- Grafen von Wintzingerode
-
Wintzingerode ist ein deutsches Uradelsgeschlecht, das sich nach der Gemeinde Wintzingerode (jetzt ein Ortsteil der Stadt Leinefelde-Worbis) im Eichsfeld benannte und seit 1668 in zwei Linien unterteilt ist.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
1209 wurde die Familie mit dem edelfreien Bertoldus de Wincigeroth erstmals urkundlich erwähnt. Ihr Stammsitz ist das Dorf Wintzingerode bei Worbis. Im Laufe des Spätmittelalters erwarb die Familie umfangreichen Grundbesitz im Eichsfeld, im heutigen Niedersachsen, Hessen und Thüringen. Im Gefolge der Reformation und Gegenreformation verlor sie an Vermögen und Einfluss, konnte jedoch ihren Kernbesitz um die Burg Bodenstein halten und setzte mit Hilfe der Welfen den Fortbestand des evangelischen Bekenntnisses in den Dörfern Kirchohmfeld, Kaltohmfeld, Wehnde, Tastungen und Wintzingerode durch. Durch den Streit zwischen Kurmainz und Braunschweig um die Lehnshoheit über Bodenstein nach dem 1593 erfolgten Tod des letzten Hohnsteiner Grafen erlangte der dort ansässige Zweig der Familie das ius episcopale (Bischofsrecht), das sie bis 1803 ausübte. Daneben stand der Familie die Hohe und Niedere Gerichtsbarkeit, die Hohe und Niedere Jagd und das Bergregal zu.
Im Verlauf des 16. bis 18. Jahrhunderts errichteten Mitglieder der Familie innerhalb der Herrschaft Bodenstein die Herrenhäuser Unterhof und Oberhof in Kirchohmfeld, das Schloss Adelsborn sowie die Herrenhäuser in Wehnde, Tastungen und Wintzingerode. Heute noch vorhanden sind der Unterhof in Kirchohmfeld und das Herrenhaus in Wintzingerode. Adelsborn, Wehnde und Tastungen wurden nach Kriegsende mutwillig zerstört, der Oberhof in Kirchohmfeld 2005 abgerissen.
Am 21. August 1794 wurde der kurkölnische Kämmerer und landgräflich hessische Oberhofmeister Georg Ernst Levin von Wintzingerode auf Bodenstein und dessen Nachkommen von Kaiser Franz II. in den erblichen Reichsgrafenstand mit dem Prädikat „Hoch- und Wohlgeboren“ erhoben. Der Freiherrenstand der übrigen Familienmitglieder wurde vom Reich 1803 und von Preußen 1830 (unter Ausschluss des Hauses Auleben) bestätigt. In der Linie Auleben durfte nur ein etwaiger Senioratsverweser den Freiherrentitel führen.
1803 fiel das Eichsfeld mit der Herrschaft Bodenstein an Preußen und nach einer gegen die Gesamtfamilie erhobenen preußischen Felonieklage erkannte diese Friedrich Wilhelm III. nach anfänglichem Widerstreben als Oberlehnsherrn an. 1807 gelangte das Eichsfeld an das neugebildete Königreich Westphalen. Durch dessen Gesetzgebung verlor die Familie ihre verbliebenen hoheitlichen Rechte sowie die an Lehnsnehmer vergebenen Flächen. Übrig blieben die auch bisher selbstbewirtschafteten Flächen im Ohmgebirge. Als das Eichsfeld nach dem Wiener Kongress wieder an Preußen fiel, wurden die westphälischen Maßnahmen nicht zurückgenommen. Von der Möglichkeit, ein Patrimonialgericht nach dem Allgemeinen Preußischen Landrecht einzurichten, wurde kein Gebrauch gemacht. 1905 erschien der historische Roman Die von Wintzingerode von Paul Schreckenbach, der sich mit den Geschehnissen um Berthold XI. von Wintzingerode (1505–1575) zu Beginn der Gegenreformation befasst. Er erlebte mehrere Neuauflagen bis in die 1930er Jahre hinein.
