Geschichte des Spanischen in Argentinien

Geschichte des Spanischen in Argentinien
Karte des Gebiets

Río-de-la-Plata-Spanisch (Rioplatensisch, das rioplatensische Spanisch = el español rioplatense) ist eine vor allem in Argentinien und Uruguay gesprochene Variante der spanischen Sprache. Es hat seinen Namen vom Río de la Plata, an dem die Hauptsiedlungsgebiete der beiden Länder liegen, und ist gekennzeichnet durch relativ starke Unterschiede zum Kastilischen und den anderen lateinamerikanischen Akzenten. Rioplatensisch wird als die am weitesten vom modernen Kastilischen entfernte Variante des Spanischen angesehen.

Inhaltsverzeichnis

Merkmale

Das Río-de-la-Plata-Spanische unterscheidet sich vom traditionellen Kastilischen durch deutliche Merkmale sowohl in der Aussprache als auch in der Grammatik.

Aussprache

Die Aussprache des argentinischen Spanisch unterscheidet sich deutlich von der in Spanien und auch von der in anderen lateinamerikanischen Ländern üblichen. Der Buchstabe ll wird wie das französische j in journal, oft auch wie das deutsche sch ausgesprochen, ebenso zwischen Vokalen der Buchstabe y (siehe Žeísmo). Der Buchstabe z wird immer wie ein stimmloses s ausgesprochen, das gleiche trifft auf das c vor e und i zu (siehe Seseo). Am Wortende werden häufig die Konsonanten s (bzw. z) und n verschluckt (No’ encontramo’ a la’ die’ statt Nos encontramos a las diez = "Wir treffen uns um zehn Uhr"), dies führt bei Kontakt mit Sprechern anderer spanischer Dialekte insbesondere bei den Zahlwörten "dos"/"doce" ("zwei"/"zwölf") regelmäßig zu Missverständnissen bzw. Nachfragen, da ein "dos" (mit ordnungsgemäß gesprochenem s) vom Sprecher des Río de la Plata-Dialekts unwillkürlich als "doce" verstanden wird. Ein weiteres Kennzeichen des Río-de-la-Plata-Spanischen ist die Aussprache der Buchstaben g (vor e und i) und j. Sie werden meist relativ stark aspiriert wie das deutsche h artikuliert: das Wort gente beispielsweise wird hänte ausgesprochen, mejor klingt wie mehorr.

Regionale Besonderheiten gibt es insbesondere im Nordwesten Argentiniens und der Provinz Córdoba: Das Spanische kennt zwei "r": Ein einfaches /r/ und ein stark gerolltes /rr/. Im Nordosten Argentiniens wird das /rr/ meist nicht gerollt, sondern wie ein weiches "rsch" [ɮ] ausgesprochen. Außerdem wird in dieser Region generell die vorletzte Silbe jedes Wortes betont und langgezogen ausgesprochen. Der Dialekt des Nordostens Argentiniens zeichnet sich dagegen durch einen schnelleren Sprachrhythmus und den Gebrauch von mehreren aus der Guaraní-Sprache stammenden Wörtern aus.

Ein ähnliches Phänomen ist das Auftreten von portugiesischen Einflüssen im Norden von Uruguay (sogenanntes Portuñol).

Grammatik

Das markanteste Merkmal der Grammatik des Río-de-la-Plata-Spanischen ist der sogenannte Voseo: anstatt des Personalpronomens für die 2. Person Singular wird das altspanische vos (etwa: Höflichkeitsform Ihr) verwendet. Die Verben werden dabei im Indikativ Präsens und im Imperativ anders konjugiert: die Form entspricht der zweiten Person plural im Standardspanischen, jedoch wird das „i“ der Endung weggelassen; die Betonung bleibt auf der verkürzten letzten Silbe: „du sprichst“ = vos hablás, von habláis; „du bist“ = vos sos von sois. Die von „vosotros“ abgeleitete Form wird für das Präteritum und den Subjunktiv nicht mehr verwendet: „que vos hablés“ und „vos hablastes“ gelten heute als veraltet. Der Subjunktiv von „vos“ wird in der gesprochenen Sprache allerdings noch verwendet, um etwas zu betonen.

Wie in den anderen lateinamerikanischen Dialekten wird statt der 2. Person Plural (vosotros), auch in informeller Sprache, die 3. Person Plural (ustedes) verwendet, die im europäischen Spanisch nur die Höflichkeitsform ist.

In der Vergangenheit wird nur das Präteritum verwendet („vos hablaste“).

Darüber hinaus gibt es eine Reihe lexikalischer Abweichungen.

Geschichte

Die Ursache der Eigenständigkeit des Spanischen in Argentinien und Uruguay ist in der Siedlungsgeschichte der beiden Länder zu finden. Durch die spät erfolgte Besiedlung und die lockere Bindung zum spanischen Mutterland war von Anfang an der Weg für eine relativ unkontrollierte Entwicklung des Spanischen frei, während in anderen Ländern Lateinamerikas, die früher in Besitz genommen wurden, der spanische Hof sprachkonservierend gewirkt hatte. Hinzu kam eine verhältnismäßig große Zahl nichtspanischer Einwanderer. Die Mehrzahl von ihnen stammte aus Italien und hinterließ einige Spuren beispielsweise in der argentinischen Alltagssprache, so z.B. das italienische "birra" (kastilisch: "cerveza").

Argentinien wurde aus drei Richtungen besiedelt. Die erste Einwanderung erfolgte im Gebiet des Río de la Plata. Sie begann 1536 mit der Ankunft spanischer Siedler. Die Einwohner von Buenos Aires, Porteños genannt, sehen ihr Spanisch als das argentinische Standardspanisch an. Diese Meinung wird allerdings von den Einwohnern der anderen Provinzen nicht geteilt. Der in Uruguay gesprochene Dialekt ist wegen der langen gemeinsamen Geschichte beider Regionen dem Spanisch Ostargentiniens sehr ähnlich.

Über Bolivien wurde der Nordwesten Argentiniens von Peru aus bevölkert. Die spanische Mundart dieser Region zählte am Anfang zum Andendialekt, der näher am traditionellen Spanisch lag. Im Laufe des 20. Jahrhunderts haben sich jedoch auch dort trotz einiger regionaler Besonderheiten die Merkmale des Río-de-la-Plata-Spanischen durchgesetzt – bis hin in die östlichen Tieflandgebiete Boliviens (insbesondere die Region um Santa Cruz de la Sierra), wo sich beispielsweise der voseo ebenfalls eingebürgert hat. Eine Ausnahme ist das Spanisch der Provinz Santiago del Estero, das weiterhin das Spanisch Argentiniens mit der größten Verwandtschaft zum Kastilischen ist. Dort wird ein vom restlichen Argentinien abweichendes Spanisch gesprochen, das bestimmte argentinische Eigenarten nicht aufweist. So werden zum Beispiel die Buchstaben ll und y nicht wie das j in Journal ausgesprochen, sondern wie im Kastilischen. Des Weiteren wird dort in der 2. Person Singular oft die -Form statt der ansonsten üblichen vos-Form verwendet.

Schließlich wurde die Region Cuyo im äußersten Westen des Landes von Chile aus besiedelt. Noch heute wird in dieser Region ein Dialekt gesprochen, der relativ nahe am Spanischen von Zentralchile liegt, obwohl sich der Akzent der Hauptstadt Buenos Aires auch in dieser Gegend immer stärker etabliert.

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