- Gross-Altona-Gesetz
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Das Groß-Altona-Gesetz von 1927 regelte die Eingemeindung angrenzender Landgemeinden des Kreises Pinneberg in die selbständige preußische Stadt Altona/Elbe; dieser sollte dadurch eine bauliche und wirtschaftliche Entwicklung ermöglicht werden, um gegenüber dem benachbarten Hamburg als Industrie- und Hafenstandort konkurrenzfähig zu bleiben.
Inhaltsverzeichnis
Vorgeschichte
Altona war bereits 1889/90 um die westlichen Nachbargemeinden Ottensen, Neumühlen, Bahrenfeld, Othmarschen und Övelgönne erweitert worden und hatte dadurch seine Fläche mehr als vervierfacht, während die Einwohnerzahl nur um 34% (von 85.000 auf 114.000) zunahm. Doch das starke industrielle Wachstum nicht nur der Fischverarbeitung und der Hafenwirtschaft führte auch weiterhin zu einer starken Bevölkerungszunahme. Deshalb verhandelte Oberbürgermeister Franz Adickes bereits 1891 mit dem Elbdorf Großflottbek über eine weitere Westerweiterung der Stadt; diese Gespräche brachen aber mit Adickes' Weggang nach Frankfurt/Main ab. Ähnliche Verhandlungen, die Oberbürgermeister Bernhard Schnackenburg ab 1911 mit den längs der Eisenbahn Altona-Kiel liegenden Gemeinden Eidelstedt, Stellingen-Langenfelde und Lokstedt führte, standen kurz vor dem erfolgreichen Abschluss (lediglich in der Frage der Steuerverteilung bestand noch ein Dissens), als der Ausbruch des Ersten Weltkrieges diese Pläne vorübergehend unterbrach.
Für und wider Groß-Altona
In den Anfangsjahren der Weimarer Republik führte die Flächenknappheit der Stadt zu einer immer höheren Verdichtung und ungesunden Wohnverhältnissen (Bevölkerungsdichte im Kern der Altstadt: rund 80.000 Einwohner/km²), verschärft durch die unmittelbare Nachbarschaft von Industrie (Zunahme 1895–1923: von 684 auf 1132 Betriebe) und Wohnungen. Lediglich begüterte Bürger konnten es sich finanziell und entfernungsmäßig erlauben, diesen Verhältnissen durch Wohnortwechsel in die später so bezeichneten Elbvororte zu entfliehen. Ein Werbeausschuß für ein größeres Altona, dem etliche Honoratioren aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft und anderen gesellschaftlichen Bereichen angehörten, wurde gegründet und trommelte öffentlichkeitswirksam für weitere Eingemeindungen.
In dieser Situation kündigte die preußische Staatsregierung per Erlass vom 13. Oktober 1921 an, Altona und seine Nachbargemeinden bei der Lösung ihrer Probleme zu unterstützen. Der spätere Altonaer Bausenator Gustav Oelsner stellte ab 1923 einen Generalbebauungsplan auf, der nicht nur Altona, sondern auch die angrenzenden preußischen Gebiete rund um Hamburg einbezog und entlang der Bahnlinien nach Westen und Norden vor allem gewerblich-industrielle, in den Achsenzwischenräumen vor allem Wohn- und großzügige Grünflächen vorsah. Dieser Plan entstand im engen fachlichen Austausch mit Oelsners Hamburger Kollegen Fritz Schumacher. Da aber keine konkreten Schritte zu seiner Umsetzung erfolgten, beantragte Oberbürgermeister Max Brauer (SPD) als eine seiner ersten Amtshandlungen im Oktober 1924, die Regierung möge Altona auf Kosten Pinnebergs vergrößern – und im Sommer 1926 bezog Brauer zudem Blankenese in seine Forderungen mit ein.
