfahren der Albaner gehören. Seit dem 6. Jahrhundert vor Christus entstanden an der albanischen Küste griechische Kolonien. So sind zum Beispiel die Städte Lezha (griech. Lissos), Durrës (griech. zuerst Epidamnos, später Dyrrachion), Apollonia und Butrint (griech. Buthroton) Gründungen griechischer Siedler gewesen. Seit dem 5. Jahrhundert gelang es einigen illyrischen Stammesfürsten, kurzlebige Reiche zu gründen, die nach dem Tod des jeweiligen Potentaten zumeist schnell wieder zerfielen. 250 - 231 v. Chr. herrschte König Agron, über ein ausgedehntes Reich von Epirus im Süden bis Dalmatien im Norden. Ihm folgte Teuta als Königin der Illyrer (231 - 229 v. Chr.). Sie stützte sich auf eine eigene Flotte, deren Raubzüge auch den Handel der römischen Republik gefährdeten. Die Römer wollten diese Gefahr ausschalten und begannen deshalb mit der Expansion nach Illyrien. 229 - 228 kam es zum ersten von zwei Römisch-Illyrischen Kriegen, in dessen Ergebnis die Griechenstädte Apollonia und Dyrrachium in Mittelalbanien römisches Protektorat wurden. Die vollständige Integration Illyriens in das Römische Reich war erst unter Kaiser Augustus abgeschlossen. 27 v. Chr. wird unter Einbeziehung Dalmatiens und Pannoniens die Provinz Illyrien eingerichtet.
Das Christentum hat sich in Albanien früh ausgebreitet. Der Apostel Paulus hat nach eigener Aussage das Evangelium bis nach Illyrien gebracht (Röm 15,19) und Apollos soll nach altkirchlicher Tradition Bischof in Durrës gewesen sein. Christliche Sakralbauten gab es, wie archäologisch nachgewiesen wurde, seit dem 4. Jahrhundert. Als 395 das Römische Reich in eine westliche (lateinische) und eine östliche (griechische) Hälfte geteilt wird, fällt der nördliche Teil Albaniens an das Westreich, der Süden an das Oströmische bzw. Byzantinische Reich. Deshalb ist unter den christlichen Konfessionen bis heute die katholische in Nordalbanien die dominierende, im Süden dagegen gibt es vor allem orthodoxe Christen.
Mittelalter
Chronologie Mittelalter nach
600Vordringen und Ansiedlung der Slawen in Albanien ca. 880
- 1014Mittel- und Südalbanien Teil des Bulgarischen Reiches 1081 Einfall der Normannen in das unter byzantinischer
Herrschaft stehende Albanien1190-1216 Fürstentum Arbanon in Mittelalbanien 1204 Vierter Kreuzzug, Zerfall des byzantinischen Reiches,
das Despotat Epirus tritt in Albanien an seine Stelle1267-
1272Karl von Anjou, König von Neapel, erobert Teile von
Epirus sowie Durrës. Er nennt sich Rex Albaniae.ca. 1345
-1355Albanien ist Teil des serbischen Reiches unter
dem Zaren Stefan Dušan1359-
1388Fürstentum Karl Thopias (princeps Albaniae)
in Mittelalbanien1360-
1421Fürstentum der Ballsha in Nordalbanien und Montenegro 1385 Schlacht von Savra: Karl Thopia besiegt mit türkischer Hilfe
Balša II., erstmals osmanische Truppen in Albanien1417 Berat erstmals unter osmanischer Herrschaft
(dauerhaft ab 1450)1443-
1468Skanderbeg, Fürst von Kruja und Führer der Liga von Lezha
leistet den Osmanen 25 Jahre erfolgreich Widerstand1479 Die Venezianer geben Lezha und Shkodra auf,
ganz Albanien unter osmanischer HerrschaftNach dem Zerfall des römischen Reiches gehörte das Gebiet des heutigen Albaniens zum Byzantinischen Reich. Am Ende der Völkerwanderung siedelten sich in weiten Teilen Albaniens auch Slawen an. Zahlreiche slawische Ortsnamen erinnern bis heute daran. Mittel- und Südalbanien waren ab Ende des 9. Jahrhunderts Teil des Bulgarischen Reiches. Von Ohrid aus wurde die bulgarische Kirchenorganisation nach Westen ausgedehnt. So wurde das Bistum Berat als Suffragan von Ohrid im 10. Jahrhundert wiedererrichtet.
Zwischen 980 und 1014 wurden die albanischen Gebiete von den Byzantinern schrittweise zurückerobert. Seit Ende des 11. Jahrhunderts führten mehrere Kriegszüge süditalienischer Normannenheere in Richtung Thessaloniki durch Albanien. Am 18. Oktober 1081 schlug Robert Guiskard den byzantinischen Kaiser Alexios I. Komnenos in der Schlacht bei Durrës. Die Normannen konnten sich aber nicht auf Dauer an der albanischen Küste behaupten.
Im Jahr 1190 gelang es dem Progon, dem Archon von Kruja seinen Amtsbezirk von den Byzantinern unabhängig zu machen. Zum ersten Mal begründete ein albanischer Adliger ein eigenes Fürstentum. Dieses in den byzantinischen Quellen Arbanon genannte Fürstentum existierte bis 1216; in jenem Jahr wurde es vom epirotischen Despoten Theodoros I. Angelos erobert.
Als Folge des 4. Kreuzzugs (1204) brach die byzantinische Herrschaft auch in Albanien zusammen. Es zerfiel in zahlreiche kleine Fürstentümer oder wurde zeitweise von auswärtigen Mächten (Bulgarien, Serbien, Königreich Neapel, Epirus, Venedig) beherrscht. So brachte Manfred von Sizilien 1257 durch seine Heirat mit Helena von Epirus Durrës, Vlora und Berat in seinen Besitz. Nach Manfreds Tod und der Gefangennahme der Königin (1266) hielt Filippo Chinardo - Verwalter der albanischen Mitgift, diese Gebiete zusammen mit dem lokalen Adel weiter für Helena. Michael II. von Epirus ließ Chinardo ermorden, konnte sich aber nicht gegen dessen Gefolge durchsetzen. Die Ritterschaft behielt die Gebiete sowie auch Korfu und wählte Garnier de Aleman zum Regenten.
Auf Dauer war der Widerstand gegen Epiros aber aussichtslos. Deshalb wurde de Aleman 1267 Lehensmann Karls von Anjou, dem neuen König von Neapel. Nachdem Karl seine Königsmacht in Italien abgesichert hatte, begann er gestützt auf das Lehensverhältnis mit der Eroberung Albaniens. 1272 ließ er sich vom einheimischen Adel und den ansässigen fränkischen Rittern huldigen und begründete so ein kurzlebiges Regnum Albaniae, das die Küstengebiete von Durrës bis Vlora umfasste. Albanien sollte Karl aber nur als Ausgangsbasis für die weitere Expansion auf dem Balkan dienen. Das eigentliche Ziel war Konstantinopel. Nach der Rückeroberung Konstantinopels durch die Truppen der Byzantiner (1261) ging Kaiser Michael VIII. auch im Westen in die Offensive. So gelang es, die Anjou weitgehend aus der Romania zu vertreiben (1281) und ein letztes Mal herrschte Byzanz über Teile Albanien.
1343-1347 konnte der serbische Zar Stefan Dušan das Gebiet des heutigen Albanien seinem Reich angliedern. Schon bald nach seinem Tod im Jahr 1355 gewannen die lokalen Fürsten ihre Unabhängigkeit zurück. Im 14. Jahrhundert konnte sich der einheimische Fürst Karl Thopia ein größeres Herrschaftsgebiet schaffen. Ab 1392 sicherte sich Venedig die Herrschaft über verschiedene Orte und mischte sich in die internen Auseinandersetzungen und die Abwehr der Osmanen ein. Anfang des 15. Jahrhunderts war die Familie Ballsha aus dem gleichnamigen Ort Ballsh (serbisch: Balšici) bedeutend.
Während der unübersichtlichen Machtverhältnisse im Hoch- und Spätmittelalter vollzog sich die Ethnogenese des albanischen Volkes. Dieser Vorgang ist wenig erforscht und sein Verlauf unter Historikern umstritten. Die albanische Ethnie scheint in den mittel- und nordalbanischen Gebirgslandschaften entstanden zu sein. Es handelte sich um eine Wanderhirtenkultur (im Sommer in den Bergen, im Winter in den Küstenebenen). Diese Mobilität scheint die Ausbreitung der Albaner und ihrer Sprache im Mittelalter sehr begünstigt zu haben. Jedenfalls sind sie bereits im 14. Jahrhundert in größerer Zahl in Thessalien bezeugt. Zur selben Zeit waren sie in weiten Teilen des heutigen Albanien sowie in Teilen von Kosovo und Epirus die größte ethnische Gruppe.
In der Mitte des 15. Jahrhunderts gelang es dem Fürsten Skanderbeg aus Kruja, die Albaner zum zeitweise erfolgreichen Abwehrkampf gegen die Osmanen zu einen (Liga von Lezha). Auch mit den Venezianern lag er 1447-48 im Krieg. Obwohl der Papst ihn wegen des Kampfes gegen die Osmanen als Athleta Christi bezeichnete, bemühte sich der Fürst von Kruja erfolglos um feste Bündnisse mit den Mächten des Westens. So blieben die Albaner im Kampf gegen die Osmanen weitgehend auf sich selbst gestellt. Noch heute gilt Skanderbeg den Albanern als Nationalheld.
Herrschaft der Osmanen
Ende des 14. Jahrhunderts drangen die osmanischen Truppen zum ersten Mal in die albanisch besiedelten Länder vor. Die osmanische Eroberung jener Gebiete geschah etappenweise und war erst Jahrzehnte später abgeschlossen. Die Fürstentümer und Feudalherrschaften in Epirus und Südalbanien mussten schon zu Beginn des 15. Jahrhunderts die Oberherrschaft des Sultans anerkennen. Vlora und Berat wurden 1417 erobert, Ioannina folgte 1430. Erst einige Jahre nach dem Tod Skanderbegs konnten die Türken 1478/79 auch den Norden Albaniens besetzen. Sie beherrschten das Land dann mehr als 400 Jahre. Die langen Abwehrkämpfe und hernach die vorübergehende Unterbrechung der Handelsbeziehungen nach Italien und dem übrigen Europa schadeten der wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung. Shkodra, das alte Zentrum Nordalbaniens, gewann erst im 17. Jahrhundert wieder an Bedeutung.
Große Teile der Bevölkerung traten teils aus Überzeugung teils unter Zwang, teils bewogen durch gesellschaftliche und ökonomische Anreize zum Islam über. Spätestens im 17. Jahrhundert waren die Muslime in der Mehrheit. Die Albaner waren das einzige Balkanvolk, das mehrheitlich den Glauben der osmanischen Eroberer angenommen hat. Dies führte dazu, dass nicht wenige Albaner Karriere in der osmanischen Verwaltung und im Heer machten und Stellungen erlangten, die den christlichen Untertanen des Sultans verschlossen blieben.
