Grafschaft Tambach

Grafschaft Tambach
Territoriale Entwicklung des ehemaligen Klosteramts und der Reichsgrafschaft.

Die Grafschaft Ortenburg-Tambach, auch kurz Grafschaft Tambach genannt, war eine kurzfristig reichsunmittelbare, danach standesherrliche Grafschaft im Großherzogtum Würzburg und im Königreich Bayern. Sie lag südwestlich von Coburg und hatte ihren Sitz auf Schloss Tambach. Die Grafschaft entstand durch einen Tauschvertrag aus dem Jahre 1805, worin das ehemalige Klosteramt Tambach zur Grafschaft erhoben und im Gegenzug die in Niederbayern gelegene Reichsgrafschaft Ortenburg Teil des Kurfürstentums Bayern wurde. Ortenburg-Tambach bestand bis zum Ende der Monarchie in Bayern im Jahre 1918.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Reichsgraf Joseph Carl (* 1780, † 1831) war Gründer und erster Graf von Ortenburg-Tambach.

Vorgeschichte

Im Jahre 1803 wurden das Hochstift Würzburg und das Hochstift Bamberg infolge des Reichsdeputationshauptschlusses aus dem Jahr 1803 säkularisiert. So fiel das ehemalige Zisterzienserkloster Langheim der Diözese Bamberg an das Kurfürstentum Bayern. Mit der Säkularisierung des Mutterklosters kam ebenso das Klosteramt Tambach mit seinen zahlreichen Waldungen, welche sich bis in das Herzogtum Sachsen-Coburg erstreckten, an die bayerischen Kurfürsten. Das Klosteramt wurde 1153 von Kloster Langheim käuflich erworben und seither stets erweitert.

Bereits 1801 wurde der 1780 geborene Reichsgraf Joseph Carl von Kaiser Franz II. für volljährig erklärt. Er übernahm daraufhin von seiner Mutter Christiane Louise, geborene Wild- und Rheingräfin zum Stein, die mit mehr als 200.000 Gulden hoch verschuldete Reichsgrafschaft Ortenburg. Um die Ausgaben seines kleinen Herrschaftsraumes zu verringern, verwies er seine Mutter, die einen pompösen Haushalt hielt, ins Exil in das nahe gelegene Passau und sicherte ihr nur eine geringe Leibrente zu. Jedoch gelang es ihm durch diese Einsparungen nicht, die Grafschaft vor weiteren großen Ausgaben zu bewahren. Es war ersichtlich, dass es mithilfe der gräflichen Forsten und Betriebe, der gräflichen Brauereien in Ortenburg und Söldenau sowie einer Ziegelbrennerei, den Steuer- und Handelseinnahmen der Reichsgrafschaft sowie den Einnahmen aus den bayerischen Besitzungen von insgesamt 36.500 Gulden jährlich nahezu unmöglich war, die angefallenen Schulden zu begleichen. Diese wuchsen bis ins Jahr 1804 sogar noch weiter auf ca. 254.000 Gulden. Trotz eines daraufhin angelegten rigorosen Sparkurses konnte Joseph Carl die Schulden nur wenig vermindern.

Tauschverhandlungen

Aus Finanznot fasste der junge Graf den Entschluss, die Grafschaft zu verkaufen. So trat er 1803 mit Verkaufsabsichten an den kaiserlichen Reichsvizekanzler Gundakar von Colloredo-Mansfeld heran, worauf es rasch diverse Verhandlungen gab. Mitte des Jahres 1803 trat Joseph Carl auf Anraten seiner Berater auch an den bayerischen Kurfürsten Maximilian IV. Joseph heran und bot ihm seine reichsunmittelbare Grafschaft zum Kauf an. Im November desselben Jahres trat noch ein weiterer Kaufinteressent in die Verhandlungen ein, Alfred I. zu Windisch-Graetz. Dieser bot seine Herrschaft Stiekna in Böhmen als Tauschobjekt für Ortenburg an.

Die bayerischen Herzöge und Kurfürsten empfanden die kleine Grafschaft seit dem Ende des Landshuter Erbfolgekrieges und der damit verbundenen Einigung Bayerns stets als Hindernis für einen gänzlich geschlossenen Territorialstaat Bayern. Des Weiteren hatten die bereits stattfindenden Verkaufsverhandlungen zu einem gesteigerten Interesse der Kurfürsten an der niederbayerischen Grafschaft gesorgt, da diese verhindern wollten, dass Adelige aus dem Umkreis der Habsburger die Besitzungen erwarben und mitten im bayerischen Territorium kaiserliche Interessen vertraten. Aus diesem Grund forcierten die Kurfürsten die Verhandlungen. Diese wurden geführt von Graf Philipp von Arco auf bayerischer Seite und dem fürstlich-isenburgischen Rat Wolfgang Christian von Goldner auf ortenburgischer Seite. Am 28. Februar 1804 hatten sich die beiden bereits auf einen Vertrag geeinigt, wonach die Reichsgrafschaft Ortenburg samt allen gräflich-ortenburgischen Besitzungen in Bayern an das Kurfürstentum fielen, wohingegen der Graf ein noch näher zu bestimmendes Territorium in Franken erhalten sollte. Zudem sicherte der Kurfürst dem jungen Grafen zu, alle Schulden seines Hauses zu übernehmen. Daraufhin verließ die gräfliche Familie bereits Ortenburg und zog zu Joseph Carls Schwiegervater Graf Franz I. zu Erbach-Erbach nach Erbach im Odenwald.

