Infertilität

Infertilität

Unfruchtbarkeit (auch Sterilität oder Infertilität) bezeichnet in der Biologie die Unfähigkeit, gesunde Nachkommen hervorzubringen.

Unfruchtbarkeit beim Menschen beschreibt die Unfähigkeit eines Paares, ein gesundes Kind zu zeugen, auszutragen oder zur Welt zu bringen. Ein Paar gilt als steril, wenn trotz bestehenden Kinderwunsches nach einem Jahr regelmäßigem, ungeschützem Geschlechtsverkehr eine Empfängnis ausbleibt. Der Begriff Infertilität hingegen bezeichnet die Unfähigkeit, eine Schwangerschaft bis zur Geburt auszutragen, und sollte nur nach dem Auftreten von mehreren Fehlgeburten verwendet werden. Diese Auffassung orientiert sich an der Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation WHO. Seit einiger Zeit gewinnt auch die Auffassung der ESHRE (Europäische Gesellschaft für menschliche Reproduktion und Embryologie) zunehmend an Bedeutung, die erst nach zwei Jahren von Sterilität sprechen will und damit den veränderten Lebensbedingungen in den westlichen Industrienationen Rechnung trägt, zum Beispiel der größeren Mobilität der Partner.

Inhaltsverzeichnis

Epidemiologie

Unfruchtbarkeit ist nicht selten. In Mitteleuropa hat heutzutage etwa jedes sechste Paar Mühe bei der Erfüllung des Kinderwunsches. 10% der Paare benötigen länger als 2 Jahre, um Kinder zu bekommen. 3-4% der Paare bleiben ungewollt kinderlos.

Etwa ein Drittel der Unfruchtbarkeit beruht auf rein weiblichen Ursachen, ein Drittel auf rein männlichen Ursachen und bei einem Drittel der Fälle sind kombinierte Ursachen zu finden.

Je später der Wunsch zur Familiengründung, desto höher die Unfruchtbarkeit. [1] [2] Außerdem steigt mit zunehmendem Alter das Risiko einer Fehlgeburt an.

Unfruchtbarkeit bei Frauen

Faktoren die zur Unfruchtbarkeit führen können:

Primäre Sterilität bezeichnet das Nichteintreten einer Schwangerschaft nach einem Jahr regelmäßigen Geschlechtsverkehrs ohne Verhütungsmittel bei einer Frau, die noch nie konzipiert hat. Unter sekundärer Sterilität versteht man das Nichteintreten einer Schwangerschaft nach einem Jahr regelmäßigen Geschlechtsverkehrs ohne Verhütungsmittel bei einer Frau, bei der mindestens eine Schwangerschaft (gleichgültig ob es sich um einen Abort oder eine Extrauteringravidität gehandelt hat) vorausgegangen ist.

Unfruchtbarkeit bei Männern

Der Hauptfaktor ist hier die Qualität des Spermas; der Mann kann zu wenige oder keine Spermien produzieren, oder die produzierten Spermien können zu unbeweglich sein oder aufgrund verschlossener Samenleiter nicht nach außen gelangen. Die Diagnostik sollte diesbezüglich bei einem Arzt mit der Zusatzqualifikation Andrologie erfolgen.

Faktoren, welche die Samenqualität beeinflussen:

Diese Faktoren führen häufig zu einem OAT-Syndrom oder zur Azoospermie.

Faktoren, welche den Samentransport beeinflussen:

Untersuchungen zeigen ferner, dass die Samenqualität mit dem Alter abzunehmen scheint. Seit Jahren wird eine Abnahme der Spermaqualität weltweit kontrovers diskutiert.[4][5]

In den letzten Jahren wurden verschiedene Maßnahmen etabliert, die einen Erhalt der Fertilität bei Krebserkrankungen und der notwendigen Behandlung anstreben. Im deutschsprachigen Raum werden diese Maßnahmen durch das Netzwerk Fertiprotekt koordiniert und publiziert.

Immunologische Inkompatibilität der jeweiligen Partner

In wenigen Fällen kann der Vaginaltrakt eine immunologische Reaktion gegen Bestandteile des Spermas – nicht gegen die Spermien selbst – aufweisen.

Für das weibliche Immunsystem ist es nicht selbstverständlich, einen Embryo, der zur Hälfte aus fremden Genen besteht, im eigenen Körper zu dulden. Im Extremfall verhindert eine Immunreaktion die Befruchtung, in seltenen Fällen kann eine immunologische Inkompatibilität der Gene Unfruchtbarkeit verursachen. Auch im Vorfeld der Fortpflanzung kann es zu weiblichen Immunreaktionen gegen Teile von männlichen Sexualsekreten kommen. Forscher haben herausgefunden, dass bestimmte Sexualpraktiken helfen können, die für eine Befruchtung notwendige Immuntoleranz der Frau aufzubauen (vergl. untenstehenden Weblink).

Diagnostik

Die Diagnostik bei einem unerfüllten Kinderwunsch gehört immer in die Hände von Spezialisten. Grundsätzlich müssen dabei sowohl der Mann als auch die Frau mitwirken, da bei beiden mögliche Ursachen (s.o.) liegen können.