Wie in vielen peripheren Regionen des Reiches übte der Sultan die Herrschaft über Albanien vor allem indirekt aus. Die osmanische Zentralgewalt erwartete in erster Linie Steuerzahlungen und militärische Leistungen von den Untertanen; die Ordnung der inneren Verhältnisse blieb in Albanien wie auch anderswo weitgehend den lokalen Eliten überlassen. Im Laufe des 15. Jahrhunderts wurden in den albanisch besiedelten Ländern die nach ihren Hauptorten benannten Sandschaks Vlora, Delvina, Shkodra, Prizren, Prishtina, Skopje und Janina errichtet. Diese Verwaltungsorganisation diente in erster Linie der Rekrutierung und Versorgung der Spahis. Die ersten Sandschak-Beys kamen aus in der Region führenden Familien. Normalerweise war es im osmanischen Verwaltungssystem üblich, die Sandschak-Beys jährlich auf Neue zu ernennen oder bei Versagen auszutauschen. In Albanien wurde dieses Amt faktisch erblich. Bis auf wenige Ausnahmen kamen die Beys immer aus denselben Familie. Auf diese Weise wurden die feudalen Verhältnisse, wie sie im mittelalterlichen Albanien bestanden hatten, in der osmanischen Zeit konserviert. Während der Regierung Suleimans des Prächtigen (1520–1566) wurden für alle albanischen Sandschaks Defter (Steuerregister) angelegt. Seit dem 17. Jahrhundert fanden keine allgemeinen Erhebungen mehr statt und die Steuern waren an private Einnehmer verpachtet.
Einige relativ unzugängliche Gebiete waren für die Türken praktisch nicht zu kontrollieren. Dazu gehörten die Mirdita, das Mati-Gebiet, die Region Dibra, die Landschaften Dukagjin und Malësia sowie im Süden die Region Himara. Aus diesen Gebieten bezogen die Beys nur einen eher symbolischen Tribut. Die nördlichen Gebirgsregionen verharrten in archaischen Stammestraditionen und hielten sich bis ins 20. Jahrhundert hinein an ihr eigenes Gewohnheitsrecht. Auch die zwischen den Almen im Pindosgebirge und den Winterweiden an der Küste hin- und herziehenden Aromunen genossen einen hohen Grad an Autonomie.
Wirtschaftlich waren die albanischen Länder im Gefüge des Osmanischen Reiches nahezu bedeutungslos. Die Bauern betrieben Subsistenzwirtschaft und produzierten nicht für den überregionalen Markt. Letzteres galt im Großen und Ganzen auch für das städtische Handwerk. Nur im Handel konnten einige albanische Städte eine größere Rolle spielen. Bedeutender Exportartikel war Salz, das schon im Mittelalter bis nach Venedig exportiert worden war. Im 18. Jahrhundert gewann die Ausfuhr von Wolle und Getreide an Bedeutung. Zur selben Zeit gelang es in Albanien einer Reihe von Kaufleuten von der Belebung des Fernhandels zwischen Europa und der Türkei zu profitieren. Der Aufstieg der Handelsstadt Voskopoja war eine der Folgen. Kaufleute reisten von dort bis nach Venedig und Wien. Andere überregionale Märkte im oder am Rand der albanischen Länder waren Shkodra und Prizren für den Norden, Elbasan und Berat für die Mitte sowie Bitola und Ioannina für den Süden des Landes.
An der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert befand sich das Osmanische Reich in einer tiefen Krise und in vielen Randprovinzen verlor die Zentralmacht die Kontrolle. In Südalbanien versuchte der albanische Pascha Ali von Tepelena eine vom Sultan unabhängige Herrschaft zu begründen. Auch die Familie Bushati schuf sich in der Region um Shkodra Ende des 18. Jahrhunderts ein halbautonomes Gebiet, das die Hohe Pforte erst in den 1820er Jahren wieder unter ihre Kontrolle brachte.
Die Tanzimat-Reformen (1839-1856), die eine Modernisierung des osmanischen Staatswesens bewirken sollten, stießen in den albanischen Ländern auf viel Widerstand. Vor allem viele Muslime, die gegen die rechtliche Gleichstellung der christlichen Untertanen waren, aber auch die autonomen nordalbanischen Stammesverbände, die zu regelmäßiger Steuerzahlung verpflichtet werden sollten, opponierten gegen die angestrebten Neuerungen. Durch Reformen in der Verwaltung verloren schließlich die Sandschak-Beys ihre quasi erbliche Machtstellung, denn solche Posten sollten fortan nach Eignung und Ausbildung vergeben werden. 1847 führten einige der degradierten Beys ihre Klientel in den bewaffneten Aufstand gegen die Osmanen.
1865 teilte die osmanische Regierung das albanische Siedlungsgebiet auf vier Vilayets auf: Shkodra, Kosova, Ioannina und Monastir. Diese administrative Neuordnung verärgerte die nordalbanischen Stämme, die befürchteten, ihre Selbstverwaltung und Steuerfreiheit zu verlieren. Osmanische Truppen konnten zwar lokale Aufstände in den zugänglichen Küstenebenen niederschlagen, sich in den Bergen aber nicht durchsetzen. Die gewaltsamen Auseinandersetzungen haben die ohnehin schwache Wirtschaft in den albanischen Vilayets schwer getroffen. Die schlechte Wirtschafts- und Sicherheitslage trieb vor allem viele Tosken aus dem Süden Albaniens in die Emigration. Zielländer waren Rumänien, Ägypten, Bulgarien, Italien und später die USA. Auch die osmanische Hauptstadt Istanbul hatte im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts einen verstärkten Zuzug von Albanern zu verzeichnen.
Nationalbewegung
Erst in dieser Zeit entwickelte sich als Reaktion auf die anderen südosteuropäischen Nationalismen langsam ein albanisches Nationalbewusstsein. Die sozialen Voraussetzungen dafür waren denkbar ungünstig, denn es gab praktisch keine albanische Gesellschaft und Öffentlichkeit. Vor allem im Norden spielte sich das soziale Leben ausschließlich innerhalb patriarchalisch strukturierter Familienverbände (alb. fis) und Stämme ab. Mittel- und Südalbanien dagegen wurde von konservativen Großgrundbesitzern beherrscht, die die Masse der Bevölkerung in quasi-feudaler Abhängigkeit hielten und sich selbst zur osmanischen Oberschicht zählten. Zudem waren die Albaner religiös in Sunniten, Bektaschi, Katholiken und Orthodoxe gespalten, so dass anders als etwa bei den Serben und Griechen auch die Religion nicht identitätsstiftend für die albanische Nation sein konnte. Gleichwohl spielten Geistliche der unterschiedlichen Bekenntnisse eine wichtige Rolle bei der albanischen Nationsbildung (alb. Rilindja = Wiedergeburt), denn sie waren fast die einzigen Angehörigen ihres Volkes mit einer höheren Schulbildung. Um 1900 konnten über 90 Prozent der Albaner weder lesen noch schreiben. Nur in den Städten Shkodra, Prizren und Korça gab es eine schmale bürgerliche Schicht - vornehmlich Kaufmannsfamilien, die mit westlicher Bildung in Berührung gekommen waren. Diese kleine Gruppe stellte neben den Geistlichen die meisten Träger der albanischen Nationalbewegung.
Autonomiebestrebungen der Liga von Prizren
Für weitere Kreise der albanischen Elite wurde die nationale Frage zum ersten Mal im Zusammenhang mit dem Russisch-Türkischen Krieg 1877–1878 und dem Vertrag von San Stefano von 1878 evident. Das russische Friedensdiktat hätte Teile des albanischen Siedlungsgebietes unter die Herrschaft der christlichen Staaten Bulgarien und Montenegro gestellt. Dagegen formierte sich albanischer Widerstand erstmals auf nationaler Basis, denn er wurde nicht nur von den Sunniten und Bektashi, sondern auch von den katholischen Gegen getragen. Im Frühjahr 1878 bildeten einflussreiche Albaner in Konstantinopel ein geheimes Komitee, um den Widerstand ihrer Landsleute zu organisieren. Beteiligt war unter anderem Abdyl Frashëri, die wichtigste Führungspersönlichkeit der frühen albanischen Nationalbewegung. Auf Initiative dieses Komitees kamen am 10. Juni 1878 über 80 Delegierte (zumeist islamische Geistliche, muslimische Großgrundbesitzer und diverse Stammesführer) aus den vier Vilayets mit albanischer Bevölkerung in Prizren zusammen. Sie bildeten als ständige Organisation die von einem Zentralkomitee geleitete Liga von Prizren, deren Ziel es war, Truppenverbände zu bilden, die das albanische Siedlungsgebiet gegen Aufteilung und die Ansprüche fremder Mächte verteidigen sollten. Dafür zog sie auch die Steuererhebung an sich. Des weiteren erstrebte die Liga die Bildung eines autonomen albanischen Verwaltungsbezirks innerhalb des Osmanischen Reiches.
Nolens volens unterstützte die geschwächte osmanische Regierung zunächst das Wirken der Liga, nur verlangte sie, dass sich die Albaner in erster Linie als Osmanen erklären und als solche im Interesse des Gesamtstaats handeln sollten. Dies war unter den Albanern umstritten. Ein Teil der Delegierten setzte auf die gemeinsame osmanisch-muslimische Identifikation, andere um Abdyl Frashëri stellten das Wirken für die albanischen Interessen in den Mittelpunkt, nicht zuletzt auch, um die christlichen Albaner für das Programm der Liga zu gewinnen.
Im Juli 1878 sandte die Liga ein Memorandum an die Vertreter der Großmächte beim Berliner Kongress. Die Liga forderte darin, dass das gesamte albanische Siedlungsgebiet als autonome Provinz unter türkischer Herrschaft bleiben solle. Der Kongress ignorierte diese Forderung; der Verhandlungsführer in Berlin, Reichskanzler Otto von Bismarck, stellte apodiktisch fest, dass eine albanische Nation gar nicht existiere, weshalb eine derartige Forderung irrelevant sei. Die vom Berliner Kongress vorgeschlagenen Grenzen zu Montenegro und die Angst, dass Epirus an Griechenland fallen könnte, löste blutige Aufstände der Albaner aus, die mehr oder weniger von der Liga gesteuert und von ihren Truppen getragen wurden. Zum Teil wurden die Albaner von der Hohen Pforte mit Waffen ausgerüstet. Zeitweise kontrollierten die Verbände der Liga das umstrittene Gebiet zwischen Ulcinj, Shkodra, Plav und Prizren. Hier und dort wurden die Grenzen denn auch aufgrund des Widerstands zu Gunsten des Osmanischen Reiches und damit der Albaner verändert.
Nachdem die Grenzfrage erst einmal geklärt war, wandte sich die Liga von Prizren verstärkt ihrer innenpolitischen Forderung nach Autonomie zu. Das wieder halbwegs stabilisierte osmanische Regime war aber nicht zu Zugeständnissen bereit. Die Regierung entsandte eine Armee unter dem Kommando von Dervish Turgut Pasha nach Albanien, die im April 1881 Prizren einnahm und die Truppen der Liga zerstreute. Von Bedeutung war dabei, dass viele muslimische Albaner nicht gegen die Soldaten des Sultans kämpfen wollten. Die Führer der Liga wurden verhaftet und deportiert, Abdyl Frashëri sogar zum Tod verurteilt. Er wurde jedoch nur eingekerkert und nach seiner Entlassung 1885 des Landes verwiesen.
Nach der Zerschlagung der Liga von Prizren gab es für zwei Jahrzehnte keine politische Bewegung der Albaner mehr. Die nationalen Aktivisten im Lande selbst, vor allem aber in der Emigration, engagierten sich in der folgenden Zeit vor allem auf kulturellem Gebiet, während die muslimischen Großgrundbesitzer und die islamische Geistlichkeit, soweit sie überhaupt an der albanischen Bewegung der Jahre 1878-1881 beteiligt gewesen waren, sich wieder in die osmanische Gesellschaft integrierten.
