Gustav Gründgens

Gustav Gründgens
Gustaf Gründgens, 1936 als Hamlet

Gustaf Gründgens (* als Gustav Heinrich Arnold Gründgens 22. Dezember 1899 in Düsseldorf; † 7. Oktober 1963 in Manila), Sohn von Arnold Hubert und Emmy Gründgens, war ein bedeutender deutscher Schauspieler, Regisseur und Intendant. Seinen Künstlernamen Gustaf führte er ab 1924.

Seine Schwester war die einst bekannte Chansonnière und Kabarettistin Marita Gründgens (1903–1985).

Inhaltsverzeichnis

Leben und Werk

Jugend

Seine Schulzeit verbrachte Gründgens auf einem Gymnasium in Düsseldorf und in einem katholischen Internat in Mayen und meldet sich nach dem Abitur 1916 als Kriegsfreiwilliger an die Westfront.[1] Auf Wunsch des Vaters begann er 1917 eine kaufmännische Lehre. Drei Monate später wurde er wirklich zum Militär eingezogen und brach die Lehre ab, auch um sich im Schauspiel zu probieren. Erste Erfahrungen machte er im Fronttheater Saarbrücken, dessen Leiter er 1918 wurde und das auch nach dem Krieg – unter dem Namen Bergtheater Thale – weiter existierte. Schauspielunterricht erhielt er nach dem Ersten Weltkrieg bei den Leitern des Düsseldorfer Schauspielhauses Louise Dumont und Gustav Lindemann in der angegliederten Schauspielschule.

Hamburg

Am Beginn von Gründgens’ Karriere standen aufeinanderfolgende kurze Engagements an den Städtischen Bühnen Halberstadt (Spielzeit 1920/21), am Vereinigten Städtischen Theater Kiel (Spielzeit 1921/22) und am Berliner Theater in der Kommandantenstraße (Spielzeit 1922/23). 1923 ging er an die Kammerspiele nach Hamburg. In dieser Zeit erweiterte er sein Repertoire an klassischen und zeitgenössischen Stücken und trat 1924 zum ersten Mal publikumswirksam als Regisseur auf, unter anderem mit der Inszenierung des Stückes Anja und Esther von Klaus Mann. Klaus Mann und dessen Schwester Erika spielten zusammen mit Gründgens und Pamela Wedekind die Hauptrollen. Gründgens und Erika Mann heirateten 1926. Die Ehe wurde 1929 geschieden.

Berlin

1928 ging Gründgens zu Max Reinhardt ans Deutsche Theater in Berlin, wo er auch selbst Regie führte. Um sich nicht nur auf das Sprechtheater zu beschränken, versuchte er sich 1929 sowohl in Opernregie als auch in Kabarettauftritten. Zu diesem Zeitpunkt übernahm er auch erste Filmrollen. Einer der bekanntesten Auftritte aus dieser Zeit ist die Rolle des Schränkers in M – Eine Stadt sucht einen Mörder.

1930 hatte er größeren Erfolg als Regisseur mit „Menschen im Hotel“ von Vicki Baum, einem Theaterstück nach ihrem gleichnamigen Roman, das ein Welterfolg wurde.

1932 begann Gründgens, am Preußischen Staatstheater in Berlin zu arbeiten. Seine erste Rolle war die des Mephistopheles in Goethes Faust.

Generalintendant

Gründgens blieb 1933 in Deutschland und stieg im NS-Reich auf der Karriereleiter nach oben. 1934 wurde er Intendant des Staatlichen Schauspielhauses und zum Staatsschauspieler ernannt.[1] Am Tag der Verhaftung Ernst Röhms, dem 29. Juni 1934, wandte er sich an seinen obersten Dienstherrn Hermann Göring mit der Bitte um Entlassung als Leiter des Schauspielhauses und verwies dabei – ohne diese expressis verbis zu nennen – auf seine Homosexualität. Göring nahm das Rücktrittsgesuch aber nicht an.[1] Nach Angriffen im Völkischen Beobachter wich Gründgens 1936 in die Schweiz aus, kehrte aber kurz darauf zurück und wurde von Göring zum Preußischen Staatsrat ernannt, nach Angaben von Gründgens, um eine etwaige Verhaftung von der Zustimmung des Preußischen Ministerpräsidenten Göring abhängig zu machen. Gründgens amtierte bis 1945 als Generalintendant des Preußischen Staatstheaters und machte sich zunutze, dass Hermann Göring dieses Theater als Preußischer Ministerpräsident dem Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda Joseph Goebbels zu entziehen wusste, dem alle übrigen Theater unterstellt waren.

Gründgens führte außerdem sporadisch Filmregie und übernahm 1938 bei der Ufa-Tochter Terra die Leitung einer eigenen Herstellungsgruppe, wo unter anderem die Filme Zwei Welten (1939) und Friedemann Bach (1941) entstanden.[1] Er wirkte sowohl in Propagandafilmen wie Ohm Krüger mit als auch in Filmen wie Tanz auf dem Vulkan, der als einer der regimekritischsten Filme der nationalsozialistischen Zeit gilt.