Als erstes wird grundsätzlich eine umfassende Anamnese erhoben. Dabei erfragt der behandelnde Arzt: Wie lange besteht bei Ihnen ein Kinderwunsch? Waren Sie schon früher wegen Ihres Kinderwunsches in ärztlicher Behandlung? Haben Sie eine eigene Erklärung für Ihre Kinderlosigkeit? Wie sehr leiden Sie beide unter der Kinderlosigkeit? Was hat sich in Ihrem Leben seit der Unfruchtbarkeit verändert (Partnerschaft, Beruf, Selbstwertgefühl)?

Zur Untersuchung des Mannes gehören:

  • Tast- und Ultraschalluntersuchung
  • Untersuchung des Samens (Spermiogramm): Die Samenflüssigkeit wird auf Anzahl, Gestalt und Beweglichkeit der Spermien untersucht.
  • Hormonspiegeluntersuchung: Mittels einer Blutuntersuchung werden die Hormonwerte des Mannes bestimmt (üblicherweise nur, wenn sich im Spermiogramm eine geringe Anzahl von Spermien findet)
  • Genetische Untersuchungen (Karyogramm): Ist das Spermiogramm sehr eingeschränkt, empfiehlt der Experte zu einer genetischen Untersuchung, die Aufschluss über genetische Abweichungen geben kann.
  • Hodenbiopsie: Mithilfe einer Gewebeprobe aus den Hoden kann der Arzt feststellen, ob Spermien produziert werden (üblicherweise erst, wenn das Spermiogramm sehr eingeschränkt ist).

Zur Untersuchung der Frau gehören:

  • Zyklusanamnese: Mindestenst drei bis maximal sechs Menstruationszyklen lang werden Begleiterscheinungen beobachtet und dokumentiert. Dadurch kann der Arzt feststellen, ob z.B. eine Gelbkörperschwäche vorliegt (bei verkürztem Zyklus) oder ob überhaupt kein Eisprung stattfindet (bei Ausbleiben der Menstruation).
  • Basaltemperaturkurve: Die Basaltemperatur- und die Zervixschleimmethode eignen sich sehr gut, um die fruchtbaren Tage und den Zeitpunkt des Eisprungs zu bestimmen. Die Basaltemperaturkurve hat wegen der heutzutage möglichen Hormonanalyse- und Ultraschallmethode jedoch stark an Bedeutung abgenommen.
  • Hormonwertuntersuchung
  • Tastuntersuchung zur Beurteilung der Gebärmutter und der Eierstöcke
  • vaginale Ultraschalluntersuchung zur Beurteilung der Gebärmutter und der Eierstöcke
  • Gebärmutterspiegelung: Durch dieses Verfahren erhält die Patientin Informationen über Verklebungen, Myome oder Polypen in der Gebärmutter. Ebenso können Fehlbildungen ausgeschlossen werden [6].
  • Bauchspiegelung: Die präziseste Methode um die Organe zu betrachten und Probleme festzustellen (z.B. Verwachsungen oder Myome). Abschließend kann mittels einer Gebärmutterspiegelung, einer sogenannten Hysteroskopie, Methylenblau in die Gebärmutterhöhle eingeführt werden. Das Methylenblau fließt durchgängig durch die Eileiter in die Bauchhöhle und ist bei der Bauchspiegelung sichtbar. Dies bezeichnet man auch als Chromopertubation [7].
  • Kontrastmittelsonografie: (auch: Hysterokontrastsonografie, Hysterosalpingo-Sonografie, HKSG, HSG). Mithilfe des Kontrastmittels lässt sich im Ultraschallbild erkennen, ob und wie das Kontrastmittel durch die Eileiter fließt. Die Kontrastmittelsonografie hat die früher übliche Hysterosalpingografie mehrheitlich abgelöst.
  • Hystero-Hydrosonographie: Untersuchung des Cavum uteri ohne Untersuchung der Durchgängigkeit der Eileiter, indem isotonische Kochsalzlösung in die Gebärmutterhöhle eingeführt wird. Im Ultraschall kann anschließend die durch die Flüssigkeit etwas entfaltete Gebärmutterhöhle einfacher beurteilt werden.

Behandlungsmöglichkeiten

Es gibt verschiedene Möglichkeiten Unfruchtbarkeit zu behandeln, abhängig von der Ursache:

