Hotel Silber

Hotel Silber
Stuttgarter Hotel Silber in der Dorotheenstraße 10 am Karlsplatz

Hotel Silber ist, ausgehend von seiner früheren Nutzung, der umgangssprachliche Name des Gebäudes, in dem von 1937 bis 1945 die Stuttgarter Gestapo-Zentrale untergebracht war. Es befindet sich in der Dorotheenstraße 10 am Karlsplatz unweit des Alten Schlosses. Gegenwärtig beherbergt es Büros dreier Landesministerien.

2008 gaben die baden-württembergische Landesregierung (als Besitzerin des Gebäudes) und die Firma Breuninger (als Besitzerin der benachbarten Grundstücke) ihr Vorhaben bekannt, das Hotel Silber abzureißen, um die Fläche in eine Umgestaltung des gesamten Areals, das so genannte Da Vinci Projekt, das neue Gebäude für Ministerien, ein Luxushotel, Läden und Restaurants vorsieht, einbeziehen zu können.[1][2] Gegen dieses Vorhaben setzen sich seither mehrere mit Geschichtsvermittlung befasste Initiativen zur Wehr. Der Sachstreit geht dabei auch um die Frage, wie viel an alter Bausubstanz nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs und den Umgestaltungen beim Wiederaufbau ab 1945 noch erhalten ist.

Seit Mai 2011 wird von seiten der Landesregierung einer Erhaltung des Hotels Silber der Vorzug gegeben.[3]

Hotel Silber um 1900, vor der teilweisen Zerstörung 1944

Inhaltsverzeichnis

Bau- und Nutzungsgeschichte

In einem 1816 auf dem heutigen Grundstück errichteten Wohnhaus wurde 1845 ein Gasthaus Zum Bahnhof eröffnet, einige Jahre später wurde es erweitert und erhielt den Namen Zum Bayrischen Hof. 1874 kaufte Heinrich Silber das Gebäude und baute es im Neorenaissance-Stil zum vornehmen Hotel Silber aus, das bis 1919 betrieben wurde. Unter anderem wurde darin 1903 der ADAC gegründet (zunächst als Deutsche Motorradfahrer-Vereinigung).[4] Von 1919 bis 1928 beherbergte das Haus die Oberpostdirektion der Deutschen Reichspost für Württemberg, anschließend bis 1937 das Polizeipräsidium samt seiner politischen Abteilung, dem „Württembergischen Politischen Landespolizeiamt“. Eugen Bolz, der letzte Staatspräsident des Landes Württemberg in der Weimarer Republik, wurde bereits 1933 hier vorgeladen und unter Misshandlungen in „Schutzhaft“ genommen.

Nachdem 1936 die Gestapo gegründet und die Hoheit über die politische Polizei vom Land Württemberg auf die Reichsregierung in Berlin übertragen worden war, wurde das Gebäude von 1937 bis 1944 zu deren Landeszentrale, bei weitgehender personeller Kontinuität. Hier wurden zahlreiche „Staatsfeinde“ in Haft genommen und gefoltert, darunter viele Kriegsgefangene, von hier aus wurde die Deportation der württembergischen Juden organisiert. Gemeinsam mit der Kriminalpolizei betrieb die Gestapo auch den Terror gegenüber anderen Minderheiten wie den Sinti und Roma und den Homosexuellen. Alle eigenen Dokumente der Gestapo wurden am Ende des Krieges verbrannt, erhalten blieben jedoch Berichte der Überlebenden, von Angestellten, und der Angehörigen und Freunde der Toten.

Im Keller befanden sich bis zum Herbst 1944 drei „Verwahrzellen“. Bekannte Gefangene waren Kurt Schumacher, der spätere Vorsitzende der SPD, und die Kommunistinnen Liselotte Herrmann und Lina Haag. Beim Luftangriff auf Stuttgart am 12. September 1944 wurden Teile des Gebäudes zerstört, worauf man zunächst in den noch benutzbaren Büroräumen zusammenrückte. In der Heusteigstraße wurde eine neue Gestapozentrale eingerichtet, nach einigen Wochen erfolgte der Umzug. Im „Hotel Silber“ blieben jedoch mehrere Büros, darunter die Telefonzentrale. Da auch das bisherige Polizeigefängnis in der Büchsenstraße zerstört worden war, wurde der Keller des „Hotel Silber“ sogar zu einem größeren Gefängnis ausgebaut und als solches bis zum 19. April 1945 benutzt.[5] Noch am 13. April 1945, wenige Tage vor der Übergabe der Stadt, wurden hier vier Gefangene von der Gestapo erhängt.

Das Haus wurde nach Kriegsende von den Besatzern sofort wieder als Stuttgarter Polizeizentrale genutzt, die zerstörten Teile wurden 1946/1947 neu aufgebaut. Es behielt seine Funktion bis 1984/1985, als es vom Innenministerium übernommen wurde.

