- Hitchcockfilm
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Der Hitchcockfilm (auch Hitchcock-Film, Hitchcock-Thriller oder nur kurz Hitchcock) ist eine Form des Thrillers, der seit den 1930er Jahren durch den britisch-US-amerikanischen Regisseur Alfred Hitchcock geprägt wurde. Der Hitchcockfilm zeichnet sich durch die Verwendung gleicher oder ähnlicher Stilmittel, Motive und Symbole aus, durch die Zeichnung wiederkehrender Figurenmuster und durch eine explizit visuelle Erzählweise, sowie durch eine enge Verbindung von Spannung und Humor.
„Es mag Hitchcock gelungen sein, gelegentlich einen »Hitchcock-Film« zu drehen, tatsächlich aber gibt es kaum einen Filmemacher, dem es gelungen wäre, selbst konsequent hitchcockisch zu sein.“
– Georg Seeßlen, 1999 [1]
Die drei übergreifenden und Hitchcocks Werk von Anbeginn durchziehenden Hauptmotive sind laut Truffaut Angst, Sex und Tod.[2] Die tragenden Elemente und Motive, die mit Hitchcock in Verbindung gebracht wird, sind Identitätsverlust, Schuldübertragung sowie doppelte oder gespaltene Persönlichkeiten. Zu Hitchcocks Erzählstil gehören Suspense als Mittel der Spannungserzeugung und MacGuffins als handlungsvorantreibende Elemente. Typischen mit Hitchcock konnektierte Figuren sind männliche Anti-Helden, unschuldig Verfolgte, geheimnisvolle oder hintergründige blonde Frauen, besitzergreifende Mütter und charismatische oder sympathische Schurken.
Von Hitchcock besetzte Symbole sind Vögel als Vorboten des Unglücks und des Chaos, als Symbol für ein aus den Fugen geratenes Leben oder als unmittelbares Symbol für den Tod sowie Treppen als Symbol für das Unbekannte und Gefährliche, die die reale, bodenständige Ebene von der mysteriösen, abgründigen Ebene des Verderbens trennen. Weiterhin sind bei Hitchcock Spiegel, sowie Masken und Verkleidungen Symbole für doppelte oder gespaltene Persönlichkeiten.
Ein weiteres typisch hitchcocksches Motiv ist die Verbindung von Nahrungsaufnahme, Sex und Gewalt bzw. Tod, die sich wie ein roter Faden durch Hitchcocks Werk zieht: Beim Essen wird über Sex oder über das Töten gesprochen, Liebesszenen werden wie Morde inszeniert und umgekehrt, Küsse gleichen (Vampir-)Bissen, Morde finden mit Hilfe von Küchenutensilien oder in Gegenwart von Lebensmitteln statt.
Der Begriff „Hitchcock Picture“, zu deutsch „Hitchcockfilm“, wurde in den 1930er Jahren in England als Marken- und Gütezeichen geprägt, als Alfred Hitchcock zwischen 1934 und 1938 nacheinander sechs herausragende Thriller drehte und zum neuen britischen Regiestar wurde. Nachdem Kriminalfilme zuvor entweder im Polizisten- oder im Gangstermillieu spielten, stellte Hitchcock erstmals „Normalbürger“ in den Mittelpunkt krimineller Handlungen. Er prägte damit das Genre des Thrillers auf Jahrzehnte hinaus.
Alfred Hitchcock selbst verwendete den Begriff. So bekannte er 1950 in einem Interview mit David Brady: „Vor einiger Zeit führte ich Regie bei einer Komödie namens Mr. & Mrs. Smith. Ein kommerziell erfolgreicher Film, der jedoch nie als Hitchcock-Film angesehen wurde, weil es keine Verfolgungsjagden gab. Bei Lifeboat war das ebenso. Under Capricorn (1948) war auch nicht wirklich ein Hitchcockfilm – das war Bergman.“[3] Im Interview mit François Truffaut erklärte er 1962, sein dritter Film und erster Thriller Der Mieter aus dem Jahr 1927 sei eigentlich der „erste echte Hitchcockfilm“, während er von anderen Filmen wie zum Beispiel Rebecca (1940) sagte, sie seien „keine Hitchcockfilme“. [4] Hitchcock unterschied mit diesem Begriff diejenige seiner Filme, bei denen er sein künstlerisches Filmverständnis weitgehend kompromisslos umsetzen konnte, und diejenigen, bei denen er sich unterschiedlichen äußeren Zwängen beugen musste, seien sie durch die Produzenten verursacht, durch Zeit- oder Geldnot, oder durch andere Umstände.
