Hominine Fossilien von Dmanisi

Hominine Fossilien von Dmanisi

Die homininen Fossilien von Dmanissi sind die ältesten außerhalb Afrikas entdeckten Fossilien aus dem Formenkreis der Hominini, der engsten Vorfahren des Menschen. Die auf 1,75 bis 1,8 Millionen Jahre datierten Überreste wurden seit 1991 unter Leitung von Dawit Lortkipanidse bei Dmanissi (international auch: Dmanisi) in Georgien ausgegraben und als Angehörige der Gattung Homo gedeutet.

Die homininen Fossilien von Dmanissi gelten als mögliches Bindeglied zwischen den frühesten Vertretern der Gattung Homo aus Afrika und den späteren, aus Asien bekannten Fossilien des Homo erectus. Sie belegen, dass Vertreter der Gattung Homo 300.000 Jahre früher nach Eurasien vordrangen, als zuvor angenommen.

Noch ungeklärt ist, welcher Art der Gattung Homo die Dmanissi-Funde zuzuordnen sind: Im Jahr 2000 wurden die Fossilien von ihren Entdeckern zunächst in die Nähe von Homo ergaster gestellt. 2002 wurden sie in französischen Fachzeitschriften als Homo georgicus bezeichnet, 2006 ausdrücklich Homo erectus zugeordnet. 2007 wurden sie aufgrund weiterer Knochenfunde in die Nähe von Homo habilis gestellt und 2009 wiederum zu Homo erectus.[1]

Inhaltsverzeichnis

Fundgeschichte

Der Schädel D2700 (Replikat)

Die archäologischen Grabungen auf dem Dmanissi-Plateau (1171 m über NN gelegen) in Südgeorgien galten ursprünglich – ab 1983 – einer aufgegebenen mittelalterlichen Stadt. Im Verlauf dieser Grabungen wurde festgestellt, dass unter der Stadt die Überreste weit früherer Ansiedlungen liegen; neben fossilen Säugetierknochen wurden auch Steinwerkzeuge vom sehr ursprünglichen Oldowan-Typ entdeckt. Bei Grabungen der Georgischen Akademie der Wissenschaften in Zusammenarbeit mit dem Römisch-Germanischen Zentralmuseum kam 1991 unter anderem ein Unterkiefer zum Vorschein (Inventarnummer D211), [2] der im gleichen Jahr während einer Fachtagung im Forschungsinstitut Senckenberg erstmals öffentlich vorgestellt wurde.[3] Dessen Altersbestimmung (1,8 bis 1,6 Millionen Jahre) und Zugehörigkeit zu Homo erectus blieben allerdings umstritten.[4] Auch ein 1997 entdeckter, gleich alter homininer Fußknochen brachte keine Klärung.

Im Mai 1999 wurde nach starken Regenfällen ein Hirnschädel im Erdreich sichtbar, der mutmaßlich einem jungen Erwachsenen gehört hatte (Inventarnummer D2280). Begleitfunde von Zähnen der fossilen Nager-Gattung Mimomys bezeugen ein Alter von 1,6 bis 2,0 Millionen Jahren, [5] und mit Hilfe der Argon-Argon-Methode konnten die Fossilien-führenden Erdschichten sicher auf 1,8 bis 2,0 Millionen Jahre datiert werden; andere Datierungsmethoden wiesen auf ein Alter von 1,77 Millionen Jahren hin.[6]

In den folgenden Jahren wurden aus der gleichen Bodenschicht weitere Schädel, Unterkiefer und andere Knochen geborgen und wissenschaftlich beschrieben, darunter der besonders gut erhaltene Schädel D2700. Der neueste Schädelfund befindet sich derzeit in Bearbeitung.

