Hochsensibilität

Hochsensibilität

Hochsensibilität (deutsche Terminologie uneinheitlich; auch: Hochsensitivität, Hypersensibilität oder Überempfindlichkeit) ist ein von der US-amerikanischen Psychologin Elaine Aron 1997 postuliertes psychisches Phänomen, bei dem Betroffene stärker als der Populationsdurchschnitt auf Reize reagieren, was u.a. leichter zu „Überstimulation“ (schlicht: Reizüberflutung) führt. Erklärt wird diese, von Aron sensory processing sensitivity genannte höhere Empfindlichkeit durch eine besondere Konstitution der Reize verarbeitenden neuronalen Systeme;[1] plastisch ließe sich sagen, dass die Sinnesorgane nicht mehr Informationen aufnehmen, dass aber weniger Sinneseindrücke aus der Wahrnehmung herausgefiltert werden. Aron sagt, in jeder Population von Lebewesen sei ein bestimmter Prozentsatz betroffen, was sich durch die erhöhte Überlebenswahrscheinlichkeit der gesamten Art erkläre, seien einzelne Phänotypen aufgrund höherer Sensibilität doch risikoscheuer.[2] Die von ihr genannte Zahl von 15 bis 20% Highly Sensitive Persons (kurz: HSP) in den menschlichen Gesellschaften wird regelmäßig aufgrund individueller Wahrnehmung in Frage gestellt.

Inhaltsverzeichnis

Validität

Mangels entsprechender Forschung sind sowohl die Validität des Terminus als solchem wie auch nähere Einzelheiten weitgehend ungeklärt. Ein Teil der Betroffenen erlebt jedoch bei Kontakt mit dem Begriff ein Gefühl der starken Erleichterung (ähnlich der „Doppelenttäuschung“ nach C. G. Jung;[3]) regelmäßig ist zu hören, „ein Stein“ falle „vom Herzen“ („Gebirgsketteneffekt“),[4] da man erstmals nicht mehr das Empfinden habe, „von einem anderen Stern“ zu sein.[5] Als Quelle der wahrgenommenen Andersartigkeit wird maßgeblich die Unverträglichkeit der eigenen Belastungsgrenzen mit dem für Zeitgenossen typischen Lebensstil genannt.

Erscheinungsformen

Die Bandbreite möglicher Erscheinungsformen von Hochsensibilität wird als sehr groß dargestellt: Praktisch jeder Sinneseindruck könne stärker und damit detaillierter wahrgenommen werden;[6] häufig wird auch von höherer Intensität des Empfindens von Stimmungen der Mitmenschen berichtet. Intellektuell erfahre man sich z. T. als intensiver und gründlicher analysierend mit einer Affinität zur Spiritualität. Die in diesem Zusammenhang auftretende und intensiv diskutierte Frage des Verhältnisses von Hochsensibilität zu Hochbegabung ist ungeklärt.

Literatur

Wissenschaftliche Veröffentlichungen

  • Aron, E. N., & Aron, A. (1997). Sensory-processing sensitivity and its relation to introversion and emotionality. Journal of Personality and Social Psychology, 73, 345-368.
  • Aron, E. N., Aron, A., & Davies, K. M. (2005). Adult Shyness: The Interaction of Temperamental Sensitivity and an Adverse Childhood Environment. Personality and Social Psychology Bulletin, 31, 181-197.
  • Benham, G. (2006). The highly sensitive person: Stress and physical symptom reports. Personality and Individual Differences, 40, 1433-1440.
  • Evers, A., Rasche, J., & Schabracq, M. J. (2008). High sensory-processing sensitivity at work. International Journal of Stress Management, 15, 189-198.
  • Hofmann, S. G., & Bitran, S. (2007). Sensory-processing sensitivity in social anxiety disorder: Relationship to harm avoidance and diagnostic subtypes. Journal of Anxiety Disorders, 21, 944-954.
  • Jerome, E. M., & Liss, M. (2005). Relationships between sensory processing style, adult attachment, and coping. Personality and Individual Differences, 38, 1341-1352.
  • Kemler, D. S. (2006). Sensitivity to Sensoriprocessing, Self-Discrepancy, and Emotional Reactivity of Collegiate Athletes. Perceptual and Motor Skills, 102, 747-759.
  • Liss, M., Timmel, L., Baxley, K., & Killingsworth, P. (2005). Sensory processing sensitivity and its relation to parental bonding, anxiety, and depression. Personality and Individual Differences, 39, 1429-1439.
  • Meyer, B., Ajchenbrenner, M., & Bowles, D. P. (2005). Sensory sensitivity, attachment experiences, and rejection responses among adults with borderline and avoidant features. Journal of Personality Disorders, 19, 641-658.
  • Neal, J. A., Edelmann, R. J., & Glachan, M. (2002). Behavioural inhibition and symptoms of anxiety and depression: Is there a specific relationship with social phobia? British Journal of Clinical Psychology, 41, 361-374.
  • Smolewska, K. A., McCabe, S. B., & Woody, E. Z. (2006). A psychometric evaluation of the Highly Sensitive Person Scale: The components of sensory-processing sensitivity and their relation to the BIS/BAS and „Big Five“. Personality and Individual Differences, 40, 1269-1279.

Weblinks

Siehe auch

  • Autismus - wird als eine angeborene Wahrnehmungs- und Informationsverarbeitungs-Störung des Gehirns beschrieben. Andere Forscher[7] und Autisten beschreiben Autismus als angeborenen abweichenden Informationsverarbeitungs-Modus, der sich zeigt durch Schwächen in sozialer Interaktion und Kommunikation sowie durch stereotype Verhaltensweisen sowie durch Stärken bei Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Intelligenz.

Einzelnachweise

  1. http://leo.human-image.de/ausgabe.pl?ID=30&MAIN=110&SUB=129
  2. http://www.textransfer.de/sensible.html
  3. vgl. Spiegelberg, Frederic, Die lebenden Weltreligionen, Suhrkamp 1997, S. 22f.
  4. http://www.derwesten.de/nachrichten/nachrichten/panorama/2007/5/2/news-585112/detail.html
  5. http://www.ruhr-uni-bochum.de/rubens/rubens104/16.htm
  6. http://leo.human-image.de/ausgabe.pl?ID=30&MAIN=108&SUB=119
  7. Tony Attwood: Ein ganzes Leben mit dem Asperger-Syndrom. Alle Fragen - alle Antworten. TRIAS, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-8304-3392-7.

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