Gemäß der „Verordnung über die demokratische Bodenreform“ wurden die im Eichsfeld ansässigen Zweige der Familie vertrieben. Ihr Besitz, die Güter Bodenstein, Adelsborn, Wehnde, Tastungen, Kirchohmfeld-Unterhof und Wintzingerode (zusammen etwa 2200 ha) wurden konfisziert. Seit 1996 sind die Grafen von Wintzingerode wieder auf dem Eichsfeld ansässig und bewirtschaften einen Forstbetrieb auf zurückerworbenen Waldflächen ihres früheren Fideikommiss' Bodenstein, dem sogenannten Bodenwald im westlichen Ohmgebirge.
Einer der freiherrlichen Zweige der Familie besitzt die Burg Pottenstein in der Fränkischen Schweiz.
In Wien gibt es eine nach Ferdinand Freiherr von Wintzingerode benannte Straße und in Leipzig-Meusdorf einen Wintzingerodeweg. In Hannover existiert ein Winzingerodeweg.
Wappen
Das Stammwappen zeigt in Silber eine schräglinks gestellte rote Hellebardenspitze. Auf dem Helm mit rot-silbernen Decken und Wulst die Hellebardenspitze pfahlweise. Wappenspruch: „Recht tun behält sein Preis allzeit.“
Namhafte Vertreter
- Berthold VI. von Wintzingerode († 1326), Protonotar und Generalvikar des Erzbistums Mainz, Gesandter Ludwigs des Bayern bei Papst Johannes XXII.
- Berthold XI. von Wintzingerode (1505–1575), Obrist, in der Gegenreformation enthauptet
- Ludwig Philipp von Wintzingerode (1665–1720), kurmainzischer General und Oberbefehlshaber
- Wasmuth Levin von Wintzingerode (1671–1752), niederländischer General
- Ernst August von Wintzingerode (1747–1806), preußischer Generalleutnant, Kommandeur der Garde du Corps
- Georg Ernst Levin Graf von Wintzingerode (1752–1834), württembergischer Regierungschef und Außenminister 1801–1807 und 1814–1816
- Ferdinand Freiherr von Wintzingerode (1770–1818), russischer General der Kavallerie und Generaladjutant Alexanders I., österreichischer Feldmarschalleutnant
- Heinrich Karl Friedrich Levin Graf von Wintzingerode (1778–1856), württembergischer Diplomat und Staatsmann, Außenminister 1819–1823
- Friedrich Gerhard Freiherr von Wintzingerode (1799–1870), nassauischer Ministerpräsident 1849–1851, seit 1866 preußischer Regierungspräsident in Potsdam
- Adolph Freiherr von Wintzingerode (1801–1874), preußischer Generalleutnant
- Heinrich Philipp Rudolph Levin Freiherr von Wintzingerode (1806–1864), nassauischer Regierungskammerpräsident 1851–1864
- Ferdinand Freiherr von Wintzingerode der Jüngere (1809–1886), russischer Generalleutnant
- Philipp Wilhelm Freiherr von Wintzingerode (1812–1871), kurhessischer Staatsminister
- Levin Freiherr von Wintzingeroda-Knorr (1830–1902), Historiker, Landarmendirektor der Provinz Sachsen
- Wilko Levin Graf von Wintzingerode-Bodenstein (1833–1907), MdR, 1876–1900 Landesdirektor (später Landeshauptmann) der preußischen Provinz Sachsen und Präsident des Evangelischen Bundes
Literatur
- Genealogisches Handbuch des Adels, Adelslexikon Band XVI, Band 137 der Gesamtreihe, C. A. Starke Verlag, Limburg (Lahn) 2005, ISSN 0435-2408
Weblinks
Wikimedia Foundation.