Die besondere Bedeutung der Dmanissi-Funde besteht vor allem darin, dass auf einer Fläche von knapp 20 x 20 Metern mindestens sieben Individuen unterschiedlichen Alters aus der gleichen Epoche gefunden wurden, so dass Aussagen zur inter-individuellen Variabilität dieser Homo-Population ermöglicht werden. Die Gründe dafür, warum diese Individuen gleichzeitig oder nahezu gleichzeitig zu Tode kamen, wurden bisher nicht zweifelsfrei rekonstruiert. Im Februar 2008 publizierten französische Forscher allerdings nach der Untersuchung von 30 Bodenproben die Vermutung, es habe sich möglicherweise um eine Familie gehandelt, die von einem Vulkanausbruch überrascht und unter einer Ascheschicht begraben wurde; als Alter der Skelette wurden nunmehr 1,81 ± 0.05 Mio. Jahre genannt.[7]

Fundbeschreibungen

1991: Der erste Unterkiefer

In der ersten Fundbeschreibung von 1995 wurde der 1991 entdeckte Unterkiefer D211 aufgrund seiner Altersdatierung – 1,8 bis 1,6 Millionen Jahre – sowie der Übereinstimmung mehrerer Merkmale mit vergleichbar alten afrikanischen und asiatischen Fossilfunden Homo erectus zugeordnet.[8] Da bis dahin kein Forscher mit einem derart frühen Auftreten von Vertretern der Gattung Homo in Eurasien gerechnet hatte, wurde die Datierung weithin angezweifelt; manchen Forschern erschien die Form des Kiefers als zu „modern“ für einen derart alten Homo erectus, so dass sie vermuteten, der Unterkiefer sei erst sehr viel später – lange nach dem Tod des Individuums – in die alten Bodenschichten geraten.

1999: Zwei gut erhaltene Schädel

Dmanissi-Fossil D2282 (Rekonstruktion)

Klarheit brachten erst die beiden 1999 entdeckten, gut erhaltenen Schädel, die in zwei Metern Entfernung zu D211 ausgegraben und zweifelsfrei auf zirka 1,7 bis 1,8 Millionen Jahre datiert werden konnten. Der eine, mutmaßlich einem erwachsenen Mann gehörende Schädel D2280 wies nur ein Schädelinnenvolumen von 775 cm³ auf; bei ihm waren auch Teile des Gesichtsschädels und des Oberkiefers mitsamt vier Zähnen erhalten geblieben. Der zweite, aus der gleichen Bodenschicht geborgene Schädel D2282 gehörte mutmaßlich einer jugendlichen Frau und wies nur ein Volumen von 650 cm³ auf (zum Vergleich: heutige erwachsene Männer verfügen über ein Volumen von etwa 1500 cm³). Diverse andere Merkmale der Schädel wurden als übereinstimmend mit den aus Afrika bekannten Funden von Homo ergaster erkannt. „Überraschend“ sei die geringe Übereinstimmung der durchgehend als „Dmanisi-hominids“ bezeichneten Funde mit späteren europäischen und asiatischen Homo-Funden.[9]

2001: Ein Homo ergaster mit extrem kleinem Gehirn?

Noch weniger Ähnlichkeit mit den späteren Vertretern der Gattung Homo hatten zwei weitere Funde, die 2001 entdeckt wurden: der Schädel D2700 und der ein Meter davon entfernt entdeckte Unterkiefer D2735; beide Fossilien wurden in knapp 15 Metern Entfernung zu den bereits bekannten Schädelfunden ausgegraben.[10] Das Gehirnvolumen von nur ungefähr 600 cm³ war wesentlich kleiner als das aller zuvor bekannten Vertreter von Homo erectus, es entsprach vielmehr dem Mittelwert von Homo habilis, so dass unter anderem Tim White darauf hinwies, die Dmanissi-Funde seien womöglich eine neuerliche Stütze für die ältere und als überholt geltende Theorie, Homo habilis habe sich erst außerhalb Afrikas zur asiatischen Variante des Homo erectus entwickelt.[11] Neben dem kleinen, entwicklungsgeschichtlich also „primitiven“ Gehirn erwiesen sich auch die Eckzähne und der Gesichtsschädel als „ursprünglich“. In der wissenschaftlichen Beschreibung der Dmanissi-Hominiden erläuterten die Autoren im Juli 2002 in Science, dass man die neuen Funde zwar – wie zuvor – als „Repräsentanten von Homo ergaster mit extrem kleinem Gehirn“ deuten könne oder als „die bislang primitivsten Individuen, die Homo erectus zugeordnet“ wurden. Allerdings könne man auch argumentieren, „dass diese Population nahe verwandt mit Homo habilis“ sei, wie man diesen aufgrund von Funden in Tansania (Olduvai-Schlucht) und Kenia (Koobi Fora) kenne. Gemäß den Autoren wiesen die Funde zudem einige Merkmale auf, „die ein gewisses Maß an Isolation von verwandten Gruppen in Afrika und dem Fernen Osten aufzeigen“. Besonders der bis dahin noch nicht beschriebene Unterkiefer D2600, der im September 2000 ausgegraben wurde, weiche von den bekannten Varianten des Homo ergaster/Homo erectus stark ab.

