Hans-Helmut Knütter

Hans-Helmut Knütter

Hans-Helmuth Knütter (* 1934 in Stralsund) ist ein deutscher Politikwissenschaftler und Extremismusforscher.

Knütter gilt als ein wichtiger Vordenker der Neuen Rechten.[1] So publiziert er seit dem Ende der 1980er Jahre vorwiegend in rechten Verlagen und Medien, wie etwa der Wochenzeitung Junge Freiheit, und wirkt als Referent bei Veranstaltungen am rechten Rand des demokratischen Spektrums.

Inhaltsverzeichnis

Biografie

Von 1954 bis 1959 studierte Knütter in Berlin Geschichte, Soziologie und Politikwissenschaften. 1959 wurde er von Karl Dietrich Bracher in das sich im Aufbau befindende Bonner Seminar für Politische Wissenschaft als Assistent eingestellt. Er wurde 1960 mit seiner Arbeit "Ideologien des Rechtsradikalismus im Nachkriegsdeutschland. Eine Studie über die Nachwirkungen des Nationalsozialismus" promoviert. 1970 trat er dem Bund Freiheit der Wissenschaft bei. 1971 habilitierte er sich mit seiner Arbeit "Die Juden und die deutsche Linke in der Weimarer Republik 1918-1933". Seine Berufung als Professor des Instituts für Politische Wissenschaft und Soziologie an der Universität Bonn im Jahr 1972 war von zahlreichen Studentenprotesten begleitet. Von 1985 bis 1989 war er für die CDU Mitglied des Wissenschaftlichen Beirates der Bundeszentrale für politische Bildung. 1997 wurde er emeritiert.

Publizistische Schwerpunkte seit dem Ende der 1980er Jahre

Ende der 1980er Jahre verlagerte Hans-Helmuth Knütter seinen Schwerpunkt auf die „Kritik des Antifaschismus“. Seine Grundthese in diesem Zusammenhang formulierte er so:

„An den Beginn setze ich die Behauptung, dass der Antifaschismus ein Grundwert der Bundesrepublik ist, der allerdings zunehmend durch die Art der Anwendung negative Wirkungen entfaltet, statt zu reinigen, die politische Atmosphäre vergiftet, so wie ein im Übermaß eingenommenes Medikament statt Heilung Krankheit bewirkt“, so Knütter 1987.[2]

In einem Vorwort zu einer Abhandlung über den Antifaschismus sprach Knütter 1990 sogar von einer „Enttabuisierung des 'Faschismus'“: „Die 'Bibliographie zur Kritik des Antifaschismus' will weiterhelfen, indem sie für kritische Arbeiten Literatur anbietet. Sie dient der Enttabuisierung des 'Faschismus' und der Kritik am Antifaschismus: Das bedeutet kritisch (also unterscheidend) darüber reden.“[3]

Hans-Helmuth Knütter veröffentlichte 1993 bei Ullstein Die Faschismuskeule - Das Letzte Aufgebot der Linken, das besonders in rechten Kreisen auf große Resonanz stieß. Knütters zentrale These ist die Forderung nach einem „Schlussstrich“ unter den nationalsozialistischen Teil der deutschen Geschichte, der es der Gesellschaft wieder erlauben würde, einen positiven Bezug zu „Volk“ und „Nation“ aufzubauen.

In seinem mit Stefan Winckler veröffentlichten Handbuch des Linksextremismus - Die unterschätzte Gefahr (Leopold Stocker Verlag) stellt Knütter die These auf, „die Aktivitäten des gewaltbereiten und antidemokratischen Linksextremismus“ würden, anders als die „demokratisch-rechten und extremistischen Positionen“, von der breiten Öffentlichkeit nicht ausreichend beachtet. Hauptziel dieses „Linksextremismus“ sei die Verwandlung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung in eine „antifaschistisch-volksdemokratische“ Ordnung.

Knütter betreibt die Website links-enttarnt.de, die aus seiner Sicht linksextremistische Aktivitäten dokumentiert und dem Vertrieb seiner Publikationen dient. Nach Knütter umfasst der Linksextremismus abweichend von der in den deutschsprachlichen Ländern üblichen staatlichen Definition weitere gesellschaftliche Gruppen: „Der Linksextremismus umfasst europaweit und besonders in Deutschland ein Spektrum von gewaltbereiten ‚Autonomen‘ bzw. radikalen ‚Antifaschisten‘, bis hin zu gesellschaftlich etablierten Parteien und Organisationen, wie etwa Gewerkschaften und Medien.“[4] Unter den als „deutschlandfeindlich“ bezeichneten Ereignissen wird zum Beispiel auch die Ausstellung des NS-Dokumentationszentrums Köln genannt, die den Titel trug: „Besondere Kennzeichen: Neger. Schwarze im NS-Staat.“

Knütter verweist auf seiner Webseite vielfach auf Publikationen der Neuen Rechten; Autoren wie Stefan Winckler („Deutschfeindlichkeit als Ideologieersatz des Linksextremismus“) werden referiert.

