Hoeges

Hoeges

Dirk Hoeges (* 27. Juli 1943 in Lindlar bei Köln) ist ein deutscher Romanist (Literatur- und Kulturwissenschaften) und Historiker.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Dirk Hoeges legte 1964 am Staatlichen Friedrich-Wilhelm-Gymnasium in Köln das Abitur ab. Für seine Leistungen im Fach Deutsch erhielt er den Viktor von Scheffel–Preis. Von 1964 bis 1972 studierte er Geschichte, Germanistik, Philosophie, dann Jura, Politikwissenschaft, Soziologie und Romanistik in Köln, Besançon, Siena, Paris. 1972 erfolgten Staatsexamen und Promotion in Alter und Neuerer Geschichte und Romanistik an der Universität Köln. Er erhielt ein Promotionsstipendium des Landes NRW. Das Thema der Dissertation bei Fritz Schalk, Theodor Schieder, Eberhard Müller-Bochat galt dem französischen Historiker, Literaturkritiker, Politiker und Staatsmann François Guizot (1787–1874): François Guizot und die Französische Revolution. Die Arbeit wurde mit dem Straßburg-Preis (Prix Strasbourg) der Stiftung F.V.S., Hamburg ausgezeichnet.

Von 1972 bis 1977 war er Assistent am Romanischen Seminar der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn bei Wolf-Dieter Lange. Er erhielt ein zweijähriges Habilitationsstipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Er wurde 1977 in Bonn habilitiert mit der Schrift: Literatur und Evolution. Studien zur französischen Literaturkritik im 19. Jahrhundert: Taine-Brunetière-Hennequin-Guyau. Ab 1978 ff. folgten Lehrstuhlvertretungen und Lehraufträge in Bielefeld, Siegen, Essen. 1980 erhielt er eine Professur in Bonn, im Anschluss daran ein Heisenberg-Stipendium. Seit 1988 ist er Professor für romanische Literatur-und Kulturwissenschaften an der Leibniz-Universität Hannover. Einen Ruf nach Chemnitz lehnte er 1992 ab. 1989 veranstaltete er Vortragsreihen zum 200. Jahrestag der Französischen Revolution sowie später zum Thema Wissenschaft-Kunst-Medien an der Universität Hannover. Es folgten Gutachtertätigkeiten u. a. für die Studienstiftung des Deutschen Volkes, für die er auch Sommerakademien in Salem u.a.O. abhielt.

Außeruniversitäre Tätigkeiten: 1964 Zeitungspraktikum, Radio-Sendungen zum Thema Literatur und Musik für den WDR, dann NDR. (u.a. André Gide und Chopin, Futurismus, Il Caffé, Venedig) - Mitglied der Villa Vigoni; 2003–2006, 1. Vorsitzender des Fördervereins des Deutschen Studienzentrums Venedig (Centro tedesco di studi veneziani); Mitglied der Auswahlkommission der Alfred Toepfer Stiftung F.V.S. Hamburg; Zusammenarbeit mit internationalen Museen (Kunsthistorisches Museum Wien, Hannover); seit 2000 hält er Rhetorik-Seminare, Theorie und Praxis, für Wissenschaft, Politik, Wirtschaft ab. Anlässlich seines 60. Geburtstages erhielt Dirk Hoeges eine Festschrift: Literarische Autonomie und intellektuelles Engagement. Der Beitrag der französischen und italienischen Literatur zur europäischen Geschichte (15.–20. Jh.), Frankfurt 2004. Im Juni 2008 leitete er das Rhetorik-Seminar im Rahmen der Sommerakademie der Toepfer-Stiftung. Im Sommer 2008 ist er Übersetzer in Residenz bei der Toepfer-Stiftung anlässlich der Neuübersetzung von Machiavellis Il Principe.