Im März 1805 präsentierte der bayerische Kurfürst das ehemalige Klosteramt Tambach sowie Teile des Amtes Seßlach an der Grenze zum Herzogtum Sachsen-Coburg-Gotha als Tauschobjekt für Ortenburg. Ab Juli trafen einander daraufhin Goldner und die kurfürstlichen Bevollmächtigten mehrmals in München, worauf man sich auf die zukünftigen gräflichen Besitzungen und Einkünfte sowie die staatsrechtliche Stellung der künftigen Grafschaft Tambach einigte. Am 14. August 1805 wurde der Tauschvertrag zwischen Kurfürst Max IV. Joseph von Bayern und Graf Joseph Carl von Ortenburg unterzeichnet. Ortenburg wurde daraufhin ein niederbayerischer Marktflecken und dem Landgericht Griesbach zugeteilt, Tambach hingegen wurde allodialer Besitz von Joseph Carl, im Gegenzug mit allen Rechten ausgestattet und zur reichsunmittelbaren Grafschaft Ortenburg-Tambach erhoben.

Der gräflich-ortenburgische Besitz umfasste zur Zeit des Tausches die drei viertel Quadratmeilen umfassende Reichsgrafschaft Ortenburg samt sechs Dörfern und ca. 3000 Einwohnern sowie den beiden Schlössern Alt-Ortenburg und Neu-Ortenburg, des Weiteren die bayerischen Besitzungen um die Herrschaft und Schloss Söldenau, Ober- und Unterdorfbach, Hirschbach, Buch und die Herrschaft Neudeck samt Schloss Neudeck. Im Tausch für diese Güter erhielt Joseph Carl die neu geschaffene Reichsgrafschaft mit Sitz auf Schloss Tambach sowie 18 Dörfer mit knapp 3.000 Einwohnern und umfangreichem Waldbesitz. Die Einkünfte dieser Herrschaft betrugen nach Schätzungen aus dem Jahre 1858 beachtliche 50.000 Gulden.

Inbesitznahme und Herabstufung zur Standesherrschaft

Am 26. Dezember 1805 trat Bayern im Frieden von Pressburg die Gebiete um Würzburg wieder ab und erhielt im Gegenzug Tirol und Vorarlberg. Die Gebiete um Würzburg wurden dabei an Großherzog Ferdinand III. von Toskana als Entschädigung für sein Kurfürstentum Salzburg abgetreten, Letzteres gelangte im Gegenzug an Österreich. Würzburg wurde daraufhin zu einem Kurfürstentum. Die reichsunmittelbare Grafschaft Ortenburg-Tambach grenzte somit an das neu geschaffene Kurfürstentum Würzburg.

Schloss Tambach, das heutige Anwesen der Familie Graf zu Ortenburg-Tambach.

Am 20. Januar 1806 zog nun die gräflich-ortenburgische Familie, welche seit dem Wegzug im Jahre 1804 im Jagdschloss Eulbach in Erbach weilte, nach Tambach und übernahm dort die Regentschaft als Landesherr. Joseph Carl zog am 17. Februar 1806 feierlich in Tambach ein und nahm dort die Huldigung der Untertanen entgegen. Er konnte seine reichsunmittelbaren Rechte jedoch nicht lange behalten, denn das Heilige Römische Reich Deutscher Nation sollte bald darauf zerfallen. Nach dem Sieg Napoléons über Österreich trieb dieser die Schaffung des Rheinbundes voran, wodurch das Reich zerfiel. Bayern und 15 weitere Staaten unterzeichneten am 12. Juli 1806 die Rheinbundakte und erklärten ihren Austritt aus dem Reich zum 1. August 1806. Die Akte war nicht nur ein Defensiv- bzw. Offensivbündnis, sondern sie ermächtigte die Staaten ebenso, sich die in ihrem Herrschaftsbereich gelegenen kleineren Territorien einzuverleiben. Mit dem daraufhin besiegelten Ende des Heiligen Römischen Reiches verlor auch die Grafschaft Ortenburg-Tambach ihre Existenzberechtigung und drohte unter eine Mediatisierung durch die Rheinbundstaaten zu fallen. Aus diesem Grund wandte sich Joseph Carl am 21. August an den bayerischen Minister Montgelas, da er bei einem Beitritt des Kurfürstentums Würzburg zum Rheinbund den Verlust seiner Souveränität fürchtete. Montgelas versuchte jedoch die Sorgen des Grafen zu zerstreuen. Im September trat nun Ferdinand III. dem Rheinbund bei und nahm den Titel des Großherzogs von Würzburg an. Einen Monat später bewahrheiteten sich die Befürchtungen Joseph Carls. Jedoch zu seiner eigenen Überraschung verlor er nicht durch den neuen Großherzog seine Souveränität, sondern durch das inzwischen zum Königreich aufgestiegene Bayern. Am 25. September 1806 wurde die ehemals reichsunmittelbare Grafschaft auf Grundlage der Rheinbundakte mediatisiert, zu einer Standesherrschaft mit einigen Sonderrechten herabgestuft und dem Verwaltungsbezirk des Mainkreises zugeteilt. Im Dezember desselben Jahres trat Bayern die Standesherrschaft Ortenburg-Tambach an das Großherzogtum Würzburg ab.