Als Joseph Goebbels am 18. Februar 1943 den „Totalen Krieg“ ausrief, meldete Gründgens sich freiwillig an die Front, wurde von Hermann Göring jedoch im Frühjahr 1944 nach Berlin zurück befohlen. Sein Name stand fortan auf der Gottbegnadetenliste.

In zweiter Ehe war Gründgens von 1936 bis 1946 mit der Schauspielerin Marianne Hoppe verheiratet. Seine Homosexualität war damals in der Öffentlichkeit kein Geheimnis (wie ein Spottvers aus der damaligen Zeit zeigt: „Hoppe, Hoppe, Gründgens, die kriegen keine Kindgens, und das hat seine Gründgens“).

Nachkriegszeit

Gustaf Gründgens mit Antje Weisgerber in Der Snob, 1946

Von 1945 bis 1946 war er im Speziallager Jamlitz inhaftiert. Im Rahmen der Entnazifizierung wurde er von vielen Kollegen entlastet und entlastete seinerseits unter vielen auch die Schauspielerin Emmy Göring (die Witwe Hermann Görings) und Veit Harlan, den Regisseur des berüchtigten antisemitischen Propagandafilmes Jud Süß. Ausschlaggebend für seine Entlassung aus der Haft war die intensive Bemühung Ernst Buschs, den Gründgens während des Zweiten Weltkriegs durch seine Intervention bei Göring vor dem Galgen gerettet hatte, sowie auch etlicher anderer Schauspieler und Mitarbeiter, die sich persönlich und/oder schriftlich für ihn einsetzten.

Bereits 1946 stand Gründgens wieder auf der Bühne, zunächst im sowjetischen Sektor von Berlin und führte am Deutschen Theater und an den Kammerspielen Regie. Von 1947 bis 1955 war er Generalintendant in Düsseldorf, zunächst der Städtischen Bühnen, dann des Düsseldorfer Schauspielhauses. Die Schallplattenfassung seiner Düsseldorfer Inszenierung des Faust, die 1954 bei der Deutschen Grammophon auf drei Sprechplatten erschien, gilt vielen als Geburtsstunde des heutigen Hörbuches.

Ab 1955 war Gründgens Generalintendant des Deutschen Schauspielhauses in Hamburg, das er auf den Höhepunkt seines Ruhmes führte, und wo er vielbeachtete klassische und moderne Inszenierungen zeigte, eine hohe Sprechkultur pflegte und bedeutende Schauspielerinnen und Schauspieler um sich sammelte und prägte; genannt seien nur Elisabeth Flickenschildt, Joana Maria Gorvin und Will Quadflieg. 1960 adaptierte er seine Hamburger Faust-Inszenierung (mit der er auch in Moskau und New York gastierte) für den Film, mit Will Quadflieg als Faust und sich selbst in der Rolle des Mephisto – in der Maske, die sich seit den 1930er Jahren nicht verändert hatte. Dieser (auch im Fernsehen gezeigte) Film wurde ein großer Publikumserfolg.

Das Ende

Zum Sommer 1963 beendete er überraschend seine Intendanz am Deutschen Schauspielhaus und begab sich auf eine Weltreise. In der Nacht vom 6. zum 7. Oktober 1963 starb er dabei in Manila auf den Philippinen an einer Magenblutung, die von einer Überdosis Schlaftabletten ausgelöst worden war; ob es Suizid oder ein Unfall war, wurde nie eindeutig geklärt.

Sein diesbezügliches Vermächtnis schrieb er auf einen Briefumschlag: „Ich glaube, ich habe zu viele Schlafmittel genommen, ich fühle mich etwas komisch, laß mich ausschlafen.“ Marianne Hoppe hat später sinngemäß erklärt: „Es kann nur ein Unfall gewesen sein. Hätte er sich wissentlich das Leben genommen, so hätte man seinen Leichnam nicht im Pyjama gefunden, sondern im Smoking.“ Allerdings ist auch bekannt, dass Gründgens Probleme mit dem Älterwerden hatte und sich häufig einsam fühlte, was durchaus Gründe für einen Suizid sein könnten.

Gründgens’ Grabstätte liegt auf dem Hauptfriedhof Ohlsdorf in Hamburg, ganz in der Nähe des Haupteinganges, neben dem Grab Ida Ehres, der Prinzipalin der Hamburger Kammerspiele, und in unmittelbarer Nähe zu Jürgen Fehling.

Nachwirkung

Gründgens ist als bedeutender Schauspieler und Theaterregisseur verhältnismäßig lange im öffentlichen Gedächtnis geblieben. Zahlreiche Theater-, Film- und Fernsehdarsteller hat er – vor allem in seiner Hamburger Zeit – stark geprägt.

Doch stand er seit 1945 zugleich als Nutznießer und Unterstützer des nationalsozialistischen Regimes moralisch im Zwielicht (so wie er auch viele seiner Rollen anlegte).