2002: Aus Homo ergaster wird Homo georgicus

Zwei Monate später, im September 2002, wurde diese Andeutung einer „Isolation von verwandten Gruppen in Afrika und dem Fernen Osten“ in einer Zeitschrift der Académie des sciences von den Doyens der georgischen Paläoanthropologie, Léo Gabounia und Abesalom Vekua, zur Erstbeschreibung der neuen Art Homo georgicus ausgebaut; Typusexemplar war der Unterkiefer D2600.[12] Die nunmehr auf ein Alter von 1,81 ± 0,05 Millionen Jahre datierten Fossilien wurden in die Nähe von Homo habilis gestellt und als Basisgruppe aller späteren Vertreter von Homo erectus in Europa und Asien postuliert.[13]

2006 wurde diese Zuordnung, wiederum in einer französischen Fachzeitschrift, bekräftigt, wobei auf fünf Schädel, vier Unterkiefer und zahlreiche weitere Knochenfragmente Bezug genommen wurde. Auch wurde das Alter beim Eintritt des Todes erstmals genannt: ein ca. 13– bis 14-jähriges Mädchen, eine 18- bis 20-jährige Frau, zwei männliche Erwachsene von ca. 25 – 30 und 40 Jahren sowie ein zahnloser Greis. [14]

Dieser Publikation zufolge sind die Dmanissi-Schädel nicht nur klein, sondern auch relativ kurz und schmal. Das Stirnbein sei weniger stark entwickelt als bei Homo erectus und weise eine merkliche Verengung hinter den Augenöffnungen auf. Die Schädeldächer seien flacher als bei Homo erectus und Homo ergaster, jedoch höher als bei Homo habilis; am ehesten vergleichbar seien sie mit Homo rudolfensis. Bezüglich der Höhe und der transversalen Entwicklung des Schädel-Mittelteils (in der Parietotemporalregion) liegen die Dmanissi-Exemplare zwischen Homo habilis und Homo ergaster. Auch das Hohlvolumen des Schädels liege zwischen diesen beiden Homo-Arten. Das Schläfenbein sei lang und flach, das Pars mastoidea kurz. Der obere Teil des Hinterhauptsbeins sei niedrig und schmal, die Schädelkämme dünn und weniger stark entwickelt als in der Homo-erectus-Gruppe. Die oberen Temporalkämme liegen an hoher Stelle, und ein Torus angularis sei bei jenem Exemplar, das als männlicher Erwachsener gedeutet wurde, vorhanden. Die Grazilität des Gesichts, die Schmalheit der Hinterhauptsbeins und das Muster ihrer Schädelbasis unterscheiden der Studie zufolge die Dmanissi-Schädel von Homo erectus.