1810 kam es zu einem Staatsvertrag zwischen Würzburg und Bayern, worin die nunmehrige Standesherrschaft geteilt wurde. Trotz Protestes von Joseph Carl wurden seine Besitzungen entlang der Rodach aufgeteilt. Der östliche Teil kam an das Königreich Bayern, der westliche Teil blieb bei Würzburg. Im Jahre 1814 wurde der Rheinbund aufgelöst, wodurch das Großherzogtum Würzburg aufhörte zu existieren. Infolge des Wiener Kongresses wurden die würzburgischen Gebiete großteils dem Königreich Bayern zugesprochen. Joseph Carl versuchte auf dem Kongress, seine alten Rechte wieder zu erlangen, jedoch scheiterte sein Versuch mit der Verfassung der Denkschrift Souveränitätsbedrückung dazu kläglich. Somit kamen auch die restlichen Teile der standesherrlichen Grafschaft Ortenburg-Tambach wieder an Bayern. Die Standesherrschaft wurde daraufhin wieder vollständig in den Mainkreis als eigenes Herrschaftsgericht Tambach integriert. Als Entschädigung für den Verlust ihrer Souveränität erhielten die Grafen durch Bayern diverse Sonderrechte, so unter anderem den erblichen Titel eines Reichsrates sowie im Jahre 1827 eine finanzielle Entschädigungszahlung. In diese Entschädigungssumme wurde auch das ehemalige Stammschloss Ortenburg in ihrer ehemaligen Grafschaft mit einberechnet, welches somit wieder an die Grafenfamilie zurückkam. Durch die Verwaltungsreformen des Königreichs Bayern wurde Tambach 1817 dem Obermainkreis und 1838 schließlich dem Regierungsbezirk Oberfranken unterstellt. Die Standesherrschaft blieb bis zum Ende des bayerischen Königreiches 1918 bestehen.

Die Familie Graf zu Ortenburg-Tambach lebt noch heute auf Schloss Tambach. Schloss Ortenburg wurde 1971 von ihr wieder veräußert.

Liste der regierenden Grafen

Name Regierungszeit(en) Abstammung
Joseph Carl 1806–1831 Sohn Karls III.
Franz Carl 1831–1876 Sohn Joseph Carls
Friedrich Carl 1876–1894 Sohn Franz Carls
Franz Carl 1894–1918 Sohn Friedrich Carls

Literatur

  • Lorenz, Markus: 200 Jahre Ortenburg in Bayern, Vortrag am 17. Februar 2006 (Digitalisat Seiten 1 bis 6) (Digitalisat Seiten 7 bis 12)
  • Fuchs, Walter: Schloss Ortenburg, Ortenburger Baudenkmäler und die Geschichte der Reichsgrafschaft Ortenburg, Ortenburg 2000
  • Lorenz, Markus: Ortenburger Geschichtsblätter – Der Übergang der Grafschaft Ortenburg an Bayern im Jahr 1805, Heft 2, Grießbach im Rottal 1997
  • Pellender, Heinz: Tambach – vom Langheimer Klosteramt zur Ortenburg’schen Grafschaft – Historie des Gräflichen Hauses Ortenburg, des Klosteramtes und Schlosses Tambach, 2. Auflage, Coburg 1990
  • Striedinger, Ivo: Das Großherzogtum Würzburg, in: ZBLG 6, 1933, S. 250–256 (Digitalisat)
  • Vehse, Carl Eduard: Geschichte der deutschen Höfe seit der Reformation – Die keinen deutschen Höfe. Neunter Teil. Die Mediatisierten., Band 43, Hamburg 1858, S. 204–209 (Digitalisat)
  • Pahl, Johann Gottfried: Nationalchronik der Teutschen – Erste Jahreshälfte, 1806, S. 123f (Digitalisat)

Weblinks


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