Die historische Bausubstanz

Das „Hotel Silber“, im Vordergrund der Ostflügel

Bei der Schadenskartierung im Sommer 1945 wurde das Haus als „mittelschwer“ beschädigt bezeichnet, im Oktober desselben Jahres hieß es „mittel, auch zu erhalten“. Aufnahmen aus diesem Jahr zeigen, dass der östliche Gebäudeteil bis zum Dach, der westliche bis zum dritten Stockwerk von vier erhalten geblieben war. Entsprechendes geht aus den Plänen des Architekten, der den Wiederaufbau leitete, hervor. Am 8. Juli 1953 schrieb die Stuttgarter Zeitung angesichts laufender Renovierungsarbeiten am östlichen Gebäudeflügel: „Die aus dem Jahre 1898 stammende Fassade wird von ihrem steinernen Neo-Renaissance-Schmuck befreit. An Stelle der wurstartigen Erker (…) entstehen wieder normale Hausecken. Der große Balkon über dem Haupteingang ist auch schon entfernt. An seiner Stelle wird ein kleines Dach angebracht (…)“ – das auch heute noch zu sehen ist.[6]

Im Untergeschoss entsprechen die tragenden Wände, die Stützen und die meisten Türöffnungen einem erhaltenen Plan von 1941 (Stadtarchiv Stuttgart), lediglich einige Zwischenwände der Verwahrzellen und Wände zum mittleren Flur wurden nach dem Krieg entfernt. Ob sich unter dem gegenwärtigen Anstrich der ehemaligen Zellen noch der Verputz aus der Zeit der Nutzung durch die Gestapo befindet – möglicherweise mit Zeichnungen und Beschriftungen der damaligen Gefangenen – ist gegenwärtig unklar.

Im Ostflügel des Gebäudes sind im Sockelgeschoss sämtliche Schichten der Fassade bis hin zur Rustizierung erhalten. Hier wie im ersten Obergeschoss besteht auch im Innern die ursprüngliche Gebäudestruktur mindestens mit den Haupttragwänden und dem Treppenhaus fort.[7]

Eine stählerne Zellentür mit zahlreichen eingeritzten Botschaften von Gefangenen befindet sich seit 1970 im Besitz des Stuttgarter Stadtarchivs. Sie wurde zu Beginn der 80er-Jahre in einer Ausstellung über die Geschichte Stuttgarts im Dritten Reich gezeigt und kommentiert.[8]

Literatur

  • Initiative für einen Gedenkort im ehemaligen Hotel Silber (Hrsg.): Tatort Dorotheenstraße, Peter-Grohmann-Verlag, Stuttgart 2009. 74 Seiten. (Alte Fotos; viele Erstveröffentlichungen von Zeitzeugen über die Folterungen im Gestapohaus)
  • Hermann G. Abmayr (Hrsg.): Stuttgarter NS-Täter. Vom Mitläufer bis zum Massenmörder. Wir haben nur unsere Pflicht getan für Volk und Vaterland, Schmetterling Verlag, Stuttgart 2009.
  • Hartmut Ellrich: Das historische Stuttgart. Michael Imhof Verlag, Petersberg 2009, ISBN 978-3-86568-381-6.

Weblinks

 Commons: Hotel Silber – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Nachweise

  1. Stuttgarter Zeitung vom 15. Juli 2008: Breuninger und Land Hand in Hand
  2. BauNetz vom 16. Juli 2008: Da Vinci Entscheidung für Regierungszentrum Stuttgart
  3. Stuttgarter Zeitung vom 9. Mai 2011: Das Hotel Silber soll erhalten bleiben
  4. Ellrich, S. 43 (siehe Literatur)
  5. Staatsarchiv Ludwigsburg, Verfahren gegen Gottfried Mauch. Vgl. Hermann G. Abmayr (Hg.): Stuttgarter NS-Täter. Vom Mitläufer bis zum Massenmörder. Wir haben nur unsere Pflicht getan für Volk und Vaterland, Stuttgart: Schmetterling Verlag 2009, S. 145.
  6. Die genannten Aufnahmen sind reproduziert im Aufsatz von Roland Ostertag: „HOTEL SILBER – zum Thema. Gebäude und Stadt“, in: Initiative für einen Gedenkort im ehemaligen Hotel Silber (Hg.): Tatort Dorotheenstraße, Stuttgart: Peter-Grohmann-Verlag 2009, S. 18–25, für die Zitate siehe ebd. S. 22 f. Die Aufrisszeichnung von 1946 für den Wiederaufbau in derselben Broschüre S. 30 f.
  7. Die Informationen zu diesem und dem vorherigen Abschnitt nach Roland Ostertag: „Aktennotiz vom 9. März 2009“, in: Initiative für einen Gedenkort im ehemaligen Hotel Silber (Hg.): Tatort Dorotheenstraße, Stuttgart: Peter-Grohmann-Verlag 2009, S. 26 f., der Plan von 1941 ist wiedergegeben S. 28 f.
  8. Walter Nachtmann: Sie sind jedoch vergessen. Ein vergessenes Konzentrationslager mitten in Stuttgart. In: Stuttgart im Dritten Reich: Anpassung, Widerstand, Verfolgung, Stuttgart 1984. S. 566f.
48.7755879.181657

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