Grafen von Wiser

Grafen von Wiser

Die Grafen von Wiser waren ein Adelsgeschlecht, das ursprünglich aus Niederösterreich stammend ab dem 17. Jahrhundert in Diensten der Kurpfalz stand und mit Franz Melchior von Wiser 1702 in den Reichsgrafenstand erhoben wurde. Die Familie hatte insbesondere Besitzungen im östlichen Kraichgau und bildete 1708/09 zwei Linien aus: die Linie Wiser-Siegelsbach erlosch 1938, die Linie Wiser-Leutershausen besteht bis heute fort. Die Familie bekleidete insbesondere während der Zeit des Hauses Pfalz-Neuburg an der Spitze der Kurpfalz bis 1748 höchste politische Ämter und betrieb im 18. Jahrhundert eine aggressive Rekatholisierung in ihrem Herrschaftsgebiet.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Als Stammvater der Familie gilt ein Eustachius Wiser, der 1450 als Lehensinhaber in der Gegend von Melk im heutigen Niederösterreich genannt wird. Im Jahr 1500 wurde ein Christoph Wiser von Kaiser Maximilian I. für seine Verdienste in den Türkenkriegen in den Adelsstand erhoben. Das damals verliehene Wappen mit dem sechsstrahligen Stern in gold und blau gespaltenem Schild wurde, später mehrfach erweitert, zum Stammwappen der Familie. Auch ein Wolf Wiser wurde 1577 durch Rudolf II. geadelt. 1598 bestätigte Rudolf II. die Adelsfreiheiten für Christoph Wisers Enkel Lorenz und Christoph Wiser. Da die Familie reformatorisch gesinnt war, musste sie im Zuge der Gegenreformation Österreich verlassen und kam so in Dienste der Pfalzgrafen von Pfalz-Neuburg, wo ein Johann Georg von Wiser nach 1625 als neuburgischer Hofstaatssekretär genannt wird. In Diensten von Pfalz-Neuburg wurde die Familie später wieder katholisch.

Gottfried von Wiser († 1693) war zunächst am Hof des bayerischen Kurfürsten und wurde 1645 Hofrat in Neuburg, später Hofratsdirektor und Hofkanzler. Nachdem Pfalz-Neuburg 1685 die pfälzische Kurwürde übernommen hatte, war Gottfried von Wiser als Geheimrat unter den höchsten Würdenträgern der Kurpfalz. 1690 wurde er in den Reichsritterstand erhoben. Er hatte fünf Söhne, von denen Franz Melchior von Wiser (1651–1702) im Jahr 1693 Nachfolger des Vaters als kurpfälzischer Hofkanzler wurde. Mit seinen Geschwistern wurde Franz Melchior 1694 in den Freiherrenstand erhoben, alleine dann 1702 in den Reichsfreiherrenstand und noch im selben Jahr in den Reichsgrafenstand.

Ab 1696 wurde Franz Melchior von Wiser mit den ehemaligen Lehen der 1632 ausgestorbenen Herren von Hirschhorn belehnt: zunächst mit Zwingenberg nebst Strümpfelbrunn, Teilen von Ober- und Untergimpern und dem halben Dorf Fahrenbach, 1698 mit Siegelsbach, Friedelsheim und weiteren Orten. Im Jahr 1700 erhielt er außerdem das Hirschberger Lehen um Leutershausen. Da das Friedelsheimer Schloss 1694 von Franzosen zerstört worden war, nahm Franz Melchior von Wiser seinen Sitz im kurz zuvor erneuerten, ehemaligen Hirschhorner Hof in Siegelsbach, der auch unter seinen Nachfahren einer der Sitze der Familie blieb und im frühen 18. Jahrhundert unter den Grafen von Wiser zum Schloss Siegelsbach ausgebaut wurde.

Franz Melchior von Wiser hatte seinen Besitz testamentarisch zum Fideikommiss (unteilbarer und unveräußerlicher Familienbesitz) erklärt, doch nach seinem frühen Tod und dem frühen Tod des Sohnes Johann Anton 1708 teilten die beiden überlebenden Söhne den Besitz doch unter sich auf. Ferdinand Andreas von Wiser (1677–1761) war Begründer der Leutershausener Linie (auch Weiß-Wisersche Linie) mit Besitz in Leutershausen, Franz Joseph von Wiser (1679–1755) begründete die Siegelsbacher Linie (auch Schwarz-Wisersche Linie) mit Besitz in Siegelsbach, Friedelsheim, Ober- und Untergimpern sowie einigen kleineren Lehen. Die Unterscheidung der Linien in Schwarz und Weiß steht vermutlich im Zusammenhang mit den Farben der von den jeweiligen Herrschaften getragenen Perücken. Die Teilung ging von Franz Joseph aus, der das zerstörte Schloss in Friedelsheim wiederaufbauen ließ, und wurde 1709 durch den Kurfürsten genehmigt. Beide Brüder standen in hohen kurpfälzischen Diensten, doch mit dem Aussterben der Linie Pfalz-Neuburg 1748 und dem Übergang der Macht in der Kurpfalz an das Haus Pfalz-Sulzbach schwand noch zu ihren Lebzeiten der Einfluss der Familie bereits deutlich. In ihrem Herrschaftsbereich betrieben beide Brüder eine aggressive Rekatholisierung.