Werk

Das Werk umfasst die französische und italienische Literatur, Kultur und Geschichte sowie Wissenschaftstheorie; so zum Paradigmenwechsel in den Literatur- und Geisteswissenschaften im 19. Jahrhundert durch den Einfluss der Evolutionstheorie Darwins, Spencers und Haeckels, in: Dirk Hoeges, Literatur und Evolution, 1980 und in Dirk Hoeges (Hrsg.), Emile Hennequin, La critique scientifique, 1982, des Begründers der Rezeptionsästhetik. Die Themen gelten besonders den komplexen produktiven Beziehungen zwischen Literatur/Kunst und Geschichte/ Politik/ Technik (Alles Veloziferisch. Die Ästhetik der Geschwindigkeit, 1982) und ihrer Analyse. Schwerpunkte galten zunächst dem Zeitraum vom 16. bis 19., (u.a. Montaigne, der italienischen Aufklärungszeitschrift Il Caffè, dem Materialisten Lamettrie, den Historikern Guizot, Michelet, Tocqueville, sowie Problemen der Geschichtsschreibung und Prosa des 19. Jahrhunderts; Balzac, Die Frau von dreißig Jahren (La femme de trente ans), Mérimée, Colomba, Verne. Neue Arbeitsfelder in Forschung und Lehre boten Geschichte und Literatur im 20. Jahrhundert, so der Weimarer Republik bis 1933, die exemplarischen Intellektuellen-Debatten und ideologischen Kontroversen zwischen dem Romanisten E.R. Curtius und dem Soziologen Karl Mannheim; These: Der von Vernichtungswillen geprägte intellektuell-ideologische Debatten-Stil präfiguriert dem politischen Vernichtungswillen Hitlers und des Nationalsozialismus vor und nach 1933. Daneben intervenierte Hoeges mit Aufsätzen in den wissenschaftstheoretischen Auseinandersetzungen zur Literaturtheorie (Lucien Goldmann, Robert Escarpit), zur Postmoderne (Lyotard). Seit 1998 intensive Renaissance-Forschungen, u.a. Lorenzo Valla, Francesco Petrarca, Pico della Mirandola, zur Situation der Frau im Quattro-und Cinquecento, (Frauen der italienischen Renaissance, 2. Auflage 2002), und Übersetzungen der Dichtungen von Vittoria Colonna(für die Ausstellung des Kunsthistorischen Museums Wien) sowie besonders von Werken Niccolò Machiavellis. Nach der Prosaübersetzung der Novelle Das Leben Castruccio Castracanis aus Lucca folgte 2000 die Darstellung und Analyse von Machiavellis Macht- und Herrschaftskonzeption in dem Buch Niccolò Machiavelli. Die Macht und der Schein. Es eröffnet eine grundlegend neue Perspektive auf den Principe und seinen Autor, nicht zuletzt durch seine Integrierung in das Gesamtwerk von Poesie und Prosa. 2006 erschien in methodischer Konsequenz der Fundierung der neuen Sicht in einer zweisprachigen Ausgabe die erste vollständige deutsche Übersetzung der Dichtungen: Niccolò Machiavelli. Dichter-Poeta. Mit sämtlichen Gedichten deutsch-italienisch. Con tutte le poesie tedesco/italiano. Im Kontext einer umfassenden Darstellung wird Machiavellis Gesamtwerk im Zusammenspiel von Geschichte und Fiktion in Prosa und Poesie von Dirk Hoeges neu interpretiert. Die herkömmlichen Reduzierungen auf den Principe unterzieht er wie den Begriff des Machiavellismus einer kritischen Revision. Der Machiavelli-Trilogie folgen Neuübersetzungen des Principe und anderer Werke Machiavellis. Öffentlichkeit und Forschung diskutieren Hoeges´ neue Konzeption; siehe Presse, Fachzeitschriften, Sammelbände, Tagung Tutzing (Hoeges, Il Principe, Karriere eines Kunstwerks, 2007. In jüngster Zeit wieder Arbeiten zum Kaiserreich und zur Weimarer Republik am Beispiel der bisher von Historikern dominierten Debatte um einen „deutschen Sonderweg.“ Dazu Hoeges, Deutsche Sonderwege oder im Westen nichts Neues? Stefan George, Rainer Maria Rilke, Friedrich Nietzsche und die „Blockade der Moderne".