Literarischer und filmischer Gegenstand

Klaus Manns vielgelesener Exilroman Mephisto von 1936 beschreibt die Karriere seines ehemaligen Schwagers Gründgens (im Buch als „Hendrik Höfgen“ deutlich identifizierbar) am schärfsten: als verabscheuungswürdiges Musterbeispiel des Opportunismus eines Künstlers zu Anfang des Dritten Reichs.

Der Roman blieb nach Einspruch von Gründgens’ Adoptivsohn, Peter Gorski in der Bundesrepublik Deutschland aufgrund der Mephisto-Entscheidung bis in die 1980er Jahre verboten. Erst im Jahre 1981 erschien eine Neuausgabe im Rowohlt-Verlag. In der DDR wurde der Roman bereits 1956 veröffentlicht.

Der darauf fußende Film Mephisto wurde 1981 von István Szabó mit Klaus Maria Brandauer in der Hauptrolle gedreht.

Ferner entstanden über ihn:

  • Werner Fritsch: Chroma. Farbenlehre für Chamäleons. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2002, ISBN 3518134191
  • Volker Kühn: G wie Gustav, mit F – Ein Leben als Spiel. Theaterstück. Berlin 1999/2000.

Filmografie

Regisseur

  • 1932: Eine Stadt steht kopf (auch Darsteller, Produktionsleiter und Liedtexter)
  • 1934: Die Finanzen des Großherzogs (auch Drehbuch-Mitarbeit)
  • 1937: Kapriolen (auch Darsteller)
  • 1938: Der Schritt vom Wege (auch Herstellungsleiter, nach Fontanes Effi Briest)
  • 1939: Zwei Welten (auch Herstellungsleiter)
  • 1940: Friedemann Bach (künstlerische Oberleitung; auch Darsteller und Herstellungsleiter)
  • 1960: Faust (künstlerische Oberleitung; auch Darsteller)

Darsteller

Gründgens als Gründgens

  • 1958: Das gab’s nur einmal (Spielfilm mit Dokumentarteilen; Regie: Geza von Bolvary)
  • 1961: Jørgen Roos zeigt Hamburg (Dokumentarfilm, Regie: Jørgen Roos)
  • 1963: Gustaf Gründgens (Fernsehdokumentarfilm)
  • 1980: „So spiel ich viel Personen ganz allein…“ Der Theatermann Gustaf Gründgens (Dokumentarfilm, Regie: Jürgen Moeller)
  • 1989: Joachim Kaiser: „… ich erinnere mich“. [2.] Gustaf Gründgens (Fernsehdokumentarfilm)
  • 1989: Der Prinzipal – Die Legende Gustaf Gründgens (Fernsehdokumentarfilm)

Bilder

Theaterfotos von Gustaf Gründgens liegen von 1935 bis 1963 ganz überwiegend von der bedeutenden Theaterfotografin Rosemarie Clausen, für 1947 bis 1951 auch von Liselotte Strelow vor.

  • Rosemarie Clausen: Theater. Gustaf Gründgens inszeniert. Georg Westermann, Braunschweig 1960.
  • Rosemarie Clausen: Gustaf Gründgerns. Faust in Bildern. Christian Wegner, Hamburg 1960 (div. Auflagen).
  • Rosemarie Clausen: Gründgens. Friedrich, Velber 1963.

Texte von Gründgens

Libretto

  • Liselott. Singspiel (zusammen mit Richard Keßler; Chansontexte von Gründgens). Musik: Eduard Künneke. UA 17. Februar 1932 Berlin (Admiralspalast)

Belege

  1. a b c d Axel Schock, Karen-Susan Fessel: OUT! – 800 berühmte Lesben, Schwule und Bisexuelle. Querverlag, Berlin 2004, ISBN 3-89656-111-1

Siehe auch

Literatur

  • Thomas Blubacher: Gustaf Gründgens. Edition Colloquium, Berlin 1999, ISBN 3891669844
  • Heinrich Goertz: Gustaf Gründgens. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. rororo-Bildmonografie. Rowohlt, Reinbek 1982, ISBN 3499503158
  • Curt Riess: Gustaf Gründgens. Hoffmann u. Campe, Hamburg 1965, 1982 (2. Aufl.), ISBN 3-455-06310-1
  • Carola Stern: Auf den Wassern des Lebens. Gustaf Gründgens und Marianne Hoppe. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2005, ISBN 3-462-03604-1 (Biografie)
  • Dagmar Walach: Aber ich habe nicht mein Gesicht. Gustaf Gründgens – eine deutsche Karriere. Henschelverlag, Berlin 1999, ISBN 3-89487-334-5
  • Carl Zuckmayer: Geheimreport. Dossiers über deutsche Künstler, Journalisten und Verleger im 'Dritten Reich'. Hrsg. von Gunther Nickel und Johanna Schrön. Wallstein, Göttingen 2002, S.153 f.
  • Axel von Ambesser: Nimm einen Namen mit A. Ullstein, Berlin 1985, ISBN 3-550-06463-2

Medien

  • Gustaf Gründgens: Das komplette Schallarchiv. Theaterstücke, Hörspiele, Monologe, Reden, Chansons. 20 CDs. Die Audiothek 2004.

Weblinks


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