Diese Absicht stieß in den davon betroffenen Gemeinden keineswegs nur auf Zustimmung: zahlreiche Eingaben an die Regierung zeugen insbesondere vom massiven Widerstand in Blankenese. Dieser Ort mit weit zurückreichender Historie war nicht nur der bevölkerungsreichste, er verfügte aufgrund des Wohlstandes vieler seiner Bewohner, die oft in Altona oder Hamburg Firmen besaßen, auch über eine vorzügliche Infrastruktur (Lyzeum und Realgymnasium, Krankenhaus, Pflege- und Kinderheim, eigenes Elektrizitäts- und Gaswerk, Bahnanschluss nach Altona). Auch der Pinneberger Kreisausschuss protestierte heftig und gab eine populäre Werbeschrift ("Nicht nach Altona!") heraus.
Gesetzgebungsverfahren und -inhalte
Auch die preußische Koalitionsregierung unter Otto Braun war in der Groß-Altona-Frage uneins: die SPD favorisierte (wie 1922 schon der Großhamburger Arbeiter- und Soldatenrat) eine Lösung, die die Probleme der Region im Sinne der Vergrößerung Hamburgs regelte. Erst nachdem das Zentrum, auch auf persönliche Intervention des Sozialdemokraten Max Brauer hin, mit dem Austritt aus der Regierung drohte, brachte diese im Frühsommer 1927 die sog. Unterelbe-Gesetze ein, die der Landtag dann am 29. Juni 1927 in dritter Lesung mit 248:131:2 Stimmen beschloss:
- ein Gesetz über den Ausbau des Altonaer Hafens,
- ein Sonderfinanzausgleichs-Gesetz: Altona durfte den Staatsanteil an der Einkommen- und Körperschaftssteuer für Kosten der Verwaltungszusammenlegung und erforderliche Infrastrukturmaßnahmen einbehalten,
- das eigentliche Groß-Altona-Gesetz.
Diese traten am 1. Juli 1927 in Kraft und machten folgende Landgemeinden zu Altonaer Vororten (in Klammern: Einwohnerzahl 1925 / Fläche in Hektar):
- Blankenese (13.629 / 1.113)
- Stellingen-Langenfelde (6.903 / 612)
- Großflottbek (6.007 / 463)
- Eidelstedt (4.469 / 1.066)
- Nienstedten (2.986 / 257)
- Kleinflottbek (2.232 / 240)
- Osdorf (1.938 / 803)
- Rissen (1.646 / 1.483, dazu kamen 1928 mit dem Forst Klövensteen weitere 182 ha)
- Sülldorf (1.046 / 601)
- Lurup (910 / 266)
Dadurch erhöhte sich die Einwohnerzahl der Stadt Altona an der Elbe, wie sie jetzt hieß, zwar nur um 25%, aber ihre Fläche wurde mehr als vervierfacht (von rund 2.000 auf 9.200 ha).
Von Groß-Altona zu Groß-Hamburg
- Max Brauer: 300 Jahre Altona. Gedanken zu einem Jubiläum, in: Martin Ewald (Hg.): 300 Jahre Altona. Beiträge zu seiner Geschichte, Hamburg 1964 (H. Christians).
- Paul Th. Hoffmann: Neues Altona 1919–1929, 2 Bde, Jena 1929 (E. Diederichs).
- Hans-Dieter Loose: Altona und die Groß-Hamburg-Frage, in: Hartmut Hohlbein (Hg.): Vom Vier-Städte-Gebiet zur Einheitsgemeinde, Hamburg 1988 (Landeszentrale für politische Bildung).
- Hans-Peter Strenge: Altona. 50 Jahre Stadtteil Hamburgs, in: Hohlbein 1988 (wie vor).
- Irene Strenge: Gebietsveränderungen und Änderungen der Verwaltungsstruktur in Altona 1927 und 1937/38, jur. Diss., Hamburg 1992.
Parallel zu diesem preußischen Stadtwachstum hatte es wiederholt – und mit ganz ähnlichen Argumenten – Versuche Hamburgs gegeben, sich seinerseits zu vergrößern; bis zum Groß-Hamburg-Gesetz kam es aber lediglich zur gleichberechtigten Zusammenarbeit der Nachbarstädte (Landesplanungs-, Hafen- und Verkehrsgemeinschaft) – Altonas Eingemeindung (1938) vollzogen erst die Nationalsozialisten.
Literatur
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