Die Schaffung einer nationalen Kultur
Die kulturelle Bewegung der Albaner war Ende des 19. Jahrhunderts auf einige wenige Orte im In- und Ausland konzentriert. Die einzelnen Gruppen nationaler Aktivisten agierten dabei relativ isoliert voneinander, was nicht zuletzt den ungünstigen Verkehrs- und Kommunikationsbedingungen auf dem Balkan geschuldet war. Dies war aber bei weitem nicht das einzige Hemmnis zur Etablierung eines albanischen Kulturlebens. So dominierten in den meisten Zentren der albanisch besiedelten Vilayets bei den städtischen Oberschichten andere Sprachen und Kulturen: in Skopje und Monastir Türkisch und Bulgarisch, in Ioannina Griechisch und Türkisch, in Prizren Türkisch und Serbisch. Nur in Shkodra war Albanisch die wichtigste Sprache des städtischen Bürgertums. In Korça dagegen war das Griechische ebenso stark vertreten wie das Albanische. Die im 20. Jahrhundert bedeutenden Küstenstädte Durrës und Vlora waren Ende des 19. Jahrhunderts keine kulturellen Zentren der Albaner. Ihre Bedeutung lag in der guten Anbindung an das westliche Europa. Hier wie auch in Shkodra war das Italienische wichtige Verkehrs- und Kultursprache.
1880 gab es keine Schule mit albanischer Unterrichtssprache. Der Druck albanischer Bücher war im Osmanischen Reich zeitweise verboten. Eine normierte albanische Schriftsprache existierte noch nicht einmal in Ansätzen. Wenn überhaupt Albanisch geschrieben wurde, dann im gegischen oder toskischen Dialekt. Auch die Arbëresh in Italien hatten ihre eigene Schreibweise. Hinzu kam, dass je nach Konfessionszugehörigkeit entweder das lateinische oder das griechische Alphabet, seltener auch die arabische Schrift verwendet wurde.
Um 1870 setzten die Bemühungen albanischer Intellektueller ein, die Schriftsprache zu vereinheitlichen. In Elbasan schuf man ein eigenes albanisches Alphabet, dass aber nur dort verwendet wurde und sich nicht durchsetzen konnte. Erfolgreicher waren die die Bestrebungen einiger Albaner in Konstantinopel: Eine Gruppe, der unter anderen Pashko Vasa, Hasan Tahsini, Jani Vreto und Sami Frashëri angehörten, gab 1878 eine Schrift mit dem Titel Das lateinische Alphabet angepasst für die Albanische Sprache heraus. Darin wurden wichtige Grundlagen für die albanische Schreibweise festgelegt, die teilweise bis heute gültig sind. In Konstantinopel wurde 1879 auch die Gesellschaft zum Drucken albanischer Schriften (albanisch: Shoqëri e të shtypuri shkronja shqip) gegründet. Im Umfeld dieses Vereins erschienen seit 1884 die ersten albanischsprachigen Zeitungen. Weitere Druckorte albanischer Bücher waren in jener Zeit Bukarest, wo eine große Emigrantengemeinde existierte, und verschiedene italienische Städte. Naim Frashëri verfasste in den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts die ersten albanischsprachigen Schulbücher.
Obwohl die griechisch-orthodoxe Kirche dem Albanischen als Schul-, Verwaltungs- und Kirchensprache ablehnend gegenüber stand, wurde die erste albanischsprachige Schule 1887 in Korça in unmittelbarer Nähe der orthodoxen Kathedrale gegründet. Diese private Schule war auch die erste säkulare Bildungsstätte des Landes, die Schülern aller Konfessionen offenstand. Bis zur Ausrufung der Unabhängigkeit wurden landesweit kaum drei Dutzend derartiger Schulen gegründet. Albanisch wurde aber auch an den katholischen Schulen im Norden und an vielen Tekken der Bektashi unterrichtet. Die Schulen der katholischen Orden leisteten viel für die Weiterentwicklung und Verbreitung der albanischen Sprache. 1902 übernahm der Franziskanerpater und Dichter Gjergj Fishta die Leitung des Gymnasiums seines Ordens in Shkodra. Nebenbei wirkte er als Herausgeber verschiedener Zeitschriften.
Auf dem Weg zum Nationalstaat
An der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert verschärfte sich die innere Krise des Osmanischen Reichs erneut. In den Balkanprovinzen herrschte praktisch Anarchie. In Albanien, im Kosovo und in Mazedonien operierten Terrorbanden verschiedener Nationalitäten, deren nationale Ziele oft nur als Vorwand für Raub und Mord dienten. Die Regierung versuchte, der Lage Herr zu werden, indem sie gewaltsam gegen die Nationalismen der Balkanvölker vorging. 1897 wurden die Führer der wieder aufgelebten Liga von Prizren (erneut forderte sie eine autonome albanische Provinz) verhaftet. Die Benutzung der albanischen Sprache und die Verbreitung albanischer Bücher wurden verboten. Von größter Bedeutung für die albanische Nationalbewegung war das 1899 anonym in Bukarest erschienenes politisches Manifest Shqipëria – ç’ka qenë, ç’është e ç’do të bëhet (deutsch: Albanien - was es war, was es ist und was es sein wird) von Sami Frashëri. In dieser vielgelesenen Schrift wurde erstmals die Forderung erhoben, einen albanischen Nationalstaat zu errichten.
Die letzten Jahre der osmanischen Herrschaft über Albanien verliefen im Chaos und waren von Gewaltakten der Regierungstruppen und verschiedener Gruppen von Aufständischen sowie Räuberbanden überschattet. 1906 bildete sich in Monastir ein Geheimes Komitee zur Befreiung Albaniens. Ein Jahr später ermordeten albanische Terroristen den griechischen Bischof von Korça.
In diese Zeit der Wirren fiel auch die jungtürkische Revolution, die ihr Zentrum in den verbliebenen europäischen Provinzen des Osmanischen Reiches (Albanien, Mazedonien und Thrakien) hatte. Zur reformorientierten politischen Bewegung der Jungtürken gehörte auch eine Reihe Albaner. 1907 trafen sich jungtürkische Parlamentsabgeordnete in Thessaloniki und gründeten ein revolutionäres Komitee. Im Juli 1908 begann unter Führung von Enver Pascha und Talaat Pascha eine erfolgreiche Militärrevolte gegen den absolutistisch regierenden Sultan Abdülhamid II., die die Bewegung an die Regierung brachte. Die Jungtürken versuchten zu Beginn ihrer Herrschaft, eine parlamentarisch-konstitutionelle Regierung im Osmanischen Reich einzurichten, die auch die Mitbestimmungs- oder Autonomiebestrebungen christlicher und nichttürkischer islamischer Minderheiten zu berücksichtigen versuchte. Namentlich mit den organisierten Vertretern der Armenier und der Albaner wollte man kooperieren.
Während der liberalen Anfangsphase des jungtürkischen Regimes trafen sich albanische Intellektuelle aus allen Teilen des Landes im November 1908 zum Kongress von Monastir. Auf dieser Versammlung wurde endgültig beschlossen, dass die albanische Sprache fortan ausschließlich in lateinischer Schrift geschrieben werden soll. Man einigte sich außerdem auf eine streng phonetische Schreibweise mit nur zwei Sonderzeichen. Diese Regelungen sind bis heute gültig, und der Kongress von Monastir wird daher als Geburtsstunde einer modernen einheitlichen albanischen Orthographie angesehen.
Das konstitutionelle Experiment der Jungtürken scheiterte am Widerstand der alten konservativen Eliten und der allgemeinen Krise des Reichs, die auch die neue Regierung nicht in den Griff bekam. In Albanien und Mazedonien herrschten bürgerkriegsähnliche Zustände. Hier kämpften die Anhänger der jungtürkischen Regierung gegen die alten Eliten und gegen die Anhänger der Nationalbewegungen, die die Unabhängigkeit erreichen wollten, egal ob sich das Reich als reformfähig erweisen sollte oder nicht. Ende 1909 suspendierte die jungtürkische Regierung die Verfassung und das Regime wandelte sich mehr und mehr in eine Militärdiktatur. Diese setzte bald auf einen aggressiven türkischen Nationalismus als ideologische Basis für ihre Herrschaft und erneuerte den Druck auf die ethnischen Minderheiten. Damit war die osmanische Herrschaft bei den Albanern endgültig diskreditiert. Noch vor Ausbruch des Ersten Balkankriegs hatte die Regierung in Istanbul auch unter den muslimischen Albanern kaum noch Anhänger.
1910 brach im Kosovo ein bewaffneter Aufstand gegen die osmanische Herrschaft aus, der sich im Laufe des folgenden Jahres auch nach Nordalbanien ausdehnte. Die Aufständischen wollten nun die staatliche Unabhängigkeit mit Waffengewalt durchsetzen. Bald waren nur noch die größeren Städte unter Kontrolle der osmanischen Truppen. Als im Herbst 1912 der Erste Balkan-Krieg ausbrach, gerieten die Aufständischen in eine schwierige Lage. Hatten sie zuvor versucht, die türkischen Garnisonen im Land zu schwächen, so war es nun erforderlich wie diese gegen den Einfall der Armeen Montenegros und Serbiens in das albanische Siedlungsgebiet kämpfen, um einen nationalen Einheitsstaat zu erreichen, denn Serben, Montenegriner und Griechen planten, das albanische Siedlungsgebiet auf ihre bereits existierenden Staaten aufzuteilen. Nach kurzer Zeit jedoch hatten die Armeen dieser Staaten die Oberhand gewonnen. Ende November 1912 waren nur noch Shkodra und Ioannina in türkischer Hand; Kosovo und Teile Nordalbaniens waren serbisch beziehungsweise montenegrinisch besetzt; in Epirus standen die Griechen. In Durrës trafen serbische Verbände am 29. November 1912 ein. Nur ein relativ kleines Gebiet zwischen Elbasan im Norden und Vlora im Süden wurde von lokalen albanische Gruppierungen kontrolliert. (Für Kosovo seit 1912 siehe Geschichte des Kosovo.)
Unabhängigkeit
In dieser Situation entschloss sich die Führung der albanischen Nationalbewegung, die Erklärung der Unabhängigkeit nicht länger hinauszuzögern und am 28. November 1912 rief Ismail Qemali in Vlora die Gründung des albanischen Staates aus. Nachdem das Osmanische Reich auf alle Ansprüche über Albanien verzichtet hatte, wurde der Staat am 30. Mai 1913 auf der Londoner Botschafterkonferenz von den Großmächten anerkannt. Ebendort wurden auch die ungefähren Grenzen des neuen Staates festgelegt. Dabei hatten Russland und Frankreich als Verbündete von Serbien erreichen können, dass ein großer Teil des albanischen Siedlungsgebiets (Kosovo und der Nordwesten des heutigen Mazedonien) dem serbischen Staat zugesprochen wurde. Teile des Südens des heutigen Albanien waren unterdessen griechisch besetzt. Eine von den Großmächten ausgesandte Mission versuchte vor Ort die Grenzen des neuen Staates festzulegen. Im Dezember 1913 wurden die Grenzen im Protokoll von Florenz festgeschrieben. Während ein Machtspruch der Großmächte die Montenegriner zum Auszug aus Shkodra bewegte, blieben die griechischen Truppen aber im Süden des Landes.