Publikationen

Monographien

  • François Guizot und die Französische Revolution, Köln 1972 (Romanistische Versuche und Vorarbeiten 44), Bonn 1973, Frankfurt 2/1981, ISBN 3-8204-5937-5
  • Aufklärung und die List der Form. Zur Zeitschrift Il Caffè und zur Strategie italienischer und französischer Aufklärung, Krefeld 1978 (48 S.) Schriften und Vorträge des Petrarca-Instituts Köln No XXVIII, 1979-
  • Literatur und Evolution. Studien zur französischen Literaturkritik im 19. Jahrhundert. Taine - Brunetière - Hennequin - Guyau, Heidelberg 1980, ISBN 3-533-02856-9
  • Emile Hennequin, La critique scientifique, (mit einem Nachwort von D. Hoeges, "L'oeuvre d'art en tant que signe" und Register) Heidelberg 1982, ISBN 3-533-03069-5
  • Alles veloziferisch. Die Eisenbahn - vom schönen Ungeheuer zur Ästhetik der Geschwindigkeit, Rheinbach-Merzbach 1985, ISBN 3-922584-34-9.
  • Kontroverse am Abgrund: Ernst Robert Curtius und Karl Mannheim. Intellektuelle und "freischwebende Intelligenz" in der Weimarer Republik, Frankfurt/M. 1994, ISBN 3-596-10967-1.
  • Niccoló Machiavelli: La vita di Castruccio Castracani / Das Leben des Castruccio Castracanis aus Lucca. Italienisch-Deutsch. Übersetzt und mit einem Essay "Zur Ästhetik der Macht" herausgegeben von Dirk Hoeges, C. H. Beck, München 1997, ISBN 3-406-43357-X.
  • Niccolò Machiavelli. Die Macht und der Schein, C. H. Beck, München 2000, ISBN 3-406-45864-5.
  • (Hg.), Frauen der italienischen Renaissance. Dichterin - Malerin - Komponistin - Herrscherin - Mäzenatin - Ordensgründerin - Kurtisane. Band 4 der Reihe Dialoghi / Dialogues. Literatur und Kultur Italiens und Frankreichs, 2. überarbeitete und ergänzte Auflage, Frankfurt/M. 2001, ISBN 3-631-36753-8.
  • Niccolò Machiavelli. Dichter - Poeta. Mit sämtlichen Gedichten, deutsch/italienisch. Con tutte le poesie, tedesco/italiano, Frankfurt/M. u.a. 2006, ISBN 3-631-54669-6.

Aufsätze

  • Deutsche Sonderwege oder im Westen nichts Neues? Baudelaire in Deutschland: George - Rilke und die Blockade der Moderne in Literatur und Geschichte, in: Romanistische Zeitschrift für Literaturgeschichte/Cahiers d’Histoire des Littératures Romanes, Nr. 32, 3/4, Universitätsverlag Winter 2008, S. 299-341.
  • Kindheit und Jugend in der Renaissance – von der Erziehung Machiavellis zur Erziehung eines Principe: Castruccio Castracani.Köln 2008 (Sonderdruck: Das Kind in der Renaissance) Harrassowitz Verlag Wiesbaden 2008, (Hg.) Klaus Bergdolt, Berndt Hamm und Andreas Tönnesmann. Reihe: Wolfenbütteler Abhandlungen zur Renaissanceforschung. In Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis für Renaissanceforschung herausgegeben von der Herzog August Bibliothek, Band 25 (Vorträge gehalten anlässlich eines Arbeitsgesprächs des Wolfenbütteler Arbeitskreises für Renaissanceforschung in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel vom 13. bis 15. März 2006).
  • François Guizot in : Europa-Historiker, Ein biographisches Handbuch, 3 Bde. Göttingen (2007), Vandenhoeck & Ruprecht.
  • Niccolò Machiavelli: Auch ein Dichter in: DAMALS 5/2008, 40. Jahrgang, Seite 65-67.
  • Karriere eines Kunstwerks: Niccolò Machiavelli, Il principe, Köln 2008.
  • Ein poetischer Triumphzug durch Florenz: Niccolò Machiavellis 'Canti carnascialeschi' , in: Esprit civique und Engagement. Festschrift für Henning Krauß zum 60. Geburtstag, hrsg. von Frank-Rutger Hausmann, Till R. Kuhnle, Bernadette Malinowski und Hanspeter Plocher, Tübingen 2003, ISBN 3-86057-661-5
  • Rousseau und Machiavelli. Jean-Jacques Rousseau über 'Il principe', in: Ein solches Jahrhundert vergißt sich nicht mehr. Für Ernst-Peter Wieckenberg, München 2000.