Kritik an Knütters Positionen

Die ersten Kritiken an Knütters Positionen entzündeten sich an seiner Habilitaitionsschrift von 1971. Fachkollege Ernst Hamburger bezog sich auf den Schlußsatz dieser Arbeit „Die unaufhebbaren innerjüdischen Differenzen, die soziologisch-ideologisch bedingten Spannungen im Verhältnis zur Linken und die Stärke des deutschen Antisemitismus haben die Vernichtung der jüdischen Minderheit, die keine sein wollte, verursacht“ als er schrieb, dass Knütter mit diesem Fazit „die deutschen Juden der Eigenschuld an ihrer Vernichtung zieh“.[5] Auch der Historiker Arnold Paucker war empört über Knütters Fazit: „Unverständlich und ganz abwegig“".[6]

Die politische Karriere Knütters war, insbesondere nach dem Mauerfall 1989, von Kritik an seiner als äußerst rechts wahrgenommenen Haltung und seinen engen Verbindungen zur rechtsextremistischen Szene begleitet.

1991 geriet Knütter in die öffentliche Kritik, weil ein von ihm gegründeter und betreuter studentischer „Ost-West-Arbeitskreis“ im offiziellen Rahmen des Studium Universale Veranstaltungen mit rechtsextremen Referenten wie beispielsweise Hans-Dietrich Sander, dem Holocaustleugner David Irving sowie Frank Rennicke durchführte.[7] In einem Interview mit Radio Bonn-Rhein-Sieg distanzierte sich Knütter von den Veranstaltungen mit Irving und Rennicke. Eine Auseinandersetzung mit rechten und rechtsextremen Positionen an der Universität, so Knütter, sei notwendig. Irving sei im übrigen „kein primitiver Propagandist und habe durchaus wissenschaftlich relevante und historische Schriften veröffentlicht“.[7]

Um die Vernetzung von radikalen Rechten bemüht, äußerte sich Knütter auf einer Veranstaltung am 3. Oktober 1995 sehr offen und unmissverständlich: „Was können wir tun? Wir sollten uns zusammenschließen. Ohne Berührungsängste. Diese Berührungsängste sind ja das Schlimmste. Der eine will nicht mit dem anderen, weil der eine zu extrem ist und der andere einer Sekte angehört. Dann der Dritte ist umstritten. Der Vierte ist von irgend welchen fragwürdigen Gerichtsurteilen her vorbestraft. Und daraus folgt, dass fünf Finger eben keine Faust sind. Die fünf Finger können einzeln gebrochen werden, die Faust nicht.“[8]

Die Aktivitäten Knütters waren Gegenstand des NRW-Verfassungsschutzes und führten zu mehreren Einträgen in dessen Berichten.[9] Dort wurde im Jahre 2001 seine Tätigkeit für die Zeitschrift Junge Freiheit erstmals auch behördlich festgehalten. Das Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen gab im Jahr 2003 die Broschüre Die Neue Rechte in Deutschland heraus, worin Knütter insgesamt 19 mal in diesem Zusammenhang erwähnt wurde.[10]

Gegen verschiedene Veröffentlichungen in dieser Zeit wehrte sich Knütter juristisch mit Unterlassungsklagen, jedoch erfolglos. Beispielsweise wurden die Aussagen „wo der Professor wirkt, sind Rechtsradikale nicht weit“, er sei ein ideologischer Brandstifter“[11] oder er gebe „in seiner Habilitationsschrift den Juden eine Mitschuld an ihrer Vernichtung“ gerichtlich nicht belangt.[12]

Auch im Verfassungsschutzbericht des Freistaats Bayern von 2002 wurde Knütter im Zusammenhang mit der Erstellung seines Gutachtens für die Burschenschaft Danubia thematisiert. Die Behörde kam zu dem Schluss, dass der Gutachter „seine vorgetäuschte Neutralität endgültig“ aufgebe und sich die Position des Auftraggebers zu eigen mache.[13]

Publikationen (Auszug)

