- Altes Waisenhaus (Stuttgart)
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Das Alte Waisenhaus liegt an der Nordwestseite des Charlottenplatzes im Stadtbezirk Stuttgart-Mitte der Landeshauptstadt und grenzt im Norden an den Karlsplatz sowie an das westlich gelegene Hotel Silber an.
Das Alte Waisenhaus ist ein asymmetrisch-viereckiger, langgestreckter Bau mit Innenhof, der in seiner über 300-jährigen Geschichte mehrfach verändert und erweitert wurde. Ursprünglich erstreckte sich der Bau über ein halb so großes Terrain. Dieses wurde vormals als Platz für Tanz und Spiel genutzt, später dann war an der Stelle ein herrschaftlicher Hofplatz. Dieser lag vor der Stadtmauer und am seinerzeit oberirdisch fliessenden Nesenbach.[1]
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Ursprünglich war eine Kaserne für die berittene königliche Leibgarde angedacht. In diesem Sinne begannen der Architekt Professor Philipp Joseph Jenisch und Baumeister Johann Ulrich Heim im Jahr 1705 mit dem Bau einer Reiterkaserne. Dann wurde die Residenz nebst Leibgarde nach Ludwigsburg verlegt, weshalb ein neuer Widmungszweck gesucht wurde. Stuttgart einigte sich auf einen Platz mit Unterkunft für ein "Waisen-, Zucht- und Arbeitshaus". Waisenkinder und (unverschuldet) in Armut geratene Personen sollten hier aufgenommen und erzogen, bzw. vom Betteln abgehalten werden. Als Zucht- und Arbeitshaus sollte es der Läuterung von Vaganten, Trunkenbolden, Spielern, boshaften Eheleuten, Schwärmern und Fanatikern dienen. Die angefangene Kaserne wurde als Waisenhaus zu Ende gebaut. Ab 1712 konnte der barocke Bau Herberge für den vorgenannten Personenkreis stellen.[2]
Der Tagesablauf sah vor, dass um sechs Uhr morgens nach dem Beten im Bett aufgestanden wird, die Morgenwäsche sodann am Brunnen im Hof verrichtet wird, um danach Wassersuppe zu frühstücken und die Morgenandacht abzuhalten. Es folgten zwei Stunden Schulunterricht: Religion, Lesen, Schreiben, Rechnen; die Mädchen wurden in Stricken, Nähen und Flicken unterrichtet. Nach dem Unterricht stand die tägliche Arbeit wie Weben, Spinnen und Gerben an. Das Mittagessen bestand aus Gemüse oder Suppe. Zweimal in der Woche gab es Fleisch, viermal Wein zum Essen. Nach dem Mittagessen gab es einen Spaziergang, eine Betstunde und erneut Schulunterricht mit anschließender Arbeit. Der Tag klang mit einem Nachtessen und Andacht aus.[3] Uniformiert und mit geschultertem Holzgewehr mussten die Waisen im Hof unter Trommelwirbel exerzieren und singend durch die Straßen marschieren.
In der Folgezeit mauserte sich die Anstalt langsam zu einer angesehenen Schule, die mit der Verlegung des Waisenhauses nach Ellwangen allerdings 1922 abgerissen werden sollte, um einem neuen Rathaus zu weichen. 1922-1924 erfolgte stattdessen ein Umbau durch Paul Schmitthenner. Nach Fertigstellung zog im Jahr 1925 das 1917 gegründete, heutige Institut für Auslandsbeziehungen e.V. (ifa) ein. Das Gebäude hieß fortan Haus des Deutschtums.[4] Daneben bezog die Süddeutsche Rundfunk AG (Sürag) Quartier. Beide Einrichtungen waren vom Stuttgarter Unternehmer und Wirtschaftsförderer Theodor Wanner begründet worden. Der Produktionsbetrieb der Sürag wurde Ende 1942 wieder eingestellt.[5]
Nach dem Krieg wurden Kriegszerstörungen beseitigt und der Bau wiederhergestellt. Das Alte Waisenhaus beherbergte fortan Ämter, Büros, Vertriebenenverbände, die KPD Baden-Württembergs bis zu deren Verbot im Jahr 1956, einige Läden, ein Cafe, eine Gaststätte mit Biergarten und das Planie-Kino.[6]
Heutige Nutzung
Bis heute ist die ifa im Bau beherbergt. Der NABU Stuttgart unterhält in dem Bau seine Geschäftsstelle.
Weiterhin ist im Bau ein weitläufiges Restaurant (Amadeus) ansässig.[7] Im Innenhof unterhält das Restaurant einen beliebten Biergarten, der an Sommerabenden auch für kulturelle Freiluftveranstaltungen genutzt wird.[8]
Einzelnachweise
- ↑ Das Alte Waisenhaus zu Stuttgart
- ↑ Bild der Anlage
- ↑ Das Alte Waisenhaus zu Stuttgart
- ↑ Ellrich, S. 44 (Siehe Literatur)
- ↑ Ellrich, S. 42 (siehe Literaturangabe)
- ↑ Ellrich, S. 44 (siehe Literatur)
- ↑ MarcoPolo: Das Amadeus
- ↑ Stuttgart Tourist - Das Alte Waisenhaus
Literatur
- Hartmut Ellrich: Das historische Stuttgart. Michael Imhof Verlag, Petersberg 2009, ISBN 978-3-86568-381-6.
Weblinks
48.7761111111119.1819444444444Koordinaten: 48° 46′ 34″ N, 9° 10′ 55″ OKategorien:- Bauwerk in Stuttgart
- Barockbauwerk in Baden-Württemberg
- Erbaut in den 1710er Jahren
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