Die orthognathe Orientierung des Gesichts unterscheide die Exemplare von Dmanissi von frühpleistozänen Hominiden (Homo habilis und Homo ergaster) sowie von den ersten eurasischen Homo-erectus-Funden; jedoch sei die subnasale Region des Gesichts noch vorspringend. Die Morphologie des mittleren Gesichtsteils, mit ausgeprägtem Stirnnasenpfeiler (zwischen den Augenhöhlen und der Nasenöffnung), einer inframalaren Einkrümmung des Jochbeins und einer vorne gelegenen Wurzel des zygomaticomaxillaren Kamms deuten eine starke Kaubelastung an.

Die Knochen im Bereich der Schultergelenkspfanne [15] sind groß und scharfkantig.

In Abwägung der Schädelmerkmale und Schädelabmessungen sowie der weiteren Knochenfunde liegen die Dmanissi-Schädel der Publikation zufolge im Übergang zwischen der älteren H. habilis / H. rudolfensis-Gruppe und dem jüngeren H. ergaster, wobei sie der älteren (besonders dem Homo rudolfensis-Fund ER 1470) anatomisch näher stehen. Da die Dmanissi-Schädel jedoch auch anhand vieler Merkmale von Homo rudolfensis unterscheidbar seien, wurden sie trotz der ihnen zugewiesenen taxonomischen Nähe zu dieser Art zur neuen Art Homo georgicus gestellt.

Rückschlüsse auf das Sozialverhalten der Dmanissi-Menschen erlaubte der 2005 in Nature beschriebene Fund eines weiteren, sehr gut erhaltenen Schädels und Unterkiefers, dessen Besitzer Jahre vor seinem Tod alle Zähne bis auf einen verloren hatte. Zahlreiche Begleitfunde (Steinwerkzeuge und Knochen mit Einkerbungen von Steinwerkzeugen) sowie die klimatischen Bedingungen vor 1,8 Millionen Jahren wurden dahingehend gedeutet, dass die Dmanissi-Menschen sich – zumindest im Winter – überwiegend von Fleisch ernährt haben. Die Zahnfächer dieses ältesten, zahnlosen homininen Schädels lassen daher den Schluss zu, dass das Individuum – obwohl es grobe Nahrungsmittel nicht mehr zerkauen konnte – mit stark zerkleinerten Nahrungsmitteln versorgt und trotz seiner Behinderung sozial integriert gewesen sein muss.[16] [17]

2007: Statt Homo georgicus „Dmanisi-Hominine“

David Lordkipanidze, November 2007

Bemerkenswert ist im Zusammenhang mit der Namensgebung, dass David Lordkipanidze, der schon 1991 als Grabungsleiter am Fund des ersten Unterkiefers beteiligt war, zwar Co-Autor der Zuordnung aller Dmanissi-Funde zur neuen Art Homo georgicus war. In dem von ihm als Hauptautor in Nature veröffentlichten Fundbeschreibungen verwendet er jedoch diesen von seinem früheren Vorgesetzten Léo Gabounia gewählten Artnamen nicht, [18] [19] sondern umschreibt die Funde im Jahr 2007 beispielsweise als „Dmanisi hominins“, die „weitgehend mit dem frühesten Homo (das ist Homo habilis) vergleichbar“ seien.

Tatsächlich hat sich die Absonderung der Dmanissi-Funde zur Art Homo georgicus – außerhalb des französisch-sprachigen Schrifttums – in der Fachwissenschaft bisher nicht etablieren können. So merkte Winfried Henke in einem Übersichtsartikel zu „Ursprung und Verbreitung des Genus Homo“ an, der von Vekua und Gabunia propagierte Artstatus sei vorläufig.[20] Vorbehalte gegen die Festlegung einer neuen Art bestehen hauptsächlich, weil unklar ist, ob sie im Sinne einer Chronospezies, einer Morphospezies oder gar einer Biospezies definiert wurde. Lordkipanidze selbst bezeichnet den Artnamen zurückhaltend als „a proposal“ (ein Vorschlag), dessen Tragfähigkeit sich erst anhand weiterer Funde erweisen werde.[21]

Blick über die Fossilien-Fundstätte (September 2007)