Der Hitchcockfilm ist heute in der Fachwelt weder als eigenständiges Filmgenre, noch als Untergenre des Thrillers etabliert. Allerdings wird er aufgrund seiner formalen und stilistischen Abgrenzbarkeit de facto als solches behandelt. Hitchcock wird in der Filmwissenschaft für die Entwicklung und die Bedeutung des Thrillers (als Genre) eine herausragende Rolle zugesprochen. Hitchcocks in einem Zeitraum von 50 Jahren entstandene Thriller und sein Filmvokabular sind zu Vorbildern und Steinbrüchen für das gesamte Genre geworden. Der Begriff Hitchcock stellt ein Qualitätsmerkmal dar und wird in Formulierungen wie „spannend wie ein Hitchcock“ weit über Cineastenkreise hinaus als solches verwendet.
Spielfilme anderer Regisseure werden gelegentlich als "Hitchcockfilm" bezeichnet, wenn sie durch die Verwendung typisch hitchcockscher Stilelemente stark an Hitchcocks eigene Filme erinnern. Diese Eigenschaft solcher Filme wird im britischen Sprachraum als „hitchcockian“ bezeichnet, im deutschen Sprachraum ist gelegentlich auch die Bezeichnung „Hitchcock-Touch“ gebräuchlich, als Adjektiv auch „hitchcocksch“ oder „hitchcockisch“. [5] Jean-Luc Godard sagte einmal, dass man einen Hitchcockfilm bereits nach den ersten Bildern als solchen identifizieren könne. [6]
Fußnoten/Einzelnachweise
- ↑ Siehe Beier/Seeßlen, S. 185
- ↑ Vgl. Truffaut, S. 15, 271
- ↑ Gottlieb, S. 131
- ↑ Vgl. Truffaut, S. 31, 103
- ↑ Zur Verwendung der o. g. Begriffe siehe u. a. Krohn, S. 9ff, 40; Karasek (1994), S. 420; Truffaut, S. 9ff; Weber, S. 17; Beier/Seeßlen, S. 185
- ↑ Vgl. Beier/Seeßlen, S. 45
Literatur
- John Russel Taylor: Die Hitchcock-Biographie, Fischer Cinema 1982, ISBN 3-596-23680-0
- Donald Spoto: Alfred Hitchcock – Die dunkle Seite des Genies. Heyne, München 1984, ISBN 3-453-55146-X (dt. Übersetzung von Bodo Fründt)
- Enno Patalas: Hitchcock. dtv, 1999, ISBN 3-423-31020-0
- Éric Rohmer und Claude Chabrol: Hitchcock. Ed. Universitaires Paris, 1957
- Robert A. Harris, Michael S. Lasky, Hrsg. Joe Hembus: Alfred Hitchcock und seine Filme (OT: The Films of Alfred Hitchcock). Citadel-Filmbuch bei Goldmann, München 1976, ISBN 3-442-10201-4
- François Truffaut: Truffaut, Hitchcock. Diana-Verlag, 1999, ISBN 3-828-45021-0 (frz. Original: 1984; erweiterte und gebundene Ausgabe von Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht? (1966))
- Bodo Fründt: Alfred Hitchcock und seine Filme. Heyne Filmbibliothek Band Nr. 91, 1986, ISBN 3-453-86091-8
- Donald Spoto: Alfred Hitchcock und seine Filme, Wilhelm Heyne Verlag, 1999, ISBN 3-453-15746-X
- Lars-Olav Beier, Georg Seeßlen (Hrsg.): Alfred Hitchcock. Bertz + Fischer Verlag, Berlin 1999, ISBN 3-929470-76-4
- Sidney Gottlieb (Hrsg.): Hitchcock on Hitchcock. University of California Press, 1997, ISBN 0520212223
- Bill Krohn: Hitchcock at work. Phaidon Press, 2000, ISBN 0-7148-4333-4 (Detaillierte Studie über Hitchcocks Arbeitsweise in seiner amerikanischen Zeit)
- Paul Duncan: Alfred Hitchcock, The complete Films. Deutsch im Taschen-Verlag, Köln, 2003, ISBN 3-822816-71-X
- Antoine de Baecque, Serge Toubiana: François Truffaut – Biographie. Éditions Gallimard, Paris, 1996, dt. 2004, Egmont vgs Verlagsgesellschaft mbH, ISBN 3-8025-3417-4
- Gregor J. Weber: Jeder tötet was er liebt – Liebes und Todesszenen in den Filmen Alfred Hitchcocks. Schüren Verlag, Marburg, 2007, ISBN 978-3-89472-487-0
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