Großvater-Paradoxon

Großvater-Paradoxon

Das Großvater-Paradoxon ist das am häufigsten verwendete Beispiel, um Probleme mit der Kausalität bei Zeitreisen zu illustrieren. Es handelt sich dabei um folgendes Szenario:

Jemand, der über die Möglichkeit der Zeitreise verfügt, reist zurück in die Vergangenheit vor der Zeugung seines Vaters und bringt dort seinen Großvater um. Das Paradoxon in dieser Situation entsteht durch die Tatsache, dass der Zeitreisende ohne die Existenz seines Vaters, der nun wegen des Todes des Großvaters nicht geboren wird, selbst nicht geboren werden kann und folglich auch nicht hätte in der Zeit zurückreisen können, um seinen eigenen Großvater zu töten.

Lösungsansätze

Das Großvaterparadoxon dient meist der Verdeutlichung des Kausalitätsprinzips und der damit begründeten Unmöglichkeit von Reisen in die Vergangenheit. In der Vergangenheit gibt es keine Ursache für das Erscheinen des Zeitreisenden. Betrachtet man das Zielsystem (z. B. das Universum) als abgeschlossenes System, so wäre das Erscheinen des Zeitreisenden in der Vergangenheit insbesondere auch ein Verstoß gegen den Energieerhaltungssatz, bzw. die ersten beiden Hauptsätze der Thermodynamik.

Wenn man jedoch im Rahmen eines Gedankenexperimentes davon ausgeht, dass ein Mensch aufgrund einer Zeitreise „auftauchen“ kann, ohne bis dato geboren zu sein, dann würde man damit unterstellen, dass der Zeitreisende keinen Vater und keinen Großvater benötigt, da er in seiner neuen Zeit nicht aus dem Mutterleib, sondern „fertig“ aus der Zeitmaschine in die Welt trat. Er wäre also auf biologische Vorfahren nicht angewiesen. Daher könnte er auch ohne weitere Folgen seine „Vorfahren” töten, zumal diese „Vorfahren“ ausschließlich in der subjektiven Erinnerung des Zeitreisenden seine Vorfahren waren. Diese Erinnerungen sind wie alle Erinnerungen nur gewisse Zustände im Gehirn und wären ebenso wie der Rest des Körpers bei diesem Gedankenexperiment durch die Zeitmaschine erzeugt worden.

Entweder sind biologische Vorfahren für die Existenz eines Menschen erforderlich oder sie sind nicht erforderlich. Das Großvaterparadoxon geht jedoch einerseits davon aus, dass sie erforderlich sind, lässt aber gleichzeitig die Entstehung eines Menschen vor seiner Zeugung und somit ohne biologische Vorfahren inkonsequenterweise zu. Durch diesen Mangel an innerer Logik entsteht das Paradoxon.

Es werden auch Lösungsansätze erarbeitet und diskutiert, bei denen man die Möglichkeit von Zeitreisen unterstellt.

Eine Hypothese ist, dass es verschiedene Zeit- und Geschichts-Stränge nebeneinander geben kann. Dann kann man nämlich sagen, dass zum Zeitpunkt des Eintreffens des Zeitreisenden der Geschichtsstrang sich aufspaltet, in eine Geschichte mit Zeitreisenden und in eine „Original“-Geschichte ohne Zeitreisenden. Während in ersterer der Zeitreisende nicht mehr geboren wird, wird in letzterer der Zeitreisende geboren und kann somit auch Zeitreisen veranstalten. Die Kausalität ist somit gewährleistet, da in keinem Zeitstrang eine Kausalschleife entsteht. Diese Lösung wird aus naheliegenden Gründen gerne im Zusammenhang mit der Viele-Welten-Interpretation der Quantenmechanik benutzt.

Eine weitere Annahme ist das sogenannte selbstkonsistente Universum: Es sei zwar möglich, in der Zeit zu reisen, aber nicht, dabei Kausalitätsverletzungen zu produzieren; ein Versuch, dies zu tun, wird garantiert scheitern. Zum Beispiel könnte der Zeitreisende ganz einfach seine Pistole nicht finden, oder er macht bei der Programmierung der Zeitmaschine einen Fehler und landet ganz woanders (oder in einer anderen Zeit) und kann daher seinen Großvater nicht finden, oder er verwechselt jemand anderen mit seinem Großvater (und weiß jetzt, wer den rätselhaften ungeklärten Mord begangen hat, von dem sein Großvater ihm einmal erzählt hat), oder er schießt daneben, oder die Pistole hat Ladehemmung, oder... Dies stellt eine Einschränkung der oftmals ins Feld geführten menschlichen Willensfreiheit dar - die Umsetzung des menschlichen Willens (beispielsweise auch des Vorhabens, aus eigenem Antrieb zu fliegen) kann durch äußere Umstände (beispielsweise Naturgesetze) beeinträchtigt werden.

Auch das selbstkonsistente Universum lässt sich mit der Quantenmechanik begründen: In der Quantenmechanik wird der Zustand des Systems durch die quantenmechanische Wellenfunktion beschrieben. Diese hat die besondere Eigenschaft, dass bei Überlagerung von zwei Wellen, die unterschiedliche Wege gegangen sind (normalerweise z. B. beim Doppelspaltexperiment der linke und der rechte Spalt; bei einer Zeitschleife hingegen der direkt aus der Vergangenheit kommende und der die Zeitschleife durchlaufende Teil), sich diese gegenseitig auslöschen können, so dass ein an sich erreichbares Ereignis nicht mehr möglich ist. Es ist naheliegend, dass paradoxe Ereignisstränge sich auslöschen würden.

Literatur

  • D. Deutsch, M. Lockwood: Die Quantenphysik der Zeitreise, Spektrum der Wissenschaft, November 1994, S. 50-57
  • J. Richard Gott: Zeitreisen in Einsteins Universum, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Mai 2003, ISBN 3-499-61577-0

Weblinks


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