2007 veröffentlichte Lordkipanidze in Nature die Beschreibung von mehr als 30 Knochen und Knochenfragmenten aus dem Bereich des Schultergürtels, der Wirbelsäule, der Oberarme, der Oberschenkel und der Unterschenkel, die man zwischen 2003 und 2005 in Dmanissi geborgen hatte. Einige diese postkranialen Funde konnten den bereits bekannten Schädeln zugeordnet werden [22] und gaben erstmals Aufschluss über das mutmaßliche äußere Erscheinungsbild der Dmanissi-Menschen. Aufgrund dieser Fossilien wurde ihr Körpergewicht auf 40 bis 50 kg, die Körpergröße auf etwa 145 bis 166 cm und das Hirnvolumen auf knapp die Hälfte des modernen Menschen geschätzt. Selbst im Vergleich zu ihrer geringen Körpergröße war ihr Gehirn so klein wie das der allerersten Vertreter der Gattung Homo aus Afrika und deutlich kleiner als das Gehirn der bis dahin bekannten Funde von Homo erectus. Aufgrund einiger afrikanischer Homo-erectus-Funde – unter anderem nach der Entdeckung des so genannten Turkana Boys – hatten die Paläoanthropologen vermutet, dass die ersten außer-afrikanischen Vertreter der Gattung Homo wesentlich größer gewesen seien.

Hingegen besaßen die Dmanissi-Menschen bereits ähnliche Körperproportionen wie die modernen Menschen: Ihre Beine waren wesentlich länger als ihre Arme, und die Oberschenkel waren länger als die Oberarme. Aufgefundene Fußknochen wurden dahingehend gedeutet, dass sie dank eines Fußgewölbes zu einem federnden, zweibeinigen Gang befähigt und gute Läufer waren. Die Anatomie von Schultern und Armen unterschied sich hingegen vom modernen Menschen: Beispielsweise wiesen Unterarme und Hände in Ruhestellung – bei herunterhängenden Oberarmen – nicht zum Körper, sondern nach vorn.[23] Der Bau ihrer Arme erleichterte ihnen vermutlich noch das Klettern in Bäumen.

Die wissenschaftliche Bedeutung der Funde

Oldowan-Werkzeug aus Dmanissi (rechts), daneben zum Vergleich ein Faustkeil des Acheuléen

Die homininen Fossilien von Dmanissi widerlegen die zuvor aus afrikanischen Vormenschen-Funden abgeleitete, in der Paläoanthropologie allgemein akzeptierte Annahme, die ersten aus Afrika ausgewanderten Menschen hätten ein Hirnvolumen von mindestens 1000 cm³ besessen, seien etwa 170 cm groß gewesen und hätten über fortgeschrittene kulturelle Techniken verfügt.[24] Die mosaikförmige Kombination von „archaischen“ und „modernen“ anatomischen Merkmalen (sehr kleines Gehirn, auf Menschenaffen verweisende Schultern und Arme, aber von Homo sapiens kaum unterscheidbare Beine) belegen erstmals in einem einheitlichen Fund-Zusammenhang die Abfolge der evolutiven Prozesse von den archaischen Vertretern der Gattung Homo hin zum modernen Menschen. Während eines Besuchs im Forschungsinstitut Senckenberg wies der Entdecker der Fossilien, David Lordkipanidze, im November 2007 zudem auf verblüffende Ähnlichkeiten der Dmanissi-Funde mit Homo floresiensis hin.[25]

Erstmals bei derart alten Menschen-Fossilien können zudem Aussagen über die Variationsbreite der anatomischen Merkmale in einer Population getroffen werden, was zu einer Neubewertung der Abgrenzung von Arten führen könnte, die – wie Homo erectus und Homo habilis – häufig nur anhand eines einzigen Unterkiefers definiert wurden. Fraglich geworden ist durch die Dmanissi-Fossilien auch die Annahme, Homo erectus habe sich in Afrika aus Homo habilis entwickelt; möglicherweise entwickelte sich Homo erectus erst nördlich der Levante, und Teile der Population wanderten später wieder zurück nach Afrika, andere Richtung Asien und Europa. [26]