Die Botschafterkonferenz hatte auch beschlossen, dass Albanien ein Fürstentum sein sollte. Zum Fürsten wurde der Deutsche Wilhelm Prinz zu Wied erhoben, der dieses Amt 1914 nur für wenige Monate ausübte. Von den Großmächten im Stich gelassen und abgelehnt von vielen albanischen Stammesführern und Beys konnte er seine Herrschaft selbst in der Umgebung der damaligen Hauptstadt Durrës nicht durchsetzen. Die Schaffung staatlicher Institutionen gelang nicht einmal in Ansätzen. Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs verließ Wilhelm das Land und kehrte nie zurück.
Erster Weltkrieg
Während des Krieges verschwand Albanien wieder von der politischen Landkarte. Von 1914 bis in den Herbst 1915 herrschten in weiten Teilen des Landes erneut bürgerkriegsähnliche Zustände. Einen größeren Machtbereich konnte sich Essad Pascha Toptani mit Hilfe einer Privatarmee in Mittelalbanien aufbauen. Er hatte schon gegen Wilhelm von Wied konspiriert, konnte sich aber auch nach dessen Rückzug keine landesweite Anerkennung erwerben. Essad Pascha verbündete sich mit Serbien gegen die Donaumonarchie, was Anfang 1916 zu seiner Vertreibung aus Albanien führte.
Als die Österreicher 1915 Serbien besetzten, flohen die geschlagenen serbischen Truppen durch Albanien nach Griechenland. Der Norden und die Mitte des Landes waren ab 1916 von der österreichisch-ungarischen Truppen besetzt. Weil Albanien formal keine kriegsführende Macht war, setzten die Österreicher einen zivilen Verwaltungsrat unter Vorsitz des Generalkonsuls August von Kral ein. Im Süden standen italienische Truppen und der Südosten um die Stadt Korça herum war von den Franzosen besetzt. Die Österreicher und Franzosen versuchten in ihren Besatzungsgebieten die albanische Bevölkerung für sich einzunehmen. So gründeten sie einige Schulen und organisierten die Zivilverwaltung. Es wurden auch einige Straßen gebaut, die freilich in erster Linie militärischen Zwecken dienten.
Den Franzosen folgten 1918 in Korça die Griechen als Besatzer, in Shkodra und Umgebung rückten die Serben ein (die Stadt selbst wurde wenig später aber an die Franzosen übergeben), während der übrige Norden und die Mitte des Landes nach Auflösung der Donaumonarchie vorerst sich selbst überlassen blieb.
Chronologie 1912-1939 8. Oktober 1912 Ausbruch des Ersten Balkankriegs 28. November 1912 Ausrufung der albanischen Unabhängigkeit in Vlora 30. Mai 1913 Internationale Anerkennung der Unabhängigkeit Albaniens
durch die europäischen Großmächte7. März 1914 Wilhelm zu Wied trifft in Durrës ein und tritt als Fürst
von Albanien die Herrschaft an.
3. September 1914 Fürst Wilhelm verlässt Albanien, Zerfall des jungen Staates
aufgrund des Ersten Weltkriegs und innerer WidersprücheOktober-Dezember
1915Flucht des geschlagenen serbischen Heeres durch
Albanien nach GriechenlandJanuar 1916-
1918Albanien ist besetzt, der Norden und die Mitte von den
Österreichern, der Süden von Franzosen und Italienern28.-31. Januar
1920Kongress von Lushnja, Bildung einer allgemein anerkannten
Regierung, Wiederherstellung d. staatlichen Unabhängigkeit17. Dezember 1920 Aufnahme Albaniens in den Völkerbund 21. April 1921 Die Abgeordneten des Albanischen Parlaments treten zur
ersten Sitzung in der neuen Hauptstadt Tirana zusammenDezember 1922-
Juli 1924erste Regierung Ahmet Zogus Juli 1924-
Dez. 1924demokratische Reformregierung Fan Nolis, von Zogu
durch einen Putsch gestürztJanuar 1925 Zogu wird Präsident Albaniens 27. November 1926 Unterzeichnung des 1. Tiranapakts, leitet die zunehmende
Abhängigkeit Albaniens von Italien ein1. September 1928 Ahmet Zogu lässt sich zum König Albaniens ausrufen 7. April 1939 italienische Okkupation Albaniens, Zogu geht ins Exil Weil Albanien seit seiner Gründung nicht zu politischer Stabilität gefunden hatte und keine im Land allgemein anerkannte Regierung besaß, stand es in den Expansionsplänen der kriegführenden Mächte von Anfang an zur Disposition. Italien, Serbien und Griechenland beanspruchten Teile des Landes für sich. Sowohl Italien als auch Griechenland wurden 1914/15 von der Entente Versprechungen auf Gebietsgewinne in Albanien gemacht, um sie zum Kriegseintritt gegen die Mittelmächte zu bewegen. Während der Pariser Friedenskonferenz wurde über die Aufteilung des Landes verhandelt. Griechen und Italiener wollten die von ihnen besetzten Gebiete nicht räumen. Aufgrund der aussichtslosen Situation erkannte die albanische Delegation unter Turhan Pascha Përmeti ein italienisches Protektorat an, das aber die Griechen nicht akzeptieren wollten.
Im Januar 1920 tagte der Kongress von Lushnja, der eine neue Regierung wählte. Diese erlangte schnell Anerkennung, so dass sich noch im gleichen Jahr die Besatzungsmächte – im Falle von Italien nach militärischen Auseinandersetzungen – zurückzogen. Im Dezember 1920 wurde Albanien in den Völkerbund aufgenommen.
Zwischenkriegszeit
Albanien war ein reines Agrarland fast ohne öffentliche Infrastruktur. In den Ebenen und Tälern dominierte Großgrundbesitz, in den Bergen kleinbäuerliche Subsistenzwirtschaft, die kaum das Lebensnotwendige abwarf. 1921 waren von 534 Schulen in Albanien 472 nur zweiklassig und es gab nur zwei weiterführende Schulen. Nach dem Ersten Weltkrieg gab es kaum 150 Kilometer befestigte Straßen und keine Eisenbahn. Telegraphenverbindungen existierten nur in den Küstenstädten.
Auch die albanische Nachkriegsgeschichte verlief chaotisch. Beys und Stammesführer stritten um die Macht und keine der schnell wechselnden Regierungen konnte sich durchsetzen. Im April 1921 wurden die ersten Parlamentswahlen abgehalten. Parteien im modernen Sinne gab es nicht, vielmehr miteinander rivalisierende Klientelverbände. Die bürgerlichen Kräfte sammelten sich um Fan Noli, ihre Parlamentsabgeordneten bildeten die so genannte Volkspartei; in der Progressiven Partei schlossen sich die Parlamentarier der Großgrundbesitzer zusammen. Beide Parteien waren aber wenig mehr als fluktuierende Parlamentsklubs ohne Massenbasis. Daneben gab es die starke Gruppe der Kosovaren um Bajram Curri, die mit den Bestrebungen, ihre Heimat aus Jugoslawien herauszulösen, dem jungen Staat große innen- und außenpolitische Probleme bereiteten. Die Dominanz der Großgrundbesitzer im politischen System führte dazu, dass der albanische Staat fast ohne Einkünfte blieb, denn die einzige wirtschaftlich potente Gruppe konnte erreichen, dass sie fast keine Steuern zahlen musste.
Ahmet Zogu, Stammesführer im Mati-Gebiet wurde 1921 zum Innenminister ernannt, er sicherte sich durch Bestechung die Loyalität von Stammesführern und gewann so an Einfluss. 1923 lösten die Morde an zwei amerikanischen Touristen und an dem populären Avni Rustemi, dem Attentäter Essad Pashas, eine innenpolitische Krise aus, in deren Folge die Demokraten um Fan Noli die Macht übernahmen. 1924 unternahm der orthodoxe Bischof Fan Noli den ersten Versuch demokratische Verhältnisse zu schaffen. Eine Verfassung sollte ausgearbeitet, eine Landreform durchgeführt und freie Wahlen abgehalten werden. Seine Regierung konnte dieses Programm jedoch nicht gegen den Widerstand der Großgrundbesitzer durchsetzen.
Mit Unterstützung Jugoslawiens gelang es Ahmet Zogu, die Noli-Regierung im Dezember 1924 zu stürzen und eine autoritäre Herrschaft zu errichten. Aber auch Zogu konnte dem Staat keine zuverlässigen Geldquellen erschließen. Auch sein 1930 verabschiedetes Landreformgesetz sollte wirkungslos bleiben. Um Kredite für Investitionen in die Infrastruktur zu bekommen, stimmte er 1925 der Gründung der albanischen Staatsbank mit italienischem Kapital zu und schloss 1926 und 1927 die beiden Tiranapakte ab, die Albanien unter italienischen Einfluss brachten. In der Folgezeit wurden mit italienischen Krediten einige kleine Industriebetriebe aufgebaut; ein Großteil des geliehenen Kapitals wurde aber auch für den Bau des Regierungsviertels in Tirana und die Errichtung anderer Verwaltungs- und Repräsentationsbauten in den Provinzstädten ausgegeben.
1928 ließ sich Zogu zum König ausrufen. Der selbstbewusste Akt konnte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass seine Abhängigkeit von Mussolini immer drückender wurde. Für den Straßenbau führte Zogu eine Arbeitspflicht ein. Nach faschistischem Vorbild wurde eine Staatsjugend Enti Kombetar gegründet. Die 1934 eingeführte allgemeine Schulpflicht konnte nicht durchgesetzt werden. Es fehlte an Schulgebäuden, Lehrern und Büchern. Nach italienischem Vorbild wurden Zivil- und Strafgesetzbücher eingeführt.
Die Reformmaßnahmen Zogus sind wenigstens zum Teil erfolgreich gewesen. Bei einer fast hoffnungslosen Ausgangslage wurden auf vielen Gebieten Fortschritte erzielt und eine partielle Modernisierung des Landes eingeleitet. Von der heutigen historischen Forschung wird das Zogu-Regime deshalb positiver beurteilt, als dies noch vor 20 oder 30 Jahren der Fall war. Allerdings musste für diese Fortschritte ein hoher Preis gezahlt werden. Einerseits geriet das Königreich Albanien durch die Kredite in eine nicht mehr lösbare Abhängigkeit von Mussolinis Italien. Andererseits hatte Zogu das Land in einen Polizeistaat verwandelt, jedenfalls soweit der Arm seiner Sicherheitskräfte reichte. Zogu, der mehrere Verschwörungen und Aufstandsversuche überstand, richtete zur Verfolgung seiner Gegner ein Politisches Gericht ein, das häufig die Todesstrafe verhängte. In den Gefängnissen saßen mehrere hundert politische Häftlinge ein. Auch die im Land verbreitete Korruption konnte oder wollte Zogu nicht eindämmen, ausländischen Besuchern fiel der Kontrast zwischen seinem luxuriösen Hof und der Armut im Land unangenehm auf. 1929 erhielt der König 1,5 % des Staatshaushalts (eine halbe Million Goldfranken) als jährliche Apanage, hinzu kamen Zahlungen für seine Angehörigen und für dienstlichen Aufwand, außerdem wurden ihm mehrere Staatsgüter übereignet. Die Presse wurde nach 1928 immer stärker zensiert.