Übersetzungen

  • Vittoria Colonna. Ausgewählte Dichtungen in neuer Übertragung von Dirk Hoeges, in: Katalog Vittoria Colonna, Kunsthistorisches Museum, Wien 1996, und in: Dirk Hoeges (Hg.), Frauen der italienischen Renaissance Dichterin - Malerin - Komponistin - Herrscherin - Mäzenatin - Ordensgründerin - Kurtisane. Band 4 der Reihe Dialoghi / Dialogues. Literatur und Kultur Italiens und Frankreichs, 2. überarbeitete und ergänzte Auflage, Frankfurt/M. 2001, S. 9-37.
  • Niccoló Machiavelli: La vita di Castruccio Castracani / Das Leben des Castruccio Castracanis aus Lucca. Italienisch-Deutsch. Übersetzt und mit einem Essay "Zur Ästhetik der Macht" herausgegeben von Dirk Hoeges, C. H. Beck, München 1997, ISBN 3-406-43357-X.
  • Niccolò Machiavelli. Dichter - Poeta. Mit sämtlichen Gedichten, deutsch/italienisch. Con tutte le poesie, tedesco/italiano, Frankfurt/M. u.a. 2006.

Herausgeberschaft

Herausgeber der Reihe: Dialoghi-Dialogues. Literatur und Kultur Italiens und Frankreichs, Frankfurt/M. 1995 ff: Bisher elf Bände:

  • Band 1: Martina Schmode, Zwischen Elfenbeinturm und Staatsdienst. Naturwissenschaftler des Ancien Régime im Spiegel von Condorcets. Eloges des Académiciens, 1995.
  • Band 2: Beate Hannemann, Im Zeichen der Sonne. Geschichte und Repertoire des Opernhauses La Fenice von seiner Gründung bis zum Wiener Kongreß (1787-1814), 1996
  • Band 3: Beatrix Schäffer, Das venezianische Druck- und Verlagswesen im Zeitalter der Aufklärung, 1998.
  • Band 4: Dirk Hoeges (Hrsg.), Frauen der italienischen Renaissance. Dichterin - Malerin - Komponistin - Herrscherin - Mäzenatin - Ordensgründerin - Kurtisane, 2. überarbeitete Auflage 2001.
  • Band 5: Catherine Atkinson, Debts, Dowries, Donkeys. The Diary of Niccolò Machiavelli's Father, Messer Bernardo, in Quattrocento Florence, 2002.
  • Band 6: Heiner Wittmann, Albert Camus. Kunst und Moral, 2002.
  • Band 7: Christina Rohwetter, Zur Typologie des Herrschers im französischen Humanismus. Le Livre de l'Institution du Prince von Guillaume Budé, 2002.
  • Band 8: Maike Buß, Intellektuelles Selbstverständnis und Totalitarismus Denis de Rougemont und Max Rychner - zwei Europäer der Zwischenkriegszeit, 2005.
  • Band 9: Elisabeth Gilbert Frege, Luigi Alamanni - Politik und Poesie Von Machiavelli zu Franz I., 2005.
  • Band 10: Dirk Hoeges, Niccolò Machiavelli. Dichter - Poeta. Mit sämtlichen Gedichten deutsch/italienisch. Con tutte le poesie tedesco/italiano, 2006.
  • Band 11: Marita Slavuljica, Giacomo Casanova. Die Geschichte seines Lebens, 2006.
  • Band 12: Ingrid Sammler, Höfische Festkultur im Zeitalter Ludwigs XIV, 2009.
  • Band 13: Heiner Wittmann, Sartre and Camus in Aesthetics. The Challenge of Freedom, 2009.

Mitgliedschaften

Hoeges ist Mitglied des Deutschen Romanistenverbands, der Villa Vigoni, des Centro tedesco di studi veneziani, der Marcel-Proust-Gesellschaft Köln und im Beirat von Letteratura Italiana Antica (Rom).

Weblinks


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