Einzelnachweise

  1. Ann Gibbons: First globetrotters had primitive toolkits. Science, Band 323, 2009, S. 999
  2. Leo Gabunia, Abesalom Vekua: A Plio-Pleistocene hominid from Dmanisi, East Georgia, Caucasus. in: Nature. Band 373, 1995, S. 509–512, doi:10.1038/373509a0 ISSN 0028-0836
  3. 4. Internationale Senckenberg-Konferenz „100 Jahre Pithecanthropus - das Homo-erectus-Problem"
  4. Ann Gibbons: Jawing with our Georgian ancestors. in: Science, Band 255, 1992, S. 401, doi:10.1126/science.255.5043.401 ISSN 0036-8075
  5. Datiert werden die Leitfossilien von Ralf-Dietrich Kahlke von der Forschungsstation für Quartärpaläontologie Weimar der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, [1].
  6. Michael Balter, Ann Gibbons: A Glimpse of Humans' First Journey Out of Africa. Science, Band 288, 2000, S. 948–950, doi:10.1126/science.288.5468.948 ISSN 0036-8075
  7. Marie-Antoinette de Lumley u. a.: Impact probable du volcanisme sur le décès des Hominidés de Dmanissi. In: Comptes Rendus Palevol., Band 7 (1), 2008, S. 61–79, doi:10.1016/j.crpv.2007.09.002 ISSN 1631-0683
  8. L. Gabunia, A. Vekua, in: Nature, Band 373, 1995, S. 509 f.
  9. Leo Gabunia, Abesalom Vekua, David Lordkipanidze u.a.: Earliest Pleistocene Hominid Cranial Remains from Dmanisi, Republic of Georgia. Taxonomy, Geological Setting, and Age. Science, Band 288, 2000, S. 1019–1025, doi:10.1126/science.288.5468.1019 ISSN 0036-8075
  10. Abesalom Vekua, David Lordkipanidze u.a.: A new skull of early Homo from Dmanisi, Georgia. Science, Band 297, 2002, S. 85–89, doi:10.1126/science.1072953 ISSN 0036-8075
  11. Michael Balter, Ann Gibbons: Were 'little people' the first to venture out of Africa? Science, Band 297, 2002, S. 26–27, doi:10.1126/science.297.5578.26 ISSN 0036-8075
  12. Léo Gabounia, Marie-Antoinette de Lumley, Abesalom Vekua, David Lordkipanidze, Henry de Lumley: Découvert d'un nouvel hominidé à Dmanissi (Transcaucasie, Géorgie). In: Comptes Rendus Palevol. Band 1, 2002, S. 243–253, doi:10.1016/S1631-0683(02)00032-5 ISSN 1631-0683 und – mit Abb. – Sciencemag
  13. Marie-Antoinette de Lumleya, David Lordkipanidze: L'Homme de Dmanissi (Homo georgicus), il y a 1 810 000 ans. In: Comptes Rendus Palevol., Band 5, 2006, S. 273–281, doi:10.1016/j.crpv.2005.11.013 ISSN 1631-0683 – wörtlich heißt es hier: „Two new concepts can be retained: – the exodus from Africa took place earlier than previously thought, dating back to at least 1.8 Myr ago. It was carried out by Homo georgicus, a group close to Homo habilis; – it is no longer valid to base explanations of Man's migratory capacity in terms of cranial development.“
  14. wörtlich: „une adolescente d’environ 13–14 ans, une adulte jeune femelle de 18–20 ans, deux adultes mâles âgés de 25–30 ans et 40 ans et un vieillard édenté.“ In: Marie-Antoinette de Lumley, Léo Gabounia, Abesalom Vekua, David Lordkipanidze: Les restes humains du Pliocène final et du début du Pléistocène inférieur de Dmanissi, Géorgie (1991–2000). I – Les crânes, D 2280, D 2282, D 2700. In: L'Anthropologie, Band 110, 2006, S. 1–110, doi:10.1016/j.anthro.2006.02.001 ISSN 0003-5521
  15. siehe en:Glenoid cavity
  16. David Lordkipanidze, Abesalom Vekua u.a.: The earliest toothless hominin skull. Nature Band 434, 2005, S. 717–718, doi:10.1038/434717b ISSN 0028-0836
  17. David Lordkipanidze, Abesalom Vekua: A fourth hominin skull from Dmanisi, Georgia. In: The Anatomical Record Part A. Discoveries in Molecular, Cellular, and Evolutionary Biology, Band 288A, 2006, H.11, S. 146–1157, doi:10.1002/ar.a.20379 ISSN 0003-276X
  18. D. Lordkipanidze, A. Vekua u.a., Nature, Band 434, 2005, S. 717f.
  19. D. Lordkipanidze u.a., Nature, Band 449, 2007, S. 305 ff.
  20. In: Günther A. Wagner u.a.: Homo heidelbergensis. Schlüsselfund der Menschheitsgeschichte. Konrad Theiss, Stuttgart 2007, S. 191. ISBN 978-3-8062-2113-8
  21. Gemeinsamer Vortrag mit Friedemann Schrenk am 21. November 2007 im Forschungsinstitut Senckenberg, Frankfurt am Main
  22. David Lordkipanidze u.a.: Postcranial evidence from early Homo from Dmanisi, Georgia. Nature, Band 449, 2007, S. 305–310, doi:10.1038/nature06134 ISSN 0028-0836
  23. Erläuterungen von Prof. Christoph Zollikofer, Universität Zürich; Abbildung der Skelett-Teile
  24. So benennt zum Beispiel die The Cambridge Encyclopedia of Human Evolution (1992) dem Turkana Boy ähnelnde Individuen als die Erstbesiedler Europas und Asiens
  25. Gemeinsamer Vortrag mit Friedemann Schrenk am 21. November 2007
  26. Die Darstellung der wissenschaftlichen Bedeutung der Funde beruht auf Erläuterungen von David Lordkipanidze bei seinen Vorträgen am 21. November 2007 in Frankfurt am Main.