Zweiter Weltkrieg
Albanien wurde am Karfreitag 1939 von italienischen Truppen besetzt. Achmet Zogu floh und Viktor Emanuel von Italien wurde in Personalunion König von Albanien. Unter der Kontrolle eines italienischen Statthalters wurde eine albanische Marionettenregierung gebildet; Ministerpräsident wurde der Großgrundbesitzer Shefqet Verlaci. Am Vorabend des Nationalfeiertags (28. November 1939) demonstrierten eine größere Anzahl Albaner gegen die Fremdherrschaft; aus Protest streikten auch die Arbeiter einiger Betriebe in der Hauptstadt.
Am 28. Oktober 1940 bildete Albanien die Ausgangsbasis für den Überfall der italienischen Besatzer auf Griechenland. Dieser Feldzug wurde für das faschistische Italien zum Desaster. Griechische Truppen konnten die Invasion in kurzer Zeit zurückschlagen und auf albanisches Gebiet vordringen. Sie besetzten u. a. die Städte Saranda und Gjirokastra. Erst mit dem Eingreifen Deutschlands auf dem Balkan im April 1941 änderte sich die Lage, Jugoslawien und Griechenland wurden besetzt. Kosovo, die Region um Ulcinj in Montenegro sowie Teile des des heutigen Mazedoniens wurden von den Besatzern an Albanien angeschlossen (siehe Balkanfeldzug (1941)).
Der Widerstand gegen die italienische, seit 1943 deutsche Besatzung und deren kolonialistische Ausbeutung hatte bereits 1939 begonnen. Die ersten Guerillagruppen wurden von entlassenen Polizei- und Armeeoffizieren (Abaz Kupi, Myslim Peza, Muharram Bajraktari) gebildet. Bald aber sollte die Kommunistische Partei Albaniens zur führenden Gruppierung des Widerstands werden. Sie gründete sich zwar erst am 8. November 1941, wurde aber durch die so genannte Korça-Gruppe um Enver Hoxha straff organisiert. Welche Rolle die jugoslawische KP dabei spielte, ist umstritten. Aber spätestens 1943 waren die Beziehungen der beiden Parteien sehr eng und die albanischen Kommunisten hielten sich zumeist an die Vorgaben, die sie von den Jugoslawen erhielten. Über Tito liefen auch die wenigen Kontakte in die Sowjetunion.
Im September 1942 gelang mit der Bildung der Nationalen Befreiungsfront ein breites politisches Bündnis der meisten antifaschistischen Gruppen. Damit setzte die Kommunistische Partei Albaniens ihren Führungsanspruch gegen die Nationalisten durch. Außerhalb der Front blieb aber die nationalalbanische antikommunistische Partisanenbewegung Balli Kombëtar.
Nach der Konferenz von Labinot im März 1943, auf der Hoxha zum Generalsekretär der KP gewählt worden war, wurden die zahlreichen Partisaneneinheiten der Befreiungsfront zur Nationalen Befreiungsarmee Albaniens zusammengefasst. Sie hatte im August bereits einen aktiven Mannschaftsstand von 10.000 Kämpfern, zu denen etwa 20.000 Reservisten kamen. Seit dem Sommer 1943 erhielten die albanischen Partisanen gelegentlich Waffen von den Briten. Diese waren auch durch einige Verbindungsleute in Albanien präsent. Das von den Kommunisten und der Balli Kombëtar unmittelbar vor dem Zusammenbruch des faschistischen Italien geschlossene Kooperationsabkommen scheiterte an den gegensätzlichen Auffassungen über die Nachkriegsordnung in Albanien. In der Folgezeit kämpften die beiden Partisanengruppierungen auch gegeneinander.
Nachdem Italien am 8. September 1943 kapituliert hatte, besetzten Einheiten der deutschen Wehrmacht Albanien und entwaffneten die italienischen Truppen. In dem militärischen Vakuum, das vor der Ankunft der Deutschen herrschte, hatte die Nationale Befreiungsarmee in weiten Teilen des Landes die Kontrolle übernommen und Balli Kombëtar hatte ein größeres Gebiet um Vlora befreit. Um die Bevölkerung vor der Unterstützung der Partisanen abzuschrecken, führte die Wehrmacht eine so genannte Sühnequote ein: Für jeden getöteten Deutschen sollten 100 Albaner getötet werden. In Anwendung dieser Regel wurde das Dorf Borova bei Erseka, das albanische Lidice, zerstört und über 100 Bewohner ermordet. Die harten Repressionsmaßnahmen brachten den Partisanen jedoch noch mehr Zulauf, vor allem von Jugendlichen.
Während der deutschen Okkupationszeit lieferte Albanien Rohstoffe für die deutsche Kriegswirtschaft: Chromerz, Magnesit und Lignit, vor allem aber Erdöl. Obwohl von Deutschland eine albanische Kollaborationsregierung installiert worden war, standen alle wehrwirtschaftlich interessanten Gebiete unter deutscher Kontrolle. Die albanische Regierung war kaum in der Lage, die Verwaltung des Landes aufrecht zu erhalten, zudem fehlten ihr loyale kampfbereite Truppen zur Bekämpfung der Partisanen. Bereits am 24. Mai 1944 hatte die Befreiungsfront auf dem Kongress von Përmet eine provisorische Regierung unter Führung der Kommunisten gebildet. Im August 1944 waren nach Unterlagen der Wehrmacht drei Partisanendivisionen mit regionalen Schwerpunkten im südlichen Bergland sowie zwischen Peshkopi und Kukës im Nordosten aktiv. Am 2. Oktober 1944 übernahm die Wehrmacht die volle Kontrolle im Land, um den Rückzug ihrer Einheiten aus Griechenland zu sichern.
Wie in Jugoslawien gelang es der Nationalen Befreiungsarmee, ihr Land ohne die Hilfe alliierter Truppen zu befreien, als sich die deutschen Armeen wegen der dramatischen Lageveränderung im Süden der deutsch-sowjetischen Front aus Griechenland und vom Balkan zurückziehen mussten, um nicht von Deutschland abgeschnitten zu werden. Bei ihrem Rückzug zerstörte die Wehrmacht Häfen und Brücken, um Landungen der Alliierten zu erschweren und das Nachdrängen der Befreiungsarmee zu verhindern. Mit dem Abzug der Wehrmacht aus Shkodra am 29. November 1944 war schließlich ganz Albanien befreit. Der Krieg hat nach Angaben der United Nations Relief and Rehabilitation Administration rund 30.000 Albaner das Leben gekostet.
Bemerkenswert ist, dass Juden in Albanien nicht vom Holocaust betroffen waren. Die italienische Besatzungsmacht verfolgte die kleine jüdische Minderheit von etwa 120 Personen nicht. In den ersten Jahren des Krieges flohen mehrere hundert Juden aus anderen Teilen Europas nach Albanien. Die Auslieferung der einheimischen Juden und zugewanderten Gäste an die Deutschen (Besatzungsmacht seit 1943) wurde von der Regierung dilatorisch behandelt und von der Bevölkerung verweigert. Albanische Familien versteckten die Juden vor den Besatzern. So kam es, dass Albanien 1945 eines der wenigen europäischen Länder war, in dem mehr Juden lebten als vor dem Krieg. Kein Jude aus dem albanischen Kerngebiet wurde deportiert. Nur im Kosovo, der während des Krieges zu Albanien gehörte, kam es zu Deportationen und Verfolgung, an der auch die SS-Division Skanderbeg, der vorwiegend muslimische Kosovaren angehörten, beteiligt war. Die ausländischen Juden und auch rund 100 jüdische Albaner verließen 1944/45 das Land. 1991 emigrierten rund 300 Juden, Angehörige und Nachfahren, nach Israel. Nur wenige, die in nicht-jüdische Familien geheiratet hatten und ihre Heimat nicht verlassen wollten, blieben in Albanien.
Die kommunistische Diktatur
Anlehnung an Jugoslawien (1944–1948)
1944 kam es zur Übernahme der Macht durch die Kommunisten unter Führung von Enver Hoxha. In den Folgejahren wurde in Albanien unter Ausschaltung jeglicher Opposition eine kommunistische Einparteienherrschaft etabliert. Unmittelbar nach Kriegsende bildete Hoxha aus besonders zuverlässigen Partisanen die albanische Geheimpolizei Sigurimi, als sein schlagkräftigstes Machtinstrument, dem im Laufe der nächsten 40 Jahre zehntausende Menschen zum Opfer fielen. Viele ehemalige Partisanen, die keine Kommunisten waren, wurden als erste ermordet. So konnte die albanische KP erfolgreich den Mythos etablieren, dass sie den antifaschistischen Befreiungskampf fast allein geführt habe. Daraus leitete die Parteiführung ihren absoluten Herrschaftsanspruch ab.
Als Winston Churchill und Stalin auf der Konferenz von Jalta im Februar 1945 den Balkan in Einflusszonen unter sich aufteilten, hatten die beiden Albanien vergessen. Der Teilungsplan ist ohnehin nur zum Teil Wirklichkeit geworden. Für Albanien war die diesbezügliche Entwicklung in seinen beiden Nachbarländern von Bedeutung: In Griechenland konnte sich der westliche Einfluss erst nach einem langen Bürgerkrieg durchsetzen: Über Jugoslawien konnten weder die Sowjetunion noch die Westmächte die Kontrolle erringen. Der Staat Titos wurde unmittelbar nach der Befreiung (Ende 1944) zum engsten Verbündeten Albaniens, wobei dessen Führung darauf hinarbeitete, den kleinen Nachbarn schließlich in die jugoslawische Bundesrepublik zu integrieren.
Kosovo wurde nach dem Kriegsende wieder mit Jugoslawien vereinigt, wie es die jugoslawischen und albanischen Kommunisten schon während des Krieges vereinbart hatten. Im Januar 1945 schlossen beide Staaten darüber einen Vertrag. Unmittelbar danach war Jugoslawien das erste Land, das die provisorische Regierung in Tirana diplomatisch anerkannte. Die UdSSR und die USA folgten diesem Schritt erst im Dezember 1945, während Großbritannien die Anerkennung verweigerte und die albanischen Guthaben bei der Bank of England einfror, weil die Regierung in Tirana die Kommunisten im Griechischen Bürgerkrieg unterstützte.
Eine der ersten einschneidenden Maßnahmen der neuen Machthaber war im Sommer 1945 die Bodenreform. Der Großgrundbesitz wurde entschädigungslos an landlose Bauern aufgeteilt. Diese Maßnahme sicherte den Kommunisten die Anerkennung großer Teile der ländlichen Bevölkerung. Vor allem in der Mitte und im Süden Albaniens, wo das Land fast zu 100 Prozent in den Händen der Beys gewesen war, wurden die Kommunisten sehr populär. Dies ist einer der beiden Gründe, dass die südalbanischen Tosken dem neuen Regime gegenüber positiver eingestellt waren als die Gegen im Norden. Der zweite Grund war, dass sich die kommunistische Elite mehrheitlich aus den südalbanischen Städten (Gjirokastra, Korca, Vlora u.a.) rekrutierte, was mit den persönlichen Beziehungen Hoxhas zusammenhing. Auch im innerparteilichen Machtgefüge der KP spielten traditionelle Clanstrukturen eine große Rolle.
