- Hotel Silber (Stuttgart)
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Hotel Silber war, ausgehend von einer früheren Nutzung, während des Nationalsozialismus – und ist teilweise bis in die Gegenwart – der umgangssprachliche Name des Gebäudes, in dem von 1937 bis 1945 die Stuttgarter Gestapo-Zentrale untergebracht war. Es befindet sich in der Dorotheenstraße 10 am Karlsplatz unweit des Alten Schlosses. Gegenwärtig beherbergt es Büros dreier Landesministerien. Im Zuge einer Umgestaltung des gesamten Areals soll das Gebäude abgerissen werden, wogegen sich mehrere mit Geschichtsvermittlung befasste Initiativen zur Wehr setzen. Der Sachstreit geht dabei auch um die Frage, wie viel an alter Bausubstanz nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs und den Umgestaltungen beim Wiederaufbau ab 1945 noch erhalten ist.
Inhaltsverzeichnis
Bau- und Nutzungsgeschichte
In einem 1816 auf dem heutigen Grundstück errichteten Haus wurde zunächst 1845 ein Gasthaus „Zum Bahnhof“ eröffnet, einige Jahre später wurde es erweitert und erhielt den Namen „Zum Bayrischen Hof“. 1874 kaufte Heinrich Silber das Gebäude und baute es im Neorenaissance-Stil zum vornehmen „Hotel Silber“ aus, das bis 1919 betrieben wurde. Unter anderem wurde darin 1903 der ADAC gegründet (zunächst als „Deutsche Motorradfahrer-Vereinigung“). Von 1919 bis 1928 beherbergte das Haus die Oberpostdirektion der Deutschen Reichspost für Württemberg, anschließend bis 1937 das Polizeipräsidium. Eugen Bolz, der letzte Staatspräsident des Landes Württemberg in der Weimarer Republik, wurde bereits 1933 hier vorgeladen und unter Misshandlungen in „Schutzhaft“ genommen.
Von 1937 bis 1945 war das Gebäude Sitz der Gestapo. Hier wurden zahlreiche „Staatsfeinde“ in Haft genommen und gefoltert, von hier aus wurde die Deportation der württembergischen Juden organisiert. Gemeinsam mit der Kriminalpolizei betrieb die Gestapo auch den Terror gegenüber anderen Minderheiten wie den Sinti und Roma und den Homosexuellen. Alle eigenen Dokumente der Gestapo wurden am Ende des Krieges verbrannt, erhalten blieben jedoch Berichte der Überlebenden, von Angestellten, und der Angehörigen und Freunde der Toten.
Im Keller befanden sich „Verwahrzellen“. Bekannte Gefangene waren Kurt Schumacher, der spätere Vorsitzende der SPD, und die Kommunistinnen Liselotte Herrmann und Lina Haag. Bei einem Luftangriff im September 1944 wurden Teile des Gebäudes zerstört, es konnte jedoch weiter in seiner Funktion genutzt werden. Noch am 13. April 1945, wenige Tage vor der Übergabe der Stadt, wurden vier Gefangene im Keller von der Gestapo erhängt.
Das Haus wurde bald nach Kriegsende wieder als Stuttgarter Polizeizentrale genutzt, die zerstörten Teile wurden 1946/47 neu aufgebaut. Es behielt seine neue Funktion bis 1984/85, als es vom Innenministerium übernommen wurde.
Die historische Bausubstanz
Bei der Schadenskartierung im Sommer 1945 wurde das Haus als „mittelschwer“ beschädigt bezeichnet, im Oktober desselben Jahres hieß es „mittel, auch zu erhalten“. Aufnahmen aus diesem Jahr zeigen, dass der östliche Gebäudeteil bis zum Dach, der westliche bis zum dritten Stockwerk von vier erhalten geblieben war. Entsprechendes geht aus den Plänen des Architekten, der den Wiederaufbau leitete, hervor. Am 8.7.1953 schrieb die Stuttgarter Zeitung angesichts laufender Renovierungsarbeiten am östlichen Gebäudeflügel: „Die aus dem Jahre 1898 stammende Fassade wird von ihrem steinernen Neo-Renaissance-Schmuck befreit. An Stelle der wurstartigen Erker (...) entstehen wieder normale Hausecken. Der große Balkon über dem Haupteingang ist auch schon entfernt. An seiner Stelle wird ein kleines Dach angebracht (...)“ – das auch heute noch zu sehen ist.[1]
Im Untergeschoss entsprechen die tragenden Wände, die Stützen und die meisten Türöffnungen einem erhaltenen Plan von 1941 (Stadtarchiv Stuttgart), lediglich einige Zwischenwände der Verwahrzellen und Wände zum mittleren Flur wurden nach dem Krieg entfernt. Ob sich unter dem gegenwärtigen Anstrich der ehemaligen Zellen noch der Verputz aus der Zeit der Nutzung durch die Gestapo befindet – möglicherweise mit Zeichnungen und Beschriftungen der damaligen Gefangenen – ist gegenwärtig unklar.
Im Ostflügel des Gebäudes sind im Sockelgeschoss sämtliche Schichten der Fassade bis hin zur Rustizierung erhalten. Hier wie im ersten Obergeschoss besteht auch im Innern die ursprüngliche Gebäudestruktur mindestens mit den Haupttragwänden und dem Treppenhaus fort.[2]
Eine stählerne Zellentür mit zahlreichen eingeritzten Botschaften von Gefangenen befindet sich seit 1970 im Besitz des Stuttgarter Stadtarchivs.
Literatur
- Initiative für einen Gedenkort im ehemaligen Hotel Silber (Hg.): Tatort Dorotheenstraße, Stuttgart: Peter-Grohmann-Verlag 2009
Weblinks
- Überlegungen der Stadtverwaltung zum Gebäude Dorotheenstraße 10, Pressemitteilung der Stadt Stuttgart vom 22.10.2008
Nachweise
- ↑ Die genannten Aufnahmen sind reproduziert im Aufsatz von Roland Ostertag: ’’HOTEL SILBER – zum Thema. Gebäude und Stadt’’, in: Initiative für einen Gedenkort im ehemaligen Hotel Silber (Hg.): Tatort Dorotheenstraße, Stuttgart: Peter-Grohmann-Verlag 2009, S. 18-25, für die Zitate siehe ebd. S. 22 f.. Die Aufrisszeichnung von 1946 für den Wiederaufbau in derselben Broschüre S. 30 f.
- ↑ Die Informationen zu diesem und dem vorherigen Abschnitt nach Roland Ostertag: ’’Aktennotiz vom 9. März 2009’’, in: Initiative für einen Gedenkort im ehemaligen Hotel Silber (Hg.): Tatort Dorotheenstraße, Stuttgart: Peter-Grohmann-Verlag 2009, S. 26 f., der Plan von 1941 ist wiedergegeben S. 28 f.
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