Literatur

  • Bosinski, Gerhard, Lordkipanidze, David & Konrad Weidemann (1995): Der altpaläolithische Fundplatz Dmanisi (Georgien, Kaukasus). Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums. Bonn 42.1995, S.21–203. ISSN 0076-2741
  • Gabunia, Léo K. et al. (1999): Neue Hominidenfunde des altpaläolithischen Fundplatzes Dmanisi (Georgien, Kaukasus) im Kontext aktueller Grabungsergebnisse. Archäologisches Korrespondenzblatt 29, 451-488.
  • Gabunia, Léo K. et al. (2000): A. Earliest Pleistocene Hominid Cranial Remains from Dmanisi, Republic of Georgia: Taxonomy, Geological Setting, and Age. Science 288, 1019-1025.
  • Gabunia, Léo K. et al. (2000): Neue Urmenschenfunde von Dmanisi (Ost-Georgien). Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz 46, 23-38.
  • Gabunia, Léo K. et al. (2002): Découverte d'un nouvel hominid à Dmanissi (Transcaucasie, Géorgie). Comptesrendus de l’Académie des sciences Paris, Palevol 1, 243-253.
  • Garcia, T. (2004): Cadres stratigraphique, magnétostratigraphique et géochronologique des hominidés fossiles du site de Dmanisi en Géorgie. Muséum national d'histoire naturelle, Paris.
  • Jöris, Olaf (2008): Der altpaläolithische Fundplatz Dmanisi (Georgien, Kaukasus). Monographien des Römisch-Germanischen Zentralmuseums. 56 farbige Abbildungen, 35 Taf. , 8 Farbtaf. , 3 Beilagen. Verlag Schnell und Steiner. ISBN: 3795421403
  • Vekua, A. et al. (2002): A New Skull of Early Homo from Dmanisi, Georgia. Nature 297, 85-89.

Weblinks


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