Am 2. Dezember 1945 fanden Parlamentswahlen statt, aus denen die KP als Sieger hervorging. Die wenigen Abgeordneten anderer Parteien wurden noch vor Ablauf der ersten Legislaturperiode ermordet. In der Anfang 1946 gebildeten kommunistischen Regierung war Enver Hoxha gleichzeitig Premier-, Außen- und Verteidigungsminister daneben auch Oberkommandierender der Streitkräfte und Generalsekretär der KP. Damit war nicht nur das kommunistische Regime, sondern auch die persönliche Herrschaft Hoxhas konsolidiert. Durch die Verfassung von 1946 wurden alle nichtkommunistischen Parteien und Vereinigungen verboten.
Im Juli 1946 unterzeichneten Jugoslawien und Albanien einen Freundschaftsvertrag, dem eine ganze Reihe von Verträgen zur technischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit folgten, die die Grundlage für die Integration Albaniens in den jugoslawischen Wirtschaftsraum bildeten. Die Wirtschaftspläne, Preissysteme und die Währungen wurden aufeinander abgestimmt. Die Beziehungen waren so eng, dass Serbokroatisch Schulfach wurde, weil junge Albaner später an jugoslawischen Universitäten studieren sollten. Im November 1946 wurde eine Währungsunion geschlossen, die den albanischen Lek im Verhältnis 1:1 an den jugoslawischen Dinar band. Im selben Jahr verhandelten Tito und der bulgarische Regierungschef Georgi Dimitrow über die Bildung einer Balkanföderation, der auch Albanien angehören sollte.
Jugoslawische Berater wurden in die albanische Armee, in die Ministerien und in zahlreiche Behörden und Betriebe entsandt. Das hungernde Land erhielt auch eine Soforthilfe in Form von 20.000 Tonnen Getreide aus Jugoslawien. Abgesehen von 26,3 Mio. Dollar der UNRRA unmittelbar nach dem Krieg war Albanien ganz auf die Unterstützung Jugoslawiens angewiesen. Die Tito-Regierung betrachtete ihre Hilfe als Investition in die eigene Zukunft, sollte doch der Anschluss Albaniens bald erfolgen. Gemeinsame Firmen in den Bereichen Bergbau, Eisenbahnbau, Öl und Energie sowie Außenhandel wurden gegründet. Das Telefonnetz Albaniens wurde mit dem jugoslawischen verbunden.
Bald jedoch kam es zu Missstimmungen zwischen den beiden Regierungen, weil die albanische Seite die verarbeitenden Industrien entwickeln wollte, während die Jugoslawen in Albanien vor allem einen Rohstofflieferanten und Agrarproduzenten sahen. Innerhalb der albanischen KP-Führung kam es deshalb zum Richtungsstreit, in dem sich vorläufig die projugoslawische Fraktion um Koçi Xoxe durchsetzte. Im Laufe des Jahres 1947 gab es eine regelrechte Säuberungswelle gegen die tatsächlichen oder vermeintlichen Anti-Jugoslawen in der Partei. Unter anderem wurden im Mai 1947 neun Parlamentsabgeordnete deswegen zu hohen Haftstrafen verurteilt. Das Zentralkomitee der jugoslawischen KP geißelte den albanischen Parteichef Enver Hoxha einen Monat später trotzdem wegen seiner eigensinnigen Politik. Mit hohen Krediten, die mehr als die Hälfte des albanischen Staatsetats ausmachten, kauften sich die Jugoslawen in Tirana die Unterstützung für ihre Politik. Als Nako Spiru, Chef der albanischen Plankommission, trotzdem einen Wirtschaftsplan vorlegte, der dem Land mehr Unabhängigkeit bringen sollte, intervenierte Belgrad sofort. Spiru wurde daraufhin von der albanischen Führung scharf kritisiert und geriet derart unter Druck, dass er schließlich Selbstmord beging.
Chronologie 1944–1990 24. Mai 1944 Bildung einer provisorischen Regierung unter Führung
der Kommunisten in Përmet20. November 1944 Die albanischen Partisanen marschieren in Tirana ein. 29. November 1944 Die Wehrmacht räumt Shkodra, ganz Albanien ist befreit. Januar 1945 Ein jugoslawisch-albanischer Vertrag besiegelt formal
die Rückgabe Kosovos an Jugoslawien2. Dezember 1945 gelenkte Parlamentswahlen, überwältigender Sieg der
Kommunisten.11. Januar 1946 Ausrufung der Volksrepublik, sozialistische Verfassung,
Verbot aller nichtkommunistischen Vereinigungen.Juli 1946 Jugoslawisch-Albanischer Freundschaftsvertrag 29. Juni 1948 Albanien bricht mit Jugoslawien und verbündet sich
mit der SowjetunionFebruar 1949 Albanien wird Mitglied des RGW 14. Mai 1955 Albanien ist Gründungsmitglied des Warschauer Pakts. Oktober 1957 Gründung der Universität Tirana Juni 1959 Nikita Chruschtschow besucht Albanien 16. November 1960 Hoxha kritisiert Chruschtschows Reformen. 1961 Bündnis mit China (bis 1978) 3. Dezember 1961 Die UdSSR bricht die diplomatischen Beziehungen
zu Albanien ab.1967 Totales Religionsverbot, Albanien offiziell erster
atheistischer Staat der Welt.13. September 1968 Albanien verlässt den Warschauer Pakt. 28. Dezember 1976 Neue Verfassung, die u.a. Auslandsschulden verbietet 18. Dezember 1981 Rätselhafter Tod des Ministerpräsidenten Mehmet Shehu;
vermutlich ließ Hoxha ihn ermorden11. April 1985 Tod Enver Hoxhas, Nachfolger wird Ramiz Alia Januar 1990 Erste antikommunistische Demonstrationen in Shkodra Zu westlichen Staaten unterhielt Albanien kaum Beziehungen. Amerikaner und Briten hatten unter Verwendung von Anhängern des ehemaligen Königs Ahmet Zogu in den Jahren 1947–1951 einige Kommandoaktionen durchgeführt, die einen Aufstand gegen das kommunistische Regime auslösen sollten. Diese Aktionen scheiterten jedes Mal kläglich, weil der bei den Briten arbeitende Doppelagent Kim Philby sie an die Sowjetunion, mit der Albanien seit 1948 verbündet war, verriet. Die an der Küste gelandeten Geheimagenten und Zogisten wurden stets nach kurzer Zeit vom Sigurimi aufgegriffen. Mit Griechenland herrschte bis in die 1980er Jahre auf dem Papier noch Kriegszustand. Wegen der Rolle der albanischen Kommunisten im griechischen Bürgerkrieg wollten beide Länder lange Zeit nicht über einen Vertrag über die Beendigung des Zweiten Weltkriegs verhandeln.
Albanien wurde von den anderen kommunistischen Parteien und Regierungen nur mehr als Satellit Jugoslawiens gesehen. Die albanische KP erhielt deshalb im September 1947 keine Einladung zur Gründungsversammlung der Kominform, sondern wurde von Titos Partei vertreten. Milovan Đilas berichtete, dass die Jugoslawen zu dieser Zeit die Zustimmung Stalins hatten, Albanien zu schlucken.(M. Đilas: Gespräche mit Stalin, 1962). Der pro-jugoslawische Kurs in der albanischen KP erreichte im Frühjahr 1948 seinen Höhepunkt. Während einer Sitzung des Politbüros im April schlug Koçi Xoxe vor, Belgrad um die Aufnahme Albaniens in die jugoslawische Bundesrepublik zu bitten.
Anlehnung an die Sowjetunion (1948–1968)
Als das Kominform die jugoslawische KP am 28. Juni 1948 wegen ideologischer Differenzen ausschloss, vollzog die albanische Führung eine radikale Änderung ihrer Beziehungen zu Jugoslawien. Tito und seine Genossen galten ab sofort als Feinde Albaniens. Am 1. Juli wurden alle jugoslawischen Berater mit einer Frist von 48 Stunden des Landes verwiesen, alle bilateralen Abkommen mit dem Nachbarland gekündigt und die Grenzen geschlossen.
Die rund 40 Jahre andauernde hermetische Abrieglung riss zahlreiche Familien diesseits und jenseits der Grenzen auseinander. Betroffen waren davon nicht nur die albanischen Kosovaren und ihre Verwandten in Nordalbanien, auch die Angehörigen der mazedonischen Minderheit in den Regionen Dibra, Golloborda und Prespa waren über Nacht von ihren Angehörigen in Mazedonien abgeschnitten. Anders als an der innerdeutschen Grenze nach 1961 wurden bis 1990 keinerlei Reisegenehmigungen aus familiären Gründen erteilt. Nur in den 70er Jahren gab es einige Kontakte zwischen Wissenschaftlern aus Kosovo und Albanien. Für alle anderen blieb die Grenze geschlossen.
Vom Sommer 1948 an wurden die albanischen Kommunisten Gefolgsleute der stalinistischen Sowjetunion. Enver Hoxha, der den radikalen Bündniswechsel eingeleitet hatte, nutzte die neue Lage, um den Parteiapparat erneut von Machtkonkurrenten und Widersachern zu säubern. Zahlreiche Funktionäre wurden als tatsächliche oder vermeintliche Titoisten angeklagt, verurteilt und ins Gefängnis geworfen oder exekutiert. Neben vielen anderen fielen dem Terror 14 Mitglieder des Zentralkomitees und 32 Parlamentsabgeordnete zum Opfer. Prominentestes Opfer dieser Säuberungswelle war der frühere Innenminister Koçi Xoxe, der nach einem Geheimprozess im Mai 1949 exekutiert wurde. 25 Prozent aller Mitglieder wurden wegen Titoismus aus der Partei ausgeschlossen.
Der auf Jugoslawien ausgerichtete erste Fünfjahresplan wurde suspendiert und durch einen Zweijahresplan ersetzt, der die Umstellung auf den neuen Partner einleitete. An die Stelle der jugoslawischen trat nun die sowjetische Wirtschaftshilfe und russische Berater kamen ins Land. Bald wurden auch die ersten albanischen Studenten in die Sowjetunion geschickt. Im Februar 1949 trat Albanien dem Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) bei und im Mai 1955 gehörte der Balkanstaat zu den Unterzeichnern des Warschauer Pakts. Trotz der engen Anlehnung an Stalin war das neue Bündnis für die albanische Selbstständigkeit günstiger, denn es gab keine direkten Grenzen zum sowjetischen Machtbereich.
In wirtschaftlicher Hinsicht waren die 50er und 60er Jahre die erfolgreichste Phase des kommunistischen Regimes. Mit sowjetischer Hilfe wurden zahlreiche Industriebetriebe errichtet und Wasserkraftwerke gebaut, die den Strombedarf des Landes deckten, der 1947 begonnene Eisenbahnbau wurde forciert. Im Wesentlichen erfolgten alle bedeutenden Investitionen in die Infrastruktur in dieser Zeit. Die Erträge der Landwirtschaft konnten gesteigert werden. Entscheidend war dabei weniger der Einsatz moderner Agrartechnik, als die Vergrößerung der Anbaufläche durch die Trockenlegung von Sümpfen im Tiefland und den Aufbau von Bewässerungssystemen. Innerhalb kurzer Zeit erfolgte ab 1948 die Kollektivierung der Landwirtschaft. Obwohl die albanische Bevölkerung schnell wuchs, konnten in den 60er und 70er Jahren ausreichend Lebensmittel produziert werden. (Noch 1955 war man auf umfangreiche Getreidelieferungen aus der Sowjetunion angewiesen gewesen.) 1968 wurde die Kollektivierung der Landwirtschaft abgeschlossen. Die traditionellen Großfamilienverbände im Norden, die auch wirtschaftliche Einheiten gebildet hatten, wurden dabei zerschlagen.