  • Ein Körpergewicht mit einem BMI zwischen 18 und 30 soll angestrebt, ein Nikotinkonsum gestoppt und der Alltagsstress möglichst reduziert werden.
  • Hormonell herbeigeführter Eisprung, z.B. durch das Medikament Clomifen
  • Chirurgische Maßnahmen in Fällen blockierter Eileiter
  • chirurgische und eventuell hormonelle Behandlung von Endometriose, häufig gefolgt durch
  • Künstliche Insemination, dabei wird der Frau aufbereitetes Sperma des Partners in den Gebärmutterhals eingeführt.
  • Künstliche Befruchtung (In-vitro-Fertilisation, IVF), dabei werden der Frau, nach einer durch eine Hormonbehandlung hervorgerufenen Hyperovulation (das gleichzeitige Heranreifen mehrerer Eizellen), mehrere reife Eizellen entnommen, außerhalb des Körpers (in vitro) befruchtet (maximal vier Eizellen) und wieder in die Gebärmutter der Frau eingesetzt (Embryonentransfer, ET).
  • Eileiter-interner Keimzellentransfer (Intratubarer Gametentransfer), hier werden Eizellen und Sperma in die Eileiter gepflanzt, was die Befruchtung der Eizelle im Körper der Frau ermöglicht
  • Der Transfer einer befruchteten Eizelle, ähnlich wie bei der künstlichen Befruchtung, nur im Eileiter statt in der Gebärmutter
  • Eizellenspende einer anderen Frau (in Kombination mit künstlicher Befruchtung)
  • Das direkte Einführen von Spendersamen in die Gebärmutter
  • Intracytoplasmatische Spermieninjektion, wobei ein einzelnes Spermium direkt in eine Eizelle injiziert und die befruchtete(n) Eizelle(n) dann in die Gebärmutter transferiert wird (ICSI).
  • Eine Leihmutter, die das Kind austrägt. (In Deutschland und Teilen der EU strafrechtlich verboten, in Großbritannien sind Leih- und Ersatzmutterschaft grundsätzlich erlaubt, allerdings stehen die gewerbsmäßige Beteiligung an der Erstellung und Aushandlung von Vereinbarungen über die Ersatzmutterschaft einschließlich der Herstellung des dafür erforderlichen Kontakts und der Zusammenstellung von Informationen mit der Absicht, sie bei der Aushandlung der Vereinbarung zu verwenden, unter Strafe. Auch die gewerbliche Veranlassung Dritter, entsprechende Handlungen vorzunehmen, sowie die Suche nach einer Ersatzmutter oder das Anbieten der Ersatzmutterschaft in Zeitungen etc. sind strafbar (näher: Sec. 2, 3 Surrogacy Arrangements Act 1985)).

Für die angewendeten Therapien gibt es folgende Erfolgserwartungen:

Hormonstimulation mit Tabletten 1 bis 10 Prozent Erfolgsrate

Hormonstimulation und Insemination 10 bis 12 Prozent Erfolgsrate

IVF/ICSI 20 bis 30 Prozent Erfolgsrate

Moralische Aspekte

Es gibt viele moralische Debatten, die sich mit Unfruchtbarkeit und ihrer Behandlung beschäftigen, mit besonderer Rücksicht auf beteiligte Embryonen. Manche Religionen missbilligen einige oder sogar alle Fruchtbarkeitsbehandlungen, andere Religionen haben keinerlei Probleme damit.

Eine Nebendiskussion beschäftigt sich damit, ob die Behandlung durch gesetzliche Krankenkassen finanziert werden sollte – und wenn ja, wie oft.

Psychologie

Ein unerfüllter Kinderwunsch wird von vielen Betroffenen als Schicksalsschlag erlebt und ruft psychischen Schmerz und Trauer hervor. Unfruchtbarkeit und Unfruchtbarkeitsbehandlung gehen vielfach mit Stress und mit einem höheren Risiko einer posttraumatischen Belastungsstörung einher.[8]

Tiefenpsychologie

Im tiefenpsychologischen Sinn steht die Unfruchtbarkeit einer Person oder eines Volkes (eines Landes) für einen Mangel an Schaffenskraft, Kreativität und Stärke, wie in Genesis 16,1, wo die Unfruchtbarkeit Sarais beschrieben wird.

Quellen

  1. Manski, D.: Online Lehrbuch der Urologie. http://www.urologielehrbuch.de/infertilitaet.html
  2. Der Brockhaus multimedial 2006 premium. Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG, Mannheim 2006
  3. Online Ausgabe von "Human Reproduction", zitiert nach "Direkter Schaden", Süddeutsche Zeitung, 4. Januar 2007, S. 18
  4. Gies A et al. Fachgespräch "Hormonell wirkende Chemikalien und Entwicklung der Sermienqualität beim Menschen" Umweltmed Forsch Prax 6(1)2001,31-32
  5. Declining sperm counts (Editorial). BMJ 1996, 312: 457-458
  6. Hysteroskopie mit Septumdissektion http://www.unifrauenklinik-kiel.de/bauchspiegelung/kinderwunsch
  7. Chromopertubation im Film http://www.unifrauenklinik-kiel.de/bauchspiegelung/kinderwunsch
  8. Examining PTSD as a Complication of Infertility. Medscape General Medicine, 3. Mai 1997. Abgerufen am 13. Juni 2008. (englisch)

Siehe auch

Literatur

  • M. Crausaz, J. Vargas, R. Parapanov, Y. Chollet, M. Wissard, E. Stettler, A. Senn, M. Germond: First Evaluation of Human Sperm Quality in Various Geographic Regions in Switzerland. Chimia 62 (2008), 395–400. doi:10.2533/chimia.2008.395

Weblinks

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