  • Ideologien des Rechtsradikalismus im Nachkriegsdeutschland. Eine Studie über die Nachwirkungen des Nationalsozialismus. Röhrscheid, Bonn 1961
  • Die Juden und die deutsche Linke in der Weimarer Republik. 1918 – 1933. Droste Verlag, Düsseldorf 1971. ISBN 3-7700-0271-7
  • Der Streit um die politische Bildung: Was man von Staat und Gesellschaft wissen und verstehen sollte. Olzog, München 1975. ISBN 3-7892-7213-2 - (mit Peter Gutjahr-Löser)
  • Politische Bildung in der Bundesrepublik Deutschland. Bundeszentrale für Politische Bildung, Bonn 1984. ISBN 3-923423-27-6
  • Freiheit? Aber sicher! Wege zur wehrhaften Demokratie. Bundesminister des Innern, Bonn 1985 - (mit Heinrich Fisch)
  • Bibliographie zur politischen Bildung: Theorie, Methodik, Didaktik. Bundeszentrale für Politische Bildung, Bonn 1985. ISBN 3-923423-43-8
  • Demokratie und Diktatur. Geist und Gestalt politischer Herrschaft in Deutschland und Europa. Droste Verlag, Düsseldorf 1987. ISBN 3-7700-0730-1 - (mit Manfred Funke, Hans-Adolf Jacobsen und Hans-Peter Schwarz)
  • Hat der Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Deutschland eine Chance? Osang, Bonn 1988.
  • (Hrsg.) Kritik des Antifaschismus / Werkstatt für Politische und Soziale Bildung; Bornheim 1990
  • Deutschfeindlichkeit: gestern, heute und morgen ...? Muth-Verlag, Asendorf 1991. ISBN 3-89182-045-3
  • Der Wandel in Südafrika und die internationale Lage. Werkstatt für Politische und Soziale Bildung, Bornheim 1992
  • Die Faschismus-Keule. Das letzte Aufgebot der deutschen Linken. Ullstein, Frankfurt/M 1994 (2. Aufl.). ISBN 3-548-36618-X (hier als PDF, ca. 5,7 MB)
  • Europa ja - aber was wird aus Deutschland? Hohenrain-Verlag, Tübingen 1998. ISBN 3-89180-053-3
  • Der Verfassungsschutz. Auf der Suche nach dem verlorenen Feind. Universitas, München 2000. ISBN 3-8004-1407-4 - (zusammen mit Stefan Winckler)
  • Handbuch des Linksextremismus. Die unterschätzte Gefahr. Leopold Stocker Verlag, Graz 2002. ISBN 3-7020-0968-X
  • Das Knütter-Gutachten: zum Vorwurf des Rechtsextremismus und der Verfassungsfeindlichkeit gegen die Münchener Burschenschaft Danubia. Burschenschaft Danubia, München 2002

Literatur

  • Christoph Butterwegge, Gudrun Hentges (Hrsg.): Alte und Neue Rechte an den Hochschulen. Agenda Verlag, Münster 1999. ISBN 3-89688-060-8
  • Uwe Backes, Eckhard Jesse (Hrsg.): Jahrbuch Extremismus & Demokratie (E & D) Nomos Verlag, 2003. ISBN 3832903488
  • Norbert Reichling: Der Antifaschismus als Grundtorheit unserer Epoche? Zu Risiken und Nebenwirkungen der „wehrhaften Demokratie“, in: Vorgänge. Zeitschrift für Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik, Heft 124 (Dezember 1993), S. 38-53

Weblinks

Quellen und Einzelnachweise

  1. Thomas Pfeiffer: [www.extremismus.com/texte/neuerechte2.pdf Die Neue Rechte in Deutschland], S. 117.
  2. Hans-Helmuth Knütter, Antifaschismus als Mittel der Destabilisierung der Bundesrepublik Deutschland, Aufsatz, am 18. August 1987 von Lorenz Niegel MdB an die Mitglieder des Deutschen Bundestages übermittelt, S. 2
  3. Hans-Helmuth Knütter, Kritik des Antifaschismus, Studien und Berichte aus dem Seminar für Politische Wissenschaft der Universität Bonn, Nr. 2, Hans Helmuth Knütter (Hrsg), 1990 im Vorwort auf Seite 6
  4. Auszug aus der Anti-Antifa-Homepage "links-enttarnt" von Hans-Helmuth Knütter
  5. Ernst Hamburger, Internationale Wissenschaftliche Korrespondenz, 18. April 1973, S. 93
  6. Arnold Paucker, Zuflucht bei den Linken, In: die ZEIT vom 5. Mai 1972, S. 62
  7. a b Reaktionen auf massive Kritik an Bonner Politikprofessor, Jürgen Grewen, General-Anzeiger 9. März 1993, S.5
  8. Hans-Helmuth Knütter, Zitat aus der Sendung Report aus Baden-Baden, Beitrag Medienhatz von Thomas Leif und Stefan Rocker, ausgestrahlt am 28. Oktober 1996
  9. Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2001, 2002
  10. Thomas Pfeiffer in Die Neue Rechte in Deutschland, Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen (Hg), 2003
  11. TAZ vom 22. Oktober 2002
  12. Die Tageszeitung (TAZ), Nr. 5127 vom 14. Januar 1997 S. 5
  13. Verfassungsschutz Informationen Bayern, 1. Halbjahr 2002, S. 17

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