Kulturell bedeutete die kommunistische Herrschaft einen gewaltigen Modernisierungsschub, der die albanische Gesellschaft nachhaltig veränderte. Den Kommunisten gelang es, ein flächendeckendes Schulsystem einzurichten. Konnten bei Kriegsende noch immer fast 80 Prozent der Albaner nicht lesen und schreiben, so war Analphabetismus in den 80er Jahren ein Phänomen, dass nur noch in der alten Generation zu finden war. 1957 wurde die Universität in Tirana gegründet. Damit gab es erstmals die Möglichkeit, Akademiker im Land selbst auszubilden. Damit einher ging auch die Gründung von wissenschaftlichen Publikationsorganen. Für die Kommunisten war das Bildungswesen natürlich auch das wichtigste Mittel zur ideologischen Indoktrination der Bevölkerung. Deshalb sicherten sie sich frühzeitig das Bildungsmonopol: 1948 wurden die katholischen Schulen geschlossen. Viele ihrer Lehrer verschwanden auf immer in Lagern und Gefängnissen.
An die literarischen Traditionen der Vorkriegszeit wurde nur selektiv angeknüpft. Alle religiösen Schriftsteller waren verboten, von anderen fortschrittlicheren Literaten wurden nur bestimmte missliebige Werke nicht mehr gedruckt oder aufgeführt. Des System der politischen Zensur war insgesamt sehr sprunghaft und kaum zu durchschauen. Was heute noch erlaubt war, konnte morgen schon verboten sein. Diese Ungewissheit und die daraus resultierende Angst der Intellektuellen war ein wichtiges Herrschaftsinstrument der Partei. Insgesamt war die kulturelle Modernisierung Albaniens unter den Kommunisten ein zweischneidiges Schwert. Tatsächlich stieg der Bildungsstand der Albaner, gleichzeitig blieb das Volk wegen der zunehmenden Selbstisolation Albaniens von den geistigen Entwicklungen im Rest der Welt (auch des sozialistischen Teils) abgeschnitten. Einerseits wurden unter den Kommunisten bedeutende kulturelle Leistungen erbracht (Errichtung von Hochschulen und Theatern), andererseits wurden Zeugnisse älterer Kulturepochen zerstört. Dies betraf insbesondere sakrale Kunst, Kirchen- und Moscheebauten.
Die schon bei Kriegsende begonnene Verfolgung der Religionen erreichte 1967 ihren Höhepunkt: Albanien wurde zum atheistischen Staat erklärt und Muslimen wie Christen jegliche Religionsausübung verboten. Kirchen und Moscheen wurden in Lagerhäuser, Kinos, Sporthallen usw. umgewandelt. Schon vor 1967 waren viele Geistliche exekutiert oder eingesperrt worden; die übrigen wurden spätestens jetzt ins Gefängnis gesteckt. Nur wenige erlebten den Sturz des kommunistischen Regimes 23 Jahre später.
Das kommunistische Regime setzte sich nicht nur verbal für die Gleichberechtigung der Frau ein. Der Anteil von Frauen in Politik und Verwaltung stieg tatsächlich an. Die Frauen erreichten in den 70er Jahren ein ähnlich hohes Bildungsniveau und konnten ihre Berufe in den Grenzen, die die Partei setzte, so frei wählen wie die Männer. Trotzdem blieben in vielen Familien patriarchalische Wertvorstellungen und Verhaltensmuster erhalten, was für die Frauen eine doppelte Belastung bedeutete. Sie mussten ihre Pflichten im Beruf erfüllen und sich zu Hause den Weisungen des Familienoberhaupts fügen. Die führenden Positionen in Partei und Staat blieben in Männerhand. Familiäre Beziehungen hatten auch unter den Kommunisten große Bedeutung: 1962 waren unter den 61 ZK-Mitgliedern 5 Ehepaare und 20 weitere Mitglieder waren miteinander verschwägert.
Während Stalins Nachfolger Nikita Chruschtschow 1956 Reformen in Partei und Staat initiierte, die zu einer Lockerung im kommunistischen Herrschaftssystem der Sowjetunion führten, blieb Enver Hoxha beim alten stalinistischen Kurs. Davon konnte sich Chruschtschow bei seinem Albanienbesuch 1959 selbst überzeugen. Seine Mahnungen, Reformen einzuleiten, verhallten ungehört. Insbesondere verübelte Hoxha dem Russen, dass er versuchte, sich mit Tito auszusöhnen. Ebenso wenig wollte Hoxha der Sowjetunion Militärstützpunkte an der Mittelmeerküste überlassen, die Chruschtschow von ihm gefordert hatte, und er hielt auch nichts davon, Albanien zu einem Ferienparadies für Werktätige aus dem gesamten RGW zu entwickeln, wie es der sowjetische Führer vorgeschlagen hatte. (Tatsächlich hatten Ende der 50er Jahre unter anderem staatliche Reisebüros der DDR Reisen an die albanische Küste im Angebot.)
1960 kritisierte Hoxha bei einem Besuch in Moskau offen den sowjetischen Kurs. 1961 löste sich das albanisch-sowjetische Bündnis auf und die UdSSR brach die diplomatischen Beziehungen zu Tirana ab. Die Studenten wurden aus der Sowjetunion zurückgerufen und die gemeinsamen Projekte zur Entwicklung der albanischen Industrie wurden abgebrochen. Insofern glich die Situation der von 1948, als man sich von Jugoslawien absetzte. Wiederum mussten sich die Albaner in kurzer Frist ideologisch neu orientieren. Die Sowjetunion galt nun als revisionistisches Regime, dessen Imperialismus ebenso zu verurteilen sei wie der US-amerikanische.
Anlehnung an China (1968–1978)
1968 erfolgte der endgültige Austritt aus dem RGW und dem Warschauer Pakt. Wie 1948 brach eine Säuberungswelle über die Partei der Arbeit herein, durch die erneut viele Kader ins Gefängnis kamen. In den folgenden Jahren lehnte man sich eng an das maoistische China an. Das Bündnis mit den Chinesen konnte den Ausfall der Wirtschaftshilfe aus den RGW-Ländern aber nicht im entferntesten kompensieren. Aus Mangel an Fachkräften und weil die Ersatzteile für russische Maschinen fehlten, setzte in den 70er Jahren der Verfall der albanischen Industrie ein. Hinzu kam, dass Fehlinvestitionen wie zum Beispiel in das gigantische Stahlwerk von Elbasan den Staatshaushalt stark belasteten. Was den Anteil der Beschäftigten in den verschiedenen Wirtschaftszweigen angeht, blieb Albanien ein Agrarstaat. Auch in den 80er Jahren arbeiteten zwei Drittel der Werktätigen in der Landwirtschaft. Im letzten Jahrzehnt vor der Wende konnte die Nahrungsmittelerzeugung den wachsenden Bedarf nicht mehr decken. Die meisten Grundnahrungsmittel wurden rationiert. Aus ideologischen Gründen waren den Bauern jegliche Privatgeschäfte streng verboten. Selbst Kleinvieh durfte nicht mehr zu Hause gehalten werden.
Albanischer Alleingang (1978–1990)
Als Folge der chinesischen Reformen nach Maos Tod (1976) brach Albanien im Jahr 1978 auch die Beziehungen zu China ab. Die ideologische Ausrichtung der Kommunisten auf Autarkie und den besonderen Weg des albanischen Sozialismus bekam schließlich paranoide Züge, als Hoxha zur Verteidigung Albaniens vor einer Invasion im ganzen Land nach dem Konzept des "Volkskrieges" ca. 600.000 Bunker bauen ließ. Extra dafür wurde die Betonindustrie angekurbelt und teurer Spezialstahl importiert. Im ganzen Land wurden Mini-Einheiten von 5 bis 16 Mann (insgesamt 2.000) verteilt. Albanien war 1975 das einzige europäische Land, das nicht an der KSZE teilnahm und die Schlussakte von Helsinki nicht unterzeichnete.
Vielmehr ging der Terror der kommunistischen Diktatur gegen die eigene Bevölkerung mit unverminderter Härte weiter. Eine weit verbreitete Form der Unterdrückung waren die Internierungsdörfer. Diese wurden in abgelegenen und von der Natur wenig begünstigten Gegenden (die Sümpfe der Küstenebene, Hochgebirgstäler) angelegt. In einer Art von Sippenhaft wurden dorthin Familien von Personen deportiert, die sich angeblicher politischer Vergehen schuldig gemacht hatten.
1981 starb der albanische Ministerpräsident Mehmet Shehu unter mysteriösen Umständen. Der Tod des langjährigen politischen Weggefährten Enver Hoxhas wurde offiziell als Selbstmord ausgegeben. Wahrscheinlich wurde Shehu aber im Auftrag Hoxhas beseitigt. Nach seinem Tod wurde Ramiz Alia Ministerpräsident und als Nachfolger des Diktators aufgebaut.
Nachdem Enver Hoxha 1985 gestorben war, setzte Alia die bisherige Politik im Großen und Ganzen fort. Allerdings bemühte er sich – nicht zuletzt wegen der desolaten Wirtschaftslage – um die Wiederaufnahme oder die Vertiefung diplomatischer Beziehungen zu verschiedenen westlichen und östlichen Staaten. Im Oktober 1986 unterzeichnete die albanische Regierung ein Handelsabkommen mit Jugoslawien. 1987 wurde der Kriegszustand mit Griechenland formal beendet und auch die Bundesrepublik Deutschland richtete in dieser Zeit auf Initiative von Franz Josef Strauß eine Botschaft in Tirana ein.
Schwieriger Transformationsprozess
Chronologie 1990-1999 Juli 1990 6000 Albaner fliehen in westliche Botschaften; antikommunistische
Demonstrationen in Tirana werden mit Waffengewalt auseinander-
getriebenNovember 1990 Erneute Massendemonstrationen in Tirana und Shkodra leiten das
Ende des kommunistischen Regimes ein.4. November 1990 Erster öffentlicher Gottesdienst in Albanien seit 1967, Simon Jubani
zelebriert eine kath. Messe auf dem Friedhof von Shkodra12. Dezember 1990 Gründung der Demokratischen Partei. 20. Februar 1991 Demonstranten stürzen die Statue Enver Hoxhas in Tirana 31. März/7. April
1991Erste pluralistischen Wahlen, noch einmal siegen die Kommunisten.
Es bestand keine Chancengleichheit für die Opposition.4. Juni 1991 Ein Generalstreik erzwingt den Rücktritt der kommunistischen
Regierung; Bildung einer Regierung der nationalen Einheit.19. Juni 1991 Albanien unterzeichnet die KSZE-Schlussakte. 8. August 1991 Die katastrophale Wirtschafts- u. Versorgungslage führt zu einer
Massenflucht: über 10.000 Menschen gelangen an Bord des
Frachters Vlora ins italienische BariJanuar 1992 Rückzug der DP aus der Regierung d. Nationalen Einheit 22. März 1992 Die DP gewinnt die ersten freien Wahlen mit fast zwei Dritteln der
Stimmen, Sali Berisha wird Präsident.April 1992 Beginn radikaler Wirtschaftsreformen; die ökonomische und soziale
Lage der Albaner bessert sich aber nur sehr langsam.25. April 1993 Papst Johannes Paul II. besucht Shkodra und Tirana. August 1993 An der Grenze zum Kosovo wird ein albanischer Soldat erschossen.
