Gretchenfrage

Gretchenfrage

Die Gretchenfrage bezeichnet eine direkte, an den Kern eines Problems gehende Frage, die die wahren Absichten des Gefragten entlarven soll. Sie ist dem Gefragten meistens unangenehm, da sie ein Bekenntnis verlangt, um das dieser sich bisher herumgedrückt hat.

Inhaltsverzeichnis

Einordnung

Der Fragende will sich davor schützen, unerkannten verborgenen Handlungsmotiven seines Gegenübers blind zu erliegen.

Zu unterscheiden ist eine Gretchenfrage von einer offensiven Doppelbindungsstrategie, in der der Gefragte dadurch so in die Enge getrieben wird, dass er vor eine überlebenswichtige Problematik gestellt wird, in der er sich weder für eine der gebotenen Alternativen entscheiden kann, noch sich der Entscheidungssituation als solcher entziehen kann. Die Tarnung einer Doppelbindungsstrategie als Gretchenfrage, das heißt als rein defensive Selbstschutzmaßnahme, kann Teil der raffinierten Inszenierung dieser Falle sein. Des Weiteren ist eine Gretchenfrage zu unterscheiden von einer einfachen Fangfrage oder einem Fangschluss.

Wortherkunft

Faust und Gretchen im Garten (Gemälde James Tissot, 1861)

Die ursprüngliche Gretchenfrage steht in Goethes Faust. Der Tragödie erster Teil, Vers 3415 (Marthens Garten).

Margarete, genannt Gretchen, ist ein sehr junges Mädchen, das von dem älteren, respektablen Wissenschaftler Faust umworben wird. Nachdem sie sich schon mehrmals getroffen und auch geküsst, aber wahrscheinlich noch nicht miteinander geschlafen haben, kommt Gretchen auf einen Punkt zu sprechen, der für sie von äußerster Wichtigkeit ist:

„Nun sag, wie hast du’s mit der Religion? Du bist ein herzlich guter Mann, allein ich glaub, du hältst nicht viel davon.“

Gretchen[1]

Da Faust ausweicht und zunächst zurückfragt, in welchem Sinne sie denn eine Auskunft begehre, ob es ihr um die tieferen Inhalte des Glaubens oder das unhinterfragte Befolgen der Traditionen gehe, gibt Gretchen schließlich das Fragen auf, da sie sich diesem Niveau der Diskussion nicht gewachsen fühlt. Überzeugen kann er sie indes nicht: obwohl Fausts Rechtfertigungen leidlich scheinen mögen, kommt sie zum definitiven Schluss, Faust habe kein Christentum.

Hintergründe

Goethe stellt an dieser Stelle mit Gretchen und Faust zwei Entwürfe einander gegenüber: Zum einen das Mädchen aus einfachen traditionsbestimmten Verhältnissen, das den Glauben an Gott und kirchliche Religiosität als Zentrum auch des eigenen Selbstverständnisses übernommen hat; zum anderen der gelehrte Heinrich Faust, der im Sinne neuzeitlicher Subjektivität auch die überlieferte Religion in Frage stellt, und argumentiert, er könne die gleichen Gefühle für das Gute, Schöne und Anständige haben wie Gretchen. Diese Werte müssten aber nicht unbedingt von der Kanzel gepredigt werden, um beherzigt zu werden.

Da zur Zeit von Goethe die christliche Religion die Sexualmoral definierte, will Gretchen wissen, mit welchem Verhalten sie seitens des Professors rechnen soll. Ihre Frage nach Fausts religiösem Glauben ist auch die Frage nach seiner Lebenspraxis und gesellschaftlichen Eingebundenheit.[2]

Einzelnachweise

  1. Textauszug des Faust unter ScienceSoft.at
  2. Michael Blume: Die (kluge?) Gretchenfrage, 2007

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Gretchenfrage – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

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