Allomorphie

Allomorphie

Allomorph ist ein Begriff der Linguistik und bezeichnet bedeutungs- oder funktionsgleiche oder -ähnliche Varianten eines Morphems. Es unterscheidet sich vom Morph dadurch, dass seine Zugehörigkeit zu einem bestimmten Morphem festgestellt wurde, es ist klassifiziert. Die Feststellung, zu welchem Morphem ein Allomorph gehört, erfolgt aufgrund seiner ähnlichen oder gleichen Form einerseits und andererseits seiner gleichen grammatischen Funktion oder ähnlichen bzw. gleichen Bedeutung. Gold und güld (in güld-en) sind daher zwei verschiedene Morphe, die ein und dasselbe Morphem realisieren; damit stellen sie auch 2 Allomorphe dieses Morphems dar. Nur in der Flexion werden von vielen Autoren auch solche Allomorphe zu einem Morphem gezählt, die große Formunterschiede aufweisen, wie dies beim Plural deutscher Substantive (s.u.) der Fall ist. So sind die Allomorphe -s (Auto-s) und -er (Kind-er) völlig formverschieden, werden aber von vielen aufgrund ihrer gleichen grammatischen Funktion als Realisierungen ein und desselben Morphems angesehen.

Inhaltsverzeichnis

Beispiele für Allomorphe im Deutschen

Aus der Personalflexion der Verben:

Das Morphem "3. Person Singular Indikativ Präsens" hat im Deutschen bei schwachen Verben die beiden Allomorphe -et (in: rechn-et) und -t (in: geh-t).

Aus der Pluralflexion der Substantive:

  • Fisch - Fische (Plural-Allomorph: -e)
  • Träger - Träger (Plural-Allomorph: Nullallomorph)
  • Vater - Väter (Plural-Allomorph: Umlaut)
  • Wald - Wäld-er (Plural-Allomorph: Umlaut + -er)
  • Stimme - Stimme-n (Plural-Allomorph: -n)
  • Kind - Kind-er (Plural-Allomorph -er)
  • Video - Video-s (Plural-Allomorph: -s)
  • Maus - Mäus-e (Plural-Allomorph: Umlaut + e)
  • Frau - Frau-en (Plural-Allomorph: -en)

Der Plural verschiedener Lexeme wird also mit verschiedenen Allomorphen gebildet. Die Bedeutung dieser Varianten, dass diese nämlich den Plural markieren, ist immer dieselbe. Ein Vorschlag zur Behandlung der Regeln für die Wahl der Allomorphe findet sich in Wegener (1995).

Zur Wahl der Allomorphe

Bei der Wahl der Allomorphe gelten unterschiedliche Regeln:

Wenn man etwa das Wort Thema im Plural verwenden will, hat man die Wahl zwischen -ta (Themata) und -en (Themen); bei Komma kann man wählen zwischen -ta (Kommata) und -s (Kommas). In solchen Fällen, die bei Fremdwörtern häufig sind, können also die Allomorphe teilweise frei gewählt werden: sie stehen in freier Variation zueinander.

Bei den weitaus meisten Substantiven, die auf Vokal enden wie "Video", wird nur -s als mögliches Pluralallomorph zugelassen; der Auslaut des Wortes bestimmt also die Wahl des Allomorphs. Diese Fälle sind daher phonetisch determiniert (phonetisch/ lautlich bedingt). Hierher gehört auch der oben genannte Fall aus der Verbflexion, wo zwischen -t und -et für die 3. Person Singular gewählt werden muss: regn-et und geh-t.

Bei den meisten Substantiven gilt allerdings weder freie Variation noch phonetische Determination: Die Wahl von -er bei Kind oder -e bei Fisch liegt fest; ein anderes Pluralallomorph ist nicht zulässig. Es gibt aber auch kein lautliches (phonetisches) Merkmal in der Umgebung, das die Wahl bestimmen würde. In solchen Fällen hat man es mit morphologischer Determination (morphologische Bedingtheit) zu tun, was nichts anderes heißt, als dass die Wahl des Allomorphs vom jeweiligen Wort abhängt.

Phonetische Determination und morphologische Determination werden unter dem Oberbegriff komplementäre Distribution zusammengefasst.

Literatur

  • Henning Bergenholtz, Joachim Mugdan: Einführung in die Morphologie. Kohlhammer, Mainz u.a. 1979. ISBN 3-17-005095-8
  • Hadumod Bußmann: Lexikon der Sprachwissenschaft. Kröner, Stuttgart, 3. aktualisierte und erweiterte Auflage 2002. ISBN 3-520-45203-0
  • Franz Simmler: Morphologie des Deutschen. Weidler, Berlin 1998. ISBN 3-89693-304-3
  • Heide Wegener: Die Nominalflexion des Deutschen - verstanden als Lerngegenstand. Niemeyer, Tübingen 1995. ISBN 3-484-31151-7

Siehe auch

Weblinks

http://www.glottopedia.org/index.php/Allomorph_(de)


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