Albanien fordert die Entsendung von UNO-Beobachtern, um einem
Konflikt mit Restjugoslawien vorzubeugen.26. Mai 1996 Die regierende DP gewinnt die Wahlen, die allerdings massiv
manipuliert wurden.15. Januar 1997 Nachdem mehrere Geldanlagefonds (Pyramidenspiele) bankrott
gehen, kommt es in Tirana zu Protesten geprellter Sparer gegen die
Regierung, weil diese Verbindung zu den Anlagebetrügern hat28. Januar 1997 Die Zusammenstöße zwischen der Polizei und Demonstranten for-
dern erste Todesopfer; der Aufstand erfasst das ganze Land.2. März 1997 Verhängung des Ausnahmezustands. Im Süden Albaniens hat die
Staatsmacht keinerlei Kontrolle mehr.4. März 1997 Die OSZE ernennt Franz Vranitzky zum Sonderkoordinator
für Albanien.13. März 1997 In ganz Albanien herrscht Anarchie. Die machtlose Regierung
ersucht das Ausland um eine Militärintervention.27. März 1997 Der UNO-Sicherheitsrat stimmt der Entsendung einer multinationalen
Schutztruppe für Albanien zu.21. April 1997 Beginn der Operation Alba: 6000 Mann multinationale
Schutztruppen werden in Albanien stationiert.29. Juni 1997 Vorgezogene Parlamentswahlen unter Aufsicht der OSZE. Gewinner
sind die Sozialisten.18. September 1998 Die Ermordung des populären Oppositionspolitikers Azem Hajdari
löst erneut schwere Unruhen aus.März 1999 Der schon im Herbst 1998 einsetzende Flüchtlingsstrom aus dem
Kosovo erreicht den Höhepunkt; etwa 300.000 Kosovo-Albaner
werden in Lagern u. Privatunterkünften untergebracht.Trotz der Abgeschlossenheit des Landes erfuhr auch die albanische Bevölkerung von den revolutionären Veränderungen in den Ländern des Ostblocks. (In den Küstenregionen und in Tirana war italienisches Fernsehen zu empfangen und im Süden konnte man auch griechisches Fernsehen schauen). Der Sieg der Solidarność-Bewegung in Polen, der Wandel in Ungarn und schließlich der Fall der Mauer ermutigten auch die Albaner, sich gegen die Diktatur aufzulehnen. Im Januar 1990 fanden in Shkodra die ersten Demonstrationen gegen das Regime statt. Im Juli desselben Jahres flohen hunderte Albaner in westliche Botschaften. Die zeitgleich in Tirana stattfindenden Demonstrationen konnten von den Sicherheitskräften noch einmal niedergeknüppelt werden.
Im Herbst 1990 ließ sich die antikommunistische Bewegung, die in Tirana zuerst von den Studenten getragen wurde, nicht mehr unterdrücken. Das Regime musste mit den Aufständischen verhandeln. Im November wurde das Religionsverbot aufgehoben und in Shkodra fand der erste öffentliche katholische Gottesdienst seit 1967 statt. Die Muslime und Orthodoxen folgten diesem Beispiel kurze Zeit später. Im Dezember wurde auf dem Campus der Universität Tirana die Demokratische Partei als erste nichtkommunistische Organisation gegründet.
Trotzdem war zu dieser Zeit nicht absehbar, ob die Regierung nicht doch noch mit Gewalt gegen die Revolution vorgehen würde. Aufgrund der unsicheren politischen Situation und mehr noch wegen der verzweifelten wirtschaftlichen Lage des Landes passierten Tausende illegal über die verschneiten Berge die Grenze nach Griechenland, und 25,000 Albaner kaperten im März 1991 in den Häfen von Durrës und Vlora Schiffe, um damit nach Italien zu gelangen. Erst durch diese Flüchtlingskatastrophe wurde die Aufmerksamkeit des Westens für Albanien geweckt; die EU-Staaten und die USA begannen nun, humanitäre Hilfe zu leisten.
Im April 1991 konnten die Kommunisten unter Ramiz Alia bei den ersten pluralistischen Wahlen noch einmal die Mehrheit erringen. Im Wahlkampf hatte keine Chancengleichheit bestanden, denn die alten Machthaber kontrollierten noch immer den gesamten Informationssektor. Es war ihnen daher gelungen, in der Landbevölkerung (70 % in Albanien) Angst gegen die Veränderungen zu schüren. Die neue Regierung begann gleichwohl mit ersten Reformen, die das Ende der kommunistischen Allmacht bedeuteten. Der Partei wurde die Kontrolle über die Streitkräfte entzogen, die nun unter das Kommando der parlamentarischen Regierung gestellt wurden. Im Juni 1991 unterzeichnete man KSZE-Schlussakte und verpflichtete sich damit den europäischen Standards hinsichtlich der Menschenrechte.
Im April 1992 übernahmen die Demokraten unter Sali Berisha die Regierung. Am 6. Juni 1992 trat Albanien dem NATO-Kooperationsrat bei und stellte einen Antrag auf NATO-Mitgliedschaft, der jedoch im Dezember 1992 zurückgewiesen wurde. Mit der Türkei, zu der historische und kulturelle Bindungen bestehen, schloss Albanien 1992 einen umfassenden Beistandspakt ab. Im Oktober 1993 folgten derartige Abkommen mit den USA und Großbritannien. Im April 1993 besuchte Papst Johannes Paul II. Shkodra und Tirana. Am 10. Juli 1995 wurde Albanien als 35. Mitglied in den Europarat aufgenommen. Im Sommer 1995 stattete der deutsche Bundespräsident Roman Herzog Albanien seinen Besuch ab.
Fünf Jahre nach der Wende zeichnete sich jedoch ab, dass der Transformationsprozess in vielerlei Hinsicht gescheitert war. Die Umgestaltung der Wirtschaft war nicht vorangekommen. Aufgrund dessen war der Strom der Auswanderung ungebrochen. Auf der legislativen Ebene waren kaum Voraussetzungen für einen Neuanfang geschaffen worden. Es fehlten immer noch moderne Gesetze zum Privateigentum, zur Gründung von Firmen oder zum Zoll. Mit der Neugestaltung der Sozialsysteme (Rente, Gesundheitswesen usw.) war noch nicht einmal begonnen worden. Weil ein Privatisierungsgesetz fehlte, wurden ab 1991 das Land der staatlichen Agrarbetriebe "wild" aufgeteilt, auch Albaner, die vorher nie in der Landwirtschaft tätig gewesen waren, beanspruchten Boden und markierten ihn u.a. mit herausgerissenen Eisenbahnschienen und Telegrafendrähten. Zur selben Zeit brach auch die Industrieproduktion völlig zusammen und die seit Ende der 80er Jahre herrschende Lebensmittelknappheit verschärfte sich. Auch der sich neben den wenigen Staatsbanken entwickelnde Privatbankensektor wurde nicht gesetzlich geregelt.
Die Posten in Regierung und Verwaltung wurden nach der Wende kaum nach Eignung sondern zur Versorgung der eigenen Anhänger und der Mitglieder des eigenen Clans vergeben. Das albanische Nachwendesystem basierte im Wesentlichen auf Korruption und Vetternwirtschaft. Nach einem 1996 veröffentlichten Bericht von Human Rights Watch war besonders die Justiz massiven staatlichen Beeinflussungen ausgesetzt, auch der neue Nachrichtendienst SHIK gewann wieder an Einfluss. Die Gesellschaft war tief gespalten in Anhänger der Demokraten Sali Berishas und in Anhänger der zu Sozialisten mutierten Kommunisten. Die Unzufriedenheit mit der Regierung nahm zu und 1996 konnte Berisha seine Partei nur durch massive Wahlfälschungen an der Macht halten.
Die Regierungen der westlichen Länder haben die gefährlichen Entwicklungen in Albanien Mitte der 90er Jahre weitgehend ignoriert, denn ihre Aufmerksamkeit galt vor allem der Bewältigung der Kriegsfolgen im ehemaligen Jugoslawien. Die wenigen Abgeordneten des Europäischen Parlaments, die sich mit Albanien befassten, hielten sich mit Kritik an Berishas Regierung zurück, galt sie doch als reformorientiert und als einzige politische Alternative standen die Exkommunisten bereit. So wurden von europäischer Seite 1996 auch die Wahlfälschungen kaum kritisiert.
Als Anfang 1997 nach Kreditbetrugsfällen landesweit Unruhen ausbrachen, war die albanische Regierung schon bei großen Teilen der Bevölkerung delegitimiert. Die Ursachen für den so genannten Lotterieaufstand waren vielschichtig, letztlich wurde wegen des in allen Teilen gescheiterten Transformationsprozesses rebelliert. Dass dabei Gewalt, Plünderungen und Zerstörungswut ein derart großes Ausmaß erreichten, lässt sich damit erklären, dass die kommunistische Diktatur, in der das Leben des Einzelnen nur wenig Wert hatte, eine weitgehend zerstörte Gesellschaft hinterlassen hat. Im März 1997 waren die staatlichen Strukturen außerhalb der Hauptstadt völlig zusammengebrochen und es herrschten bürgerkriegsähnliche Zustände, die mehr als 1000 Todesopfer forderten. Deutschland und die USA brachten ausländische Staatsbürger aus dem Land.
Eine OSZE-Mission konnte unterstützt von internationalen Friedenstruppen (Griechen, Italiener, Spanier, Franzosen, Türken und Rumänen) den Frieden wiederherstellen. Im Juli 1997 wurden unter OSZE-Aufsicht freie und faire Wahlen abgehalten. Danach normalisierte sich die Lage. Die aus den Kommunisten hervorgegangene Sozialistische Partei übernahm die Macht an der Spitze einer Mitte-Links-Koalition, und Fatos Nano wurde Regierungschef. Seitdem erholte sich die Wirtschaft des Landes, und die Lebensverhältnisse besserten sich, nicht zuletzt auch weil die EU nun umfangreichere und besser organisierte Aufbauhilfe leistete.
1998 wurde per Referendum die neue Verfassung angenommen. Aber immer noch hat das Land große ökonomische Probleme und eine hohe Arbeitslosigkeit; das politische System ist nach wie vor sehr instabil. Unter diesen Umständen war die Versorgung von 300.000 Flüchtlingen, die im Frühjahr 1999 vom Krieg im Kosovo vertrieben wurden, auch mit internationaler Hilfe nur schwer zu meistern. Die durch die Fluchtwelle ausgelöste Krise führte aber auch zu einer bisher ungekannten Solidarisierung in der albanischen Gesellschaft. Angehörige aller politischen Lager kooperierten vorübergehend miteinander. Die verstärkte internationale Präsenz und die im Rahmen des Stabilitätspakts für Südosteuropa verstärkte und wirksamere Hilfe leitete eine allmähliche Verbesserung der Wirtschaftslage ein.
Der erneute Machtwechsel nach den Wahlen von 2005 – jetzt regiert wieder die Demokratische Partei Berishas – verlief ruhig und geordnet.
Siehe auch
Literatur
Quellen
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Zeitschriften
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- Chruschtschovs Besuch in Albanien (1959), Filmsequenz
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- Maurus Reinkowski: Gewohnheitsrecht im multinationalen Staat: Die Osmanen und der albanische Kanun. in: Michael Kemper und Maurus Reinkowski (Hrsg.): Rechtspluralismus in der Islamischen Welt: Gewohnheitsrecht zwischen Staat und Gesellschaft.' Berlin; New York: de Gruyter 2005. S. 121 - 142
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