Linie Wiser-Leutershausen

Ferdinand Andreas von Wiser (1677–1761) war 1703 kurpfälzischer Hofvizekanzler, später Gesandter in Paris und Wien, 1716 kurpfälzischer Vertreter beim Reichstag in Regensburg, 1730 Vorsitzender des kurpfälzischen Hofgerichts und ab 1748 kurpfälzischer Regierungspräsident. Auf ihn geht der Bau des Schlosses Wiser in Leutershausen ab 1710 zurück, wo er die Rekatholisierung vorantrieb, außerdem gründete er um 1712 das im 19. Jahrhundert wieder abgegangene Dorf Ferdinandsdorf im Odenwald.[1] Durch den Linienwechsel an der Spitze der Kurpfalz schlugen seine Söhne keine juristischen, sondern militärische Laufbahnen ein. Graf Karl von Wiser (1716–1788) war kurpfalz-bayerischer Generalleutnant, sein Bruder Graf Philipp von Wiser (1718–1805) kurpfälzischer Generalmajor. Die Brüder lebten in Mannheim und München und mussten ihren dortigen teuren Lebensstil durch den Verkauf von Besitztümern und die Anhebung der den Untertanen auferlegten Lasten finanzieren. Karls Sohn Karl Theodor von Wiser (1760–1820) wurde 1786 kurpfälzischer Hofgerichtsrat in Mannheim, zog sich jedoch nach Ausbruch der Revolutionsunruhen in Frankreich nach München zurück und konnte nach dem Frieden von Lunéville und dem Ende der Kurpfalz keine Stellung als Hofrichter mehr erlangen. Sein Sohn Friedrich Carl von Wiser (1790–1831) schlug in Bayern eine Militärlaufbahn ein, sein Enkel Wilhelm Carl Friedrich von Wiser (1821–1891) konsolidierte mit aus der Ablösung der Feudalrechte eingenommenen Mitteln den Familiengrundbesitz. Die Familie besteht bis heute in Leutershausen (inzwischen ein Ortsteil von Hirschberg an der Bergstraße) fort.

Linie Wiser-Siegelsbach

Franz Joseph von Wiser (1679-1755) war Oberamtmann in Kaiserslautern und später in Neustadt an der Weinstraße und zuletzt kurpfälzischer Regierungsvizepräsident. In Siegelsbach betrieb er eine aggressive Rekatholisierung, in deren Folge nicht nur der evangelische Pfarrer vertrieben, sondern in 39 Jahren auch 16 katholische Geistliche verschlissen wurden. Seine Söhne teilten den Besitz der Linie im Jahr 1758 unter sich auf. Friedrich Joseph von Wiser (1714–1775) erhielt Siegelsbach mit Ober- und Untergimpern, Carl Joseph († 1780) erhielt Friedelsheim. Das Schloss Friedelsheim ging zu gleichen Teilen an beide Brüder. Als Carl Joseph 1780 kinderlos starb, fiel der gesamte Besitz an Joseph Johann von Wiser (1764–1840), den ältesten Sohn von Friedrich Joseph, der 1788 seinen Wohnsitz wieder in Siegelsbach nahm, wo er durch überzogene Fronforderungen, speziell eine große Zahl von Botengängen, den Unmut der Untertanen erregte. 1794 wurde Schloss Friedelsheim von Franzosen verwüstet und niedergebrannt, 1795 wurde der gesamte linksrheinische Besitz von den Franzosen beschlagnahmt. Trotz der Aufhebung der Beschlagnahme nach dem Frieden von Lunéville war Joseph Johann 1803 gezwungen, den gesamten Friedelsheimer Besitz an die früheren Erbbeständler zu verkaufen. Durch den Reichsdeputationshauptschluss und die Rheinbundakte gingen die Herrschaftsrechte in den sonstigen Besitztümern verloren. Nachdem sich die Siegelsbacher Untertanen 1810/11 gegen die Frondienste erhoben hatten, kam Joseph Johann von Wiser mit dem fürstlich-leiningenschen Lehenhof überein, das Amt Siegelsbach aufzulösen und Siegelsbach unentgeltlich vom Amt Mosbach verwalten zu lassen. Im Gegenzug erkannte Leiningen den früheren Lehensbesitz der Grafen Wiser als Allodialbesitz an, wodurch es dem Gafen möglich war, Grundbesitz zu veräußern. Besitz in Ober- und Untergimpern ging 1814 an die Grafen von Yrsch, Wald in Siegelsbach an die Gemeinde. Sein Sohn Joseph Carl Georg von Wiser (1796–1862) verkaufte mit dem Siegelsbacher Schloss 1833 den letzten Besitz in Siegelsbach, zog dann nach Mosbach, 1835 in das Obere Schloss nach Stein am Kocher und 1848 nach Baden-Baden. Joseph Carl Georgs Enkel Maximilian Graf von Wiser (1861–1938) wurde bekannter Augenarzt, verstarb jedoch kinderlos, so dass mit ihm die Linie 1938 erlosch.

Bekannte Vertreter

Einzelnachweise

  1. Zur Geschichte Ferdinandsdorfs. In: Eberbacher Geschichtsblatt 1998, S.111 ff.

Literatur

  • Rudolf Petzold: Die Grafen von Wiser und die Grafen von Yrsch – zwei kurpfälzische Vasallengeschlechter im östlichen Kraichgau. In: Rappenauer Heimatbote Nr. 16, 2005

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